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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Geben eines Ausweichsignals am Lenkrad eines Fahrzeuges. Das Ausweichsignal wird insbesondere zum Vermeiden einer drohenden Kollision mit einem Objekt gegeben.
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Stand der Technik
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Eine drohende Kollision im Straßenverkehr ist nicht immer durch eine Vollbremsung alleine zu vermeiden. In vielen Fällen – insbesondere bei hohen Geschwindigkeiten – ist trotzdem die Kollision noch durch ein Ausweichmanöver vermeidbar. Daher gibt es bereits Ansätze für Fahrerassistenzsysteme, die solche Situationen mittels Umfeldsensorik erkennen und dem Fahrer eine Empfehlung zum Ausweichen geben. Besonders geeignet sind dabei solche Ausweichempfehlungen, die zu einer möglichst kleinen Reaktionszeit des Fahrers führen.
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In dem Artikel „Haptische Ausweichempfehlung in Kollisionssituationen:
Effektivität und Aspekte der Kontrollierbarkeit“ von Andro Kleen und Gerrit Schmidt wird eine haptische Lenkempfehlung beschrieben, die mittels elektrischer Servolenkung (EPS, Electric Power Steering) ein starkes Lenkmoment (8Nm) auf das Lenkrad schaltet. Dieses überlagerte Lenkmoment wird nur für sehr kurze Zeit (300ms) angelegt. Außerdem wird das Lenkmoment abgeschaltet, sobald ein bestimmter Lenkradwinkel erreicht ist (10°). Durch diese Lenkempfehlung soll der Fahrer dazu bewegt werden, in die Richtung des Lenkrucks auszuweichen.
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Offenbarung der Erfindung
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Erfindungsgemäß vorgesehen ist ein Verfahren zum Geben eines Ausweichsignals am Lenkrad eines Fahrzeuges, wie in Anspruch 1 definiert. Zunächst werden Umgebungsdaten des Fahrzeugs erfasst. In einem weiteren Schritt wird basierend auf den Umgebungsdaten beurteilt, ob eine Kollision mit einem Objekt droht, die durch das Bremsen alleine nicht mehr vermeidbar ist. Wenn es beurteilt wird, dass eine drohende Kollision durch Bremsen alleine nicht mehr zu vermeiden ist, wird ein Lenkwinkel an den Rädern mithilfe einer Überlagerungslenkung eingestellt und ein haptisches Lenksignal am Lenkrad mittels einer elektrischen Servolenkung gegeben, wobei die Einstellung des Lenkwinkels an den Rädern und das Geben des haptischen Lenksignals am Lenkrad im Wesentlichen gleichzeitig durchgeführt sind und wobei der Lenkwinkel an den Rädern während des Gebens des Lenksignals vom Winkel am Lenkrad entkoppelt ist.
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Auf diese Weise ermöglicht das Verfahren bei einer drohenden Kollision, ein verbessertes Ausweichsignal am Lenkrad eines Fahrzeuges zu geben. Es hat sich gezeigt, dass eine unerwartete Abweichung des Fahrzeuges mit der Erfindung nicht auftritt, welche von dem Ausweichsignal verursacht wird.
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Gemäß einer bevorzugten Weiterbildung kann das haptische Lenksignal am Lenkrad durch einen spürbaren Lenkruck gegeben werden. Der spürbare Lenkruck kann durch ein Lenkradmoment von der elektrischen Servolenkung ausgeführt werden. Das Lenkradmoment soll so stark sein, dass der von ihm gestaltete Lenkruck von dem Fahrer gespürt werden kann. Die Größe des Lenkradmoments kann beispielsweise auf 8 Nm festgelegt werden. Während der Ausführung des starken Lenkrucks wird der Lenkwinkel an den Rädern von der Überlagerungslenkung eingestellt und eingehalten. Dadurch wird die Fahrrichtung nicht von dem starken Lenkruck beeinflusst.
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Vorteilhaft ist es, sobald der Fahrer am Lenkrad reagiert, wird die Einstellung des Lenkwinkels an den Rädern von der Überlagerungslenkung abgebrochen. Nach der Beendigung des Eingriffs des Lenkwinkels an den Rädern ist die Fahrrichtung abhängig von der manuellen Drehung des Lenkrads. Dadurch ist die Kontrollierbarkeit des Fahrzeuges jederzeit gegeben.
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Vorteilhaft kann der Lenkwinkel an den Rädern derart eingestellt werden, dass das Fahrzeug in seine unveränderte Richtung weiter fährt, während der starke Lenkruck am Lenkrad von der elektrischen Servolenkung ausgeführt wird.
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Gemäß einer bevorzugten Weiterbildung kann eine Ausweichkurve zum Vermeiden der Kollision unter Berücksichtigung von aktuellen Fahrzeugumgebungen ermittelt werden. Die Richtung des Lenkrucks kann beispielsweise der Richtung der empfohlenen Ausweichkurve entsprechen, damit der Fahrer weiß, in welcher Richtung er das Lenkrad drehen soll.
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Eine weitere Variante der Erfindung ist darin zu sehen, dass der Lenkwinkel an den Rädern derart eingestellt wird, dass das Fahrzeug in die Richtung fährt, die der empfohlenen Ausweichrichtung entgegengesetzt ist. Dadurch wird die Fahrrichtung verändert. Diese Fahrrichtungsänderung muss allerdings möglichst klein bleiben. Auf der Reflex-Ebene wird dann der Fahrer dem unerwarteten Richtungswechsel des Fahrzeuges entgegenwirken und somit das Fahrzeug in die Richtung der gewünschten Ausweichrichtung umlenken. Da die Reflexe des Menschen deutlich schneller als die bewussten Reaktionszeiten sind, kann die Zeit bis zur Lenkreaktion des Fahrers so stark reduziert werden. Um mögliche Kollision mit einem anderen Objekt, wie z.B. einem parallel fahrenden Fahrzeug oder dem Bürgersteig, zu vermeiden, muss vor dem Fahrrichtungswechsel mithilfe einer Freiflächenvermessung sichergestellt werden, dass die zu befahrende Strecke frei ist.
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Unter weiteren Gesichtspunkten schafft die Erfindung eine Vorrichtung zum Geben eines Ausweichsignals am Lenkrad eines Fahrzeuges gemäß Anspruch 8. Die Vorrichtung umfasst eine Erfassungseinheit zur Erfassung von Umgebungsdaten des Fahrzeugs, eine Beurteilungseinheit zur Beurteilung basierend auf den Umgebungsdaten, ob eine Kollision mit einem Objekt droht, die durch Bremsen alleine nicht mehr vermeidbar ist, einen Ausweichkurveermittler, welcher ausgebildet ist, eine Ausweichkurve zum Vermeiden des Kollision zu ermitteln, eine Überlagerungslenkung zur Einstellung eins Lenkwinkels an den Rädern und eine elektrische Servolenkung zum Geben eines Ausweichsignals am Lenkrad und einen Mehrgrößenregler mit zwei Stellgrößen und zwei Sollgrößen. Es handelt sich bei den zwei Stellgrößen um Winkel der Überlagerungslenkung und das Moment der elektrischen Servolenkung und die zwei Sollgrößen sind die Sollgierrate und Soll-Lenkradmoment.
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Vorteilhaft kann die Erfassungseinheit aus mehreren Umfeldsensoren ausgebildet sein. Die Umfeldsensoren können z.B. als optische Sensoren oder Radarsensoren ausgeführt sein. Diese Sensoren dienen dazu, die Umgebungsdaten des Fahrzeuges zu erfassen.
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Hinsichtlich weiterer technischer Merkmale und Vorteile der erfindungsgemäßen Vorrichtung wird hiermit explizit auf die Erläuterungen im Zusammenhang mit dem erfindungsgemäßen Verfahren, den Figuren sowie der Figurenbeschreibung verwiesen.
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Beispiele und Zeichnungen
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Weitere Vorteile und vorteilhafte Ausgestaltungen der erfindungsgemäßen Gegenstände werden durch die Zeichnungen veranschaulicht und in der nachfolgenden Beschreibung erläutert. Dabei ist zu beachten, dass die Zeichnungen nur beschreibenden Charakter haben und nicht dazu gedacht sind, die Erfindung in irgendeiner Form einzuschränken. Es zeigen
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1 eine schematische Darstellung einer Vorrichtung gemäß einem Ausführungsbeispiel der Erfindung;
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2 ein Blockdiagramm eines Mehrgrößenreglers der Vorrichtung gemäß dem Ausführungsbeispiel der Erfindung;
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3 eine schematische Darstellung einer Ausweichkurve eines Fahrzeuges gemäß einer ersten Ausführungsvariante der Erfindung; und
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4 eine schematische Darstellung einer Ausweichkurve eines Fahrzeuges gemäß einer zweiten Ausführungsvariante der Erfindung.
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In 1 ist eine schematische Darstellung einer Vorrichtung 10 zum Geben eines Ausweichsignals am Lenkrad 12 eines Fahrzeuges 14 gezeigt. Die Vorrichtung 10 umfasst eine Erfassungseinheit 16 zur Erfassung von Umgebungsdaten des Fahrzeuges 14. Bei diesem Ausführungsbeispiel ist die Erfassungseinheit 16 aus mehreren Umfeldsensoren 18 ausgestaltet. Wie in 1 gezeigt sind vier Umfeldsensoren 18 an einer Vorderseite des Fahrzeuges 14 angeordnet. Ferner ist an einer rechten Seite des Fahrzeuges 14 und an einer linken Seite des Fahrzeuges 14 jeweils ein Umfeldsensor 18 angeordnet. Die Umfeldsensoren 18 sind mit einer Beurteilungseinheit 22 über einen geeigneten Sensordatenbus 20 verbunden und können über diesen Sensordatenbus 20 an die Beurteilungseinheit 22 Daten übermitteln.
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Die Beurteilungseinheit 22 ist dazu ausgelegt, basierend auf den von den Sensoren 18 ermittelten Umgebungsdaten zu beurteilen, ob eine Kollision mit einem Objekt droht, die durch Bremsen alleine nicht mehr vermeidbar ist. Wenn die Beurteilungseinheit 22 ermittelt, dass eine drohende Kollision durch Bremsen alleine nicht mehr zu vermeiden ist, wird ein Ausweichkurveermittler 24 aktiviert. Der Ausweichkurveermittler 24 rechnet dann basierend auf den Umgebungsdaten eine Ausweichkurve zum Vermeiden der Kollision aus. Dabei muss mitberechnet werden, dass eine ausreichende Freifläche zum Ausweichen des Fahrzeuges 14 vorhanden ist. Bei diesem Ausführungsbeispiel bekommt der Ausweichkurveermittler 24 die benötigten Umgebungsdaten des Fahrzeuges 14 von der Beurteilungseinheit 22. Es ist auch möglich, dass die Umgebungsdaten des Fahrzeuges 14 direkt von der Erfassungseinheit 16 zu dem Ausweichkurveermittler 24 übertragen werden.
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Es ist ferner eine Überlagerungslenkung 26 vorgesehen, welche zur Einstellung bzw. zum Einhalten eines Lenkwinkels an den Rädern 28 dient. Die Vorrichtung 10 verfügt weiter über eine elektrische Servolenkung 30 zum Geben eines Lenkrucks am Lenkrad 12. Die Überlagerungslenkung 26 und die elektrische Servolenkung 30 werden von einem Mehrgrößenregler 32 geregelt. 2 zeigt ein Blockdiagramm des Mehrgrößenreglers 32. Wie die Überlagerungslenkung 26 und die elektrische Servolenkung 30 von dem Mehrgrößenregler 32 geregelt werden, wird in der folgenden Beschreibung zur 2 explizit erläutert.
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Wie in 2 gezeigt ist der Mehrgrößenregler 32 mit zwei Stellgrößen und zwei Sollgrößen versehen. Die Sollgrößen (Regelgrößen) sind dabei Sollgierrate und Soll-Lenkradmoment. Die Größe des Soll-Lenkradmoments, das der Fahrer spürt, kann z.B. auf 8 Nm festgelegt werden. Die Richtung des Soll-Lenkradmoments entspricht der Richtung der Ausweichkurve, die von dem Ausweichkurveermittler 24 ermittelt wird. Die Sollgierrate, die das Fahrzeug 14 in der Zeit des Lenkrucks einhalten soll, kann aus der aktuellen Ist-Gierrate des Fahrzeuges 14 abgeleitet werden, da das Einhalten des Lenkwinkels an den Rädern 28 nur sehr kurz dauert. Es gibt mehrere Möglichkeiten, die aktuelle Ist-Gierrate des Fahrzeuges 14 zu ermitteln. Beispielsweise kann die aktuelle Ist-Gierrate des Fahrzeuges 14 von der Beurteilungseinheit 22 basierend auf den Umgebungsdaten des Fahrzeuges 14 ermittelt werden. Es ist ferner auch möglich, dass die aktuelle Ist-Gierrate des Fahrzeuges 14 von einem zusätzlichen Gierrateermittler (nicht in Figuren gezeigt) ermittelt wird.
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Die beiden Stellgrößen des Mehrgrößenreglers 32 sind das Moment der elektrischen Servolenkung 30 und der Winkel der Überlagerungslenkung 26. Als Rückkopplung des Mehrgrößenreglers 32 werden die Fahrzeugdaten gemessen und an den Mehrgrößenregler 32 zurückgeleitet. Der Mehrgrößenregler 32 ermöglicht es, dass der Lenkwinkel an den Rädern 28 von der Überlagerungslenkung 26 eingehalten wird, während ein spürbar starker Lenkruck am Lenkrad 12 von der elektrischen Servolenkung 30 ausgeführt wird. Dadurch wird eine mögliche von dem Lenkruck verursachte Abweichung des Fahrzeuges vermieden.
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3 zeigt eine Ausweichkurve des Fahrzeuges 14 gemäß einer ersten Ausführungsvariante der Erfindung. Es sind zwei Fahrlinien 36 und 38 in 3 zu erkennen. Bei der Fahrlinie 36 handelt es sich um die gewünschte Ausweichkurve des Fahrzeuges 14. Wenn es ermittelt wird, dass eine Kollision mit einem Objekt 34 droht, die durch Bremsen alleine nicht mehr zu vermeiden ist, wird das Fahrzeug 14 mittels des Einhaltens des Lenkwinkels an den Rädern 28 in die unveränderte Fahrrichtung entlang der Fahrlinie 38 weiter fahren. Dabei wird ein spürbarer Lenkruck als Ausweichsignal am Lenkrad 12 von der elektrischen Servolenkung 30 gegeben. Die Fahrrichtung des Fahrzeuges 14 wird jedoch nicht von dem Lenkruck beeinflusst. Sobald der Fahrer von dem Lenkruck alarmiert ist und das Lenkrad 12 manuell dreht, wird das Einhalten des Lenkwinkels an den Rädern 28 abgebrochen. Das Fahrzeug 14 wird dann nach Wunsch des Fahrers fahren bzw. ausweichen. Die gewünschte Ausweichkurve entspricht der in 3 gezeigten Fahrlinie 36.
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4 zeigt ferner eine schematische Darstellung einer Ausweichkurve des Fahrzeuges 14 gemäß einer zweiten Ausführungsvariante der Erfindung. Anhand von der zweiten Ausführungsvariante wird ein Lenkwinkel an den Rädern 28 so ausgewählt, dass das Fahrzeug 14 in die Richtung fährt, die der empfohlenen Ausweichrichtung entgegengesetzt ist. In 4 ist die Fahrlinie 36 ebenfalls die gewünschte Ausweichkurve des Fahrzeuges 14. Die Fahrlinie 40 zeigt eine Fahrrichtungsänderung des Fahrzeuges 14 gemäß der Einstellung des Lenkwinkels an den Rädern 28.
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Wenn es ermittelt wird, dass eine Kollision mit einem Objekt 34 droht, die durch Bremsen alleine nicht mehr zu vermeiden ist, wird das Fahrzeug 14 gemäß dieser Ausführungsvariante nicht mehr weiter in seine unveränderte Richtung fahren, sondern entlang der Fahrlinie 40 biegen. Die Fahrrichtungsänderung muss allerdings möglichst klein bleiben. Auf der Reflex-Ebene wird dann der Fahrer dem unerwarteten Fahrrichtungswechsel des Fahrzeuges 14 entgegenwirken und somit das Fahrzeug in die Richtung der gewünschten Ausweichrichtung umlenken. Da die Reflexe des Menschen deutlich schneller als die bewussten Reaktionszeiten sind, kann die Zeit bis zur Lenkreaktion des Fahrers so stark reduziert werden. Um mögliche Kollision mit einem anderen Objekt, wie z.B. einem parallel fahrenden Fahrzeug oder dem Bürgersteig, zu vermeiden, muss vor dem Fahrrichtungswechsel mithilfe der Freiflächenvermessung sichergestellt werden, dass die zu befahrende Strecke frei ist. Diese Freiflächenvermessung kann beispielsweise von der Beurteilungseinheit 22 basierend auf den Umgebungsdaten des Fahrzeuges 14 durchgeführt werden.