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Die vorliegende Erfindung bezieht sich auf eine Vorrichtung und ein Verfahren zum Bestimmen einer Wandschubspannung. Ferner wird ein System zur Erkennung von Arteriosklerose gezeigt, welches die Vorrichtung umfasst. Ausführungsbeispiele zeigen ein Arteriosklerose Screening.
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Arteriosklerose ist ein unerwünschter Zustand der Gefäßwände in vaskularen Systemen. Dieser äußert sich durch lokale Veränderungen der Gefäßwand, im Allgemeinen der Arterien, in Form von Wucherungen, die zur Verengung des Kanals mit entsprechenden Konsequenzen auf den Blutfluss führen können. Das Krankheitsbild ist ebenfalls durch die Versteifung der Gefäßwände gekennzeichnet.
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Zu den Folgeerscheinungen der Arteriosklerose gehören Herzinfarkte, Thrombosen, Schlaganfälle, plötzlicher Herztod, Angina pectoris sowie Ischämie. Diese Folgeerscheinungen sind die häufigste menschliche Todesursache in den Industrienationen der westlichen Welt.
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Der Mechanismus der Wucherung und seines Wachstums ist abhängig von der Wandschubspannung, im Folgenden als WSS bezeichnet. Der direkte Zusammenhang zwischen WSS und Arteriosklerose wurde in diversen Publikationen nachgewiesen, z. B. „The role of shear stress in the pathogenesis of artherosclerosis, K. S. Cunningham, A. I. Gotlieb, Laboratory Investigation (2005) 85, p. 9–23” und entspricht dem Stand der Technik. Die WSS stimuliert die innerste Schicht der Gefäße, dem sogenannten Endothel und löst dort biologische Prozesse aus, welche beispielsweise zur Wundheilung, der sogenannten Hämostase die Zelladhäsion an dieser Schicht beeinflussen.
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Ein Abfall der WSS unter einen gewissen Grenzwert verursacht die Degeneration des Endothels und ist Ausgangspunkt für Arteriosklerose. Dieser Grenzwert wird in der Literatur auf ca. einem Pascal beziffert, die obere Grenze etwa bei fünf Pascal. Darüber hinaus findet ein Abtrag des Endothels statt. Dieser Abfall der WSS findet typischerweise an Verzweigungen und Verengungen statt, da an diesen Stellen die Blutströmung ablösen kann und sich Rezirkulationszonen ausbilden. Diese Zonen stellen eine Heterogenität in der WSS-Verteilung dar. Daher sind Verzweigungen Startpunkte der Erkrankung, welche durch Degeneration des Endothels zu weiterer Heterogenität der WSS-Verteilung und einer Ausweitung der Wucherungen führt.
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Das beschädigte Endothel erleichtert die Adhäsion von im Blut befindlichen Komponenten. Gerinnung bzw. Koagulation tritt ein und die Wachstumsimpulse für glatte Muskelzellen in der Gefäßwand werden freigesetzt und dicken diese auf. Diese Wucherung verursacht eine Verengung des durchströmten Querschnitts.
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Der Krankheitsverlauf bleibt mit dem aktuellen Stand der diagnostischen Technik über Jahre symptomlos und unbemerkt.
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Der medizinische Stand der Technik beschränkt sich auf die Diagnostik des bereits ausgebrochenen Krankheitsbildes und seiner Folgeerscheinungen sowie deren Behandlung. Im Folgenden werden diese beschrieben.
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Um den Verschluss eines Blutgefäßes zu verhindern, werden sogenannte Stents in dem verengten Blutgefäß platziert, um dieses zu weiten. Es handelt sich bei einem Stent um ein zylindrisches Schalenobjekt, welches im Fall von
DE 698 28 220 T2 oder
US 2008/0147159 A1 nach seiner Implantierung seinen Durchmesser expandiert. Der Einsatz von Stents in das Lumen erfolgt beispielsweise mittels der in
US 2009/0248032 A1 skizzierten Apparatur. Durch den Einsatz eines Stents besteht das Risiko des erneuten Verschlusses durch die aufgebrachte mechanische Last auf das Endothel. Erneute Wucherungen können ohne entsprechende Maßnahmen zur Stenose führen.
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Angiographie beschreibt die bildgebenden Verfahren zur Darstellung von Blutgefäßen. Hierzu zählen die Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT), digitale Substraktionsangiographie (DSA) und die Sonographie. Blutgefäße können mit diesen Methoden dargestellt werden, so dass Flussveränderung durch Gefäßverengung sichtbar werden. Voraussetzung hierfür ist eine signifikante Änderung des Flusses im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung.
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Medikamentös kann laut
DE 695 16 519 T2 das Wachstum von glatten Muskelzellen in der Gefäßwand gehemmt werden durch Einnahme des vorgeschlagenen Wirkstoffes.
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Der vorliegenden Erfindung liegt somit die Aufgabe zugrunde, ein verbessertes Konzept zur Diagnose und Früherkennung von Gefäßerkrankungen, die, wie beispielsweise Arteriosklerose, ihren Ausgangspunkt in Regionen unzureichender Endothelstimulation haben, zu schaffen.
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Diese Aufgabe wird durch den Gegenstand der unabhängigen Patentansprüche gelöst. Erfindungsgemäße Weiterbildungen sind in den Unteransprüchen definiert.
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Ausführungsbeispiele schaffen eine Vorrichtung zum Bestimmen einer Wandschubspannung in einem Blutgefäß mit einer Bildanalyseeinheit, die ausgebildet ist, basierend auf einer Aufnahme des Blutgefäßes eine Geometrie einer Bifurkation des Blutgefäßes zu bestimmen. Ferner weist die Vorrichtung eine Auswertungseinheit auf, die ausgebildet ist, basierend auf der bestimmten Geometrie eine Wandschubspannung in dem Blutgefäß zu bestimmen.
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Der Erfindung liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die Wandschubspannung an einer Bifurkation bzw. einer Verzweigung von Blutgefäßen alleine durch eine Geometrie der Bifukation bestimmt werden kann. Eine zu geringe Wandschubspannung ist ein Indikator für eine drohende Arteriosklerose und kann so als Merkmal für die Früherkennung dienen. Ferner sind Bifurkationen durch die Aufspaltung des Blutstroms besonders von einer zu geringen Wandschubspannung betroffen und sind somit häufig Ausgangspunkt einer beginnenden Arteriosklerose.
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Gemäß Ausführungsbeispielen ist die Auswertungseinheit ausgebildet, einen Verzweigungswinkel der Bifurkation zu bestimmen. Der Verzweigungswinkel der Bifurkation kann als eingeschlossener Winkel zwischen zwei Tangenten in dem einen Punkt, in dem sich die zweite Ableitung eines ersten und zweiten Tochterzweiges ändert, definiert sein. Ein weiteres Ausführungsbeispiel zeigt die Auswertungseinheit, die ausgebildet ist, einen ersten Radius R1 eines ersten Tochterzweiges und einen zweiten Radius R2 eines zweiten Tochterzweiges der Bifurkation zu bestimmen. Gemäß einem weiteren Ausführungsbeispiel ist die Auswertungseinheit ausgebildet, anhand des Verhältnisses des ersten zu dem zweiten Radius und des Verzweigungswinkels die Wandschubspannung zu bestimmen.
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Ausführungsbeispiele zeigen, dass die Wandschubspannung gemäß einer Farbskala kodiert dargestellt ist. Dies ist vorteilhaft, da der behandelnde Arzt durch diese computergestützte Diagnose eigentlich keine Fehldiagnosen stellen kann.
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Weitere Ausführungsbeispiele zeigen die Bildanalyseeinheit, die die Aufnahme des Blutgefäßes auf Linien, die die Gefäßlumen darstellen, reduziert. Für jede dieser Linien kann ein Radius hinterlegt sein, der in einem bekannten Verhältnis zu dem Radius des Gefäßes steht.
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Gemäß einem weiteren Ausführungsbeispiel wird die Aufnahme des Blutgefäßes durch ein bildgebendes Verfahren erhalten. Das bildgebende Verfahren kann eine Computertomographie (CT), eine Magnetresonanztomographie (MRT) oder eine digitale Subtraktionsangiogeographie (DSA) sein.
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Weitere Ausführungsbeispiele zeigen ein Verfahren zum Bestimmen einer Wandschubspannung in einem Blutgefäß.
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Gemäß einem weiteren Ausführungsbeispiel ist ein System zur Erkennung von Arteriosklerose mit der Vorrichtung und einer Bildaufnahmeeinheit zum Erzeugen der Aufnahme des Blutgefäßes gezeigt.
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Bevorzugte Ausführungsbeispiele der vorliegenden Anmeldung werden nachfolgend Bezug nehmend auf die beiliegenden Zeichnungen näher erläutert. Es zeigen:
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1 eine schematische Blockdarstellung einer Vorrichtung zum Bestimmen einer Wandschubspannung in einem Blutgefäß, die eine Bildanalyseeinheit und eine Auswertungseinheit aufweist;
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2 eine schematische Darstellung einer Aufnahme einer Bifurkation in einem Blutgefäß;
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3 eine schematische Darstellung einer Computersimulation, die eine Schubspannungsverteilung in einer Bifurkation eines Blutgefäßes simuliert;
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4 ein schematisches Diagramm der Wandschubspannung über den geometrischen Merkmalen „Asymmetrieverhältnis” und „Verzweigungswinkel” und somit den Einfluss der Geometrie einer Bifurkation auf die Wandschubspannung (WSS);
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5 das in 4 gezeigte Diagramm ergänzt um eine experimentelle Validation des Geometrie-WSS Verhältnisses;
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6 eine schematische Darstellung einer Messung des Verzweigungswinkels am Modell;
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7 eine schematische Darstellung einer Messung des Verzweigungswinkels anhand reduzierter Geometriedaten;
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8 eine schematische Blockdarstellung eines Systems zur Erkennung von Arteriosklerose; und
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9 ein schematisches Flussdiagramm eines Verfahrens zum Bestimmen einer Wandschubspannung in einem Blutgefäß.
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In der nachfolgenden Beschreibung der Figuren werden gleiche oder gleichwirkende Elemente mit den gleichen Bezugszeichen versehen, so dass deren Beschreibung in den unterschiedlichen Ausführungsbeispielen untereinander austauschbar ist.
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Ausführungsbeispiele der vorliegenden Erfindung betreffen einen Ansatz, welcher im Bereich der medizinischen Diagnostik und zur Früherkennung von Gefäßerkrankungen, die durch eine Heterogenität der Wandschubspannungsverteilung an der Kontaktschicht zwischen Blutgefäß und Blutströmung verursacht werden, verwendbar ist. Mittels bildgebender Verfahren werden Teile des Gefäßsystems digitalisiert. Hieraus werden geometrische Eigenschaften der Verzweigungen extrahiert. Diese sind der Quotient der Durchmesser der Tochterzweige sowie der Winkel, den diese Tochterzweige einschließen. Diese beiden Größen werden mit einem hinterlegten Wertebereich verglichen. Dieses nicht-invasive Verfahren ermöglicht eine Früherkennung und Risikobewertung einer möglichen Arteriosklerose.
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1 zeigt eine schematische Blockdarstellung einer Vorrichtung 5 zum Bestimmen einer Wandschubspannung in einem Blutgefäß, die eine Bildanalyseeinheit 10 und eine Auswertungseinheit 15 aufweist. Die Bildanalyseeinheit 10 ist ausgebildet, basierend auf einer Aufnahme des Blutgefäßes eine Geometrie einer Bifurkation des Blutgefäßes zu bestimmen. Die Auswertungseinheit 15 ist ausgebildet, basierend auf der bestimmten Geometrie eine Wandschubspannung in dem Blutgefäß zu bestimmen. Die Auswertungseinheit kann ferner ausgebildet sein, einen Verzweigungswinkel der Bifurkation zu bestimmen, wobei der Verzweigungswinkel der Bifurkation als eingeschlossener Winkel zwischen zwei Tangenten in einem Punkt, in dem sich die zweite Ableitung eines ersten und eines zweiten Tochterzweiges 20, 25 ändert, definiert ist. Weitere Definitionen bzw. Messverfahren zur Bestimmung des Verzweigungswinkels sind ebenfalls möglich. Ferner kann die Auswertungseinheit 15 einen ersten Radius R1 eines ersten Tochterzweiges und einen zweiten Radius R2 eines zweiten Tochterzweiges der Bifurkation bestimmen.
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2 zeigt eine schematische Darstellung einer Aufnahme einer Bifurkation 27 in einem Blutgefäß 29. Die Aufnahme kann mittels eines bildgebenden Verfahrens aus der Medizintechnik aufgenommen sein. Bildgebende Verfahren können z. B. die Computertomographie (CT), die Magnetresonanztomographie (MRT) oder die digitale Substraktionsangiogeographie (DSA) sein. Ferner kann jedoch jedes bildgebende Verfahren eingesetzt werden, dass in der Lage ist, Blutgefäße 29 darzustellen.
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2 zeigt ferner die bereits bezüglich 1 beschriebene Geometrie der Bifurkation 27 mit dem ersten Tochterzweig 20, der einen Radius R1 aufweist sowie dem zweiten Tochterzweig 25, der einen zweiten Radius R2 aufweist. Die beiden Tochterzweige 20, 25 schließen den Verzweigungswinkel α 26 ein. Ferner ist schematisch der Blutfluss gezeigt, der in dem Bereich der Verzweigung an den Außenwänden der Tochterzweige Verwirbelungen 30 aufweist. In anderen Worten ist die Wandschubspannung vor allem in Verzweigungen inhomogen verteilt, so dass diese Verzweigungen den Ausgangspunkt der Arteriosklerose darstellen. Die Durchführung erfolgt mittels eines beliebigen bildgebenden Verfahrens (CT, MRT, DSA, etc.) zur weiteren Analyse der beobachteten Blutgefäße. Es erfolgt eine Positionsermittlung der Verzweigungen und die Aufzeichnung deren geometrischer Details. Diese geometrischen Details werden auf das Asymmetrieverhältnis der Tochterzweige R1/R2 sowie dem Verzweigungswinkel 26 zwischen diesen Tochterzweigen reduziert.
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Abhängig von den Größen „Asymmetrieverhältnis” und „Verzweigungswinkel” 26 stellt sich je nach volumetrischer Flussrate eine Schubspannungsverteilung in der Verzweigung ein (siehe das Ergebnis einer entsprechenden Computersimulation dazu in 3). Die Schubspannungsverteilung wird in 3 anhand von Linien gleicher Schubspannung 32 gezeigt. Laut „Hemodynamic Shear Stress and its Role in Atherosclerosis, A. D. Malek et al., JAMA. 1999; 282(21): 2035–2042” begünstigt eine WSS von unter einem Pascal die Bildung der Arteriosklerose. Ab einer WSS von 1,5 Pascal wird von einem schützenden Genexpressionsprofil gesprochen. An dem Absinken der WSS ist eine Ablösung in dem linken Zweig in 3 erkennbar. Die WSS fällt hier unterhalb des Wertes von einem Pascal. Es besteht eine erhöhte Erkrankungswahrscheinlichkeit.
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Der Zusammenhang der WSS und der identifizierten geometrischen Merkmale „Asymmetrieverhältnis” und „Verzweigungswinkel” 26 wurde untersucht. 4 stellt den Zusammenhang dar. Eine nicht zu unterschreitende WSS wird festgelegt, z. B. der Literaturwert von einem Pascal, so dass ein definierter Bereich nicht krankheitsfördernder Geometrien aus dem Diagramm ablesbar ist. Außerhalb dieses Bereiches besteht das Risiko einer unzureichenden Stimulation der Endothelschicht und somit der Arteriosklerose.
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Die Risikobewertung für die geometrischen Eigenschaften der analysierten Bifurkation 27 wird durch einen Koeffizienten ausgedrückt. Der Koeffizient kann beispielsweise als WSS Quotient aus der in 4 ermittelten WSS, passend zu der gemessenen Geometrie und der zu erwartenden gesunden WSS gesetzt werden. So ergibt z. B. ein Quotient aus einer gemessenen WSS von 1,25 Pascal in Relation zu dem Literaturgrenzwert von 1 Pascal einen Koeffizienten von 1,25. Koeffizienten, die kleiner sind als eins stellen eine ungewünschte Abweichung und einen potentiellen Erkrankungsbeginn dar. Dieser Koeffizient reflektiert die Abweichung und stuft diese in Risikogruppen ein. Der Zusammenhang zwischen dem Koeffizientenbereich und der entsprechenden Risikogruppe kann frei gewählt werden.
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Die Risikobewertung wird den Positionen der Verzweigung aus dem bildgebenden Verfahren zugeordnet. Jedem Wert der Risikobewertung wird eine Farbe zugeordnet. Der praktizierende Arzt kann anhand der Farbskala identifizieren, an welchen Stellen die WSS eine Arteriosklerose begünstigen. Somit ist es möglich, vor Ausbruch der Krankheit Maßnahmen einzuleiten.
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Die in 4 gezeigten Daten basieren auf folgenden Postulaten und geometrischen Auswertungen.
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Gefäßerkrankungen haben ihren Ausgangspunkt an Stellen inhomogener WSS, sprich an Verzweigungsstellen. Durch die Selbstähnlichkeit des Blutgefäßsystems wird davon ausgegangen, dass eine Bifurkation durch dimensionslose geometrische Größen beschrieben werden kann.
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Ein numerisches Model verschiedener Bifurkationen wird studiert. Ein physiologischer Fluss wird angelegt. Gekoppelte Simulationen werden durchgeführt, welche die Fluid-Struktur-Interaktion mit der Gefäßwand berücksichtigen. Ein physiologisches Materialmodell liegt dem simulierten Blut zugrunde.
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Die WSS wird am Ort der Strömungsablösung ausgewertet. An diesem Ort liegt der geringste auftretende Wert der WSS vor. Die WSS wird mit der Geometrie der Bifurkation 27 in Beziehung gesetzt. Mittels „Design-of-Experiments(DoE)”-Methoden (dt.: statistische Versuchsplanung) wird der in 4 dargestellte Zusammenhang zwischen der Wandschubspannung, dem Verzweigungswinkel 26 und dem Asymmetrieverhältnis gewonnen.
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Der Verzweigungswinkel des numerischen Modells stellt die Umlenkung der Strömung dar, wie in 6 durch die Vektorpfeile 34 angedeutet. Der Winkel wird wie folgt bestimmt. Die Tochterzweige werden tangential verlängert. Im entstandenen neuen Abschnitt, also außerhalb der bisherigen Geometrie, wird der Mittelpunkt eines Kreises gesetzt. Ein weiterer Kreismittelpunkt wird im alten Abschnitt, also innerhalb der bisherigen Geometrie gesetzt. Der Abstand der beiden Kreise ist kleiner als deren gemeinsamer Radius, so dass sie sich überlappen. Die Kreise werden derart gesetzt, dass sie die Gefäßwand berühren (siehe 6). Die Kreismittelpunkte werden jeweils innerhalb der beiden Tochterzweige verbunden. Der Winkel zwischen den Verbindungen ergibt den Verzweigungswinkel.
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Abhängig von den geometrischen Eigenschaften ergibt sich ein Strömungsprofil mit entsprechender Schubspannungsverteilung. Aus diesen Datenpunkten wurde das in 4 skizzierte Konturdiagramm erstellt. Eine Validierung mit Datenpunkten, die nicht Teil der Konturdarstellung sind, wurde durchgeführt.
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Die in 4 gezeigten Daten wurden ferner experimentell validiert. Der Vergleich mit experimentellen Daten bezieht sich auf die Quelle „Branching patterns for arterioles and venules of the human cerebral cortex, F. Cassot et al., Brain Research 1313 (2010) 62–78”. In dieser Publikation werden von den Autoren festgelegte geometrische Daten von 10.000 Verzweigungen aufgezeichnet. Hierbei wurden ausschließlich gesunde Verzweigungen untersucht.
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Da von einer Selbstähnlichkeit des Verzweigungssystems ausgegangen wird, werden alle drei in der Publikation skizzierten Verzweigungstypen ALB (asymmetric lateral bifurcation, dt.: asymmetrische, laterale Bifurkation), HSB (homogeneous symmetrical bifurcation, dt.: homogene, symmetrische Bifurkation) und IEB (inter element bifurcation, dt.: Zwischenelement Bifurkation) aus 8 der Publikation, mit den hier ermittelten Verzweigungsgeometrien verglichen. Aus der Selbstähnlichkeit resultierend wird die Annahme getroffen, dass die hier untersuchten Geometrien repräsentativ für das gesamte Verzweigungssystem sind.
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Die experimentelle Untersuchung von 10.000 Verzweigungen hat einen gestreuten Wertebereich der Verzweigungswinkel über alle drei Verzweigungstypen ergeben. Die gemessenen Verzweigungswinkel befinden sich in einem inneren Bereich zwischen 80° und 110°. Die angegebene Streuung der Messwerte wird hier mit einem äußeren Bereich von 60° bis 130° berücksichtigt. Diese Bereiche wurden dem hier dargestellten Ergebnis in 5 hinzugefügt und mit 1 für den äußeren und 2 für den inneren Wert des jeweiligen Bereiches markiert. Das Asymmetrieverhältnis der Flächen wird im Mittel mit 0.686 angegeben, was dem Radienverhältnis von 0.828 entspricht.
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Der von Cassot et al. beobachtete äußere Bereich (1) entspricht dem geometrischen Bereich, für den eine WSS von mehr als einem Pascal vorliegt (5). Der innere Bereich (2) entspricht Geometrien, bei denen eine WSS von mehr als 1,5 Pascal entsteht. Ab 1,5 Pascal wird laut ”Hemodynamic Shear Stress and its Role in Atherosclerosis, A. D. Malek et al., JAMA. 1999; 282(21): 2035–2042” ein schützendes Genexpressionsprofil ausgebildet. Eine WSS im Bereich von 1 bis 1,5 Pascal liegt in Gefäßen eines gesunden vaskularen Netzwerks vor. Es kann somit gefolgert werden, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den geometrischen Eigenschaften und der zu erwartenden WSS besteht.
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Der von Cassot et al. beobachtete Mittelwert der Asymmetrie der Tochterzweige liegt ebenfalls nahe dem in 5 angegebenen Optimum von ca. 0,769.
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Der hier vorgestellte Zusammenhang zwischen den gewählten geometrischen Eigenschaften einer Verzweigung und der dazu passenden WSS konnte mit der Untersuchung von 10.000 Verzweigungen validiert werden.
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7 zeigt eine schematische Darstellung einer Bifurkation 27, die durch die Bildanalyseeinheit 10 auf Linien 35a, 35b sowie 35c, die die Gefäße darstellen, reduziert ist. Für jede der Linien 35a bis 35c kann ein Radius r0, r1, r2 hinterlegt sein, der äquivalent bzw. in einem festen Verhältnis zum Radius der Gefäße R0, R1, R2 ist (vgl. 2). Die Linien 35b bzw. 35c repräsentieren den 1. bzw. 2. Tochterzweig 20, 25.
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In anderen Worten wird durch die Verwendung von bildgebenden Verfahren ein beliebiger Ausschnitt des Gefäßsystems digitalisiert. Die Daten werden zu Linien reduziert und ein Radius für jede Linie hinterlegt. Die Bifurkationsgeometrien werden isoliert. Die Tochterzweige enden dort, wo sich das Vorzeichen ihrer zweiten Ableitung ändert. Siehe dazu auch die gestrichelte Linie 50a, 50b in 7.
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Der von den Tochterzweigen eingeschlossene Winkel beschreibt die Umlenkung der Strömung durch die beiden Tochterzweige. 7 zeigt die reduzierten Daten, die aus dem bildgebenden Verfahren folgen. Die strichpunktierten Linien sind die Tangenten 40, 45 am Ende der Tochterzweige, bevor eine Änderung der Krümmungsrichtung stattfindet, d. h. bei einem Vorzeichenwechsel der zweiten Ableitung. Der Winkel α ist der Verzweigungswinkel 26. Die Asymmetrie der Tochterzweige wird aus dem Quotienten der hinterlegten Radien der Tochterzweige ermittelt.
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Der Datensatz bestehend aus der räumlichen Verzweigungsposition, deren Verzweigungswinkel 26 und deren Asymmetrie wird gespeichert. Mittels einer Routine werden die geometrischen IST-Eigenschaften aller Bifurkationen aus dem bildgebenden Verfahren, mit den SOLL-Eigenschaften einer gesunden WSS verglichen. Eine geometrische Abweichung ist gleichbedeutende mit einer unerwünschten WSS. Das Maß der Abweichung kann in Risikogruppen eingeteilt werden. Diese können dem praktizierenden Arzt die gefährdeten Gefäße direkt in der Ausgabe seines bildgebenden Verfahrens, z. B. farblich hervorgehoben werden.
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8 zeigt eine schematische Darstellung eines Blockdiagramms eines Systems 800. Das System 800 umfasst eine Bildaufnahmeeinheit 50 zum Erzeugen der Aufnahme des Blutgefäßes sowie der Vorrichtung 5, die die Aufnahme des Blutgefäßes wie bereits beschrieben verarbeitet.
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9 zeigt ein Verfahren 900 zum Bestimmen einer Wandschubspannung in einem Blutgefäß mit einem Schritt 905 „Bestimmen einer Geometrie einer Bifurkation des Blutgefäßes mit einer Bildanalyseeinheit, basierend auf einer Aufnahme des Blutgefäßes” und einem Schritt 910 „Bestimmen einer Wandschubspannung in einem Blutgefäß mit einer Auswertungseinheit, basierend auf der bestimmten Geometrie”.
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Die beschriebene Vorrichtung, das Verfahren sowie das System ermöglichen eine einfache Diagnose eines erhöhten Gefäßerkrankungsrisikos und lokalisiert gleichzeitig die Position. Dies ermöglicht eine Früherkennung und ist somit eine erhebliche Verbesserung der Diagnostik. Darauf basierend können frühzeitige Behandlungsschritte eingeleitet werden. Ferner ist das Verfahren leicht in bestehende bildgebende Verfahren der Medizintechnik implementierbar. Ebenso ist eine nachträgliche Risikobewertung von Bildmaterial möglich. Somit können auch Aufzeichnungen von vorangegangenen Untersuchungen herangezogen werden. Darüber hinaus ist diese Methode sehr kostengünstig, wenn parallel zu gegebenenfalls notwendigen Untersuchungen oder im Nachhinein bei bereits bestehenden Untersuchungsergebnissen die Bestimmung der Wandschubspannung durchgeführt wird. In diesen Fällen ist kein zusätzlicher Aufwand nötig. Ferner beruht die Methode auf einer sehr einfachen Handhabung durch Ablesen einer Farbskala. Dadurch ist das Risiko einer Fehldiagnose seitens des Arztes praktisch ausgeschlossen.
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Das Verfahren basiert auf der geometrischen Analyse von Gefäßverzweigungen, woraus auf die vorliegende Wandschubspannung geschlossen wird. Hierfür liegt die Annahme zugrunde, dass ein geometrisches Optimum zur Homogenisierung der WSS-Verteilung existiert. Ferner wird die geometrische Charakteristik von Gefäßverzweigungen eines Patienten mit hinterlegten Daten zur Erkennung einer drohenden Gefäßerkrankung verglichen. Das facettenspezifische Verzweigungssystem wird mit der Angabe eines Erkrankungsrisikos dargestellt.
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Obwohl manche Aspekte im Zusammenhang mit einer Vorrichtung beschrieben wurden, versteht es sich, dass diese Aspekte auch eine Beschreibung des entsprechenden Verfahrens darstellen, sodass ein Block oder ein Bauelement einer Vorrichtung auch als ein entsprechender Verfahrensschritt oder als ein Merkmal eines Verfahrensschrittes zu verstehen ist. Analog dazu stellen Aspekte, die im Zusammenhang mit einem oder als ein Verfahrensschritt beschrieben wurden, auch eine Beschreibung eines entsprechenden Blocks oder Details oder Merkmals einer entsprechenden Vorrichtung dar. Einige oder alle der Verfahrensschritte können durch einen Hardware-Apparat (oder unter Verwendung eines Hardware-Apparats), wie zum Beispiel einen Mikroprozessor, einen programmierbaren Computer oder einer elektronischen Schaltung durchgeführt werden. Bei einigen Ausführungsbeispielen können einige oder mehrere der wichtigsten Verfahrensschritte durch einen solchen Apparat ausgeführt werden.
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Je nach bestimmten Implementierungsanforderungen können Ausführungsbeispiele der Erfindung in Hardware oder in Software implementiert sein. Die Implementierung kann unter Verwendung eines digitalen Speichermediums, beispielsweise einer Floppy-Disk, einer DVD, einer BluRay Disc, einer CD, eines ROM, eines PROM, eines EPROM, eines EEPROM oder eines FLASH-Speichers, einer Festplatte oder eines anderen magnetischen oder optischen Speichers durchgeführt werden, auf dem elektronisch lesbare Steuersignale gespeichert sind, die mit einem programmierbaren Computersystem derart zusammenwirken können oder zusammenwirken, dass das jeweilige Verfahren durchgeführt wird. Deshalb kann das digitale Speichermedium computerlesbar sein.
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Manche Ausführungsbeispiele gemäß der Erfindung umfassen also einen Datenträger, der elektronisch lesbare Steuersignale aufweist, die in der Lage sind, mit einem programmierbaren Computersystem derart zusammenzuwirken, dass eines der hierin beschriebenen Verfahren durchgeführt wird.
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Allgemein können Ausführungsbeispiele der vorliegenden Erfindung als Computerprogrammprodukt mit einem Programmcode implementiert sein, wobei der Programmcode dahin gehend wirksam ist, eines der Verfahren durchzuführen, wenn das Computerprogrammprodukt auf einem Computer abläuft.
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Der Programmcode kann beispielsweise auch auf einem maschinenlesbaren Träger gespeichert sein.
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Andere Ausführungsbeispiele umfassen das Computerprogramm zum Durchführen eines der hierin beschriebenen Verfahren, wobei das Computerprogramm auf einem maschinenlesbaren Träger gespeichert ist. Mit anderen Worten ist ein Ausführungsbeispiel des erfindungsgemäßen Verfahrens somit ein Computerprogramm, das einen Programmcode zum Durchführen eines der hierin beschriebenen Verfahren aufweist, wenn das Computerprogramm auf einem Computer abläuft.
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Ein weiteres Ausführungsbeispiel der erfindungsgemäßen Verfahren ist somit ein Datenträger (oder ein digitales Speichermedium oder ein computerlesbares Medium), auf dem das Computerprogramm zum Durchführen eines der hierin beschriebenen Verfahren aufgezeichnet ist.
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Ein weiteres Ausführungsbeispiel des erfindungsgemäßen Verfahrens ist somit ein Datenstrom oder eine Sequenz von Signalen, der bzw. die das Computerprogramm zum Durchführen eines der hierin beschriebenen Verfahren darstellt bzw. darstellen. Der Datenstrom oder die Sequenz von Signalen kann bzw. können beispielsweise dahin gehend konfiguriert sein, über eine Datenkommunikationsverbindung, beispielsweise über das Internet, transferiert zu werden.
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Ein weiteres Ausführungsbeispiel umfasst eine Verarbeitungseinrichtung, beispielsweise einen Computer oder ein programmierbares Logikbauelement, die dahin gehend konfiguriert oder angepasst ist, eines der hierin beschriebenen Verfahren durchzuführen.
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Ein weiteres Ausführungsbeispiel umfasst einen Computer, auf dem das Computerprogramm zum Durchführen eines der hierin beschriebenen Verfahren installiert ist.
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Ein weiteres Ausführungsbeispiel gemäß der Erfindung umfasst eine Vorrichtung oder ein System, die bzw. das ausgelegt ist, um ein Computerprogramm zur Durchführung zumindest eines der hierin beschriebenen Verfahren zu einem Empfänger zu übertragen. Die Übertragung kann beispielsweise elektronisch oder optisch erfolgen. Der Empfänger kann beispielsweise ein Computer, ein Mobilgerät, ein Speichergerät oder eine ähnliche Vorrichtung sein. Die Vorrichtung oder das System kann beispielsweise einen Datei-Server zur Übertragung des Computerprogramms zu dem Empfänger umfassen.
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Bei manchen Ausführungsbeispielen kann ein programmierbares Logikbauelement (beispielsweise ein feldprogrammierbares Gatterarray, ein FPGA) dazu verwendet werden, manche oder alle Funktionalitäten der hierin beschriebenen Verfahren durchzuführen. Bei manchen Ausführungsbeispielen kann ein feldprogrammierbares Gatterarray mit einem Mikroprozessor zusammenwirken, um eines der hierin beschriebenen Verfahren durchzuführen. Allgemein werden die Verfahren bei einigen Ausführungsbeispielen seitens einer beliebigen Hardwarevorrichtung durchgeführt. Diese kann eine universell einsetzbare Hardware wie ein Computerprozessor (CPU) sein oder für das Verfahren spezifische Hardware, wie beispielsweise ein ASIC.
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Die oben beschriebenen Ausführungsbeispiele stellen lediglich eine Veranschaulichung der Prinzipien der vorliegenden Erfindung dar. Es versteht sich, dass Modifikationen und Variationen der hierin beschriebenen Anordnungen und Einzelheiten anderen Fachleuten einleuchten werden. Deshalb ist beabsichtigt, dass die Erfindung lediglich durch den Schutzumfang der nachstehenden Patentansprüche und nicht durch die spezifischen Einzelheiten, die anhand der Beschreibung und der Erläuterung der Ausführungsbeispiele hierin präsentiert wurden, beschränkt sei.
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Die Arbeiten, die zu dieser Erfindung führten, wurden durch Mittel aus dem European Union Seventh Framework Programme (FP7/2007–2013) under Grant Agreement n° 263416 unterstützt.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 69828220 T2 [0009]
- US 2008/0147159 A1 [0009]
- US 2009/0248032 A1 [0009]
- DE 69516519 T2 [0011]
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- The role of shear stress in the pathogenesis of artherosclerosis, K. S. Cunningham, A. I. Gotlieb, Laboratory Investigation (2005) 85, p. 9–23 [0004]
- Hemodynamic Shear Stress and its Role in Atherosclerosis, A. D. Malek et al., JAMA. 1999; 282(21): 2035–2042 [0037]
- Branching patterns for arterioles and venules of the human cerebral cortex, F. Cassot et al., Brain Research 1313 (2010) 62–78 [0047]
- Cassot et al. [0050]
- Hemodynamic Shear Stress and its Role in Atherosclerosis, A. D. Malek et al., JAMA. 1999; 282(21): 2035–2042 [0050]
- Cassot et al. [0051]