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Die Erfindung bezieht sich auf ein Fahrerassistenz-Teilsystem für ein Kraftfahrzeug zum Ermitteln eines Steuerparameters für ein Fahrerassistenzsystem.
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Das zunehmende Verkehrsaufkommen in deutschen Ballungszentren sorgt für eine immer höhere Belastung des Fahrers. Dadurch steigt insbesondere auch das Unfallrisiko. Ein Ansatz, um Kollisionen zu vermeiden, ist die Entwicklung von warnenden und/oder verzögernd eingreifenden Fahrerassistenzsystemen.
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Ein kollisionsvermeidendes Fahrersystem in einem Kraftfahrzeug versucht üblicherweise die Absicht des Fahrers dieses systemeigenen Kraftfahrzeuges (Egofahrzeug) zu ermitteln. Hierzu wird beispielsweise auf die Offenlegungsschrift
DE 10 2006 040 537 A1 verwiesen, wonach auf die Absicht des Fahrers eines Egofahrzeuges zu einem eigenen Spurwechsel in Abhängigkeit von Lenkbewegungen in Verbindung mit dem Blinker-Signal und einer gleich bleibenden Geschwindigkeit im Egofahrzeug geschlossen wird.
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Neben diesen die Sicherheit des Fahrers gewährleistenden Fahrerassistenzsystemen ist auch eine Vielzahl von Fahrerassistenzsystemen bekannt, welche den Fahrer in seiner normalen Fahraufgabe unterstützen sollen. Beispiele für derartige Komfort-Fahrerassistenzsysteme sind Geschwindigkeitsregelsysteme mit und ohne eine Abstandshaltefunktion zum Vordermann, oder Spurhaltesysteme.
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Grundsätzlich werden z. B. bei Geschwindigkeitsregelsystemen mit Abstandshaltefunktion bei einer Folgefahrt die Daten des als Zielobjekt klassifizierten vorausfahrenden Objekts in einer nur sehr geringen Form berücksichtigt. Dabei werden bspw. bei einer Folgefahrt, bei der sich ein Zielobjekt mit langsamerer als der eingestellten Sollgeschwindigkeit vor dem Fahrzeug befindet, der Abstand und die Geschwindigkeit des Fahrzeugs basierend auf der vorgegebenen Sollgeschwindigkeit und dem vorgegebenen Abstand zu dem Zielobjekt geregelt.
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Aus der
DE 10 2008 057 367 A1 ist bereits ein Geschwindigkeitsregelsystem mit Abstandshaltefunktion bekannt, bei dem zusätzlich zu den Daten (Abstand) des Zielobjekts relevante Daten eines vor dem Zielobjekt befindlichen vorausfahrenden Objekts ermittelt und ausgewertet werden, um unterschiedliche Dynamikausprägungen des Geschwindigkeitsregelsystems darstellen zu können. Aus der
DE 10 2006 056 631 A1 ist bekannt, die aktuelle Verkehrssituation bei der Ermittlung eines Beschleunigungs- und/oder Verzögerungssollwertes derart zu berücksichtigten, indem aus den Daten zur Ermittlung der Verkehrssituation eine Stauwahrscheinlichkeit ermittelt wird und diese bei der Ermittlung der des Beschleunigungssollwertes und/oder Verzögerungssollwertes berücksichtigt wird.
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Diese Systeme ermöglichen bereits auf Basis der ermittelten Daten des Verkehrsumfeldes eine an das Verkehrsgeschehen angepasste Reaktion des Fahrerassistenzsystems.
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Weiter ist aus der noch unveröffentlichten
DE 10 2013 213 006 A1 ein Fahrerassistenz-Teilsystem bekannt, das bereits mögliche Handlungsoptionen von zumindest einem weiteren Verkehrsteilnehmer ermittelt und im Rahmen der Steuerung oder Regelung des Fahrerassistenzsystems berücksichtigt. Dabei können basierend auf definierten erfassten Parametern aus der Vergangenheit den erfassten Verkehrsteilnehmern auch Eigenschaftsmerkmale zuteilt werden, welche bei der Schätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit der Handlungsoption berücksichtigt werden können.
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Es ist Aufgabe der Erfindung, ein Fahrerassistenzsystem eingangs genannter Art im Hinblick auf eine an das natürliche Verhalten eines Fahrers angepasste Fahrzeugführung weiter zu verbessern.
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Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch den Gegenstand des Patentanspruchs 1 gelöst. Die abhängigen Patentansprüche sind vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung.
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Der Erfindung liegen folgende Überlegungen, Erkenntnisse und Ideen zugrunde:
Aktuelle Fahrerassistenzsysteme reagieren auf im Egofahrzeug sensorisch erkannte Messwerte von in der näheren Umgebung befindlichen relevanten Verkehrsteilnehmern. Dabei wird grundsätzlich angenommen, dass sich diese Verkehrsteilnehmer wie bisher weiterbewegen oder die Bewegung entsprechend dem ermittelten aktuellen Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer angepasst wird. Diese Annahme stimmt nicht immer mit der Realität überein, woraus für den Fahrer des eigenen Fahrzeuges (Egofahrzeug) nicht erwartungskonforme Fahrzeugführungen durch die Assistenzsysteme resultieren können.
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Im Gegensatz dazu beobachtet der Fahrer bei einer völlig eigenständigen Fahrzeugführung (ohne eine Unterstützung entsprechender Fahrerassistenzsysteme) in der Regel die relevanten Verkehrsteilnehmer über einen längeren Zeitraum und kann somit das grundsätzliche Fahrerverhalten der Verkehrsteilnehmer abschätzen. Dieses Wissen berücksichtigt der Fahrer – zum Teil auch völlig unbewusst – bei seiner Führungsaufgabe.
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Die vorliegende Anmeldung beinhaltet nun ein Konzept zur Berücksichtigung des Fahrerverhaltens bei der Ermittlung eines Steuerparameters für ein den Fahrer bei seiner Fahraufgabe unterstützendes Fahrerassistenzsystem.
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Hierzu ist erfindungsgemäß ein Fahrerassistenz-Teilsystem für ein Kraftfahrzeug zur Ermittlung eines Steuerparameters für das Fahrerassistenzsystem vorgesehen, wobei
- – die im Umfeld des Kraftfahrzeugs befindlichen Verkehrsteilnehmer und ggf. die relevanten Verkehrsumweltinformationen beobachtbar sind, wobei
- – aus den beobachteten Verkehrsteilnehmern eine Relevanz der Verkehrsteilnehmer als Zielobjekt für das Fahrerassistenzsystem ermittelbar ist, wobei
- – bei einer Relevanz eines Verkehrsteilnehmers als Zielobjekt für das Fahrerassistenzsystem dem Zielobjekt vorgegebene Eigenschaftsmerkmale zuweisbar sind, wobei
- – diese Eigenschaftsmerkmale in Form von Fahrerverhaltens-Kenngrößen zuweisbar sind, wobei
- – die Fahrerverhaltens-Kenngrößen abhängig von vorgegebenen für das Zielobjekt erfassten Parametern ermittelbar sind,
- – wobei aus den ermittelten Fahrerverhaltens-Kenngrößen ein Bewertungsindex ermittelbar ist, und wobei
- – der Bewertungsindex bei der Ermittlung der Steuergröße berücksichtigbar ist.
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Mit anderen Worten ausgedrückt werden somit aus den vorliegenden relevanten Daten der anderen Verkehrsteilnehmer zunächst die für das Fahrerassistenzsystem relevanten Verkehrsteilnehmer identifiziert und durch Beobachtung und Auswertung der relevanten Daten dieser Verkehrsteilnehmer über einen bestimmten längeren Zeitraum für diese Verkehrsteilnehmer Fahrerverhaltens-Kenngrößen für eine oder mehrere Eigenschaftsmerkmale ermittelt, die darüber eine Auskunft geben, in welchem Maße eine bestimmte Eigenschaft beim Fahrer des relevanten Zielobjekts ausgeprägt ist. Die Fahrerverhaltens-Kenngröße kann zum Beispiel eine Aussage über nicht messbare Eigenschaften des Fahrers, wie z. B. die Aggressivität, enthalten. Ziel ist dabei nicht eine quantitative Schätzung, sondern eine qualitative Schätzung der Eigenschaften des Fahrers. Als Aggressiv kann ein nicht soziales Fahrverhalten verstanden werden, das an die Toleranzgrenze der anderen Verkehrsteilnehmer stößt, oder diese sogar überschreite. Weiter können die Fahrerverhaltens-Kenngrößen bspw. auch eine qualitative Aussage zur Aufmerksamkeit des Fahrers des Zielobjekts und/oder zu seiner Fahrerfahrung und/oder zu seinem Sicherheitsbedürfnis im Straßenverkehr treffen. Aus den ermittelten Fahrerverhaltens-Kenngrößen wird durch eine geeignete Auswertelogik ein einziger Bewertungsindex ermittelt, der dann bei der Ermittlung zumindest einer Steuergröße des Fahrerassistenzsystems berücksichtigt wird, so dass dem Fahrerverhalten in geeigneter Weise Rechnung getragen werden kann.
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Vorteilhafterweise ist dabei für vorgegebene Situationsgruppen, die eine oder auch mehrere vorgegebene Situationen umfassen kann, eine Fahrerverhaltens-Kenngröße abhängig von vorgegebenen für das Zielobjekt erfassten Parametern, insbesondere von ermittelten Parameterverläufen während der entsprechenden Situation ermittelbar. So kann z. B. eine Fahrerverhaltens-Kenngröße für eine Verzögerungssituation bei einer erforderlichen Geschwindigkeitsreduzierung aufgrund eines Verkehrszeichens ermittelt werden. Dabei wird die entsprechende Kenngröße idealerweise durch Auswertung der Fahrzeugverzögerung während dieser Situation, also ab einer bestimmten Wegstrecke vor dem Geschwindigkeitsbegrenzungsschild bis zum Erreichen (oder bis zu einer bestimmten Wegstrecke nach Erreichen) des Geschwindigkeitsbegrenzungsschildes ermittelt. Um eine qualifizierte Aussage bzw. Fahrerverhaltens-Kenngröße zu erhalten, ist die Fahrerverhaltens-Kenngröße nicht nur durch eine einmalige Beobachtung des Parameters während einer derartigen Situation sondern durch Berücksichtigung und Auswertung des Parameters bei jeder derartigen Situation ermittelbar.
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In einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung ist eine Fahrerverhaltens-Kenngröße abhängig von der Abweichung der vorgegebenen für das Zielobjekt erfassten Parametern – insbesondere von ermittelten Parameterverläufen – während der entsprechenden Situation zu zu dieser Situation gespeicherten Standard-Parametern – insbesondere gespeicherten Standard-Parameterverläufen – ermittelbar. Anknüpfend an oben genanntes Beispiel kann bspw. für eine entsprechende Geschwindigkeitsbegrenzungssituation ein Standard(Verzögerungs-)parameter-Verlauf für einen komfortorientierten Fahrer, für einen aggressiven Fahrer, und/oder einen energieeffizienzbewussten Fahrer hinterlegt sein. Durch Vergleich des ermittelte Verzögerungs-Verlaufs des relevanten Zielobjekts mit den hinterlegten Parameterverläufen, kann eine Einschätzung des Fahrerverhaltens und somit eine entsprechende Fahrerverhaltens-Kenngröße bei derartigen Geschwindigkeitsbegrenzungssituationen ermittelt werden. Die Fahrerverhaltens-Kenngröße kann bspw. derart ausgestaltet sein, dass diese einen Wert zwischen 0 und 1 annehmen kann, wodurch das der Fahrerverhaltens-Kenngröße zugehörige Eigenschaftmerkmal gewichtet wird.
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Wie bereits oben dargelegt wurde, können eine oder mehrere Fahrerverhaltens-Kenngrößen ermittelt werden. Vorteilhafterweise ist als Fahrerverhaltens-Kenngröße z. B. eine das Aggressionsverhalten im Straßenverkehr kennzeichnende Eigenschaft und/oder eine die Aufmerksamkeit kennzeichnende Eigenschaft und/oder eine das fahrerische Können/die Fahrerfahrung kennzeichnende Eigenschaft und/oder eine das Sicherheitsbedürfnis kennzeichnende Eigenschaft des Fahrers des Zielobjekts ermittelbar. Zumindest eine dieser Fahrerverhaltens-Kenngrößen kann durch Auswertung relevanter Daten bei einer der folgenden definierten Situationen ermittelbar sein:
- – Während einer das Beschleunigungsverhalten aufzeigenden Beschleunigungssituation, insbesondere einer das Beschleunigungsverhalten bei Erhöhung der erlaubten Maximalgeschwindigkeit aufzeigenden Beschleunigungssituation in Abhängigkeit vom Geschwindigkeitsverlauf und/oder von der Beschleunigung des Zielobjekts,
- – während einer das Verzögerungsverhalten aufzeigenden Verzögerungssituation, insbesondere einer das Verzögerungsverhalten bei einer vorgegebenen Reduzierung der erlaubten Maximalgeschwindigkeit aufzeigenden Verzögerungssituation in Abhängigkeit vom Geschwindigkeitsverlauf und/oder von der Verzögerung des Zielobjekts,
- – während einer das Regelkonformitätsverhalten aufzeigenden Freifahrtsituation in Abhängigkeit der Über- oder Unterschreitung der erlaubten Maximalgeschwindigkeit, und/oder
- – während eines das Regelkonformitätsverhalten aufzeigenden Überholvorganges bei geltenden Überholverboten nach Linienführung (durchgezogene Fahrbahnmarkierung), Beschilderung oder StVO (z. B. Rechtsüberholverbot), und/oder
- – während einer das Abstandsverhalten zu einem vorausfahrenden Objekt aufzeigenden Abstandssituation in Abhängigkeit vom ermittelten Abstand zwischen dem Zielobjekt und dem vorausfahrenden Objekt,
- – während einer das Querführungsverhalten innerhalb der Fahrspur, insbesondere bezogen auf Spurmitte und/oder bezogen auf die Spurmarkierungen aufzeigenden Querführungs-Situation in Abhängigkeit von einem die Querführung des Zielobjekts aufzeigenden Querführungsparameter,
- – während einer das Querführungsverhalten aufzeigenden Fahrt in gekrümmten Fahrspuren/Kurven, bei der die vom Fahrer gewählte bzw. maximal akzeptierte Querbeschleunigung und gegebenenfalls das Abkürzen bzw. Schneiden von Kurven beobachtet wird, und/oder
- – während einer das Verhalten an Ampeln, insbesondere einer während eines Signalwechsels aufzeigenden Ampelsituation, und/oder
- – während einer das Verhalten in Gefahrensituationen (z. B. im Bereich einer Baustelle oder eines Unfalls, oder bei einem Polizei-, Feuerwehr, oder Notarzteinsatz) aufzeigenden Gefahrensituation in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit und/oder der Beschleunigung und/oder der Verzögerung und/oder einem die Querführung aufzeigenden Parameter des Zielobjekts, und/oder
- – während einer das Abstandsverhalten aufzeigenden Folgefahrt des Zielfahrzeugs in Abhängigkeit von Abstand, Relativgeschwindigkeit oder Zeitlücke des Zielfahrzeugs zu wiederum seinem eigenen Zielfahrzeug, und/oder
- – während einer das Abstandsverhalten aufzeigenden Spurwechselsituation in Abhängigkeit der akzeptierten Verkehrsfreiräume zwischen Fahrzeugen auf der Zielspur des Spurwechsels, und/oder
- – während einer das Abstandsverhalten aufzeigenden Verkehrsführungssituation in Abhängigkeit der verbleibenden Fahrspurlänge einer endenden Spur, und/oder
- – während einer das Spurwechselverhalten aufzeigenden Beobachtung der relative Spurwechselhäufigkeit des Zielobjekts.
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Analog der erfindungsgemäßen Vorrichtung kann ein entsprechendes Verfahren zur Ermittlung eines Steuerparameters für ein Fahrerassistenzsystem folgende Verfahrensschritte umfassen:
- – Beobachten der im Umfeld des Kraftfahrzeugs befindlichen Verkehrsteilnehmer,
- – ermitteln einer Relevanz der Verkehrsteilnehmer als Zielobjekt für das Fahrerassistenzsystem aus den beobachteten Verkehrsteilnehmern,
- – Zuweisen von Eigenschaftsmerkmalen zu den ermittelten relevanten Zielobjekten in Form von Fahrerverhaltens-Kenngrößen,
- – wobei die Fahrerverhaltenskenngrößen abhängig von vorgegebenen für das Zielobjekt erfassten Parametern ermittelt werden,
- – Ermitteln eines Bewertungsindexes aus den ermittelten Fahrerverhaltens-Kenngrößen und
- – Berücksichtigung des Bewertungsindexes bei der Ermittlung der Steuergröße für das Fahrerassistenzsystem.
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Sowohl das erfindungsgemäße Fahrerassistenz-Teilsystem, als auch ein entsprechend ausgestaltetes Verfahren können bevorzugt zur Ermittlung eines Steuerparameters für ein Geschwindigkeitsregelsystem mit Abstandsfunktion eingesetzt werden. So kann bei Erkennen eines aggressiven Fahrerverhaltens vor Geschwindigkeitsbegrenzungen und/oder eines Querführungsverhaltens, das auf einen unaufmerksamen Fahrer schließen lässt, der Abstands-Sollwert vergrößert und/oder der Beschleunigungs-Sollwert zum Erreichen oder Einhalten des vorgegebenen Sollabstands zu dem Zielobjekt reduziert werden. Als weitere Maßnahme kann bei Erkennen eines aggressiven Fahrers hinter dem maßgeblichen Kraftfahrzeug, wobei dem Fahrer aufgrund seines Drängelns das aggressive Fahrverhalten zugeordnet wird, ein automatischer Spurwechsel eingeleitet, oder ein Aufforderungshinweis zum Einleiten eines Spurwechsels ausgegeben werden.
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Weitere Details und Vorteile der Erfindung werden anhand nachfolgender Beschreibung in Verbindung mit der Zeichnung näher erläutert. Dabei zeigt
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1 eine schematische Darstellung des allgemeinen Gesamtkonzeptes der Erfindung,
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2 ein Beispiel einer ersten Situation, die eine Information über eine Fahrereigenschaft liefern kann,
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3 ein Beispiel einer zweiten Situation, die eine Information über eine Fahrereigenschaft liefern kann, und
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4a–g sieben verschiedene Verkehrsszenarien, aus denen beispielhaft die Fahrverhaltenskenngrößen abgeleitet werden, worauf die Ermittlung einer Steuergröße eines Geschwindigkeitsregelsystems mit Abstandsfunktion folgt.
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In 1 ist ein erfindungsgemäßes Fahrerassistenz-Teilsystem 1 insbesondere in Form einer elektronischen Steuereinheit für ein Kraftfahrzeug zur Ermittlung eines Steuerparameters s für ein Geschwindigkeitsregelsystem dargestellt. Das Fahrerassistenz-Teilsystem 1 empfängt von einer hier nicht dargestellten Umfelderfassungseinheit (RADAR, LIDAR, Video) alle relevanten Daten rDVT der im Umfeld des Kraftfahrzeugs befindlichen Verkehrsteilnehmer. In Verbindung mit den relevanten Daten rDEGO des eigenen Kraftfahrzeugs werden zunächst mittels einer ersten Auswerteeinheit E1 alle Verkehrsteilnehmer hinsichtlich ihrer Relevanz für die Geschwindigkeitsregelung des Kraftfahrzeugs beurteilt und somit relevante Zielobjekte ZO klassifiziert.
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Für die als Zielobjekt ZO klassifizierten Verkehrsteilnehmer erfolgt in einer nächsten Auswerteeinheit E2 unter Verwendung der relevanten Daten der Verkehrsumgebung rDVU eine Auswertung vorgegebener Daten (z. B. der Geschwindigkeit vZO, der Querbewegung qZO und/oder der Abstand des Zielobjekts zu einem vor dem Zielobjekt vorausfahrenden Objekt dZOvO) dahingehend, dass den Zielobjekten ZO in Abhängigkeit der über einen längeren Zeitraum betrachteten relevanten Daten (insb. in bestimmten Situationen) Eigenschaftsmerkmale in Form von Fahrerverhaltens-Kenngrößen KG1, KG2 und KG3 zugewiesen werden. So kann z. B. eine Fahrerverhaltens-Kenngröße eine das Aggressionsverhalten im Straßenverkehr kennzeichnende Eigenschaft und/oder eine die Aufmerksamkeit des Zielobjekt-Fahrers kennzeichnende Eigenschaft und/oder eine das fahrerische Können/die Fahrerfahrung des Zielobjekt-Fahrers kennzeichnende Eigenschaft wiedergeben bzw. bewerten. Die Fahrerverhaltens-Kenngrößen KG1, KG2 und KG3 können einen Wert zwischen 0 und 1 annehmen kann, wodurch das der Fahrerverhaltens-Kenngröße zugehörige Eigenschaftmerkmal entsprechend gewichtet wird. Beträgt z. B. die das Aggressionsverhalten qualitativ beschreibende Fahrerverhaltens-Kenngröße den Wert 0,1, so bedeutet das, dass der Fahrer nur ein sehr geringes Aggressionsverhalten im Straßenverkehr zeigt. Ist der Wert der Fahrerverhaltens-Kenngröße jedoch bei 0,9, so deutet das auf einen sehr aggressiven Fahrer hin.
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Diese Zuweisung der Fahrerverhaltens-Kenngrößen KG1, KG2 und KG3 erfolgt derart, dass beim Auftreten vorgegebenen Situationen Sit1 bis Sit6 die für die jeweilige Situation Sit1 bis Sit6 relevanten Parameterverläufe vZO, dZOvO oder qZO unter Verwendung der relevanten Daten der Verkehrsumgebung rDVU ermittelt und mit zu dieser Situation gespeicherten Standard-Parameterverläufen verglichen werden. So wird z. B. zur Ermittlung einer das Aggressionsverhalten des Fahrers qualitativ kennzeichnenden Fahrerverhaltens-Kenngröße KG1 aus den ermittelten Geschwindigkeitsdaten des Zielobjekt vZO an einer startenden Geschwindigkeitsbegrenzung das Verzögerungsverhalten des Fahrers bzw. des Fahrzeugs betrachtet und daraus die entsprechende Fahrerverhaltens-Kenngröße KG1 abgeleitet. Je öfter eine derartige Verzögerungssituation bei einer startenden Geschwindigkeitsbegrenzung vorliegt und das entsprechende Verzögerungsverhalten ausgewertet werden kann, desto genauer gibt die Fahrerverhaltens-Kenngröße das grundsätzliche Fahrerverhalten wieder. Analog zur qualitativen Betrachtung der Beschleunigung(skennlinie) an startenden Geschwindigkeitsbegrenzungen kann auch eine qualitative Betrachtung von Fahrtrajektorien des Zielobjekts bzgl. der Spurmitte oder sonstigen Spurbegrenzungsmarkierungen und/oder eine qualitative Betrachtung des Abstandsverhaltens des Zielobjekt zu vor dem Zielobjekt befindlichen vorausfahrenden Objekten und/oder eine qualitative Betrachtung der akzeptierten Verkehrsfreiräume auf der Zielspur eines Spurwechsels und/oder der qualitativen Betrachtung des Spurwechselverhaltens bezüglich der Ausnutzung der verbleibenden Spurlänge bei endenden Fahrspuren und/oder eine qualitative Betrachtung der Regelkonformität bei geltenden Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Überholverboten erfolgen und daraus entsprechende Fahrerverhaltens-Kenngrößen KG1, KG2 und KG3 abgeleitet werden.
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Grundsätzlich versteht sich von selbst, dass bei der Ermittlung der Fahrerverhaltens-Kenngrößen eine oder mehrere Situationen betrachtet werden können, und auch die betrachteten Situationen bei der Ermittlung einer oder mehrerer Fahrerverhaltens-Kenngrößen berücksichtigt werden können.
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Aus diesen ermittelten Fahrerverhaltens-Kenngrößen KG1, KG2 und KG3 wird anschließend mittels einer weiteren Auswerteeinheit E3 durch eine geeignete Auswertelogik ein einziger Bewertungsindex BInd ermittelt. Dieser Bewertungsindex BInd kann bspw. ein Korrekturfaktor für eine zu bildende Steuergröße des Fahrerassistenzsystems sein. Die Auswertelogik kann bei der Ermittlung des den Bewertungsindex BInd z. B. eine vorgegebene Priorisierung der Kenngrößen nach allgemeinen Gesichtspunkten berücksichtigen. Ebenso kann die Auswertelogik derart aufgebaut sein, dass der Bewertungsindexes BInd stets auf Basis derjenigen Kenngröße KG1, KG2 oder KG3 ermittelt wird, welche das größte Gefahrenpotential aufzeigt.
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Nachdem der Bewertungsindex BInd ermittelt wurde, wird dieser der Ermittlungseinheit E4 zugeführt und bei der Ermittlung der Steuergröße s für das Geschwindigkeitsregelsystem entsprechend berücksichtigt.
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Anhand der 2 und 3 wird nun auf die Ermittlung einer Fahrerverhaltens-Kenngröße aufgrund des Fahrerverhaltens in bestimmten Situationen eingegangen.
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So zeigt die 2 einen Geschwindigkeitsverlauf zur Darstellung des Verzögerungsverhaltens an einer startenden Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h, wobei die Geschwindigkeit vx über die Wegstrecke dx aufgetragen ist. In diesem Beispiel sind drei verschiedene Standard-Parameterveriäufe ECO, SPORT und COM für die Geschwindigkeitsabnahme im Bereich der startenden Geschwindigkeitsbegrenzung dargestellt. Der Standard-Parameterverlauf ECO gibt an, wie der Geschwindigkeitsverlauf (bzw. der negative Beschleunigungsverlauf) bei einem durchschnittlichen Fahrer mit verbrauchsorientierter Fahrweise aussehen würde. Ein verbrauchsorientierter Fahrer würde bereits weit vor dem Geschwindigkeitsbegrenzungsschild vom Gas gehen und sich im Schubbetrieb dem Schild nähern. Mit Erreichen des Geschwindigkeitsbegrenzungsschilds würde dieser dann in etwa mit konstanter Geschwindigkeit weiterfahren.
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Im Gegensatz dazu zeigt der Standard-Parameterverlauf SPORT das Fahrverhalten eines Fahrers mit sportlicher oder aggressiver Fahrweise. Ein sportlicher Fahrer würde grundsätzlich erst kurz vor oder mit Erreichen des Geschwindigkeitsbegrenzungsschildes die Geschwindigkeit mit einem starken Bremseingriff (also mit hoher Verzögerung) reduzieren. Abschließend zeigt der dritte Standard-Parameterverlauf COM das Verzögerungsverhalten eines komfortorientierten Fahrers an. Dieser würde zwar auch erst relativ spät die Geschwindigkeit reduzieren, jedoch mit einer wesentlich geringeren Verzögerung als der sportliche Fahrer.
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Im Rahmen der Ermittlung der Fahrerverhaltens-Kenngrößen kann nun der Geschwindigkeitsverlauf sit1ZO des Zielobjekts mit den hinterlegten Standard-Parameterverläufen ECO, SPORT und COM verglichen werden. Durch den Vergleich ist erkennbar, dass das Verzögerungsverhalten des Zielobjekt-Fahrers nahezu identisch mit dem Verzögerungsverhalten eines komfortorientieren Fahrers ist, allerdings der Zeitpunkt der Verzögerung erst später eintritt. Aufgrund der nahezu identischen Verzögerung des Zielobjekt-Fahrers mit der aus der COM-Kennlinie abgeleiteten Verzögerung eines durchschnittlichen komfortorientieren Fahrers kann bei der Ermittlung der Fahrerverhaltens-Kenngröße, die Aufschluss über grundsätzliche Fahrerverhalten des Zielobjekt-Fahrers in Routinesituationen liefern soll, der Wert dieser Fahrerverhaltens-Kenngröße entsprechend einem komfortorientieren Fahrer gewählt werden.
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Eine zeitliche Verzögerung des Starts der Verzögerung des Fahrzeugs im Vergleich zum komfortorientieren Fahrer könnte auf einen unaufmerksamen Fahrer schließen und entsprechend bei der Ermittlung der Fahrerverhaltens-Kenngröße, die Aufschluss über die Aufmerksamkeit des Zielobjekt-Fahrers liefern soll, entsprechend berücksichtigt werden.
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Die 3 zeigt eine qualitative Betrachtung von Fahrtrajektorien jF, eF und mF von möglichen „Durchschnitts-Fahrern” mit bestimmten Fahrereigenschaften. Der Standard-Parameterverlauf eF könnte zum Beispiel eine mögliche durchschnittliche Fahrtrajektorie in Bezug auf die Spurmitte dSM eines aufmerksamen Fahrers zeigen. Der Standard-Parameterverlauf jF könnte eine durchschnittliche Fahrtrajektorie in Bezug auf die Spurmitte dSM eines noch unerfahrenen Fahrers oder eines Fahrers mit geringen Querführungsfähigkeiten zeigen. Dieser Standard-Parameterverlauf jF zeigt, dass der Fahrer Probleme hat, sein Fahrzeug konstant in der Spurmitte zu halten. Schließlich zeigt der Standard-Parameterverlauf mF die mögliche Fahrtrajektorie eines beispielsweise müden Fahrers. Hier ist erkennbar, dass der Fahrer sich kontinuierlich der Spurmitte (oder der Spurbegrenzung) nähert. Sobald er dies bemerkt korrigiert er seine Fahrtrajektorie durch eine schnelle Lenkbewegung, so dass sich das Fahrzeug wieder in der Spurmitte bewegt. Durch einen Vergleich einer vom Zielobjekt erfassten Fahrtrajektorie mit den hinterlegten Standard-Fahrtrajektorien lässt sich auf die Aufmerksamkeit und/oder die Fahrerfahrung des Fahrers schließen und bei der Ermittlung der Fahrerverhaltens-Kenngrößen, welche Aufschluss über die Aufmerksamkeit des Fahrers und/oder die Fahrerfahrung (sog. Driver skills) liefern sollen, entsprechend berücksichtigen.
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Die 4 zeigt insgesamt sieben verschiedene weitere Verkehrssituationen 4a–4g, in denen ein Kraftfahrzeug EGO aufgrund der aktiven Geschwindigkeitsregelung einem als Zielobjekt ZO identifizierten Fahrzeug, welches langsamer als die eingestellte Sollgeschwindigkeit fährt, in einem vorgegebenen Abstand folgt. Während der Beobachtungszeit des Zielfahrzeugs ZO werden Fahrverhaltenskenngrößen abgeleitet.
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In der 4a wird davon ausgegangen, dass sich der Fahrer des Zielobjekts ZO unauffällig verhält, d. h. seine konstante Fahrweise lässt auf einen erfahren, aufmerksamen Fahrers schließen. Eine Anpassung der Sollgeschwindigkeit, des Sollabstands und/oder weiterer Steuerparameter zur Regelung der der Fahrzeuggeschwindigkeit erscheint nicht notwendig.
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In der 4b wird durch eine am Kraftfahrzeug EGO angebrachte Sensorik erkannt, dass das Zielobjekt ZO innerhalb der eigenen Fahrspur stark schwankt. Dies lässt möglicherweise auf einen unerfahrenen oder unaufmerksamen Fahrer schließen. Durch Berücksichtigung dieser Erkenntnis bei der Ermittlung der Fahrerverhaltens-Kenngrößen und dem daraus abgeleiteten Bewertungsindex kann der ohne diese Information ermittelte Steuerparameter (z. B. der Sollabstand) derart korrigiert werden, dass ein größerer Sollabstand zum Zielobjekt ZO vorgegeben wird.
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In der 4c wird durch die am Kraftfahrzeug EGO angebrachte Sensorik erkannt, dass das Zielobjekt ZO nur einen sehr geringen Abstand dZOvO zu wiederum seinem Zielfahrzeug vO einhält. Dies lässt z. B. auf einen Fahrer mit aggressiver Fahrweise (bzw. mit nicht sozial konformem Fahrverhalten, das an die Toleranzgrenzen der anderen Verkehrsteilnehmer stößt oder diese sogar überschreitet) schließen.
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In der 4d wird durch die am Kraftfahrzeug EGO angebrachte Sensorik erkannt, dass das Zielfahrzeug ZO in eine Lücke dEGOZO bzw. dZOvO auf der Spur des Fahrzeugs EGO einschert, in der nur ein sehr geringer Freiraum zum vorausfahrenden Fahrzeug vO und zum folgenden Fahrzeug EGO gegeben ist. Durch den Spurwechsel des Zielobjekts ZO wird gegebenenfalls sogar eine starke Verzögerung des Fahrzeugs EGO erzwungen, um einen nötigen Sicherheitsabstand wiederherzustellen. Dies lässt insbesondere auf einen Fahrer mit aggressiver Fahrweise schließen.
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In der 4e wird durch die am Kraftfahrzeug EGO angebrachte Sensorik erkannt, dass das Zielfahrzeug ZO bei einer endenden Spur die verbleibende Spurlänge dZOSE bis zum Spurende SE stark ausnutzt. Dies lässt z. B. auf einen erfahrenen Fahrer schließen.
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In der 4f wird durch die am Kraftfahrzeug EGO angebrachte Sensorik erkannt, dass das Zielfahrzeug ZO gegen geltende Verkehrsvorschriften verstößt, indem es bei geltendem Zeichen 276 (Überholverbot für Kraftfahrzeuge aller Art) auf der rechten Fahrspur überholt und einen Spurwechsel bei durchgezogener Mittellinie durchführt. Dies lässt insbesondere auf einen Fahrer mit aggressiver Fahrweise schließen.
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In der 4g wird durch die am Kraftfahrzeug EGO angebrachte Sensorik erkannt, dass das Zielfahrzeug ZO in einer gekrümmten Fahrspur den Fahrweg abkürzt (die Kurve schneidet). Weiterhin wird auf Basis der bekannten Spurkrümmung, sowie der aktuellen Geschwindigkeit und Position des Zielfahrzeugs ZO seine maximale Querbeschleunigung aquer_max errechnet. Aus einem stark kurvenschneidenden Verhalten und einer hohen akzeptieren Querbeschleunigung lässt sich auf einen Fahrer mit aggressiver Fahrweise schließen.
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Durch Berücksichtigung dieser Erkenntnisse bei der Ermittlung der Fahrerverhaltens-Kenngrößen und dem daraus abgeleiteten Bewertungsindex kann der ohne diese Information ermittelte Steuerparameter (z. B. der Sollabstand oder Beschleunigung zum Erreichen und Halten des Sollabstands) derart korrigiert werden, dass bspw. ein größerer Sollabstand zum Zielobjekt ZO und/oder nur eine geringere Beschleunigung vorgegeben wird.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102006040537 A1 [0003]
- DE 102008057367 A1 [0006]
- DE 102006056631 A1 [0006]
- DE 102013213006 A1 [0008]