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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Steuern mindestens einer Personen-Rückhalteeinrichtung eines Sicherheitssystems eines Fahrzeugs gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1. Ferner betrifft die Erfindung ein Steuergerät eines Fahrzeugs zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens.
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Ein gattungsbildendes Verfahren ist aus der
DE 10 2005 026 755 A1 bekannt. Bei diesem Verfahren wird mittels einer Sensoreinrichtung mindestens eine den momentanen Zustand des Fahrzeugs beschreibende Größe und/oder mindestens eine den momentanen Zustand einer im Fahrzeug befindlichen Person beschreibende Größe gemessen und bei einem auf Basis einer Crash-Sensorik erkannten Unfall in Abhängigkeit der mindestens einen gemessenen Größe mindestens eine Stellgröße einer Rückhalteeinrichtung, bspw. einer Sicherheitsgurteinrichtung oder einer Airbageinrichtung geregelt.
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Im Falle einer Sicherheitsgurteinrichtung wird mittels dieses bekannten Verfahrens als Stellgröße bspw. die Kraft, die in einem Abschnitt des Sicherheitsgurts herrscht oder die an einem der Gurtanlenkpunkte auftretende Kraft geregelt. Handelt es sich dagegen um eine Airbageinrichtung, kann die Stellgröße bspw. der Durchflussquerschnitt eines Ventils sein, über das der Airbag der Airbageinrichtung aufgeblasen wird. Auch kann der Volumenstrom bzw. der Massenstrom, welcher in den Airbag einströmt, als Stellgröße verwendet werden.
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Als den momentanen Zustand des Fahrzeugs beschreibenden Größen wird gemäß dieser
DE 10 2005 026 775 A1 die während eines Unfallvorganges vorliegende Fahrzeuggeschwindigkeit und/oder Fahrzeugbeschleunigung vorgeschlagen. Als den momentanen Zustand eines Fahrzeuginsassen beschreibenden Größen werden sogenannte Personenparameter, wie bspw. die Geschwindigkeit und/oder die Beschleunigung des Oberkörpers und oder des Kopfes des Fahrzeuginsassen und/oder der Winkel zwischen dem Oberkörper und den Oberschenkeln des Fahrzeuginsassen verwendet.
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Mit diesem bekannten Verfahren gemäß der
DE 10 2005 026 775 A1 soll das Verhalten der Personen-Rückhalteeinrichtungen, wie bspw. eine Sicherheitsgurteinrichtung und/oder eine Airbageinrichtung während eines Unfallvorgangs aktiv geregelt werden, wobei jedoch nicht angegeben ist, nach welchem Algorithmus geregelt wird.
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Ferner ist in der
DE 103 45 726 A1 ein Verfahren zum dynamischen Steuern einer Sicherheitsgurteinrichtung beschrieben, bei dem in Abhängigkeit von mittels einer Situations-Erfassungseinrichtung detektierten Fahrzeugsituationsdaten sowie in Abhängigkeit von mittels einer Parameter-Erfassungseinrichtung detektierten Parameter-Daten von Fahrzeuginsassen die den Sicherheitsgurt beaufschlagende Kraft der Sicherheitsgurteinrichtung derart dynamisch gesteuert wird, dass der Vorverlagerungsweg des Fahrzeuginsassen optimal ausgenützt wird. Ferner soll bei einer Erkennung eines hohen Gefährdungspotenzials die Kraft des Gurtstraffers erhöht werden und bei anschließender Erkennung einer Entspannung bzw. einer Verringerung des Gefährdungspotenzials die Kraft des Gurtstraffers wiederum entsprechend verringert werden. Damit sollen die Belastungen auf die Fahrzeuginsassen durch den Sicherheitsgurt auf ein Minimum reduziert werden.
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Als Fahrzeugsituationsdaten werden bspw. Daten von relevanten Unfall-Objekten bezüglich Abstand, Relativgeschwindigkeit, Auftreffwinkel, Auftreffort (Versatz), Überdeckung und Auftreffzeitpunkt und dergleichen mittels einer Umfeldsensorik erfasst. Desweiteren ist es vorgesehen, mittels einer Unfall-Sensorik die Unfall-Beschleunigung, die Unfallschwere, den Unfalltyp und dergleichen zu erfassen.
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Als Parameter-Daten eines Fahrzeuginsassen wird gemäß dieser
DE 103 45 726 A1 mittels einer Insassen-Sensorik die Insassen-Position, das Insassen-Gewicht, die Größe des Insassen, die Sitzeinstellung, die Sicherheitsgurtauszugslänge und dergleichen erfasst.
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Schließlich beschreibt die
WO 2007/016947 A1 ein Verfahren zur Steuerung oder Regelung eines Rückhaltesystems eines Fahrzeugs mit einem Sicherheitsgurt, indem mindestens eine Bedien-, Sicherheits- und/oder Komfortfunktion durch eine situationsbezogene Anpassung der am Sicherheitsgurt wirkenden Gurteinzugskraft eingestellt wird. Hierzu wird sowohl die momentane Betriebssituation des eigenen Fahrzeugs als auch dessen Umgebung erfasst, so dass auf der Basis dieser Daten eine entsprechende Gurteinzugskraft bspw. im angelegten Zustand als auch beim An- bzw. Abschnallen eingestellt wird und eine an die momentane Situation angepasste Zurückhaltung des Fahrzeuginsassen bzw. eine Unterstützung desselben beim An- bzw. Ablegen des Sicherheitsgurtes erfolgt. Dies soll zu einer Verbesserung und Erhöhung des Gurttrage-, des Gurtsicherheits- bzw. des Gurtbedienkomforts führen.
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Zur Bestimmung der momentanen Betriebssituation des Fahrzeugs als auch von dessen Umgebung wird bei diesem bekannten Verfahren gemäß der
WO 2007/016947 A1 der Lenkwinkel, die Querbeschleunigung, die Gierrate, die Fahrzeuggeschwindigkeit und/oder der Straßenverlauf anhand von Sensoren und/oder von Daten eines Navigationssystems erfasst.
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Diese oben beschriebenen bekannten Verfahren zur Steuerung oder Regelung einer Personen-Rückhalteeinrichtung sind in nachteiliger Weise derart konzipiert, dass diese, bspw. als Sicherheitsgurteinrichtung aufgrund der im Falle einer Frontalkollision auftretenden Verzögerungen den Fahrzeuginsassen bei seiner kollisionsbedingten Vorverlagerung möglichst sanft abfängt. Damit wirken solche Personen-Rückhalteeinrichtungen im Wesentlichen nur in Richtung „Abfangen” bzw. „Abbremsen”, infolgedessen die Wirkung einer solchen Personen-Rückhalteeinrichtung nicht optimal ist und daher über das notwendige Maß hinaus zu unerwünschten höheren Belastungen des Fahrzeuginsassen führen kann.
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Aufgabe der Erfindung ist es daher ein Verfahren der eingangs genannten Art derart weiterzubilden, dass die Rückhaltewirkung bei Personen-Rückhalteeinrichtungen eines Sicherheitssystems eines Fahrzeugs derart verbessert wird, dass die Belastungen auf die Fahrzeuginsassen im Vergleich zu den aus dem Stand der Technik bekannten Verfahren auf das erforderliche Maß reduziert werden.
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Diese Aufgabe wird gelöst durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1.
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Ein solches Verfahren zum Steuern mindestens einer Personen-Rückhalteeinrichtung eines Sicherheitssystems eines Fahrzeugs, bei dem die auf einen Fahrzeuginsassen wirkende Rückhaltekraft F der mindestens einen Personen-Rückhalteeinrichtung geregelt wird, zeichnet sich erfindungsgemäß dadurch aus, dass
- – mittels einer Pre-Crash-Sensorik eine bevorstehende Kollision detektiert wird,
- – für die bevorstehende Kollision ein vom Fahrzeugschwerpunkt des Fahrzeugs während der Kollision zurückgelegte Weg D und ein maximaler Vorverlagerungsweg S0 des Fahrzeuginsassen der bevorstehenden Kollision prädiziert und/oder im Kollisionszeitpunkt bestimmt werden,
- – ein Schwellwert F0 für die Rückhaltekraft F aus dem prädizierten oder aus dem im Kollisionszeitpunkt bestimmten Weg D und dem Vorverlagerungsweg S0 nach folgender Formel berechnet wird: F0 = m × v 2 / 0/[2 × (D + S0)], wobei m die Masse des Fahrzeuginsassen und v0 die Geschwindigkeitsänderung während der Kollision des Fahrzeugs ist, und
- – die Rückhaltekraft F auf den Schwellwert F0 zumindest während der Kollision geregelt wird.
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Dabei stellt der während der Kollision zurückgelegte Weg D ein Parameter dar, der dem Weg des Fahrzeugschwerpunktes entspricht, der während der Kollision vom Fahrzeug zurückgelegt wird. Im Falle einer Kollision mit einer starren Wand würde dieser Weg D dem Wert der Fahrzeugdeformation entsprechen. Diese Erfindung geht von der Erkenntnis aus, dass durch entsprechende Regelung einer Personen-Rückhalteeinrichtung eine auf den Fahrzeuginsassen wirkende Rückhaltekraft erzeugt werden kann, die über die gesamte Dauer der Kollision relativ konstant ist und dadurch die Belastung des Fahrzeuginsassen auf einem niedrigen Niveau gehalten werden kann. Diese konstante Rückhaltekraft entspricht einer konstanten Verzögerung über der Summe aus dem Weg des Fahrzeugschwerpunktes D während der Kollision und dem maximalen Vorverlagerungsweg des Fahrzeuginsassen. Diese konstante Verzögerung stellt somit die minimalste Verzögerung dar, um den Fahrzeuginsassen auf diesem Weg von der Aufprallgeschwindigkeit des Fahrzeugs auf den Wert der Fahrzeuggeschwindigkeit zum Kollisionsende abzubremsen. Der Parameter D und der maximale Vorverlagerungsweg S0 werden bereits vor dem Zeitpunkt der Kollision, also prädiktiv und/oder spätestens im Zeitpunkt der Kollision bestimmt.
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Nach einer vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung wird die Geschwindigkeitsänderung v0 des Fahrzeugs während der Kollision im prädizierten Zeitpunkt der bevorstehenden Kollision aus wenigstens einem Sensorsignal der Pre-Crash-Sensorik bestimmt.
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Des Weiteren ist es weiterbildungsgemäß vorgesehen, dass der Parameter D, also der vom Fahrzeugschwerpunkt des Fahrzeugs während der Kollision zurückgelegte Weg D aus wenigstens einem Sensorsignal der Pre-Crash-Sensorik bestimmt wird.
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Nach einer alternativen Ausgestaltung wird der Parameter D, also der vom Fahrzeugschwerpunkt des Fahrzeugs während der Kollision zurückgelegte Weg D aus der aus wenigstens einem Sensorsignal der Pre-Crash-Sensorik prädizierten Geschwindigkeitsänderung v0 für den Unfalltyp „Kollision mit starrer Wand” bestimmt.
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Ferner wird weiterbildungsgemäß der maximale Vorverlagerungsweg des Fahrzeuginsassen mittels einer Innenraum-Sensorik bestimmt. Alternativ ist es auch möglich, den maximalen Vorverlagerungsweg als gespeicherten Wert in einer Speichereinrichtung des Sicherheitssystems bereitzustellen.
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Besonders vorteilhaft ist es nach einer weiteren Ausgestaltung der Erfindung, wenn die Personen-Rückhalteeinrichtung als Sicherheitsgurteinrichtung mit einem Gurtstraffer und einem Gurtkraftbegrenzer ausgebildet ist und als Rückhaltekraft die Kraft am Gurtband der Sicherheitsgurteinrichtung auf den Schwellwert geregelt wird.
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Alternativ oder zusätzlich ist nach einer Weiterbildung der Erfindung die Personen-Rückhalteeinrichtung als Airbageinrichtung ausgebildet, wobei dessen Rückhaltekraft über eine steuerbare Ventilierungseinrichtung auf den Schwellwert geregelt wird.
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Das erfindungsgemäße Verfahren kann in vorteilhafter Weise mittels eines Steuergerätes zum Steuern mindestens einer Personen-Rückhalteeinrichtung eines Sicherheitssystems eines Fahrzeugs durchgeführt werden.
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Die Erfindung wird nachfolgend anhand eines Ausführungsbeispiels unter Bezugnahme auf die beigefügten Figuren ausführlich beschrieben. Es zeigen:
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1 eine schematische Darstellung eines Fahrzeugs kurz vor einer Frontalkollision gegen eine starre Wand,
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2 eine schematische Darstellung eines physikalischen Ersatzmodelles eines Fahrzeugs gemäß 1, und
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3 ein Zeit-Beschleunigung-Diagramm zur Erläuterung des erfindungsgemäßen Verfahrens.
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Anhand der 1 bis 3 wird eine beispielhafte Realisierung des erfindungsgemäßen Verfahrens erläutert.
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So zeigt 1 eine Situation eines Fahrzeugs 10 kurz vor einer Frontalkollision mit einer starren Wand als Kollisionspartner 20. Dieses Fahrzeug 10 umfasst ein Sicherheitssystem, welches eine Sicherheitsgurteinrichtung 1 mit einem Gurtstraffer und einem Gurtkraftbegrenzer und eine Airbageinrichtung 2 mit einem Frontairbag als Personen-Rückhalteeinrichtungen für einen Fahrzeuginsassen 3 aufweist. Dieses Sicherheitssystem wird mittels eines eine Speichereinrichtung 6 aufweisenden Steuergerätes 5 realisiert, wobei Sensordaten einer Pre-Crash-Sensorik 4 diesem Steuergerät zugeführt werden. Diese Sensordaten werden mittels eines Auslösealgorithmus ausgewertet und entsprechend des Auswerteergebnisses die Personen-Rückhalteeinrichtungen 1 und 2 angesteuert.
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In dieser Situation gemäß 1 bewegt sich das Fahrzeug 10 mit einer Geschwindigkeit von v0 = 50 km/h auf die starre Wand 20 zu, trifft also mit Dieser Geschwindigkeit auf diesen Kollisionspartner 20. Da diese starre Wand 20 feststeht, ist die Geschwindigkeitsänderung v0 des Fahrzeugs 10 während der Kollision gleichzeitig die Aufprall- bzw. Relativgeschwindigkeit zu diesem Kollisionspartner 20. Ferner wird im Falle der Kollision mit der starren Wand 20 das Fahrzeug 10 maximal deformiert und mit einem Parameter D erfasst, der in diesem Fall den Wert der Fahrzeugdeformation, der maximal ist, darstellt. In der Realität stellt der Kollisionspartner 20 keine starre Wand dar, so dass dieser Parameter D den Weg des Schwerpunktes des Fahrzeugs 10 während der Kollision mit dem Kollisionspartner 20 darstellt. Für die im Folgenden beschriebene Modellbildung stellt der Parameter D der Einfachheit halber die bei einem Frontalaufprall gegen eine starre Wand 20 entstehende Fahrzeugdeformation D dar, die natürlich auch dem Wert des Weges des Schwerpunktes des Fahrzeugs 10 während der Kollision entspricht.
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Für die Situation gemäß 1 kann ein vereinfachtes Bewegungsmodell für den Fahrzeuginsassen 3 angenommen werden. Gemäß einem physikalischen Ersatzmodell für die Frontalkollision nach 2 wird der Fahrzeuginsasse 3 als Punktmasse und die Sicherheitsgurteinrichtung 1 sowie die Airbageinrichtung 2 mit einem Frontairbag als Feder-Dämpfer-Element angenommen. Der Parameter D beschreibt den maximal möglichen Deformationsweg bzw. Deformationshub des Fahrzeugs 10, d. h. die Deformation von dessen Vorderwagen während der Frontalkollision auf die starre Wand 20. Der Parameter S0 beschreibt den maximal möglichen Vorverlagerungsweg des Fahrzeuginsassen 3, den jener relativ zum Fahrzeug machen kann ohne auf harte Bauteile innerhalb der Fahrgastzelle des Fahrzeugs 10 zu treffen.
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Diese beiden Parameter D und S0 werden vorausschauend, also vor dem Zeitpunkt der Frontalkollision mit dem Kollisionspartner 20 prädiziert, falls mittels der Sensorsignale der Pre-Crash-Sensorik 4 diese bevorstehende Frontalkollision detektiert wird. Die Bestimmung dieser Parameter D und S0 ist auch noch im Zeitpunkt der Kollision mit der starren Wand 20 möglich.
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Über den gesamten Verlauf der Frontalkollision soll die Verzögerung des Fahrzeuginsassen 3 konstant sein. Somit ergibt sich hieraus als konstante Verzögerung aconst für die den Fahrzeuginsassen 3 darstellende Punktmasse: aconst = v 2 / 0/[2 × (D + S0)], wobei v0 die Relativgeschwindigkeit bzw. die Geschwindigkeitsänderung des Fahrzeugs 10 zum Hindernis 20 ist und die Parameter D und S0 die oben genannten Parameter darstellen.
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Mit der Annahme, dass D = 0,425 m und S0 = 0,22 m ist, ergibt sich für die konstante Verzögerung aconst ein Wert von 149,5 m/s2 bzw. von ca. 15 g. Dieser konstante Verzögerungswert aconst ist in 3 als horizontal verlaufende Kennlinie Kref dargestellt. Dieser konstante Verzögerungswert aconst kann als die kleinste notwendige und konstante Verzögerung des als Punktmasse angenommenen Fahrzeuginsassen 3 betrachtet werden, die erforderlich ist, um auf dem vorgegebenen Weg (D + S0) den Fahrzeuginsassen 3 von einer Geschwindigkeit v0 auf den Wert Null abzubremsen.
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Die weitere in dem Diagramm nach 3 dargestellte Kennlinie K zeigt eine reale Fahrzeugverzögerung a über die Dauer der Frontalkollision des Fahrzeugs 10 mit dem Kollisionspartner 20. Hiernach gibt es während der Frontalkollision Phasen der Fahrzeugverzögerung a, in denen die Werte der Fahrzeugverzögerung a kleiner oder größer als der minimale und konstante Verzögerungswert aconst ist. Somit teilt diese Kennlinie Kref den ersten Quadranten des Diagrammes in einen Bereich I, in welchem die Werte der Kennlinie K kleiner sind als der konstante Verzögerungswert aconst und in einen Bereich II, in welchem die Werte der Kennlinie K größer sind als der konstante Verzögerungswert aconst.
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Würde der als Punktmasse betrachtete Fahrzeuginsasse 3 an das Fahrzeug 10 fest angebunden sein, dann würden in denjenigen Phasen der durch die Kennlinie K dargestellten Fahrzeugverzögerung a, die oberhalb der Kennlinie Kref verläuft, der Fahrzeuginsasse 3 verglichen mit dem konstante Verzögerungswert aconst weniger verzögert als es eigentlich notwendig wäre. Umgekehrt werden in denjenigen Phasen der Fahrzeugverzögerung a, deren Werte gemäß der Kennlinie K unterhalb der Kennlinie Kref verlaufen der Fahrzeuginsasse 3 stärker verzögert werden, als dies im Vergleich zu der konstanten Verzögerung aconst notwendig wäre.
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Die für die Rückhaltung von Fahrzeuginsassen entwickelten Sicherheitsgurteinrichtungen umfassen üblicherweise ein auf eine drehbare Gurtrolle gewickeltes Gurtband auf. Ein an der Gurtrolle angebrachter Mechanismus sorgt im Falle einer Frontalkollision für eine Blockierung der Gurtrolle und hierüber für ein Abbremsen eines Abwickelns des Gurtbands von der Gurtrolle.
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Ferner umfassen solche Sicherheitsgurteinrichtungen einen Gurtkraftbegrenzer sowie einen Gurtstraffer. Ein Gurtkraftbegrenzer gibt das Gurtband frei, wenn am Gurtband mit einer Kraft größer als ein vorgegebener Grenzwert gezogen wird. Damit kann der Gurtkraftbegrenzer der Sicherheitsgurteinrichtung 1 zur Kraftbegrenzung in den in dem Bereich I verlaufenden Phasen der Frontalkollision so eingestellt werden, dass unter Berücksichtigung der Masse des Fahrzeuginsassen 3 sich keine größere Verzögerung als dieser Verzögerungswert aconst am Fahrzeuginsassen 3 einstellt. Für die in dem Bereich II verlaufenden Phasen der Frontalkollision ist es dagegen erforderlich, dass bspw. über das Gurtband der Sicherheitsgurteinrichtung 1 auf den Fahrzeuginsassen 3 eine Rückhaltekraft FRHS ausgeübt wird, die diesen Fahrzeuginsassen 3 zusätzlich verzögert. Diese Rückhaltekraft FRHS muss so groß sein, dass die Differenz zwischen anliegender Fahrzeugverzögerung und dem gewünschten konstanten Verzögerungswert aconst erreicht wird.
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Bei Annahme eines vereinfachten Modells bestimmt sich diese Rückhaltekraft FRHS gemäß: FRHS(t) = m × (aconst – aFzg(t)), wobei m die Masse des Fahrzeuginsassen 3 und aFzg (t) die Beschleunigung des Fahrzeugs 10 gemäß der Kurve K (vgl. 3) ist. Zusammen mit der oben genannten Formel für aconst ergibt sich für die Rückhaltekraft FRHS: FRHS(t) = m × (v 2 / 0/[2 × (D + S0)] – aFzg(t)).
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Damit muss die Personen-Rückhalteeinrichtung 1 und/oder 2 des Sicherheitssystems des Fahrzeugs 10 die Eigenschaft aufweisen, dass während der Dauer der Frontalkollision des Fahrzeugs 10 mit dem Kollisionspartner 20 eine konstante Rückhaltekraft F0 erzeugt wird, die sich gemäß der Formel F0 = m × v 2 / 0/[2 × (D + S0)] berechnet. Bei diesen Personen-Rückhalteeinrichtungen 1 und 2 wird die Rückhaltekraft F auf diese konstante Rückhaltekraft F0 als Schwellwert geregelt.
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Bei der Realisierung der Personen-Rückhalteeinrichtung als Sicherheitsgurteinrichtung 1 mit einem Gurtkraftbegrenzer und einem Gurtstraffer ist der Gurtkraftbegrenzer bspw. als Rutschkupplung so ausgebildet, dass bei einer über dem Schwellwert F0 liegenden Rückhaltekraft F am Gurtband es zu einer Freigabe des Gurtbandes kommt, also keine größere Rückhaltekraft F als der Schwellwert F0 auf den Fahrzeuginsassen 3 wirkt. Ist dagegen die Rückhaltekraft F am Gurtband kleiner als der Schwellwert F0 wird mittels des Gurtstraffers der Sicherheitsgurteinrichtung 1 eine zusätzliche Kraft auf den Fahrzeuginsassen 3 ausgeübt, deren Wert dem Schwellwert F0 entspricht. Die Gurtkraft kann mithilfe eines Kraftsensors im Bereich der Gurtrolle der Sicherheitsgurteinrichtung 1 detektiert werden.
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Alternativ ist es auch möglich, dass die Freigabe des Gurtbandes der Sicherheitsgurteinrichtung 1 gesteuert wird und zusätzlich der Frontairbag der Airbageinrichtung 2 derart gesteuert wird, dass dieser mit seiner Rückhaltewirkung eine zusätzliche Gegenkraft aufbringt. Hierzu kann der Frontairbag eine Ventilierungseinrichtung aufweisen, mit der bspw. der Durchflussquerschnitt oder der Volumenstrom in den Airbag und damit die Rückhaltekraft am Fahrzeuginsassen 3 steuerbar wird.
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Eine weitere Alternative besteht darin, dass zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens lediglich die Airbageinrichtung 2 verwendet wird, um die von dem Frontairbag erzeugte Rückhaltekraft F auf den Schwellwert F0 während der Kollision mittels der Ventilierungseinrichtung zu regeln.
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Die Geschwindigkeitsänderung v0 des Fahrzeugs während der Kollision und der vom Fahrzeugschwerpunkt zurückgelegte Weg D werden im prädizierten Zeitpunkt der bevorstehenden Frontalkollision aus einem Sensorsignal oder mehreren Sensorsignalen der Pre-Crash-Sensorik 4 bestimmt.
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Auch ist es möglich, den vom Fahrzeugschwerpunkt des Fahrzeugs während der Kollision zurückgelegten Weg D (im Falle einer Kollision gegen eine starre Wand ist dies der Wert der Fahrzeugdeformation bzw. des Deformationshubes) aus der aus einem Sensorsignal oder mehreren Sensorsignalen des Pre-Crash-Sensors prädizierten Geschwindigkeitsänderung v0 für den Unfalltyp „Kollision gegen eine starre Wand” zu bestimmen. Hierzu werden die Werte D durch Versuch bestimmt und in einer Look-up-Tabelle abgelegt, so dass hieraus für eine prädizierte Geschwindigkeitsänderung v0 des Fahrzeugs 10 der zugehörige Wert für den Parameter D bestimmt werden kann.
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Als Sensoren werden Umfeldsensoren, wie bspw. Radarsensor, Lidarsensoren oder Bildsensoren eingesetzt.
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Schließlich kann der maximale Vorverlagerungsweg S0 des Fahrzeuginsassen 3 mittels einer Innenraum-Sensorik bestimmt werden. Alternativ ist es auch möglich, den maximalen Vorverlagerungsweg S0 als gespeicherten Wert in der Speichereinrichtung 6 des Steuergerätes 5 bereitzustellen.
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Auch die zur Bestimmung des Schwellwertes F0 erforderliche Masse des Fahrzeuginsassens 3 kann mittels eines Sitzbelegungssensors oder anderen Verfahren ermittelt oder ebenso als gespeicherter Wert in der Speichereinrichtung 6 des Steuergerätes 5 bereitgestellt werden.
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Die für die Bestimmung des Schwellwertes F0 in der Speichereinrichtung 6 bereitgestellten Werte können in einer Lookup-Tabelle abgelegt werden.
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Aus den entweder über eine solche Lookup-Tabelle oder aus Sensordaten eines oder mehrerer Sensoren bereitgestellten Daten wird der Schwellwert F0 gemäß obiger Formel berechnet, der von der Sicherheitsgurteinrichtung 1 oder der Airbageinrichtung 2 oder einer Kombination derselben während der gesamten Dauer des Crashs aufgebracht, also auf diesen Schwellwert F0 von dem Steuergerät 5 geregelt wird. Das bedeutet insbesondere, dass bspw. ein Gurtkraftbegrenzer der Sicherheitsgurteinrichtung 1 die gesteuerte Freigabe des Gurtbandes bzw. eine steuerbare Ventilierungseinrichtung im Frontairbag der Airbageinrichtung 2 oder eine Kombination derselben eine Vorverlagerung des Fahrzeuginsassen 3 ermöglicht, wenn die Rückhaltekräfte aus Gurtband und Frontairbag größer als der Schwellwert F0 sind.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Personen-Rückhalteeinrichtung, Sicherheitsgurteinrichtung mit Gurtstraffer des Fahrzeugs 10
- 2
- Personen-Rückhalteeinrichtung, Airbageinrichtung des Fahrzeugs 10
- 3
- Fahrzeuginsasse
- 4
- Pre-Crash-Sensorik
- 5
- Steuergerät
- 6
- Speichereinrichtung des Steuergerätes 5
- 10
- Fahrzeug
- 20
- Kollisionspartner, starre Wand
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102005026755 A1 [0002]
- DE 102005026775 A1 [0004, 0005]
- DE 10345726 A1 [0006, 0008]
- WO 2007/016947 A1 [0009, 0010]