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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur enzymatischen Isomerisierung von (R)-3-Hydroxycarbonsäuren zu den entsprechenden 2-Hydroxy-2-methylcarbonsäuren. Die Umwandlung erfolgt in einer wässrigen Reaktionslösung in einem Temperaturbereich von 20 bis 80°C, wobei Mikroorganismen bzw. Zellextrakte oder ein Rohextrakt davon, die eine Cobalamin-abhängige Mutase zur Isomerisierung von (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA- und 2-Hydroxy-2-methylcarbonyl-CoA-Estern aufweisen oder die mit der genannten Mutase transfiziert sind, kultiviert werden. Die entsprechende 2-Hydroxy-2-methylcarbonsäure wird ins Medium abgegeben und als Säure oder in Form ihrer Salze gewonnen. In einer Verfahrensvariante kann der Mikroorganismus oder ein Rohextrakt davon enzymatische Aktivitäten (Enzyme) enthalten, die intrazellulär (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Ester synthetisieren und diese (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Ester zu den korrespondierenden 2-Hydroxy-2-methylcarbonsäuren umwandeln.
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2-Hydroxy-2-methylcarbonsäuren und die nach ihrer Dehydratisierung entstehenden ungesättigten 2-Methylcarbonsäuren, namentlich die C4-Säuren 2-Hydroxyisobuttersäure und Methacrylsäure, sind wichtige Bausteine für die Synthese einer Vielzahl von chemischen Produkten, wie z. B. von Polymeren und Beschichtungen.
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Da die industrielle Herstellung zurzeit nur durch nicht-enzymatische Prozesse erfolgt und mit großem Energieaufwand und erheblicher Umweltbelastung verbunden ist, sind biotechnologische Prozesse gefragt, die es ermöglichen, 2-Hydroxy-2-methylcarbonsäuren Ressourcen schonender und umweltfreundlicher zu produzieren. In diesem Zusammenhang wurde die biotechnologische Herstellung von 2-Hydroxy-2-methylcarbonsäuren über 3-Hydroxycarbonsäuren auf der Basis einer in dem Bakterienstamm HCM-10 (DSM 18028) gefundenen 2-Hydroxy-2-methylcarbonyl-CoA-Mutase-Aktivität durch die Patente
DE 10 2006 017 760 und
WO 2009/156214 bekannt gemacht. Der Stoffwechselweg zur Synthese von (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA und Poly-(R)-3-hydroxyalkanoaten ist biotechnologisch gut etabliert (
Rohwerder & Müller 2010, Microbial Cell Factories 9:13). Jedoch der entscheidende Nachteil des in DE 10 2006 017 760 und WO 2009/156214 beschriebenen Verfahrens besteht darin, dass bei der enzymatischen Umwandlung durch das Mutase-Enzym aus Stamm HCM-10 das (S)-Enantiomer des 3-Hydroxycarbonyl-CoA-Esters bei der Isomerisierung bevorzugt wird (
Yaneva et al. 2012, J. Biol. Chem. 287: 15502-15511). Dadurch wird eine Kombination der Mutase-Reaktion mit einem bereits biotechnologisch gut etablierten Stoffwechselweg zur Synthese von (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA und Poly-(R)-3-hydroxyalkanoaten (Rohwerder & Müller 2010, Microbial Cell Factories 9:13) nur durch Ergänzung mit entsprechend racemisch wirkenden enzymatischen Aktivitäten möglich. Zudem wird der Ertrag durch Nebenreaktionen wie z. B. durch den Stoffwechselweg der so genannten Beta-Oxidation der Fettsäuren, der spezifisch für die (S)-Enantiomere der 3-Hydroxycarbonyl-CoA-Ester ist und diese zu Acetyl-CoA oxidiert, verringert. Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass das Mutase-Enzym aus Stamm HCM-10 mesophil ist. Es weist ein Temperaturmaximum von 40°C auf, bereits bei 45°C ist es vollständig inaktiv (Yaneva et al. 2012, J. Biol. Chem. 287: 15502-15511). Von Nachteil ist auch, dass in DE 10 2006 017 760 und WO 2009/156214 nur neutrophile Gram-negative Bakterien mit einer geringen Resistenz gegenüber Säuren zum Einsatz kommen. Eine Akkumulation des angestrebten Produkts in der wässrigen Reaktionslösung ist also schwierig, da damit gleichzeitig eine Hemmung der für die Synthese verwendeten Mikroorganismen verbunden ist.
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Biotechnologische Verfahren, die die Isomerisierung der (R)-Enantiomere von 3-Hydroxycarbonyl-CoA-Estern zu entsprechenden 2-Hydroxy-2-methylcarbonyl-CoA-Estern gewährleisten, sind deshalb von Vorteil. Außerdem sind für industrielle Prozesse Verfahren, die auch bei höheren Temperaturen durchgeführt werden können, wünschenswert, da dadurch erhöhte Syntheseraten möglich sind.
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Der Erfindung lag deshalb die Aufgabe zugrunde, ein biotechnologisches, industriell durchführbares Verfahren bereitzustellen, das mit hoher Stereospezifität die Isomerisierung der (R)-Enantiomere von 3-Hydroxycarbonyl-CoA-Estern zu entsprechenden 2-Hydroxy-2-methylcarbonyl-CoA-Estern gewährleistet. Gleichzeitig bestand die Aufgabe darin, Enzyme zur Isomerisierung von 3-Hydroxycarbonsäuren und 2-Hydroxy-2-methylcarbonsäuren zu finden, die bei der enzymatischen Umwandlung die (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA- gegenüber (S)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Estern bevorzugen und, die darüber hinaus auch bei höheren Temperaturen zur Verfügung stehen.
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Auf der Suche nach einer Lösung dieser Aufgabe wurde gefunden, dass bestimmte Mikroorganismen die Fähigkeit besitzen, Cobalamin-abhängige Mutasen zur Isomerisierung von überwiegend (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA- und entsprechenden 2-Hydroxy-2-methylcarbonyl-CoA-Ester zu produzieren.
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Gegenstand der Erfindung ist deshalb ein Verfahren zur Isomerisierung von (R)-3-Hydroxycarbonsäuren zu entsprechenden 2-Hydroxy-2-methylcarbonsäuren. Die Umwandlung findet in einer wässrigen Reaktionslösung statt, wobei Mikroorganismen oder Rohextrakte davon, die eine Cobalamin-abhängige Mutase zur Isomerisierung von (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA- und 2-Hydroxy-2-methylcarbonyl-CoA-Estern aufweisen oder die mit der genannten Cobalamin-abhängige Mutase transfiziert sind, bei Temperaturen von 20 bis 80°C kultiviert werden. Die entsprechende 2-Hydroxy-2-methylcarbonsäure wird ins Medium abgegeben und als Säure oder in Form ihrer Salze gewonnen.
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In einer Ausführungsvariante der Erfindung werden die Mikroorganismen als ganze Zellen unverändert, permeabilisiert oder trägerfixiert im erfindungsgemäßen Verfahren eingesetzt. In einer weiteren Variante können auch zellfreie Rohextrakte der Mikroorganismen eingesetzt werden.
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Diese Cobalamin-abhängige Mutase wird erfindungsgemäß auch als (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Mutase oder als (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Mutase-Aktivität bezeichnet, da sie das (R)-Enantiomere mit höheren Umsatzraten als (S)-Enantiomere umsetzt. Das Verhältnis des Umsatzes von (R)-Enantiomerem zu (S)-Enantiomerem liegt bevorzugt bei mindestens 2:1, vorzugsweise bei 10:1 bis 50:1 oder höher.
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Eine erfindungsgemäße Cobalamin-abhängige Mutase ist sowohl als mesophiles als auch thermophiles Enzym wirksam.
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Die Erfindung beruht dabei auf der Erkenntnis, dass überraschenderweise thermo-acidophile Gram-positive Bakterienstämme die Isomerisierung von (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA- zu 2-Hydroxy-2-methylcarbonyl-CoA-Estern gegenüber (S)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Estern bevorzugen. Darüber hinaus können diese Mikroorganismen auch enzymatische Aktivitäten für die intrazelluläre Synthese von (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Estern aus anorganischen oder organischen Kohlenstoffquellen aufweisen.
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In einer Verfahrensvariante kann deshalb der Mikroorganismus bzw. ein Zellextrakt oder ein Rohextrakt davon enzymatische Aktivitäten enthalten, die zum einen intrazellulär vorrangig (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Ester synthetisieren und zum anderen mittels (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Mutase-Aktivität die (R)-3-Hydroxycarbonsäuren über die (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Ester zu den korrespondierenden 2-Hydroxy-2-methylcarbonyl-CoA-Estern und 2-Hydroxy-2-methylcarbonsäuren umwandeln.
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Unter enzymatischen Aktivitäten werden im Sinne der Erfindung Enzyme bzw. Proteine oder sie enthaltende Mikroorganismen verstanden, die ein definiertes Substrat in einem bestimmten Zeitraum umsetzen können.
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Die Gram-positiven Bakterienstämme sind vorzugsweise ausgewählt aus der Gruppe umfassend die Gattungen Kyrpidia, Ferrimicrobium, Sulfobacillus und Alicyclobacillus. Darüber hinaus können auch thermophile Gram-negative Bakterienstämme die erfindungsgemäßen enzymatischen Aktivitäten aufweisen. Zu den bevorzugten Gramnegativen Bakterienstämmen gehören z. B. die Mikroorganismen der Gattung Hydrogenophilus.
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Eine erfindungsgemäße (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Mutase ist, wie bereits ausgeführt, in der Lage, bevorzugt (R)-3-Hydroxycarbonsäuren umzusetzen. Das Enzym bewirkt die Umwandlung von (R)-3-Hydroxycarbonsäuren in die entsprechenden 2-Hydroxy-2-methylcarbonsäuren in einem breiten Temperaturbereich von 20 bis 80°C. Das erfindungsgemäße Enzym ist bevorzugt thermophil oder in einem es umfassenden vorzugsweise thermophilen Mikroorganismus enthalten. Das Temperaturoptimum liegt bei 45 bis 70°, bevorzugt bei 45 bis 55°C.
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Bei der Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens verwendet man in einem wässrigen Medium vorzugsweise einen thermo-acidophilen Gram-positiven oder einen thermophilen Gram-negativen Bakterienstamm, bevorzugt ausgewählt aus der Gruppe der Gattungen Kyrpidia, Ferrimicrobium, Hydrogenophilus, Sulfobacillus und Alicyclobacillus bei einer Inkubationstemperatur von 20 bis 80°C, vorzugsweise bei 45 bis 70°C. Besonders bevorzugt ist ein Bakterienstamm der Gattung Kyrpidia. Der Mikroorganismus kann in einem biotechnologischen Prozess zur Produktion von 2-Hydroxy-2-methylcarbonsäuren unter Einsatz organischer Kohlenstoffquellen, wie Methan, oder anorganischer Kohlenstoffquellen, wie Kohlenmonoxid oder Kohlendioxid in Kombination mit Wasserstoff und Sauerstoff zur Synthese und Umwandlung von (R)-3-Hydroxycarbonsäuren über die (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Ester eingesetzt werden.
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Mit den erfindungsgemäßen Enzymen bzw. mit Mikroorganismen, die solche Enyzme enthalten, kann gezielt das R-Enantiomer einer 3-Hydroxycarbonsäure zu entsprechenden 2-Hydroxy-2-methylcarbonsäuren umgewandelt werden. In einer erfindungsgemäßen Verfahrensvariante kann die enzymatische Umsetzung einer Kohlenstoffquelle zu einer 2-Hydroxy-2-methylcarbonsäure in einem einzigen Verfahrensschritt erfolgen.
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Als besonders geeignet hat sich ein gemäßigt acidophiler Gram-positiver Bakterienstamm, der zur Gattung Kyrpidia gehört, erwiesen, der eine (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Mutase-Aktivität mit hoher Stereospezifität besitzt. Besonders kann im erfindungsgemäßen Verfahren der Stamm Kyrpidia tusciae eingesetzt werden, der z. B. unter DSM 2912, IFO 15312 und NBRC 15312 kommerziell verfügbar ist. Die in dem Mikroorganismus enthaltene (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Mutase-Aktivität bewirkt, dass bei der Mutase-katalysierten Isomerisierung von z. B. 3-Hydroxybutyryl-CoA zu 2-Hydroxyisobutyryl-CoA das (R)-Enantiomer deutlich gegenüber dem (S)-Enantiomer des 3-Hydroxybutyryl-CoA-Esters bevorzugt wird. Dieses Enzym ist im Gegensatz zu den bisher bekannten Mutase-Enzymen aus Stamm HCM-10 (
DE 10 2006 017 760 ;
Yaneva et al. 2012, J. Biol. Chem. 287: 15502–15511) spezifisch für die Umwandlung von (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Ester. Überraschenderweise ist es darüber hinaus in einem breiten Temperaturbereich wirksam (20 bis 80°C). Das Temperaturoptimum liegt bei 45 bis 70°, bevorzugt bei 45 bis 55°C.
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Ein bevorzugt verwendetes erfindungsgemäßes Enzym besteht aus zwei Untereinheiten A (Sequenz Nr. 2) und B (Sequenz Nr. 4), die nur eine sehr geringe Homologie zu den Untereinheiten des in
DE 10 2006 017 760 und
WO 2009/156214 beschriebenen Enzyms aufweisen, nämlich Untereinheit A mit einer Sequenzidentität von 43% zu Sequenz 2 und Untereinheit B mit einer Sequenzidentität von 46% zu Sequenz 4 des in DE 10 2006 017 760 vorgestellten Enzyms aus Stamm HCM-10. Ähnlich geringe Sequenzidentitäten, nämlich 42 bis 46%, bestehen auch zu den anderen in DE 10 2006 017 760 genannten Proteinsequenzen von Mutasen (Sequenzen 5, 6, 9, 10, 13 und 14). Dabei erfolgte die Berechnung der Sequenzübereinstimmung mithilfe des BLASTP-Programms (
Altschul et al. 1990, J. Mol. Biol. 215: 403–410) mit allen relevanten Parametern in der Grundeinstellung (Matrix = BLOSUM62) und den vollständigen Aminosäuresequenzen der Untereinheiten A und B des neuen Enzyms (s. auch Allgemeine Methoden).
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In einer erfindungsgemäßen Verfahrensvariante wird ein erfindungsgemäßes Mutase-Enzym, das die Isomerisierung von überwiegend (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Estern zu 2-Hydroxy-2-methylcarbonyl-CoA-Estern katalysiert, oder eine zu mindestens 50% homologe, vorzugsweise zu mindestens 95% homologe CoA-Mutase mit vergleichbarer Stereospezifität in einem geeigneten mikrobiellen System exprimiert und dort zur Isomerisierung von 3-Hydroxycarbonyl-CoA- und 2-Hydroxy-2-methylcarbonyl-CoA-Estern genutzt. Von dem mikrobiellen System wird dann das gewünschte Produkt, z. B. 2-Hydroxyisobuttersäure, als freie Säure in das Kulturmedium abgegeben, so dass es durch übliche Verfahren wie Extraktion gewonnen werden kann.
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Vorzugsweise kommt das erfindungsgemäße Enzym in einem thermo-acidophilen Grampositiven Bakterienstamm, wie z. B. in Vertretern der Gattungen Ferrimicrobium, Sulfobacillus, Alicyclobacillus und Kyrpidia, bei einer Inkubationstemperatur von 45 bis 70°C zum Einsatz.
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Die Verwendung von vorzugsweise acidophilen Gram-positiven Bakterien, die eine gute Resistenz gegenüber Säuren besitzen, erlaubt eine Akkumulation des angestrebten Produkts in der wässrigen Reaktionslösung. Von Vorteil ist weiterhin, dass das erfindungsgemäße Verfahren im mesophilen aber auch im thermophilen Temperaturbereich angewandt werden kann, welcher für industrielle Prozesse aufgrund erhöhter Syntheseraten günstig ist.
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Eine besonders geeignete Variante des Verfahrens besteht in dem Einsatz des erfindungsgemäßen Mutase-Enzyms in Kombination mit einem Stoffwechselweg, der dazu führt, dass in dem verwendeten thermophilen Mikroorganismus (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA aus einfachen Kohlenstoffverbindungen synthetisiert wird. Dabei kann die Kohlenstoffquelle organisch aber auch anorganisch sein. Als organische Kohlenstoffquelle kann als Substrat zur Synthese des (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Esters z. B. Methan verwendet werden. Als eine anorganische Kohlenstoffquelle kann z. B. Kohlenmonoxid oder Kohlendioxid in Kombination mit Sauerstoff und Wasserstoff als Substrat zur Synthese des (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Esters eingesetzt werden. Neben dem o. g. Stamm der Gattung Kyrpidia (DSM 2912) können weiterhin vorzugsweise Vertreter der Gattungen Hydrogenophilus (Vésteinsdóttir et al. 2011, Int. J. Syst. Evol. Microbiol. 61: 290–294) und Bacillus (Schenk & Aragno 1979, J. Gen. Microbiol. 115: 333–341) im erfindungsgemäßen Verfahren Verwendung finden, da sie bekanntermaßen unter autotrophen Wachstumsbedingungen, z. B. Stamm DSM 2912 (Bonjour & Aragno 1984, Arch. Microbiol. 139: 397–401) zur Poly-3-hydroxybuttersäure-Bildung befähigt sind. Somit ist ein Stoffwechselweg über Acetyl-CoA und Acetoacetyl-CoA zu (R)-3-Hydroxybutyryl-CoA induziert. Die Umwandlung in entsprechende 2-Hydroxy-2-methycarbonsäuren erfolgt dann in der Gegenwart einer erfindungsgemäßen Mutase.
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In einer besonders bevorzugten Verfahrensvariante wird deshalb eine erfindungsgemäße (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Mutase in vorzugsweise thermophilen Mikroorganismen mit den oben genannte Stoffwechselfähigkeiten exprimiert, da das Mutase-Enzym dann das z. B. entstehende (R)-3-Hydroxybutyryl-CoA zu 2-Hydroxyisobutyryl-CoA isomerisiert und somit 2-Hydroxyisobuttersäure ins Kulturmedium abgegeben wird.
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Die enzymatische Umsetzung durch Mikroorganismen ist keinesfalls auf die oben aufgeführten Beispiele beschränkt. Sämtliche Organismen, die in der Lage sind mithilfe einer erfindungsgemäßen Mutase bevorzugt (R)-3-Hydroxycarbonsäuren in 2-Hydroxy-2-methylcarbonsäuren umzuwandeln, können erfindungsgemäß eingesetzt werden. Dazu kann das genetische Material für eine erfindungsgemäße Mutase in einen Mikroorganismus nach an sich bekannten Techniken transfiziert werden. Geeignete Mikroorganismen können z. B. E. coli, Cupriavidus necator, Azohydromonas lata, Pseudomonas oleovorans, Methylosinus spp., Methylocyctis trichosporium, Methylobacter spp., Methylobacterium organophilum, Methylobacterium extorquens, Methylobacterium rhodesianum, Ideonella spp., Rhodococcus ruber, Bacillus subtilis, Bacillus mycoides, Bacillus thuringiensis, Bacillus macerans, Bacillus laterosporus, Bacillus amyloliquefaciens, Bacillus licheniformis, Bacillus brevis, Bacillus sphaericus, Bacillus circulans, Bacillus cereus, Bacillus megaterium, Streptomyces coelicolor, Streptomyces fradiae, Streptomyces parvus, Nocardia corallina u. a. sein.
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In einer weiteren Variante werden durch Optimierung des Stoffwechsels durch Erzeugung von Deletions-Mutanten oder ähnlichen Techniken Stammvarianten geschaffen, bei denen unerwünschte Nebenreaktionen z. B. des (R)-3-Hydroxybutyryl-CoA-Stoffwechsels, wie z. B. die Rückoxidation zu Acetyl-CoA oder die Bildung von Poly-3-hydroxybuttersäure, reduziert oder ganz gestoppt sind.
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Im Sinne der Erfindung können auch Zellextrakte und/oder eine erfindungsgemäße Cobalamin-abhängige Mutase allein oder in Kombination mit anderen Proteinen, wie z. B. weiteren Cobalamin-bindenden Proteinen, Acyl-CoA-Synthetasen, MeaB-ähnlichen Chaperonen, Adenosyl-transferierenden Enzymen und Acyl-CoA-Lyasen, in angereicherter, isolierter oder synthetisch hergestellter Form eingesetzt werden. Dabei können 3-Hydroxycarbonsäuren, für die eine Isomerisierung angestrebt wird, unverestert als freie Säuren oder als CoA-Ester zugegeben werden.
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In einem bevorzugten biologischen System wird ein erfindungsgemäßes Mutase-Enzym zusammen mit MeaB-ähnlichen Chaperonen exprimiert, wobei eine hohe Enzymaktivität erhalten bleibt. Ebenso kann eine Co-Expression mit Enzymen durchgeführt werden, die eine Adenosyl-Gruppe von ATP auf freies Cobalamin übertragen, wobei die Aktivität derartiger Enzyme ebenfalls den Erhalt einer hohen Mutase-Aktivität gewährleistet. Entsprechende Methoden sind z. B. von Padovani & Banerjee 2009, Proc. Nat. Acad. Sci. 106: 21567–21572 beschrieben.
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Erfindungsgemäß können auch zu einem biologischen System, das eine erfindungsgemäße (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Mutase-Aktivität besitzt, 3-Hydroxycarbonsäuren zugegeben werden, deren Isomerisierung angestrebt wird. Letztere werden dann durch das System in (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Ester umgewandelt und durch eine erfindungsgemäße Mutase in die korrespondierenden 2-Hydroxy-2-methylcarbonyl-CoA-Ester isomerisiert.
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Die Erfindung betrifft auch Nukleinsäuremoleküle, die eine erfindungsgemäße Cobalamin-abhängige Mutase zur Isomerisierung von (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA- zu 2-Hydroxy-2-methylcarbonyl-CoA-Estern codieren, ausgewählt aus
- a) Nukleinsäuremoleküle, die ein Protein codieren, das die unter Sequenz-Nr. 2 und/oder Sequenz-Nr. 4 angegebene Aminosäuresequenz umfasst;
- b) Nukleinsäuremoleküle, die die unter Sequenz-Nr. 1 und/oder Sequenz-Nr. 3 dargestellte Nukleotidsequenz umfassen;
- c) Nukleinsäuremoleküle, die mit einem der unter a) und b) genannten Nukleinsäuremoleküle hybridisieren und
- d) Nukleinsäuremoleküle, deren Nukleotidsequenz aufgrund der Degeneration des genetischen Codes von der Sequenz der unter b) oder c) genannten Nukleinsäuremoleküle abweicht.
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Bevorzugt codiert das Nukleinsäuremolekül ein Protein, das sich aus zwei verschiedenen Untereinheiten zusammensetzt und die unter Sequenz-Nr. 2 und Sequenz-Nr. 4 angegebenen Aminosäuresequenzen umfasst oder das ein Protein mit den Sequenzen Nr. 2 und 4 darstellt. Darüber hinaus kann das Protein, das codiert wird, sich aus einem Vielfachen dieser verschiedenen Untereinheiten gemäß Sequenz-Nr. 2 und Sequenz-Nr. 4 zusammensetzen. Dabei weisen die codierten Enzyme eine Sequenzidentität zu den in den Sequenz-Nr. 2 und 4 angegebenen Aminosäuresequenzen von mindestens 50%, vorzugsweise von mindestens 80%, besonders bevorzugt von mindestens 95%, bzw. von mindestens 99% auf Aminosäureebene auf.
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Gegenstand der Erfindung sind auch die Proteine, die die zwei Untereinheiten A und/oder B des Enzyms darstellen und die die Sequenzen Nr. 2 oder 4 haben, sowie ein Enzym, das sich aus den Proteinen gemäß der Sequenzen Nr. 2 und 4 zusammensetzt oder aus Proteinen mit mindestens 50% Homologie, vorzugsweise mit mindestens 80%, besonders bevorzugt von mindestens 95%, bzw. von mindestens 99% Homologie zu diesen Sequenzen.
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Weiterhin Gegenstand der Erfindung sind Proteine, die als Monomer die Sequenz Nr. 2 und Sequenz Nr. 4 sowie deren Oligomere darstellen oder aufweisen. Vorzugsweise sind es Mutasen aus Oligomeren mit je 2 Kopien der Untereinheiten (also 2 × A + 2 × B). Dazu gehören auch die Proteine mit mindestens 50% Homologie, vorzugsweise mit mindestens 80%, besonders bevorzugt von mindestens 95%, bzw. von mindestens 99% Homologie zu diesen Sequenzen.
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Darüber hinaus umfasst die Erfindung Proteine, die die Sequenz Nr. 2 und/oder Sequenz Nr. 4 aufweisen, die fusioniert mit zusätzlichen Proteinen ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Cobalamin-bindenden Proteinen, Acyl-CoA-Synthethasen, MeaB-ähnlichen Chaperonen, Adenosyl-transferierenden Enzymen und/oder Acyl-CoA-Lyasen vorliegen. Eingeschlossen sind dabei Varianten, bei denen die weiteren Proteine nur mit einer Untereinheit fusioniert sind sowie die Proteine mit mindestens 50% Homologie, vorzugsweise mit mindestens 80%, besonders bevorzugt von mindestens 95%, bzw. von mindestens 99% Homologie zu diesen Sequenzen.
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Seq. Nr. 1 zeigt die 1692 bp umfassende Nukleotidsequenz für die Untereinheit A einer Cobalamin-abhängigen (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Mutase aus DSM 2912.
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Seq. Nr. 2 zeigt die 563 AS umfassende Aminosäuresequenz für die Untereinheit A einer Cobalamin-abhängigen (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Mutase aus DSM 2912.
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Seq. Nr. 3 zeigt die 399 bp umfassende Nukleotidsequenz für die Untereinheit B einer Cobalamin-abhängigen (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Mutase aus DSM 2912.
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Seq. Nr. 4 zeigt die 132 AS umfassende Aminosäuresequenz für die Untereinheit B einer Cobalamin-abhängigen (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Mutase aus DSM 2912.
- Sequenz 1 = Gensequenz mut3A
- Sequenz 2 = Proteinsequenz Mut3A
- Sequenz 3 = Gensequenz mut3B
- Sequenz 4 = Proteinsequenz Mut3B
Sequenz 1 = Gensequenz mut3A Sequenz 2 = Proteinsequenz Mut3A Sequenz 3 = Gensequenz mut3B Sequenz 4 = Proteinsequenz Mut3B
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Anschließend werden Beispiele aufgeführt, die die Erfindung näher beschreiben, auf die sie jedoch nicht beschränkt werden soll.
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Allgemeine Methoden
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Homologievergleiche von Nukleotid- und Aminosäuresequenzen wurden mit dem Programm BLAST (BLASTN bzw. BLASTP) mit den allgemeinen Grundeinstellungen (Matrix = BLOSUM62) durchgeführt (Altschul et al. 1990, Journal of Molecular Biology 215: 403–410). Das BLAST-Programm kann erhalten werden vom National Center for Biotechnology Information (NCBI) und aus anderen Quellen.
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Für das Screening nach Mikroorganismen mit (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Mutase-Aktivität und für die Anzucht von Mikroorganismen auf 2-Hydroxyisobuttersäure wurde ein Basalmedium (Tab. 1) verwendet. Inkubiert wurde unter Schütteln oder Rühren im Dunkeln bei den in den Beispielen genannten Temperaturen, pH-Werten und Substratkonzentrationen. Zur Überprüfung der Vitamin B12-Abhängigkeit des Wachstums auf 2-Hydroxyisobuttersäure wurde jeweils ein Ansatz mit Basalmedium ohne Vitamin B12 und ein Ansatz mit Vitamin B12 (0,05 mg/L) inkubiert. Tabelle 1 Basalmedium (mg/L)
NH4Cl | 761,4 | Biotin | 0,02 |
KH2PO4 | 340,3 | Folsäure | 0,02 |
K2HPO4 | 435,5 | Pyridoxin-HCl | 0,1 |
CaCl2 × 6H2O | 5,5 | Thiamin | 0,05 |
MgSO4 × 7H2O | 71,2 | Riboflavin | 0,05 |
ZnSO4 × 7H2O | 0,44 | Nicotinsäure | 0,05 |
MnSO4 × H2O | 0,615 | DL-Ca-Panthothenat | 0,05 |
CuSO4 × 5H2O | 0,785 | p-Aminobenzoesäure | 0,05 |
Na2MoO4 × 2H2O | 0,252 | Liponsäure | 0,05 |
FeSO4 × 7H2O | 14,96 | | |
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Für den Enzymassay zur Bestimmung der (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Mutase-Aktivität in Protein-Rohextrakten oder Enzympräparaten wurden Reaktionsansätze (Tab. 2) mit den in den Beispielen genannten CoA-Estern als Substrate mit Protein aus Rohextrakten oder mit aufgereinigten Enzymuntereinheiten bei den in den Beispielen angegebenen Temperaturen und Substratkonzentrationen inkubiert. Tabelle 2
MgCl | 10 mM |
Kaliumphosphat | 50 mM |
Glycerin | 10% |
Coenzym B12 | 0,833 mM |
pH-Wert | 6,6 |
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Die CoA-Ester, die als Substrate im Enzymassay zur Bestimmung der (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Mutase-Aktivität eingesetzt wurden, wurden aus den freien Säuren nach der einschlägigen Methode über Aktivierung mit Thiophenol und anschließender Umesterung mit Coenzym A (CoA) hergestellt, wie sie z. B. bei Padmakumar et al. 1993 (Padmakumar et al. 1993, A rapid method for the synthesis of methylamlonyl-coenzyme A and other CoA-esters. Anal. Biochem. 214: 318–320) beschrieben ist.
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Die im Enzymassay eingesetzten CoA-Ester-Substrate und die entstandenen Produkte wurden mittels HPLC bestimmt. Als mobile Phase diente ein Laufmittel bestehend aus 14,5 Vol-% Acetonitril, 10 mM Tetrabutylammoniumhydrogensulfat und 100 mM Natriumphosphat mit einem pH-Wert von 4,5. Damit wurden die CoA-Ester auf der Säule Nucleosil 100-5 C18 (Macherey-Nagel) aufgetrennt. Die Detektion erfolgte bei 260 nm mithilfe eines photometrischen Detektors.
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Nicht-veresterte organische Säuren, die bei der Inkubation mit ganzen Zellen als Substrat dienten oder gebildet wurden, wurden ebenfalls mittels HPLC bestimmt. Als mobile Phase diente ein Laufmittel bestehend aus 10 mN Schwefelsäure in Wasser. Damit wurden die Säuren auf der Säule Nucleogel Ion 300 OA (Macherey-Nagel) aufgetrennt. Die Detektion erfolgte mithilfe eines Brechungsindex-Detektors.
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Die Proteinkonzentration der Protein-Rohextrakte und der Enzympräparate wurde mithilfe der Bradfordreagenz (Merck) nach Protokoll des Herstellers bestimmt. Als Standard diente Rinderserumalbumin.
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Beispiel 1:
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Screening nach mesophilen und thermophilen Mikroorganismen mit 3-Hydroxycarbonyl-CoA-Mutase-Aktivität
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Verschiedene Anreicherungskulturen sowie mesophile und thermophile Stamme aus den Gattungen Bacillus und Geobacillus sowie aus anderen mikrobiellen Gattungen wurden daraufhin getestet, ob sie in Flüssigkultur (Basalmedium, pH 6,8) auf 2-Hydroxyisobuttersäure (Startkonzentration 1 g/L) als einzige Energie- und organische Kohlenstoffquelle wachsen können. Die Inkubationstemperatur betrug für dieses Screening 30 oder 50°C. Der Bakterienstamm DSM 2912 zeigte überraschend die gesuchte Fähigkeit.
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Das Wachstum von DSM 2912 auf 2-Hydroxyisobuttersäure war zudem Vitamin B12-abhängig, was auf einen Cobalamin-abhängigen Schritt im zugrunde liegenden dissimilatorischen Stoffwechsel hindeutet.
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Für die Bestimmung der Generationszeiten von Stamm DSM 2912 auf 2-Hydroxyisobuttersäure wurde der Stamm in einem 1-L-Fermenter mit pH- und Temperaturkontrolle inkubiert. Der pH-Wert wurde durch automatische Titration mit 0,2 M Lösungen von Natronlauge und Salzsäure konstant gehalten. Das Wachstum wurde durch Messung der optischen Dichte bei 700 nm mittels Photometer verfolgt.
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Wachstum auf 2-Hydroxyisobuttersäure (Startkonzentration 2 g/L) mit Generationszeiten unter 60 Stunden wurde mit dem Stamm DSM 2912 in einem pH-Bereich von 5,5 bis 8,0 bei einer optimalen Inkubationstemperatur von 55°C beobachtet ( ). Das pH-Optimum lag im schwach sauren Bereich bei pH 6,7. Bei diesem pH-Wert und bei Inkubationstemperaturen von 55, 60 und 62°C betrugen die Generationszeiten 9, 10 und 12 Stunden ( ).
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Für die Bestimmung einer 3-Hydroxycarbonyl-CoA-Mutase-Aktivität im Protein-Rohextrakt von auf 2-Hydroxyisobuttersäure gewachsenen Zellen wurden diese durch Zentrifugation geerntet (10 min, 4°C, 13000 × g) und nach Suspendieren in Aufschlusspuffer (100 mM Tris/HCl, pH 7) durch Inkubation in einer Kugelmühle aufgeschlossen. Durch eine erneute Zentrifugation (10 min, 4°C, 13000 × g) wurden Zellreste und noch intakte Zellen abgetrennt und der Überstand für den Enzymassay verwendet.
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In diesen Protein-Rohextrakten konnte eine thermophile 3-Hydroxycarbonyl-CoA-Mutase-Aktivität nachgewiesen werden. So wurde mit 2-Hydroxyisobutyryl-CoA als Substrat (Startkonzentration 300 μM) bei einer Inkubationstemperatur von 55°C eine sehr hohe spezifische Enzym-Aktivität von 11,1 nmol/min/mg Gesamtprotein erzielt. Auch bei einer höheren Temperatur von 65°C und mit 2-Hydroxyisobutyryl-CoA als Substrat wurde noch eine hohe Enzym-Aktivität von 5,6 nmol/min/mg Gesamtprotein gemessen.
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Beispiel 2
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Heterologe Expression des 3-Hydroxycarbonyl-CoA-Mutase-Enzyms Mut3AB aus Stamm DSM 2912 in E. coli TOP10
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Da sich Vertreter der Enzymfamilie der Cobalamin-abhängigen Mutasen bezüglich ihrer Aminosäuresequenz relativ ähnlich sind, wurde versucht, durch Homologievergleich (BLASTP-Programm) mithilfe der Sequenz der Methylmalonyl-CoA-Mutase aus Propionibacterium freudenreichii subsp. shermanii NCIB 9885 (Accession-Nr. CAA33090) mögliche Kandidaten für eine 2-Hydroxy-2-methylcarbonyl-CoA-Mutase im Stamm DSM 2912 zu identifizieren. Die Suche im bereits veröffentlichten Genom des Stammes DSM 2912 (Klenk et al. 2011, Standards in Genomic Sciences 2011, 5: 121–134; Accession-Nr. NC_014098) ergab 3 Genregionen mit Mutase-codierenden Genen. Die erste Region mit dem Locus-Tag Btus_1313 codiert wahrscheinlich für eine Methylmalonyl-CoA-Mutase, da die Sequenz des korrespondierenden Genprodukts große Ähnlichkeit zu dem Enzym aus Propionibacterium freudenreichii subsp. shermanii NCIB 9885 zeigt. Die zweite Region mit dem Locus-Tag Btus_1053 codiert wahrscheinlich für eine Isobutyryl-CoA-Mutase, die mit dem MeaB-ähnlichen Chaperon MeaI fusioniert ist, wie es kürzlich für andere Bakterienstämme beschrieben worden ist (Cracan et al. 2010, J. Biol. Chem. 285: 655–666). Die dritte Genregion mit den Locus-Tags Btus_0469 und Btus_0470 zeigt keine größere Ähnlichkeit zu bekannten Mutasen, so dass eine Zuordnung nicht vorgenommen werden konnte. Deshalb wurden die zwei Gene, die für die Untereinheiten A (Btus_0469) und B (Btus_0470) codieren und im Weiteren mut3A und mut3B genannt werden, in zwei E. coli TOP10-Stämme kloniert und exprimiert.
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Für die Klonierung wurde zunächst genomische DNA aus Stamm DSM 2912 mithilfe des DNA Extraction Kit (Macherey-Nagel) gewonnen. Danach wurden mit dieser DNA die für die Untereinheiten A und B der Mutase codierenden Gene mut3A und mut3B mittels PCR amplifiziert. Dabei wurde die PCR mit der proof-reading OneTaq DNA-Polymerase (NEB) unter den vom Hersteller empfohlenen Bedingungen durchgeführt.
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Primerpaare waren für mut3A: 5'-AGC GGC TCT TCA ATG GCT GAT CAA GAG AAG CTC TTT A-3' (forward primer) und 5'-AGC GGC TCT TCT CCC AAC CAA AGG GAA CTG CCA CA-3' (reverse primer);
und für mut3B: 5'-AGC GGC TCT TCA ATG GAG AAA AAG ATC AAG GTG A-3' (forward primer) und 5'-AGC GGC TCT TCT CCC ATC CCG ATC CGG AAA CCG G-3' (reverse primer).
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Die PCR-Reaktionsansätze wurden 30 Zyklen mit jeweils 20 s bei 94°C, 30 s bei 57°C und 3 min bei 68°C für mut3A bzw. 1,5 min bei 68°C für mut3B inkubiert. Die so erhaltenen PCR-Produkte wurden jeweils in den Vektor pASG-IBA43 (IBA Göttingen) nach Protokoll des Herstellers kloniert. Die Transformation von E. coli TOP10 erfolgte ebenfalls nach dem Protokoll von IBA Göttingen.
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Die so erhaltenen Stämme E. coli TOP10 pASG-IBA43::mut3A und E. coli TOP10 pASG-IBA43::mut3B wurden auf LB-Medium in Gegenwart von Ampicillin (100 mg/L) angezogen. Die Induktion der Mutase-Gene erfolgte mit Anhydrotetracyclin (200 μg/L) für 3 Stunden bei 30°C. Die Bakterienzellen wurden wie oben im Beispiel 1 für die Zellen des Stammes DSM 2912 beschrieben durch Zentrifugation geerntet und aufgeschlossen.
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Nach Induktion konnte bereits durch Kombination der Protein-Rohextrakte der Stämme E. coli TOP10 pASG-IBA43::mut3A und E. coli TOP10 pASG-IBA43::mut3B eine 2-Hydroxy-2-methylcarbonyl-CoA-Mutase-Aktivität bei 30, 40 und 50°C erhalten werden (mit 2-Hydroxyisobutyryl-CoA als Substrat bei einer Startkonzentration von 120 μM), wobei die bei 50°C gemessene Aktivität deutlich über den bei 30 und 40°C gemessenen Umsatzraten lag ( ). Damit wurde das Genprodukt aus mut3A und mut3B als thermophile 3-Hydroxycarbonyl-CoA-Mutase identifiziert. Durch Affinitätschromatographie wurden die beiden Untereinheiten aufgereinigt und die Enzymaktivität weiter charakterisiert (s. Beispiel 3).
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Beispiel 3
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Aktivität der 3-Hydroxycarbonyl-CoA-Mutase Mut3AB aus Stamm DSM 2912 nach heterologer Expression in E. coli TOP10 und Aufreinigung durch Affinitätschromatographie
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Die Aufreinigung der Enzymuntereinheiten der 3-Hydroxycarbonyl-CoA-Mutase aus Stamm DSM 2912 aus den in Beispiel 2 gewonnenen Protein-Rohextrakten erfolgte mittels Affinitätschromatographie mithilfe einer Strep-Tactin-Superflow-10-mL-Säule (IBA Göttingen) nach dem Protokoll des Herstellers.
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Die nach heterologer Expression durch Affinitätschromatographie aufgereinigte und aus den Untereinheiten A und B bestehende 2-Hydroxy-2-methylcarbonyl-CoA-Mutase aus dem Stamm DSM 2912 zeigte eine hohe Enzymaktivität mit den Substraten 2-Hydroxyisobutyryl-CoA und 3-Hydroxybutyryl-CoA. Mit 2-Hydroxyisobutyryl-CoA als Substrat (Startkonzentration 150 μM) wurden bei 30 bis 70°C hohe spezifische Aktivitäten erzielt ( ), wobei das Optimum bei 50°C lag. Mit 3-Hydroxybutyryl-CoA als Substrat (Startkonzentration 200 μM) wurde bei 50°C auch eine hohe Aktivität erreicht. Dabei wurde mit dem (R)-Enantiomer des 3-Hydroxybutyryl-CoA-Esters die höchste Aktivität erzielt, die damit 2-fach über der bei 50°C gemessenen Umsatzrate mit dem 2-Hydroxyisobutyryl-CoA-Ester und sogar 10-fach über der Rate mit dem (S)-3-Hydroxybutyryl-CoA-Ester lag ( ).
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Beispiel 4
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Produktion von 2-Hydroxyisobuttersäure durch eine N-limitierte Kultur des Stammes DSM 2912
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Um eine Induktion der (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Mutase-Aktivität zu erreichen, wurden Zellen des Stammes DSM 2912 bei 55°C in Basalmedium (pH 6,8) mit Vitamin B12 auf Acetat (1 g/L) plus 2-Hydroxyisobuttersäure (1 g/L) angezogen. Die Zellen wurden dann durch Zentrifugation geerntet und in N-freiem Basalmedium suspendiert, eine Zellkonzentration von 0,52 g/L (bezogen auf das Trockengewicht) eingestellt und mit Acetat (1,2 g/L) bei 55°C in Gegenwart des Translationsinhibitors Chloramphenicol (1 mM) weiter inkubiert, wodurch der Overflow-Stoffwechsel über Acetyl-CoA in Richtung (R)-3-Hydroxybutyryl-CoA stimuliert wurde. Es wurde erwartet, dass durch die vorangegangene Induktion der (R)-3-Hydroxycarbonyl-CoA-Mutase-Aktivität jetzt 2-Hydroxyisobuttersäure aus Acetat über 3-Hydroxybutyryl-CoA synthetisiert wird. Tatsächlich konnte im Kulturüberstand eine kontinuierliche Bildung von 2-Hydroxyisobuttersäure bei gleichzeitigem Verbrauch des zugegebenen Acetats beobachtet werden (
). Die Ausbeute betrug 0,012 g 2-Hydroxyisobuttersäure/g Acetat. SEQUENZPROTOKOLL
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102006017760 [0003, 0018, 0019]
- WO 2009/156214 [0003, 0019]
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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