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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Verbesserung der Biokompatibilität einer Oberfläche, insbesondere einer Festkörperoberfläche.
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Die Erfindung betrifft ferner eine Vorrichtung, beispielsweise ein Implantat, einen Sensor oder ein Zellkulturgefäß, die mit biologischen Systemen in Kontakt gebracht wird, mit einer biokompatiblen Oberfläche.
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Materialien, die mit biologischen Systemen in Kontakt kommen, müssen eine hohe Biokompatibilität aufweisen, d. h. (I) die Materialien dürfen keine schädigende Wirkung auf das biologische System haben und (II) die biologische Umgebung darf keine Materialveränderungen, wie z. B. Korrosion, Biodegradation, usw. verursachen.
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Um die Biokompatibilität von Materialien zu erhöhen, gibt es verschiedenste mechanische, chemische und physikalische Methoden zur Modifizierung von Oberflächen. Durch mechanische Modifizierung (z. B. durch Polieren oder Schleifen) sollen bestimmte Oberflächentopographien oder -rauhigkeiten erhalten werden, Verunreinigungen der Oberfläche entfernt werden sowie die Adhäsionseigenschaften für nachfolgende Anbindungen von Molekülen verbessert werden (I. Milinkovic, R. Rudolf, K.T. Raić, Z. Aleksić, V. Lazić, A. Todorović, D. Stamenković, Materiali in tehnologije/Materials and Technology 46 (2012) 251–256).
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Oberflächen können chemisch modifiziert werden durch direkte Reaktionen mit spezifischen Reagenzien, durch kovalente Anbindung von Molekülen an der Oberfläche, durch plasmabasierte Techniken, wie z. B. Plasma-unterstütztes Ätzen, Abscheiden oder Polymerisieren sowie Plasma-Immersions-Ionenimplantation (P.K. Chu, J.Y. Chen, L.P. Wang, N. Huang, Mater. Sci. Eng., R 36 (2002) 143–206).
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Liu, Chu und Ding geben einen Überblick über verschiedene Möglichkeiten der Oberflächenmodifizierung von Titan und Titanlegierungen für biomedizinische Anwendungen (X. Liu, P.K. Chu, C. Ding, Mater. Sci. Eng., R 47 (2004) 49–121). Chemisch können Titanoberflächen mit Säuren oder Laugen behandelt werden. Zu den chemischen Modifizierungen gehören außerdem Sol-Gel-Beschichtungen, anodische Oxidationen, chemische Gasphasenabscheidungen sowie biochemische Modifizierungen. Auf physikalischem Wege können Titanoberflächen durch thermisches Spritzen (z. B. Flammenspritzen oder Plasmaspritzen), durch physikalische Gasphasenabscheidung oder durch Ionenimplantation und -abscheidung modifiziert werden. Elektrochemisch kann die Biokompatibilität von Titanoberflächen mit Hilfe der anodischen Oxidation und durch elektrophoretische oder kathodische Abscheidung von Hydroxylapatit erhöht werden (K.-H. Kim, N. Ramaswamy, Dent. Mater. J. 28 (2009) 20–36).
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Zur Modifizierung von Polymeroberflächen werden ferner verschiedene physikalische und chemische Methoden beschrieben (F. Abbasi, H. Mirzadeh, A.-A. Katbab, Polym. Int. 50 (2001) 1279–1287). Die üblichsten physikalischen Methoden zur Oberflächenmodifizierung von Silikonpolymeren sind Plasma- und Laserbehandlungen sowie Koronaentladungen. Chemisch können die Oberflächen von Silikonpolymeren durch Ätzen, Oxidation, Hydrolyse, Funktionalisierung sowie „surface grafting” modifiziert werden.
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Bei allen genannten Methoden können die Eigenschaften von Oberflächen verändert werden, um die Biokompatibilität in verschiedener Hinsicht zu erhöhen.
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Der vorliegenden Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Behandlung von Oberflächen bereitzustellen, das es erlaubt, die Biokompatibilität der Oberfläche, insbesondere gegenüber Zellkulturen und Geweben, auf einfache Weise zu verbessern, und das für eine Vielzahl verschiedener Oberflächen, insbesondere Festkörperoberflächen, einsetzbar ist.
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Die oben genannte Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, dass die Oberfläche mit wenigstens einer Spezies von reaktiven Radikalen behandelt wird. Die eingangs genannte Vorrichtung löst diese Aufgabe dadurch, dass deren biokompatible Oberfläche mit einem Verfahren der vorliegenden Erfindung behandelt wurde.
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Gemäß der Erfindung hat sich überraschenderweise gezeigt, dass eine Oberflächenbehandlung mit wenigstens einer Spezies reaktiver Radikale die Oberfläche detoxifiziert und auf diese Weise die Biokompatibilität der Oberfläche verbessert. Im Gegensatz zu den bestehenden Methoden wird die Oberfläche durch die reaktiven Radikale detoxifiziert, was deren Biokompatibilität gegenüber biologischen Systemen erhöht, ohne beispielsweise zusätzliche Schichten auf die Oberfläche aufzubringen.
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Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass die Radikale auf ganz unterschiedlichen Wegen generiert werden können und die Methode somit an verschiedenste Materialanforderungen angepasst werden kann. Soll die Biokompatibilität von z. B. hitzeempfindlichen Oberflächen verbessert werden, können die Radikale bei Raumtemperatur beispielsweise durch die Fenton-Reaktion produziert werden. Soll die Oberfläche möglichst chemikalienfrei behandelt werden, können z. B. Photolyse oder Radiolyse zur Radikalerzeugung genutzt werden.
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Ein „reaktives Radikal” ist ein Atom oder Molekül mit mindestens einem ungepaarten Elektron, das reaktiv ist. Reaktive Radikale reagieren in der Regel sehr schnell, häufig innerhalb von weniger als einer Sekunde. „Wenigstens eine Spezies von reaktiven Radikalen” umfasst sowohl Ausführungen, bei denen die Oberfläche nur mit einer einzigen Art von Radikalen (Radikalatome, Radikalionen, Radikalmoleküle oder Radialmolekülionen) behandelt wird, als auch solche, bei denen verschiedene Typen von Radikalen mit der Oberfläche in Kontakt kommen. Eine „Verbesserung der Biokompatibilität” im Sinne der vorliegenden Erfindung zeigt sich durch eine Detoxifizierung der Oberfläche, d. h. die erfindungsgemäß behandelte Oberfläche ist weniger zytotoxisch, also weniger zell- und/oder gewebeschädigend, im Vergleich zu einer unbehandelten Oberfläche, die nicht mit reaktiven Radikalen in Kontakt gebracht wurde. Die verbesserte Biokompatibilität kann durch einen Zytotoxizitätstest bestimmt werden, bei dem die unbehandelte Oberfläche und einmal die mit reaktiven Radikalen behandelte Oberfläche mit einer Zellkultur in Kontakt gebracht wird, und anschließend die Zellvitalität in der Lösung ermittelt wird. Mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens kann die Zellvitalität um mindestens 10%, vorzugsweise um mindestens 25% und besonders bevorzugt um 50–100% gesteigert werden.
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Die erfindungsgemäße Lösung kann durch verschiedene, jeweils für sich vorteilhafte, beliebig miteinander kombinierbare Ausgestaltungen weiter verbessert werden. Auf diese Ausgestaltungsformen und die mit ihnen verbundenen Vorteile wird im Folgenden eingegangen.
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Gemäß einer Ausführungsform des Verfahrens können die reaktiven Radikale aktive Zentren, die biologische Reaktionen auslösen und zell- und/oder gewebeschädigend wirken, der Oberfläche desaktivieren. Somit werden die zytotoxische Reaktionen auslösenden aktiven Zentren auf der Oberfläche gezielt und spezifisch durch die Behandlung mit reaktiven Radikalen desaktiviert. Dies ist insofern überraschend und unerwartet, weil man erwarten sollte, dass reaktive Radikale auf Oberflächen chemische Reaktionen auslösen, die aktive Zentren generieren und dadurch zytotoxisch wirken. Ein zytotoxische Reaktionen auslösendes aktives Zentrum ist ein Atom oder eine Substanz auf der Zelloberfläche, die zell- und/oder gewebeschädigend wirkt. Mittels reaktiver Radikale können diese aktiven Zentren zielgerichtet und spezifisch desaktiviert werden, beispielsweise indem sie in nicht zytotoxische Substanzen umgewandelt, oder aus der Zelloberfläche herausgelöst werden, beispielsweise durch reaktive Spaltung.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform können die reaktiven Radikale wenigstens eine Spezies von Sauerstoffradikalen, Stickstoffradikalen, Kohlenstoffradikalen, Schwefelradikalen und/oder eine Spezies von Halogen-Radikalen umfassen. Zu den reaktiven Sauerstoffradikalen gehören alle Radikale, bei denen das wenigstens eine ungepaarte Elektron an einem Sauerstoffatom sitzt. Beispiele von Sauerstoffradikalen sind Hyperoxidanionen, Hydroxylradikale, Hydroperoxylradikale, Peroxylradikale oder Alkoxylradikale. Beispiele für Stickstoffradikale sind Stickstoffmonoxid und Tristickstoff. Kohlenstoffradikale umfassen beispielsweise Triplet-Carben und Alkylradikale, und zu Schwefelradikalen gehören beispielsweise Thiylradikale. Halogene Radikale umfassen unter anderem Chlorradikale und Bromradikale.
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Gemäß einer weiteren Ausführung können reaktive Radikale durch Spalten eines Radikalstarters erzeugt werden. Bei einem Radikalstarter handelt es sich um ein Molekül, das in wenigstens ein reaktives Radikal umgesetzt werden kann. Beispielsweise lässt sich die Chlor-Chlor-Bindung bei molekularem Chlor (Cl2) oder die Brom-Brom-Bindung beim molekularen Brom (Br2) durch Lichteinwirkung spalten und die molekularen Radikalstarter werden dabei in reaktive Radikale umgewandelt.
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Gemäß einer Ausführung kann die Oberfläche mit dem Radikalstarter, der in der Regel im Unterschied zu reaktiven Radikalen stabil ist, in Kontakt gebracht werden, und der Radikalstarter anschließend in situ in das reaktive Radikal umgewandelt werden. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass die komplette Oberfläche gleichmäßig behandelt wird.
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Der Radikalstarter kann durch Photolyse, Radiolyse, Thermolyse, mittels Plasma, und/oder durch eine chemische, beispielsweise elektrochemische, und/oder eine biochemische, beispielsweise eine enzymatische Reaktion in das reaktive Radikal umgesetzt werden. Die Radikalerzeugung kann somit auf unterschiedlichen Wegen und an die Eigenschaften der zu behandelnden Oberfläche angepasst erfolgen, beispielsweise nichtthermisch durch Licht, beispielsweise UV-Strahlung, oder der Verwendung von Röntgen- und anderer ionisierender Strahlung. Eine chemische Umsetzung, beispielsweise in Form einer chemischen oder elektrochemischen Fenton-Reaktion, bei der Wasserstoffperoxid durch die Reaktion mit Fe(II)-Ionen oder auch mit anderen Übergangsmetallionen, wie z. B. Cu(II), Ti(III), Cr(II) oder Co(II) in einem sauren Medium unter Bildung des hochreaktiven Hydroxylradikals zersetzt wird, ist ebenfalls bei Raumtemperatur möglich.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens kann das reaktive Radikal ein Hydroxylradikal sein. Hydroxylradikale können auf einfache Weise aus biologisch unbedenklichen Stoffen, z. B. Wasser, erzeugt werden. Hydroxylradikale können insbesondere gebildet werden:
- a) in einer Fenton-Reaktion;
- b) durch Photolyse von einem Peroxid;
- c) durch Radiolyse von Wasser oder einer anderen zu Hydroxylradikalen radiolysierbaren Sauerstoffverbindung; oder
- d) durch eine Plasmareaktion von einer zu Hydroxylradikalen mittels Plasmabehandlung umsetzbaren Sauerstoffverbindung, vorzugsweise von Wasser oder einem Peroxid.
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Die Oberfläche, deren Biokompatibilität mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens verbessert wird, kann beispielsweise ein Edelmetall, eine Edelmetallverbindung bzw. -legierung, oder ein Polymer aufweisen. Edelmetalle, beispielsweise Gold, werden häufig als Elektroden in Biosensoren und als Implantatmaterial eingesetzt. Implantate und Zellkulturgefäße sind oftmals aus Polymeren hergestellt, die zwar in biologischer Umgebung keine Materialveränderung, wie zum Beispiel Korrosion verursachen, die jedoch zell- und/oder gewebeschädigende Wirkung auf biologische Systeme haben, somit mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens in ihrer Biokompatibilität verbessert werden können.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform kann die Oberfläche zu einem Implantat, einem Sensor oder einem Zellkulturgefäß gehören. Ein Vorteil ist, dass das Implantat, der Sensor bzw. das Kulturgefäß zunächst hergestellt und anschließend erfindungsgemäß behandelt werden kann. Das erfindungsgemäße Verfahren ist universell, d. h. für jede Oberflächenart und jeden Oberflächentyp einsetzbar, weil sich für eine vorgegebene Oberflächenart bzw. einen vorgegebenen Oberflächentyp mit besonders geeigneten reaktiven Radikalen durch unterschiedliche an die Materialanforderungen angepasste Verfahren bereitstellen lässt.
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Erfindungsgemäß ist ferner eine Vorrichtung, die mit biologischen Systemen in Kontakt gebracht wird, beispielsweise ein Implantat, ein Sensor oder ein Zellkulturgefäß, mit einer biokompatiblen Oberfläche vorgesehen, die gemäß einem der obigen Verfahren behandelt wurde. Die Vorrichtung zeichnet sich durch eine Oberfläche mit verbesserter Biokompatibilität aus, was sich auf einfache Weise dadurch nachweisen lässt, dass beim Vergleich einer Oberfläche vor Behandlung mit reaktiven Radikalen und einer mit reaktiven Radikalen behandelten Oberfläche, letztere eine deutlich höhere Zellvitalität aufweist, wenn sie mit einer Zellkultur in Kontakt gebracht wird. Ein weiteres Merkmal der erfindungsgemäßen Vorrichtung ist, dass die aktiven Zentren, die biologische Reaktionen auslösen und zell- und/oder gewebeschädigend wirken, gezielt desaktiviert, also in biologisch inaktive Moleküle umgesetzt oder, z. B. im Falle biologisch aktiver Goldionen, von der Oberfläche abgelöst sind.
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Im Folgenden wird die Erfindung anhand beispielhafter Ausführungsformen mit Bezug auf die Zeichnungen und konkrete Versuche näher erläutert. Die bei den Ausführungsformen beispielhaft dargestellten Merkmalskombinationen können nach Maßgabe der obigen Ausführungen entsprechend der für einen bestimmten Anwendungsfall notwendigen Eigenschaften der erfindungsgemäßen Vorrichtung bzw. des erfindungsgemäßen Verfahrens durch weitere Merkmale ergänzt werden. Auch können, ebenfalls nach Maßgabe der obigen Ausführungen, einzelne Merkmale bei den beschriebenen Ausführungsformen weggelassen werden, wenn es auf die Wirkung dieses Merkmals in einem konkreten Anwendungsfall nicht ankommt.
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In den Zeichnungen werden für Elemente gleicher Funktion und/oder gleichen Aufbaus dieselben Bezugszeichen verwendet.
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Es zeigen:
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1: eine schematische Darstellung des erfindungsgemäßen Verfahrens zur Verbesserung der Biokompatibilität einer Oberfläche gemäß einer ersten Ausführungsform;
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2: eine schematische Darstellung eines Verfahrens zur Verbesserung der Biokompatibilität einer Oberfläche gemäß einer zweiten Ausführungsform;
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3: einen Graphen betreffend die Abhängigkeit der Zellvitalität von der aus einer Goldoberfläche abgelösten Goldmenge;
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4: AFM-Aufnahmen und Querschnittsanalysen von (a) einer mechanisch polierten Goldoberfläche vor Implantation, (b) einer mechanisch polierten Goldoberfläche nach Implantation, (c) einer ”Fenton-polierten” Goldoberfläche vor Implantation und (d) einer ”Fenton-polierten” Goldoberfläche nach Implantation in die Peritonealhöhle von Mäusen.
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Im Folgenden wird eine erste Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Verfahrens zur Verbesserung der Biokompatibilität einer Oberfläche 1, in der schematischen Darstellung der 1 eine Festkörperoberfläche, unter Bezugnahme auf die schematische Abbildung der 1 erläutert. Die Oberfläche 1 wird mit reaktiven Radikalen 2 in Kontakt gebracht. Das Radikal kann eine Anzahl von n ungepaarten Elektronen (dargestellt durch einen •) aufweisen. Enthält das Radikal zwei ungepaarte Elektronen, spricht man von einem Diradikal, bei drei ungepaarten Elektronen von einem Triradikal usw.
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Die Oberfläche 1 kann die Oberfläche einer Vorrichtung 3, beispielsweise eines Implantats, eines Sensors oder eines Zellkulturgefäßes sein, deren Biokompatibilität zu verbessern ist.
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Die reaktiven Radikale 2 bewirken, dass aktiven Zentren 4, die biologische Reaktionen auslösen und zell- und/oder gewebeschädigend wirken, der Oberfläche 1 desaktiviert werden. Das aktive Zentrum 4 ist in den Figuren schematisch als Kreis mit einem darin befindlichen Stern gekennzeichnet, wobei der Stern die zytotoxische Wirkung, also die zell- oder gewebeschädigende Eigenschaft des aktiven Zentrums 4 symbolisiert.
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Wie auf der rechten Seite in 1 gezeigt ist, desaktiviert das reaktive Radikal 2 das aktive Zentrum 4 der Oberfläche 1. Die Desaktivierung kann beispielsweise dadurch geschehen, dass das aktive Zentrum 4 von der Oberfläche abgespalten und an dieser herausgelöst wird, wie auf der rechten Seite der 1 oben gezeigt ist. Die Desaktivierung kann auch derart sein, dass das aktive Zentrum 4 durch das reaktive Radikal 2 so umgewandelt wird, dass es keine zell- oder gewebeschädigende Wirkung mehr aufweist, was in 1 rechts unten dadurch symbolisiert ist, dass der die zytotoxische Wirkung indizierende Stern nicht mehr vorhanden ist.
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In 2 ist schematisch eine weitere Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens dargestellt. Bei der Ausführungsform der 2 werden reaktive Radikale 2 durch Spalten eines Radikalstarters 5 erzeugt. Im Unterschied zu einem reaktiven Radikal 2 ist der Radikalstarter 5 stabil, also weniger reaktiv und langlebiger. Beim Verfahren der in 2 gezeigten Ausführungsform wird der Radikalstarter 5 zunächst mit der Oberfläche 1 der Vorrichtung 3 in Kontakt gebracht. Anschließend wird der Radikalstarter 5 in situ, also an Ort und Stelle in das reaktive Radikal 2 umgesetzt. Zur Umsetzung wird der Radikalstarter 5 durch ein Spaltagens 6 in das reaktive Radikal 2 umgewandelt.
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Das Spaltagens 6 kann sowohl eine chemische Substanz oder ein Enzym, als auch Strahlung beispielsweise UV-, Röntgen- oder eine ionisierende Strahlung, sowie die Änderung eines Parameters, zum Beispiel der Temperatur oder des Drucks sein, welche die Spaltung des Radikalstarters 5 in das reaktive Radikal 2 bewirkt. Je nach Art und Beschaffenheit der Oberfläche 1 kann somit ein Spaltagens 6 und somit eine Umwandlungsmethode des Radikalstarters 5 ausgewählt werden, welche die Eigenschaften der Oberfläche 1, mit der Ausnahme der Biokompatibilität, die erfindungsgemäß verbessert wird, nicht modifiziert. Beispielsweise kann mittels einer Photolyse (Lichteinstrahlung) oder Radiolyse (ionisierende Strahlung) die Biokompatibilität der Oberfläche 1 ohne eine Temperaturerhöhung verbessert werden. Dies ist insbesondere bei thermosensitiven Oberflächen vorteilhaft.
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Nachdem der Radikalstarter 5 in das reaktive Radikal 2 mittels des Spaltagens 6 umgewandelt wurde (rechte Seite der 2), läuft das erfindungsgemäße Verfahren der zweiten Ausführungsform analog dem in 1 gezeigten Verfahren weiter, indem reaktive Radikale 2 die Biokompatibilität der Oberfläche 1 verbessert, indem aktive Zentren 4 der Oberfläche 1 gezielt desaktiviert werden.
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Im Folgenden wird die erfindungsgemäße Lehre anhand von konkreten Versuchsergebnissen erläutert.
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1. Senkung der Zytotoxizität von Goldschichten
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Die Zellvitalität von galvanisch abgeschiedenen Goldschichten auf Edelstahldrähten wurde nach Gammasterilisation untersucht. Es wurden unbehandelte und mit Sauerstoffradikalen behandelte Goldschichten einem Zytotoxizitätstest mit humanen adulten Hautfibroblasten (NHDF-Zellen) unterzogen. Dazu wurden Eluate von den Drähten hergestellt und ihr Einfluss auf die Zellvitalität der NHDF-Zellen mithilfe eines kolorimetrischen Assays (TTC-Assay) untersucht (detaillierte Beschreibung siehe: N. Saucedo-Zeni et al., Int. J. Oncol. 41 (2012) 1241–1250).
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Die Radikale wurden mit Hilfe von Fenton-Lösungen und durch UV-Photolyse von Wasserstoffperoxid generiert. Folgende Zusammensetzung der Fenton-Lösung wurde eingesetzt:
c
Acetatpuffer = 0,1 mol·L
1 und
. Die gesamte Behandlungszeit betrug 120 Minuten, wobei alle 5 Minuten die „alte” Fenton-Lösung durch eine frische Fenton-Lösung ersetzt wurde.
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Zur Radikalgenerierung mittels UV-Photolyse von H2O2 wurde ein „705 UV Digester” (Metrohm, Schweiz) verwendet. Es hat sich gezeigt, dass eine 30-minütige Behandlung der Goldschicht bei Verwendung einer 0,3%-igen H2O2-Lösung ausreicht, um die Goldschichten vollständig zu detoxifizieren.
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Während die Zellvitalität bei unbehandelten Goldschichten lediglich zwischen 20 und 60% lag, betrug die Zellvitalität bei Goldschichten nach der obigen Behandlung mit reaktiven Sauerstoffradikalen praktisch 100%, d. h. die Goldschichten wurden durch die Radikalbehandlung vollständig detoxifiziert.
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Weiterhin wurden die verwendeten Fenton-Lösungen mittels ICP-AES mit einem „ICP-Optical Emission Spectrometer Optima 2100 DV” (PerkinElmer, USA) auf ihren Goldgehalt untersucht.
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Dabei wurde festgestellt, dass die Zellvitalität umso höher ist, je größer die abgelöste Goldmenge ist (siehe 3).
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Es ist bekannt, dass sich aus Goldimplantaten herauslösende Goldionen biologische Aktivität besitzen (A. Larsen, K. Kolind, D.S. Pedersen, P. Doering, M.Ø. Pedersen, G. Danscher, M. Penkowa, M. Stoltenberg, Histochem. Cell. Biol. 130 (2008) 681–692; G. Danscher, A. Larsen, Histochem. Cell. Biol. 133 (2010) 367–373). Im Falle der für die Zytotoxizitätstests verwendeten Organismen (humane dermale Fibroblasten) sind sie offensichtlich toxisch. Aus 3 ist somit ersichtlich, dass die abgelösten Goldatome aktive Zentren der Oberfläche sind, die biologische Reaktionen auslösen. Durch die Ablösung dieser aktiven Zentren wird die Oberfläche detoxifiziert.
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2. Implantation von Goldblechen in die Peritonealhöhle von Mäusen
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Zunächst wurden sechs Goldbleche (Größe: 15 mm × 5 mm × 0.05 mm) mechanisch mit Aluminiumoxidpulver poliert. Drei der mechanisch polierten Goldbleche wurden anschließend mit Sauerstoffradikalen, die mit Hilfe von Fenton-Lösungen generiert wurden, behandelt. Dazu wurden die Goldbleche in eine stets frisch hergestellt Lösung bestehend aus (NH
4)
2Fe(SO
4)
2·6(H
2O) (
; Merck), Na
2EDTA·2H
2O (c
EDTA = 1·10
–3 mol L
–1; Merck) und Acetatpuffer (
, pH = 4,7; Merck) getaucht Die Fenton-Reaktion wurde durch Zugabe von H
2O
2 (Merck) gestartet und die Goldbleche wurden dieser Lösung für 5 Minuten ausgesetzt. Diese Prozedur wurde 12-mal wiederholt, so dass die gesamte Behandlungszeit 120 Minuten betrug. In der Fenton-Lösung lagen
stets im Verhältnis 10:1 vor.
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Sowohl von den mechanisch polierten als auch von den Fenton-behandelten Goldblechen wurden AFM-Bilder aufgenommen (siehe 4a und 4c) und die Rauigkeitsfaktoren der Oberflächen bestimmt (siehe Tabelle 1). Die AFM-Messungen wurden mithilfe eines „NanoScope I” (Digital Instruments, USA) im Kontakt-Modus durchgeführt.
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Die Goldbleche wurden in die Peritonealhöhle von Mäusen implantiert (pro Maus ein Goldblech). Nach 14 Tagen wurden die Goldbleche den Mäusen entnommen und erneut AFM-Bilder der Goldoberflächen aufgenommen (siehe 4b und 4d) und die Rauigkeitsfaktoren bestimmt (siehe Tabelle 1).
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Anhand der AFM-Bilder und Rauigkeitsfaktoren wird deutlich, dass die lediglich durch mechanisches Polieren behandelten Goldoberflächen in der Peritonealhöhle der Mäuse geglättet werden, d. h. biologisch aktives, also zellschädigendes Gold wird von den Implantaten abgelöst. Die mechanisch polierten und anschließend mit Radikalen behandelten Goldoberflächen weisen dagegen keine veränderte Rauigkeit der Oberfläche auf, weil die aktiven Zentren bei der Behandlung der Oberfläche mit reaktiven Radikalen desaktiviert werden. Daher wurde in der Peritonealhöhle von den Goldoberflächen kein Gold abgelöst. Das beweist, dass Implantate durch Vorbehandlung mit Radikalen eine höhere Biokompatibilität aufweisen (nicht angegriffen werden). Tabelle 1: Rauigkeitsfaktoren der verschieden behandelten Goldoberflächen
| | Rauigkeitsfaktor [nm] |
Mechanisch poliert | Vor Implantation | 14.7 ± 2.1 |
Nach Implantation | 10.2 ± 0.5 |
”Fentonpoliert” | Vor Implantation | 12.6 ± 1.0 |
Nach Implantation | 13.4 ± 1.3 |
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Oberfläche
- 2
- reaktives Radikal
- 3
- Vorrichtung (beispielsweise Implantat, Sensor oder Zellkulturgefäß)
- 4
- aktives Zentrum
- 5
- Radikalstarter
- 6
- Spaltagens
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- I. Milinkovic, R. Rudolf, K.T. Raić, Z. Aleksić, V. Lazić, A. Todorović, D. Stamenković, Materiali in tehnologije/Materials and Technology 46 (2012) 251–256 [0004]
- P.K. Chu, J.Y. Chen, L.P. Wang, N. Huang, Mater. Sci. Eng., R 36 (2002) 143–206 [0005]
- X. Liu, P.K. Chu, C. Ding, Mater. Sci. Eng., R 47 (2004) 49–121 [0006]
- K.-H. Kim, N. Ramaswamy, Dent. Mater. J. 28 (2009) 20–36 [0006]
- F. Abbasi, H. Mirzadeh, A.-A. Katbab, Polym. Int. 50 (2001) 1279–1287 [0007]
- N. Saucedo-Zeni et al., Int. J. Oncol. 41 (2012) 1241–1250 [0039]
- A. Larsen, K. Kolind, D.S. Pedersen, P. Doering, M.Ø. Pedersen, G. Danscher, M. Penkowa, M. Stoltenberg, Histochem. Cell. Biol. 130 (2008) 681–692 [0045]
- G. Danscher, A. Larsen, Histochem. Cell. Biol. 133 (2010) 367–373 [0045]