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Stand der Technik
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Die
Erfindung betrifft eine Abstandsregelvorrichtung für Kraftfahrzeuge,
mit einem Ortungssystem zur Ortung von vorausfahrenden Fahrzeugen
auf der eigenen Spur und auf Nebenspuren, einem Regler zur Regelung
der Geschwindigkeit des eigenen Fahrzeugs in Abhängigkeit
vom Abstand zu einem auf der eigenen Spur vorausfahrenden Fahrzeug, und
einem Bewertungsmodul zur Bewertung einer Einscherwahrscheinlichkeit
für auf einer Nebenspur geortete Fahrzeuge.
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Solche
Abstandsregelvorrichtungen werden auch als ACC-Systeme (Adaptive
Cruise Control) bezeichnet und ermöglichen insbesondere
auf Autobahnen und gut ausgebauten Landstraßen eine beträchtliche
Erhöhung des Fahrkomforts. Als Ortungssystem ist zumeist
ein Radarsensor vorgesehen, doch kann alternativ oder ergänzend
auch ein monokulares oder biokulares Videosystem, ein Lidar-Sensor
und, für kleine Abstände, auch ein Ultraschallsensor
eingesetzt werden. Das Ortungssystem ortet nicht nur Fahrzeuge,
die auf der von dem eigenen Fahrzeug befahrenen Spur fahren, sondern
auch Fahrzeuge auf Nebenspuren und ist aufgrund eines gewissen Winkelauflösungsvermögens
auch in der Lage, den Lateralabstand der vorausfahrenden Fahrzeuge
zu messen und zu entscheiden, ob sich ein geortetes Fahrzeug auf
der eigenen Spur oder auf einer Nebenspur befindet. Das auf der
eigenen Spur unmittelbar vorausfahrende Fahrzeug wird dann als Zielobjekt
für die Abstandsregelung ausgewählt.
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Wenn
ein Fahrzeug, insbesondere ein langsameres Fahrzeug, von einer Nebenspur
in die Lücke zwischen dem eigenen Fahrzeug und dem vorausfahrenden
Fahrzeug einschert, so sollte das System in der Lage sein, den Einscherer
möglichst frühzeitig zu erkennen, damit der Regler
rechtzeitig für eine Anpassung der Geschwindigkeit sorgen
kann. Aus diesem Grund weisen bekannte ACC-Systeme häufig
ein Bewertungsmodul auf, das anhand der dynamischen Daten des auf
der Nebenspur georteten Fahrzeugs eine Einscherwahrscheinlichkeit
für dieses Fahrzeug berechnet. Wenn diese Einscherwahrscheinlichkeit
einen bestimmten Schwellenwert überschreitet, wird eine
Reaktion des Reglers ausgelöst, und das einscherende Fahrzeug
wird dann anstelle des bisher verfolgten Fahrzeugs als Zielobjekt
ausgewählt.
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In
DE 10 2004 013 818 wird
ein System zur Erkennung von Einschervorgängen vorgeschlagen, das
auf einem Zustandsautomaten basiert.
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DE 10 2004 047 084 beschreibt
ein System, bei dem die Einscherwahrscheinlichkeit mit Hilfe einer
Fuzzy-Logic bestimmt wird. Letztlich beruht jedoch auch hier die
Entscheidung, ob der Regler auf den potentiellen Einscherer reagieren
soll, auf einer Ja/Nein-Aussage.
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Die
bisher in der Praxis eingesetzten ACC-Systeme sind generell für
Fahrten mit relativ hoher Geschwindigkeit vorgesehen und lassen
sich deshalb nur oberhalb einer bestimmten Grenzgeschwindigkeit
von beispielsweise 30 km/h aktivieren. Es gibt jedoch Bestrebungen,
den Einsatzbereich der ACC-Systeme auf den niedrigen Geschwindigkeitsbereich
zu erweitern, so daß beispielsweise auch in Stausituationen
oder im Stadtverkehr eine Erhöhung des Fahrkomforts erreicht
wird. Da jedoch bei niedrigen Geschwindigkeiten im allgemeinen auch
die Fahrzeugabstände relativ gering sind und Spurwechselvorgänge
der anderen Verkehrsteilnehmer relativ häufig auftreten,
erhält die rechtzeitige Erkennung und die angemessene Reaktion
auf potentielle Einscherer hier ein besonderes Gewicht.
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Offenbarung der Erfindung
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Aufgabe
der Erfindung ist es, eine Abstandsregelvorrichtung zu schaffen,
die eine der jeweiligen Verkehrssituation angemessenere Reaktion
auf potentielle Einscherer ermöglicht.
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Diese
Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst,
daß die Vorrichtung ein Reaktionsmodul aufweist, das in
Abhängigkeit von der Einscherwahrscheinlichkeit eine abgestufte
Reaktion des Reglers auslöst.
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Die
Frage, ob in Anbetracht eines potentiellen Einscherers eine Anpassung
der Geschwindigkeit des eigenen Fahrzeugs vorgenommen werden soll,
wird bei diesem System somit nicht mit "ja" oder "nein" beantwortet,
sondern vielmehr wird die Einscherwahrscheinlichkeit in der Form
eines mehrwertigen Signals vom Bewertungsmodul übernommen und
die Reaktion des Reglers ist dann in dem Sinne abgestuft, daß die Änderung
der Regelstrategie um so gravierender ausfällt, je höher
die Einscherwahrscheinlichkeit ist.
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Diese
Lösung hat den Vorteil, daß das System in der
Lage ist, eine Geschwindigkeitsanpassung im Hinblick auf einen eventuellen
Einscherer vorbeugend vorzunehmen, schon bevor sich entscheiden läßt,
ob wirklich ein Einschervorgang stattfindet. Damit wird eine bessere
Anpassung des Systemverhaltens an das intuitive Verhalten eines
erfahrenen Kraftfahrers erreicht, der z. B., wenn er sich nicht
sicher ist, ob ein Fahrzeug von einer Nebenspur einscheren wird,
vorsichtshalber darauf verzichten wird, das eigene Fahrzeug zu beschleunigen
und dichter zu dem vorausfahrenden Fahrzeug aufzuschließen. Auf
diese Weise wird insbesondere bei hoher Verkehrsdichte den anderen
Verkehrsteilnehmern ein gefahrloserer Spurwechsel ermöglicht.
Wenn sich dann im weiteren Verlauf zeigt, daß der potentielle Einscherer
doch keinen Spurwechsel vornimmt, kann in dem Maße, in
dem die Einscherwahrscheinlichkeit abnimmt, wieder der ursprüngliche
Sollabstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug hergestellt werden.
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Dieses
Systemverhalten führt somit weder zu einem möglichen
Zeitverlust noch zu einer Behinderung des Nachfolgeverkehrs, trägt
jedoch insbesondere bei Fahrten mit niedriger Geschwindigkeit und
geringen Fahrzeugabständen erheblich dazu bei, das Unfallrisiko
zu senken. Darüber hinaus wird eine komfortablere Fahrweise
erreicht, da durch die "vorausschauende" Reaktion auf potentielle
Einscherer abrupte Verzögerungsvorgänge vermieden
werden können.
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Vorteilhafte
Ausgestaltungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen
angegeben.
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Die
abgestufte Reaktion auf einen potentiellen Einscherer besteht in
einer Modifikation der für eine normale Verfolgungsfahrt
geltenden Regelstrategie, und diese Modifikation kann als Funktion
der Einscherwahrscheinlichkeit sowohl hinsichtlich ihrer Art als
auch hinsichtlich ihrer Intensität variieren.
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Beispielsweise
kann die Modifikation bei geringer Einscherwahrscheinlichkeit einfach
nur darin bestehen, daß die im Rahmen der Regelstrategie
zulässige maximale positive Beschleunigung alim begrenzt
wird. Bei der Einscherwahrscheinlichkeit P = 0 stimmt alim mit
dem Grenzwert überein, der für die normale Regelstrategie
bei der Verfolgung eines Zielobjekts vorgesehen ist. Mit zunehmender
Einscherwahrscheinlichkeit wird alim dann
stetig reduziert. Wenn das Zielobjekt beschleunigt, wird auf diese Weise
verhindert, daß das eigene Fahrzeug in gleichem Maße
beschleunigt. So wird die für den potentiellen Einscherer
geschaffene Lücke vergrößert, und es
wird der für die Fahrzeuginsassen unkomfortable Effekt
vermieden, daß das eigene Fahrzeug zunächst beschleunigt
und dann, wenn das Fahrzeug auf der Nebenspur sicher als Einscherer
erkannt wird, relativ scharf wieder verzögert werden muß.
Mit zunehmende Einscherwahrscheinlichkeit sinkt alim dann
auf einen vorbestimmten Minimalwert, beispielsweise auf 0, ab. Dieser
Minimalwert wird jedoch vorzugweise schon bei einer weit unter 1
liegenden Einscherwahrscheinlichkeit erreicht.
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Bei
noch größerer Einscherwahrscheinlichkeit besteht
dann die Modifikation der Regelstrategie stattdessen oder zusätzlich
darin, daß der Sollabstand zum Zielobjekt vergrößert
wird, um eine größere Lücke für
den Einscherer zu schaffen. Bei einer normalen Folgefahrt ist der
Sollabstand durch eine vom Fahrer innerhalb gewisser Grenzen wählbare
Zeitlücke τ bestimmt, die den zeitlichen Abstand
zwischen dem Zielobjekt und dem eigenen Fahrzeug angibt. Der Sollabstand
ist somit geschwindigkeitsabhängig. Damit auch die Vergrößerung
des Sollabstands die gleiche Geschwindigkeitsabhängigkeit
aufweist, ist es zweckmäßig, die Zeitlücke τ um
einen bestimmten Wert Δτ zu vergrößern,
wobei Δτ stetig als Funktion von P zunimmt. Bei
einer bestimmten Einscherwahrscheinlichkeit, die immer noch deutlich
kleiner ist als 1, erreicht Δτ dann z. B. einen
Wert, der der für den Einscherer benötigten Lücke
entspricht.
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Bei
noch größerer Einscherwahrscheinlichkeit erfolgt
dann ein Wechsel des Zielobjekts, d. h., es wird nicht mehr auf
den Abstand zu dem bisher verfolgten Fahrzeug geregelt, sondern
auf den Abstand zu dem potentiellen Einscherer.
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Damit
jedoch die Reaktion bei diesem Zielobjektwechsel nicht zu heftig
und unkomfortabel ausfällt, wird dabei die maximal zulässige
Verzögerung (negative Sollbeschleunigung) als Funktion
von P variiert, d. h., der untere Grenzwert a– lim für die Sollbeschleunigung wird
in Abhängigkeit von P stetig verringert, bis schließlich
bei der Einscherwahrscheinlichkeit P = 1 der untere Grenzwert gilt,
der für eine normale Verfolgungsfahrt vorgesehen ist. Von
diesem Augenblick ab wird somit das einscherende Fahrzeug als ein
"normales" Zielobjekt behandelt.
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Das
Bewertungsmodul berechnet die Einscherwahrscheinlichkeit P vorzugsweise
in Abhängigkeit von mehreren dynamischen Parametern, die vom
Ortungssystem für das auf der Nebenspur geortete Fahrzeug
gemessen werden. Diese Parameter umfassen insbesondere den Lateralabstand
Y des potentiellen Einscherers sowie dessen laterale Geschwindigkeitskomponente
Vy.
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Vorzugsweise
wird auch die Differenzgeschwindigkeit ΔV berücksichtigt,
d. h., die Differenz zwischen der Geschwindigkeit V1 des eigenen
Fahrzeugs und der Geschwindigkeit V2 des potentiellen Einscherers.
Im Prinzip kann diese Differenzgeschwindigkeit ΔV = V1 – V2
sowohl positiv als auch negativ sein. Bei positiver Differenzgeschwindigkeit, d.
h., wenn das einscherende Fahrzeug schneller ist, wird jedoch im
allgemeinen keine Systemreaktion erforderlich sein, und die Einscherwahrscheinlichkeit wird
dann nur für die Entscheidung über den Zielobjektwechsel
benötigt. Für die Berechnung der Einscherwahrscheinlichkeit
genügt es daher, den Absolutbetrag der Differenzgeschwindigkeit
zu betrachten.
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Vorzugsweise
fließt der Betrag der Differenzgeschwindigkeit so in die
Einscherwahrscheinlichkeit ein, daß die Einscherwahrscheinlichkeit
P mit zunehmender Differenzgeschwindigkeit abnimmt. Dahinter steht
die Überlegung, daß der Fahrer des Fahrzeugs auf
der Nebenspur, wenn er wirklich einscheren will, seine Geschwindigkeit
an die Geschwindigkeit anpassen wird, die auf der Spur gefahren
wird, auf die er wechseln will. Eine große Differenzgeschwindigkeit
ist daher ein Indiz dafür, daß der Fahrer keinen Spurwechsel
beabsichtigt.
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Weiterhin
ist es zweckmäßig, bei der Berechnung der Einscherwahrscheinlichkeit
neben dem absoluten Lateralabstand Y des potentiellen Einscherers
auch den relativen Lateralabstand Yrel zu
berücksichtigen. Dieser relative Lateralabstand gibt den
Lateralabstand des potentiellen Einscherers im Verhältnis
zum mittleren Lateralabstand der anderen Fahrzeuge an, die auf der
betreffenden Nebenspur fahren.
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Das
hat den Vorteil, daß man einen zutreffenderen Wert für
die Einscherwahrscheinlichkeit in den Fällen enthält,
in denen die Fahrzeuge auf der Nebenspur ein Hindernis umfahren
müssen oder in denen eine Spurverengung stattfindet wie
beispielsweise bei der Einfahrt in eine Baustelle. In diesen Fällen
wird der Lateralabstand aller auf der Nebenspur fahrenden Fahrzeuge
abnehmen, was die unrealistische Konsequenz hätte, daß die
Einscherwahrscheinlichkeit für sämtliche Fahrzeuge
auf der Nebenspur zunähme, wenn man nur den absoluten Lateralabstand
berücksichtigten würde. Der relative Lateralabstand
zeigt dagegen an, inwieweit sich der potentielle Einscherer anders
verhält als die übrigen Fahrzeuge auf der Nebenspur.
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Für
die Berechnung des relativen Lateralabstands können zum
einen die Lateralabstände aller übrigen Fahrzeuge
gemessen werden, die zu dem aktuellen Zeitpunkt auf der Nebenspur
geortet werden können. Um eine größere
statistische Basis zu erhalten, ist es jedoch zweckmäßig,
die Lateralabstände aller auf der Nebenspur überholenden
oder überholten Fahrzeuge fortlaufend zu messen und aus
diesen Lateralabständen einen gleitenden Mittelwert zu
bilden, mit dem dann der Lateralabstand des potentiellen Einscherers
verglichen werden kann.
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Auf
analoge Weise ist es bei der Berechnung der Einscherwahrscheinlichkeit
auch möglich, ergänzend zu der absoluten Lateralgeschwindigkeit
Vy des potentiellen Einscherers eine relative
Lateralgeschwindigkeit des potentiellen Einscherers zu berechnen
und auszuwerten.
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Für
die Berechnung der Einscherwahrscheinlichkeit P, die von zwei oder
mehreren der oben genannten dynamischen Parameter abhängig ist,
sind verschiedene Algorithmen denkbar. Beispielsweise ist es möglich,
für jeden in Betracht gezogenen Parameter zunächst
eine Teilwahrscheinlichkeit zu berechnen, die durch eine fest vorgegebene Funktion
dieses einen Parameters gegeben ist und die zwischen 0 und 1 variiert.
Aus den so erhaltenen Teilwahrscheinlichkeiten für die
verschiedenen Parameter läßt sich dann eine gewichtete
Summe bilden, um die Gesamt-Einscherwahrscheinlichkeit P zu erhalten.
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Die
Gewichtsfaktoren können empirisch so bestimmt werden, daß sie
der Wichtigkeit der verschiedenen Einflußgrößen
entsprechen. Beispielsweise wird man generell dem absoluten und/oder
relativen Lateralversatz und der Lateralgeschwindigkeit ein höheres
Gewicht geben als der Differenzgeschwindigkeit ΔV. Außerdem
sollten die Gewichtsfaktoren so normiert werden, daß ihre
Summe gleich 1 ist, damit auch die Gesamt-Einscherwahrscheinlichkeit
P in keinem Fall größer werden kann als 1.
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Sofern
im Fahrzeug ein Videosystem vorhanden ist, mit dem Spurmarkierungen
auf der Fahrbahn erkannt werden können, läßt
die Einscherwahrscheinlichkeit auch durch Auswertung des Videobildes
bestimmen oder präzisieren. Gegebenefalls kann auch berücksichtigt
werden, ob im Videobild zu erkennen ist, daß der Fahrer
des potentiellen Einscherfahrzeugs den Blinker gesetzt hat.
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Kurze Beschreibung der Zeichnungen
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Ein
Ausführungsbeispiel der Erfindung ist in den Zeichnungen
dargestellt und in der nachfolgenden Beschreibung näher
erläutert.
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Es
zeigen:
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1 ein
Blockdiagramm einer Abstandsregelvorrichtung gemäß der
Erfindung;
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2 eine
Skizze einer Verkehrssituation, zur Erläuterung der Funktionsweise
der Abstandsregelvorrichtung;
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3 Diagramme
zur Erläuterung von Teilschritten bei der Berechnung einer
Einscherwahrscheinlichkeit;
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4 ein
Diagramm zur Illustration eines letzten Schrittes bei der Berechnung
der Einscherwahrscheinlichkeit; und
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5 ein
Diagramm zur Erläuterung von unterschiedlichen Systemreaktionen
in Abhängigkeit von der Einscherwahrscheinlichkeit.
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Ausführungsform der
Erfindung
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Die
in 1 gezeigte Abstandsregelvorrichtung umfaßt
als Ortungssystem einen Radarsensor 10, der vorn im Fahrzeug
eingebaut ist und mit dem die Abstände, Relativgeschwindigkeiten
und Azimutwinkel von georteten Objekten, insbesondere von vorausfahrenden
Fahrzeugen, gemessen werden.
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Kernstück
der Abstandsregelvorrichtung ist ein elektronisches Datenverarbeitungssystem 12 mit zugehöriger
Software, das die Daten des Radarsensors 10 auswertet und
auf Aktoren des Antriebssystems und des Bremssystems des hier nur
symbolisch dargestellten Fahrzeugs 14 einwirkt. Speziell
soll es sich in dem hier betrachteten Beispiel um eine Abstandsregelvorrichtung
handeln, die auch im unteren Geschwindigkeitsbereich, bis hin zur
Geschwindigkeit 0, aktivierbar ist. Die Grundfunktionen einer solchen
Abstandsregelvorrichtung (ACC-System) sind als solche bekannt und
werden deshalb hier nur durch einen Funktionsblock symbolisiert,
der als Regler 16 bezeichnet werden soll. Gesondert dargestellt
sind in 1 lediglich ein Bewertungsmodul 18 und
ein Reaktionsmodul 20.
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Das
Bewertungsmodul 18 dient dazu, anhand der vom Radarsensor 10 gemessenen
und im Regler 16 aufbereiteten Ortungsdaten für
jedes auf einer Nebenspur geortete Fahrzeug eine Einscherwahrscheinlichkeit
zu berechnen, das heißt, eine Wahrscheinlichkeit dafür,
daß das betreffende Fahrzeug in Begriff ist, auf die von
dem eigenen Fahrzeug befahrene Spur zu wechseln.
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Das
Reaktionsmodul 20 dient dazu, die vom Regler 16 verfolgte
Regelstrategie in Abhängigkeit von der berechneten Einscherwahrscheinlichkeit
so zu modifizieren, daß im Hinblick auf potentielle Einscherer
ein angepaßtes Systemverhalten erreicht wird.
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Bei
dem regulären Verhalten des Reglers 16, ohne Berücksichtigung
von Einscherern, ist zu unterscheiden zwischen einer Freifahrtsituation,
in der kein vorausfahrendes Fahrzeug in der eigenen Spur geortet
wird, und einer Folgefahrtsituation, in der ein unmittelbar in der
eigenen Spur vorausfahrendes Fahrzeug als Zielobjekt verfolgt wird.
In der Freifahrtsituation wird statt dessen auf eine vom Fahrer
gewählte Wunschgeschwindigkeit geregelt. Eine Reaktion
auf Einscherer wird in erster Linie in einer Folgefahrtsituation
erforderlich sein, kann jedoch unter Umständen auch in
einer Freifahrtsituation angebracht sein, wenn das eigene Fahrzeug
von einem anderen Fahrzeug "geschnitten" wird. Bei den nachstehenden
Erörterungen steht die Folgefahrtsituation im Vordergrund.
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2 illustriert
eine Situation, in der das eigene, mit der Abstandsregelvorrichtung
ausgerüstete Fahrzeug 14 auf der rechten Spur 22 einer
zweispurigen Fahrbahn fährt und ein vorausfahrendes Fahrzeug,
das Zielobjekt 24, verfolgt, wobei der Abstand D zum Zielobjekt 24 auf
eine vom Fahrer gewählte Zeitlücke τ geregelt
wird.
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Die
linke Nebenspur 26 der Fahrbahn weist im gezeigten Beispiel
eine Spurverengung 28 auf. Ein auf der Nebenspur 26 fahrendes
Fahrzeug 30 wird durch die Spurverengung veranlaßt,
die Geschwindigkeit zu reduzieren und etwas nach rechts auszuweichen.
Hinter dem Fahrzeug 30 folgt auf der Nebenspur 26 ein
Fahrzeug 32, das möglicherweise im Begriff ist,
in die Lücke zwischen dem eigenen Fahrzeug 14 und
dem Zielobjekt 24 einzuscheren.
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Das
Bewertungsmodul 18 berechnet für das Fahrzeug 32,
den potentiellen Einscherer, eine Einscherwahrscheinlichkeit P und
wertet dazu die folgenden dynamischen Parameter des Fahrzeugs 32 aus:
- – eine Differenzgeschwindigkeit ΔV
= |V1 – V2| zwischen der Geschwindigkeit V1 des eigenen Fahrzeugs 14 und
der Geschwindigkeit V12 des potentiellen Einscherers (berücksichtigt
wird hier nur die Geschwindigkeitskomponente in Richtung der Längsachse
des eigenen Fahrzeugs 14),
- – den Lateralabstand Y des Fahrzeugs 32, d.
h., den Abstand zwischen diesem Fahrzeug und der Mitte des eigenen
Fahrzeugs 14 in Querrichtung der Fahrbahn,
- – die Lateralgeschwindigkeit Vy des Fahrzeugs 32,
d. h., die Geschwindigkeitskomponente dieses Fahrzeugs quer zur
Fahrbahn (positiv bei Annäherung an die vom Fahrzeug 14 befahrene Spur)
und
- – einen relativen Lateralabstand Yrel des
Fahrzeugs 32.
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Der
relative Lateralabstand Yrel ist gegeben durch
den Quotienten aus dem absoluten Lateralabstand Y des Fahrzeugs 32 und
dem mittleren Lateralabstand Yave der übrigen
Fahrzeuge, die auf der Nebenspur 26 fahren, hier repräsentiert
durch den Lateralabstand des Fahrzeugs 30.
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Die
Differenzgeschwindigkeit V kann in einer modifizierten Ausführungsform
auch durch die Geschwindigkeit des Zielobjekts 24 beeinflußt
sein, z. B. indem man die Differenz zwischen der mittleren Geschwindigkeit
der Fahrzeuge 14 und 24 und der Geschwindigkeit
V2 des Fahrzeugs 32 bildet. Die Geschwindigkeit des Zielobjekts 24 kann
sich beispielsweise dann deutlich von der Geschwindigkeit des eigenen
Fahrzeugs 14 unterscheiden, wenn das eigene Fahrzeug gerade
erst auf das Zielobjekt 24 auffährt und noch nicht
den Sollabstand erreicht hat.
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Die
Lateralgeschwindigkeit Vy ist durch die zeitliche
Ableitung des vom Radarsensor 10 gemessenen Lateralabstands
Y gegeben.
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Sofern
der Radarsensor 10 in der Lage ist, die Breite eines georteten
Objekts zu messen oder zumindest abzuschätzen, oder sofern
zusätzlich zum Radarsensor ein Videosystem vorhanden ist,
kann der Lateralabstand Y des Fahrzeugs 32 durch den Abstand
der rechten (oder, bei einer rechten Nebenspur, der linken) Kante
dieses Fahrzeugs von der Mitte des eigenen Fahrzeugs 14 gegeben
sein. Falls mit Hilfe eines Videosystems die Spurmarkierungen auf der
Fahrbahn erkannt werden können, kann der Lateralabstand
Y auch direkt auf die Grenze zwischen den Spuren 22 und 26 bezogen
sein.
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Für
jeden der oben beschriebenen Parameter ΔV, Vy, Y und Yrel wird zunächst eine Teilwahrscheinlichkeit
PΔV, PVy,
Py bzw. Prel berechnet,
die eine Einscherwahrscheinlichkeit allein unter Berücksichtigung
dieses einzelnen Parameters angibt. In 3 ist qualitativ
in Diagrammform dargestellt, wie die Teilwahrscheinlichkeiten von
den betreffenden Parametern abhängen.
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Die
von der Differenzgeschwindigkeit ΔV abhängige
Teilwahrscheinlichkeit PΔV hat
bei der Differenzgeschwindigkeit 0 den Wert 1 und nimmt mit zunehmender
Differenzgeschwindigkeit stetig, beispielsweise linear ab. Dies
beruht auf der Überlegung, daß die Einscherwahrscheinlichkeit
um so größer ist, je besser die Geschwindigkeit
des Fahrzeugs 32 bereits an die auf der rechten Spur 22 gefahrene Geschwindigkeit
angepaßt ist. Die gleiche Überlegung gilt jedoch
auch für den Fall, daß ein Einscherer von einer
rechten Nebenspur einschert.
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Die
von der Lateralgeschwindigkeit Vy abhängige Teilwahrscheinlichkeit
PVY hat bei der Lateralgeschwindigkeit 0
den Wert 0 und nimmt mit zunehmender Lateralgeschwindigkeit (in
Richtung auf die eigene Spur) stetig zu, bis sie schließlich
den Wert 1 erreicht.
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Die
vom Lateralabstand Y abhängige Teilwahrscheinlichkeit PY hat im gezeigten Beispiel bei dem Lateralabstand
Y = 0 (das Fahrzeug 32 befindet sich bereits auf der Mitte
der Spur 22) den Wert 1 und nimmt mit zunehmendem Lateralabstand
stetig ab, bis sie bei einem bestimmten Abstand den Wert 0 erreicht.
Einscherer von rechten und linken Nebenspuren können auf
die gleiche Weise behandelt werden, indem der Absolutbetrag des
Lateralabstands ausgewertet wird.
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In
einer modifizierten Ausführungsform ist es denkbar, daß die
Teilwahrscheinlichkeit PY bei kleinen Lateralabständen,
bis etwa zu einem Wert, der der halben Breite des eigenen Fahrzeugs
entspricht, konstant den Wert 1 hat und erst dann allmählich
auf 0 abfällt.
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Für
die Abhängigkeit der Teilwahrscheinlichkeit Prel vom
relativen Lateralabstand Prel gilt sinngemäß das
Gleiche wie für die Teilwahrscheinlichkeit PY.
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In
einer modifizierten Ausführungsform können auch
noch weitere dynamische Parameter berücksichtigt und in
entsprechende Teilwahrscheinlichkeiten umgerechnet werden, beispielsweise
eine relative Lateralgeschwindigkeit, die analog zu dem relativen
Lateralabstand gebildet ist. Ebenso kann es zweckmäßig
sein, als weiteren Parameter die zeitliche Ableitung der Differenzgeschwindigkeit
zu berücksichtigen, d. h., die Rate, mit der sich die Geschwindigkeit
des potentiellen Einscherers 32 der Geschwindigkeit des
eigenen Fahrzeugs annähert. Die entsprechende Teilwahrscheinlichkeit
wird bei negativer Änderungsrate (Differenzgeschwindigkeit nimmt
ab) groß sein und bei positiver Änderungsrate kleiner.
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Wie
in 4 dargestellt ist, wird aus den verschiedenen
Teilwahrscheinlichkeiten PΔV, PVy, PY, und Prel eine Gesamtwahrscheinlichkeit gebildet,
die dann die eigentliche Einscherwahrscheinlichkeit P repräsentiert.
Dazu wird aus den Teilwahrscheinlichkeiten eine gewichtete Summe
gebildet und zwar in der Weise, daß die Summe der Gewichtsfaktoren den
Wert 1 hat. Auf diese Weise können die Bedeutungen der
verschiedenen Teilwahrscheinlichkeiten unterschiedlich gewichtet
werden. Beispielsweise wird man generell der Differenzgeschwindigkeit ΔV ein
geringes Gewicht geben als etwa der Lateralgeschwindigkeit oder
dem Lateralabstand.
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In 5 ist
in Diagrammform dargestellt, wie das Reaktionsmodul 20 die
Regelstrategie des Reglers 16 in Abhängigkeit
von der Einscherwahrscheinlichkeit P modifiziert. Der von 0 bis
1 reichende Wertebereich der Einscherwahrscheinlichkeit P ist im
gezeigten Beispiel in drei etwa gleich breite Zonen 34, 36 und 38 unterteilt,
die sich hinsichtlich der Art der Modifikation der Regelstrategie
unterscheiden. Außerdem wird in jeder dieser Zonen ein
Parameter der Regelstrategie stetig in Abhängigkeit von
der Einscherwahrscheinlichkeit P variiert, wie in 3 durch eine
Kurve 40 symbolisiert wird.
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In
der Zone 34 (z. B. 0 P < 1/3)
besteht die Modifikation der Regelstrategie lediglich darin, daß der
sogenannte positive Beschleunigungsruck begrenzt wird. Dieser Beschleunigungsruck
ist die Beschleunigung, mit der der Regler auf eine Beschleunigung
des Zielobjekts 24 reagiert. In einer normalen Folgefahrtsituation,
wenn keine potentiellen Einscherer vorhanden sind, hat dieser Beschleunigungsruck einen
bestimmten oberen Grenzwert alim. Dieser Grenzwert
gilt auch für die Einscherwahrscheinlichkeit P = 0. Mit
zunehmender Einscherwahrscheinlichkeit wird dieser Grenzwert jedoch
um einen bestimmten Betrag Δalim(P)
reduziert. Dieser Betrag nimmt mit zunehmendem P stetig zu und erreicht
beispielsweise bei
P = 1/3 den Wert 0.
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In
der Zone 36 (1/3 P < 2/3)
wird zusätzlich die Zeitlücke τ, die
den Abstand D zum Zielobjekt 24 bestimmt, um einen bestimmten
Wert Δτ(P) erhöht. Auch dieser Wert ist
stetig von P abhängig und hat beispielsweise am unteren
Rand der Zone 36 den Wert 0 und am oberen Rand dieser Zone
einen Wert, der der Länge der Lücke entspricht,
die für das einscherende Fahrzeug geschaffen werden sollte.
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In
der Zone 38 wird er nicht mehr auf das bisherige Zielobjekt 24 geregelt,
sondern statt dessen auf das Fahrzeug 32, das nun mit hoher
Wahrscheinlichkeit ein Einscherer ist. Im allgemeinen wird dies eine
(weitere) Verzögerung des eigenen Fahrzeugs erfordern.
In einer normalen Folgefahrtsituation (ohne Einscherer) gibt es
für die maximale Verzögerung im Rahmen der Regelstrategie
einen Grenzwert a– lim. Wenn
in der Zone 38 auf den Einscherer geregelt wird, gilt jedoch
nicht dieser normale Grenzwert, sondern statt dessen ein Grenzwert
a– lim(P),
der in Abhängigkeit von P stetig variiert. Beispielsweise
entspricht dieser Grenzwert am unteren Rand der Zone 38 der
(negativen) Sollbeschleunigung, die der Regler zuletzt gefordert
hat (etwa um am oberen Rand der Zone 36 den Abstand zum
alten Zielobjekt 24 zu vergrößern). Mit
zunehmender Einscherwahrscheinlichkeit wird der Grenzwert a– lim(P)
dann stetig erhöht, d. h., es werden stärkere
Fahrzeugverzögerungen zugelassen, bis schließlich
bei P = 1 der normale Grenzwert a– lim erreicht wird. Somit erfolgt der Zielobjektwechsel
nicht abrupt, sondern es wird stetig von dem alten Zielobjekt 24 auf
den Einscherer 32 als neues Zielobjekt "überblendet".
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Insgesamt
wird durch die in 5 dargestellten Modifikationen
der Regelstrategie eine vorausschauende, angepaßte und
komfortable Reaktion auf echte oder vermeintliche Einscherer erreicht.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- - DE 102004013818 [0004]
- - DE 102004047084 [0005]