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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Anpassung wenigstens eines Steuerungsparameters eines sicherheitsrelevanten Systems eines Fahrzeugs sowie ein zur Anwendung des Verfahrens ausgebildetes sicherheitsrelevantes System.
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Aus dem Stand der Technik sind verschiedene sicherheitsrelevante Systeme in Fahrzeugen bekannt, insbesondere Systeme für Personenkraftwagen, wobei diese Systeme ausgebildet sind, den Fahrer des Fahrzeugs in sicherheitskritischen Fahrsituationen derart zu unterstützen, dass dieser das Fahrzeug besser beherrschen kann, und/oder den Fahrer sowie weitere Fahrzeuginsassen vor Verletzungen schützen. Zu sicherheitsrelevanten Systemen in Fahrzeugen zählen beispielsweise Antiblockiersysteme (ABS), Antriebsschlupfregelung (ASR), Autonomer Halt (z.B. Nothaltsystem bei gesundheitlichen Problemen des Fahrers), Elektronisches Stabilitätsprogramm (ESP), Bremsassistent (BAS), Automatische Notbremsung (ANB), Abstandswarner, Fahrspurassistent (z.B. mit Spurverlassenswarnung (lane departure warning) und/oder Spurhalteunterstützung (lane keeping support)).
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Sicherheitsrelevante Systeme können insbesondere auch nach dem Zeitpunkt ihres Eingreifens bzw. ihrer Auslösung unterschieden werden. Demnach gibt es präventiv auslösende Systeme, sogenannte Pre-Crash oder Pre-Safe Systeme, die bereits vor Eintritt einer Kollision bzw. eines Unfalles wirksam werden, insbesondere um den Eintritt eines Unfalles zu vermeiden und/oder um zumindest die Unfallschwere zu mindern.
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Zu solchen Pre-Crash Systemen zählen beispielsweise optische, akustische und/oder haptische Warnungen, die bei einer erkannten kritischen Fahrsituation an den Fahrer ausgegeben werden, autonome Lenk- und Bremseingriffe zur Kollisions- bzw. Unfallvermeidung und/oder zur Unfallfolgeminderung, die Ansteuerung reversibler Gurtstraffer, das Schließen von Fahrzeugkonturen, wie beispielsweise des Fahrzeugdachs (bzw. eines Schiebedachs) oder von Fahrzeugfenstern, eine autonome Sitzverstellung, beispielsweise zum Einstellen einer besseren Sitzposition der Fahrzeuginsassen für einen möglichen Aufprall, sowie das Auslösen bzw. Einschalten von Warnhinweisen zur Warnung anderer Verkehrsteilnehmern über eine drohende Kollision, beispielsweise durch ein Einschalten der Warnblinkanlage des Fahrzeugs, durch eine Auslösung der Fahrzeughupe oder über Car2Car/Car2X Kommunikation.
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Weiterhin gibt es sicherheitsrelevante Systeme, die im Wesentlichen während eines Unfallereignisses wirksam werden, sogenannte In-Crash Systeme. Zu In-Crash Systemen zählen beispielsweise Systeme zur Vermeidung eines Überschlags des Fahrzeugs während eines Unfalls, z.B. durch gezielte autonome Brems- und/oder Lenkeingriffe.
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Darüber hinaus sind sicherheitsrelevante Systeme bekannt, die im Wesentlichen erst nach dem Eintritt eines Unfallereignisses wirksam werden, sogenannte Post-Crash Systeme. Zu derartigen Systemen zählen beispielsweise Multikollisionsbremsen bzw. Secondary Collision Mitigation Systeme, die durch gezielte Lenk- und/oder Bremseingriffe weitere Kollisionen bzw. Folgekollisionen vermeiden sollen, z.B. bei Massenkarambolagen, und die in der Regel auf ein definiertes bzw. sicheres Anhalten des Fahrzeugs abzielen.
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Die vorangegangene Aufzählung von sicherheitsrelevanten Systemen soll lediglich einige Beispiele für bekannte Systeme geben und ist nicht abschließend zu verstehen. Das erfindungsgemäße Verfahren kann grundsätzlich bei allen sicherheitsrelevanten Systemen in einem Fahrzeug zum Einsatz kommen, die insbesondere zur Vermeidung von Unfällen und/oder zur Minderung der Unfallschwere bzw. zur Vermeidung und/oder Minderung von Verletzung von Insassen eines Fahrzeugs sowie anderer Verkehrsteilnehmer dienen.
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Ein wesentlicher Nachteil bei den bekannten sicherheitsrelevanten Systemen in Fahrzeugen ist die Tatsache, dass diese Systeme stets bei gleichen Auslöseschwellen aktiviert werden und/oder dass die Auslösecharakteristik im Falle einer Aktivierung stets die gleiche ist. Bei der Auslösecharakteristik handelt es sich insbesondere um die Ausprägung des Systemverhaltens bzw. um die Eingriffsstrategie der sicherheitsrelevanten Systeme, beispielsweise um die Stärke einer Notbremsung oder die Intensität eines autonomen Lenkeingriffs. Die Auslöseschwellen und Auslösecharakteristik werden dabei zumeist durch vorab definierte und in Steuerungseinrichtungen der sicherheitsrelevanten Systeme hinterlegte Steuerungsparameter bestimmt. Dieses statische Systemverhalten, mit fest definierten Auslöseschwellen und Auslösecharakteristik, führt dazu, dass in bestimmten Fahrsituation nicht immer angemessene bzw. adäquate Eingriffe der sicherheitsrelevanten Systeme erfolgen. Es kann insbesondere zu unerwünschten Auslösungen von sicherheitsrelevanten Systemen kommen sowie dazu führen, dass es in weniger kritischen Fahrsituationen zu übertriebene Eingriffen der Systeme in die Fahrdynamik des Fahrzeugs kommt. Fehlauslösungen sowie übertriebene Eingriffe können weiterhin zur Folge haben, dass zum Einen die Akzeptanz des Fahrers für die sicherheitsrelevanten Systeme sinkt und zum Anderen, dass der Fahrer in ursprünglich unkritischen Fahrsituationen von der unnötigen Aktivierung eines sicherheitsrelevanten Systems überrascht wird und sich erst daraus eine tatsächlich kritische Fahrsituation ergibt, beispielsweise weil der Fahrer übertrieben oder mit unkontrollierten Lenkeingriffen auf die unerwartete Aktivierung reagiert.
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Der Erfindung liegt demnach die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren anzugeben, durch welches die Auslösung bzw. die Auslöseschwellen sowie die Auslösecharakteristik von sicherheitsrelevanten Systemen in Fahrzeugen besser an unterschiedliche Fahrsituationen angepasst werden kann und durch das insbesondere Fehlauslösung bzw. übertriebene oder auch zu schwache oder verspätete Eingriffe der sicherheitsrelevanten Systeme vermieden werden können.
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Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren mit den Merkmalen nach Anspruch 1 und durch ein sicherheitsrelevantes System mit den Merkmalen nach Anspruch 9 gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen und Weiterbildungen sind Gegenstand von Unteransprüchen, wobei auch Kombinationen und Weiterbildungen einzelner Merkmale miteinander denkbar sind.
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Ein wesentlicher Gedanke der Erfindung besteht darin, das Verhalten, insbesondere die Auslöseschwelle und die Auslösecharakteristik, von sicherheitsrelevanten Systemen in Abhängigkeit von wenigstens einer der folgenden Informationen anzupassen bzw. zu adaptieren:
- a1) Information darüber, ob der Fahrer des Fahrzeugs zumindest eine Hand am Lenkrad hat.
- a2) Information darüber, ob das Fahrzeug eine aktuell befahrenen Fahrspur verlässt bzw. verlassen hat und/oder von der befestigten Straße abkommt bzw. abgekommen ist.
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Die beiden Informationen können erfindungsgemäß einzeln oder in Kombination zur Ermittlung eines Fahrzustands verwendet werden, insbesondere dahingehend, ob der Fahrer das Fahrzeug unter Kontrolle hat.
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Zur Lösung der erfindungsgemäßen Aufgabe wird zumindest ein Steuerungsparameter eines sicherheitsrelevanten Systems in Abhängigkeit des ermittelten Fahrzustands angepasst.
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Das erfindungsgemäße Verfahren kommt bevorzugt bei einem sicherheitsrelevanten System in einem Fahrzeug zum Einsatz und dient zur Anpassung wenigstens eines Steuerungsparameters des sicherheitsrelevanten Systems.
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Bei dem sicherheitsrelevanten System kann es sich um jedes System in einem Fahrzeug handeln, dass dazu dient Fahrzeug, Fahrzeuginsassen und/oder andere Verkehrsteilnehmer vor Unfällen und/oder vor Verletzungen zu schützen, insbesondere durch Auslösung von Maßnahmen zur Unfallvermeidung oder zur Minderung der Unfallschwere und Unfallfolgen. Das sicherheitsrelevante System kann derart ausgestaltet sein, dass es mittels geeigneter Erfassungseinrichtungen einen Unfall und/oder eine kritische Fahrsituation erkennt. Das sicherheitsrelevante System kann weiterhin derart ausgebildet sein, dass es mittels Eingriffe in die Fahrdynamik, z.B. autonome Lenk- und/oder Bremseingriffe, und/oder durch eine Auslösung von aktiven oder passiven Sicherheitseinrichtungen, z.B. Airbags oder reversible Gurtstraffer, insbesondere bei einem erkannten Unfall oder bei einer erkannten kritischen Fahrsituation, zur Unfallvermeidung und/oder zur Minderung der Unfallschwere und Unfallfolgen dient. Bei dem sicherheitsrelevanten System kann es sich insbesondere um eines der einleitend genannten Systeme handeln.
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Sicherheitsrelevante Systeme werden häufig auch als Assistenzsysteme bzw. Fahrerassistenzsysteme bezeichnet. Hierzu zählen beispielsweise Bremsassistenzsysteme (Assistenzsysteme mit bremsenbasierten Assistenzfunktionen), Assistenzsysteme mit Fahrerwarnfunktionen, Fahrerassistenzsysteme mit Fahrdynamikregelung und Stabilisierungsfunktion (z.B. mittels Brems- und Lenkeingriffe), Kollisionsschutzsysteme, Fahrspurassistenzsysteme (z.B. Lane Departure Warning-System (LDW), Advanced Lane Departure Warning (ALDW), Lane Keeping Support (LKS), Lane Departure Prevention (LDP)).
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Unter dem wenigstens einen Steuerungsparameter sind insbesondere eine oder mehrere, z.B. in einem flüchtigen und/oder nicht flüchtigen Speicher des jeweiligen Systems hinterlegte, konstante und/oder veränderliche Größen bzw. Werteinstellungen gemeint, die im Rahmen von Steuerungsalgorithmen des jeweiligen sicherheitsrelevanten Systems berücksichtigt werden und das Verhalten des Systems mittelbar und/oder unmittelbar beeinflussen, insbesondere den Auslösezeitpunkt und/oder die Auslösecharakteristik. Erfindungsgemäß erfolgt die Anpassung des wenigstens einen Steuerungsparameters in Abhängigkeit eines ermittelten Fahrzustands. Der Fahrzustand wird dabei bevorzugt anhand einer Information darüber ermittelt, ob
- a1) ein Fahrer des Fahrzeugs zumindest eine Hand am Lenkrad hat und/oder ob
- a2) das Fahrzeug eine aktuell befahrene Fahrspur verlässt.
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Unter der Information darüber, ob das Fahrzeug die aktuell befahrende Fahrspur verlässt, kann dabei insbesondere eine Information darüber verstanden, ob das Fahrzeug die aktuell befahrende Fahrspur zu verlassen droht und/oder die aktuell befahrene Fahrspur bereits verlassen hat.
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Unter der aktuell befahrenen Fahrspur kann insbesondere der Fahrstreifen bzw. die Fahrbahn (z.B. begrenzt durch Fahrbahnmarkierungen, Fahrbahnrandbegrenzungen, Kantsteine) die das Fahrzeug befährt, und/oder allgemein die befestigte Straße (begrenzt durch den linken und rechten Fahrbahnrand), auf der sich das Fahrzeug befindet, verstanden werden. Demnach kann es sich bei der Information (a2) um eine Information darüber handeln, ob das Fahrzeug die befestigte Straße verlässt, zur verlassen droht und/oder bereits verlassen hat. Wird der Fahrzustand ausschließlich anhand der Information darüber ermittelt, ob der Fahrer des Fahrzeugs zumindest eine Hand am Lenkrad hat, kann der Fahrzustand beispielsweise zwei Ausprägungen annehmen:
- a1.1) der Fahrer des Fahrzeugs hat zumindest eine Hand am Lenkrad oder
- a1.2) der Fahrer des Fahrzeugs hat keine Hand bzw. hat nicht zumindest eine Hand am Lenkrad.
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Wird der Fahrzustand ausschließlich anhand der Information darüber ermittelt, ob das Fahrzeug eine aktuell befahrene Fahrspur verlässt, kann der Fahrzustand beispielsweise ebenfalls zwei Ausprägungen annehmen:
- a2.1) das Fahrzeug verlässt die aktuell befahrene Fahrspur nicht oder
- a2.2) das Fahrzeug verlässt die aktuell befahrene Fahrspur, d.h. es kommt von der aktuelle befahrenen Fahrspur ab oder ist von dieser abgekommen.
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Der ermittelte Fahrzustand kann dabei jeweils Aufschluss darüber geben, ob eine kritische Fahrsituation vorliegt bzw. ob der Fahrer das Fahrzeug unter Kontrolle hat. Vorzugsweise wird der Fahrzustand dabei in Abhängigkeit von beiden Informationen, d.h. (a1) und (a2), ermittelt.
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Die Information (a1), ob der Fahrer des Fahrzeugs zumindest eine Hand am Lenkrad hat, kann auf unterschiedliche Weise ermittelt werden, beispielsweise mittels eines oder mehrerer der folgenden aus dem Stand der Technik bekannten Sensoreinrichtungen bzw. Messprinzipien:
- – optische Erfassung, mittels einer Innenraumkamera und entsprechender Bildverarbeitung;
- – faseroptische bzw. optoelektronische Sensoreinrichtungen am Lenkrad (z.B. Lichtleiter am Lenkrad);
- – mittels Kraft- bzw. Drucksensoren am Lenkrad, z.B. kapazitive und/oder resistive Sensoren;
- – mittels Erfassung des auf das Lenkrad ausgeübten Drehmoments (Drehmomentsensoren);
- – Fahrdynamik (modellbasiert), z.B. unter Verwendung von Gierrate, Lenkwinkel, Radgeschwindigkeit, Längs- und Querbeschleunigung;
- – mittels Proximity (Näherungs-) Sensoren welche eine berührungslose Erfassung erlauben, ob sich die Hand in der Nähe des Lenkrads befindet, z.B. durch elektromagnetische, kapazitive, optische oder induktive Verfahren.
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Die Information (a2), ob das Fahrzeug die aktuell befahrene Fahrspur verlässt, kann ebenfalls auf unterschiedliche Weise ermittelt werden, beispielsweise mittels einzelner oder einer Kombination von Informationen der folgenden aus dem Stand der Technik bekannten Fahrzeugeinrichtungen:
- – Sensoreinrichtungen zur Erfassung der Fahrdynamik, z.B. Sensoren zur Erfassung von Raddrehzahlen, Beschleunigungssensoren zur Ermittlung der Quer- und Längsbeschleunigungen des Fahrzeugs, Drehratensensoren und/oder Sensoren zur Erfassung der Suspension des Fahrzeugs;
- – Umfelderfassungseinrichtungen, z.B. Kameraeinrichtung mit Umgebungs- und/oder Fahrspurerkennung;
- – Informationen eines Fahrspurassistenzsystems (z.B. eines LDW- oder LKS-Systems);
- – Informationen aus Navigationseinrichtungen bzw. durch Verwendung von GPS-Daten.
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Die erfindungsgemäße Anpassung des wenigstens einen Steuerungsparameters kann beispielsweise derart erfolgen, dass das sicherheitsrelevante System in Abhängigkeit des ermittelten Fahrzustands früher ausgelöst wird und/oder stärker in die Fahrdynamik eingreift, insbesondere wenn ein Fahrzustand ermittelt wird, in dem der Fahrer keine Hand am Lenkrad hat und/oder in der das Fahrzeug die aktuell befahrenen Fahrspur verlässt bzw. verlassen hat. Weiterhin kann die erfindungsgemäße Anpassung des Steuerungsparameters derart erfolgen, dass das sicherheitsrelevante System später ausgelöst wird und/oder schwächer in die Fahrdynamik des Fahrzeugs eingreift, wenn ein Fahrzustand ermittelt wird, in dem der Fahrer zumindest eine Hand am Lenkrad hat und/oder in der das Fahrzeug die aktuell befahrene Fahrspur nicht verlässt, d.h. beibehält.
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In einer bevorzugten Ausführungsvariante des erfindungsgemäßen Verfahrens wird der Fahrzustand anhand einer Kombination der Informationen darüber ermittelt, ob
- a1) der Fahrer des Fahrzeugs zumindest eine Hand am Lenkrad hat und ob
- a2) das Fahrzeug die aktuell befahrene Fahrspur verlässt.
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Dabei kann der Fahrzustand insbesondere vier Ausprägungen annehmen bzw. es können vier Fahrzustände unterschieden werden:
- b1) der Fahrer hat zumindest eine Hand am Lenkrad und das Fahrzeug verlässt die aktuell befahrene Fahrspur nicht;
- b2) der Fahrer hat zumindest eine Hand am Lenkrad und das Fahrzeug verlässt die aktuell befahrene Fahrspur bzw. hat die Fahrspur bereits verlassen;
- b3) der Fahrer hat keine Hand am Lenkrad und das Fahrzeug verlässt die aktuell befahrene Fahrspur nicht;
- b4) der Fahrer hat keine Hand am Lenkrad und das Fahrzeug verlässt die aktuell befahrene Fahrspur bzw. hat die Fahrspur bereits verlassen.
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Die erfindungsgemäße Anpassung des wenigstens einen Steuerungsparameters erfolgt dabei in Abhängigkeit der ermittelten Fahrzustände (b1) bis (b4), wobei beispielsweise in einem Speicher des sicherheitsrelevanten Systems für jeden der Fahrzustände (b1) bis (b4) jeweils unterschiedliche Einstellungen für einen oder mehrere Steuerungsparameter hinterlegt sein können und in Abhängigkeit vom ermittelten Fahrzustand gewählt werden.
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In einer weiteren bevorzugten Ausführungsvariante des erfindungsgemäßen Verfahrens werden bei der Anpassung des Steuerungsparameters zusätzlich eine oder mehrere, insbesondere durch den Fahrer des Fahrzeugs, wählbare Fahrzeugeinstellungen berücksichtigt. Bei den wählbaren Fahrzeugeinstellungen handelt es sich beispielsweise um eine oder mehrere manuelle Einstellungen bzw. Fahrzeugkonfigurationen, die der Fahrer z.B. über ein Mensch-Maschine-Schnittstelle (Human Machine Interface, H. M. I.) eingeben kann, z.B. von Offroad Taster, ESC Taster oder Einstellungen über die Menüführung eines Fahrerinformationssystems. Es kann beispielsweise das Einstellen eines Offroad-Modus oder eines ESC-Off-Modus über Taster oder HMI vor oder nach dem Verlassen der Fahrbahn als Beleg dafür gewertet werden, dass der Fahrer bewusst die Fahrbahn verlässt, bzw. verlassen hat, und nicht unfreiwillige von der Fahrbahn abgekommen ist.
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In einer vorteilhaften Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird bei der Anpassung des Steuerungsparameters zusätzlich ein individuelles Fahrverhalten des Fahrers berücksichtigt. Unter dem individuellen Fahrverhalten ist insbesondere das personenabhängige und spezifische Verhalten des Fahrers zu verstehen, wobei sich die Individualität dadurch auszeichnet, dass sich das Verhalten des Fahrers vom Verhalten anderer Fahrer in seiner Ausprägung unterscheiden kann. Es kann beispielsweise beim Betrieb des Fahrzeugs das individuelle Fahrverhalten des Fahrers, betreffend zumindest einen Parameter zur Steuerung wenigstens einer Funktion eines sicherheitsrelevanten Systems, ermittelt werden, z.B. die Spurtreue des Fahrers, d.h. inwiefern der Fahrer dazu neigt Fahrbahnmarkierungen beispielsweise bei Kurvenfahrt zu überfahren bzw. zu schneiden. Im Zusammenhang mit einem Abstandregeltempomat (ACC System) als sicherheitsrelevantes System, können beispielsweise Bremszeitpunkte beim Auffahren auf ein vorausfahrendes Fahrzeug ermittelt werden. Abhängig vom individuellen Fahrverhalten empfinden es z.B. manche Fahrer als komfortabler bereits bei einem größeren Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug oder einem Hindernis mit dem Bremsvorgang zu beginnen und dafür eine geringere Bremskraft aufzuwenden und damit eine geringere Negativbeschleunigung zu erfahren. Ein anderer Fahrer mag dagegen erst zu einem späteren Zeitpunkt einen Bremsvorgang einleiten, d.h. dichter auf das vorausfahrende Fahrzeug oder das Hindernis auffahren, beispielsweise um sich kurzfristig doch noch für einen Überholvorgang entscheiden zu können, und für den Fall einer erforderlichen Bremsung eine größere Negativbeschleunigung in Kauf zu nehmen. Entsprechend dem ermittelten individuellen Fahrverhalten können z.B. Bremszeitpunkte für autonome Bremseingriffe oder Warnzeitpunkte bei Spurverlassenswarnungen an das individuelle Fahrverhalten des Fahrers angepasst werden. Ein wesentlicher Vorteil dieser Ausgestaltung ist, dass die Vermeidung von unerwünschten Auslösungen bzw. von Fehlauslösungen von sicherheitsrelevanten Systemen weiter verbessert werden kann.
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In einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens erfolgt anhand des ermittelten Fahrzustands eine Bewertung, ob und/oder in wie weit der Fahrer das Fahrzeug unter Kontrolle hat. Die Anpassung des wenigstens einen Steuerungsparameters erfolgt weitergehend vorzugsweise in Abhängigkeit dieser Bewertung. Die Bewertung kann beispielsweise derart erfolgen, dass in Abhängigkeit der vorangehend genannten vier Fahrzustände (b1) bis (b4) drei Bewertungen unterschieden werden, insbesondere
- c1) Fahrer hat Fahrzeug unter Kontrolle, wenn Fahrzustand (b1) vorliegt;
- c2) Fahrer hat Fahrzeug nur teilweise unter Kontrolle bzw. droht die Kontrolle zu verlieren, wenn Fahrzustand (b2) oder (b3) vorliegt;
- c3) Fahrer hat das Fahrzeug nicht bzw. nicht mehr unter Kontrolle, wenn Fahrzustand (b4) vorliegt.
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Die Anpassung des wenigstens einen Steuerungsparameters in Abhängigkeit der drei Bewertungen (c1) bis (c3) kann dabei beispielsweise derart erfolgen. Das für die Bewertung (c1), d.h. wenn der Fahrer das Fahrzeug unter Kontrolle hat, eine spätere und/oder schwächere Auslösung des sicherheitsrelevanten Systems erfolgt, z.B. durch ein Herabsetzen von (Auslöse-)Schwellwerten als Steuerungsparameter. Für die Bewertung (c2), d.h. wenn bewertet wird, dass der Fahrer das Fahrzeug nur teilweise unter Kontrolle hat und/oder droht die Kontrolle über das Fahrzeug zu verlieren, kann der wenigstens eine Steuerungsparameter derart angepasst werden, dass es bereits zu einem früheren Zeitpunkt zum Auslösen des sicherheitsrelevanten Systems kommt und/oder zu einem stärker ausgeprägten Eingriff, insbesondere gegenüber dem Verhalten des System für den Fall (c1), z.B. durch Heraufsetzen eines einem oder mehrerer (Auslöse-)Schwellwerte als Steuerungsparameter. Analog kann für die Bewertung (c3) die Anpassung des wenigstens einen Steuerungsparameters derart erfolgen, dass es zu einem noch früheren Zeitpunkt zum Auslösen des sicherheitsrelevanten Systems kommt und/oder zu einem noch stärker ausgeprägten Eingriff gegenüber den Bewertungen (c1) und (c2). Beispielsweise kann bei einem Geschwindigkeits- bzw. Abstandregelungssystem (z.B. ACC), falls bewertet wird, dass der Fahrer das Fahrzeug nicht mehr unter Kontrolle hat und/oder droht die Kontrolle über das Fahrzeug zu verlieren, ein Steuerungsparameter des Systems derart angepasst werden, dass es zu früheren autonomen Verzögerungen (Bremseingriffen) kommt, wenn der Verkehr abbremst, die Bremseingriffe stärker erfolgen oder beispielsweise eine geringere Beschleunigung erfolgt, wenn der (vorausfahrende) Verkehr beschleunigt.
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In einer besonderen Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens erfolgt in Abhängigkeit des ermittelten Fahrzustandes eines Bewertung des Gesundheits- bzw. des Müdigkeitszustandes des Fahrers („driver monitoring“). Der ermittelte Fahrzustand kann dabei auch mit weiteren erfassten Daten/Informationen, z.B. einer Fahrerzustandserkennung mittels Innenraumkamera, in eine Bewertung des Gesundheits- bzw. Müdigkeitszustandes des Fahrers eingehen. Die Anpassung des wenigstens einen Steuerungsparameters erfolgt weitergehend vorzugsweise in Abhängigkeit dieser Bewertung. Die Bewertung kann beispielsweise derart erfolgen, dass in Abhängigkeit der vorangehend genannten vier Fahrzustände (b1) bis (b4) drei Bewertungen unterschieden werden, insbesondere
- d1) Gesundheitszustand des Fahrer ist in Ordnung bzw. Fahrer ist wach, wenn Fahrzustand (b1) vorliegt;
- d2) Gesundheitszustand des Fahrer verschlechtert sich oder hat sich verschlechtert bzw. Fahrer droht einzuschlafen, wenn Fahrzustand (b2) oder (b3) vorliegt;
- d3) Gesundheitszustand des Fahrers ist kritisch bzw. Fahrer ist eingeschlafen, wenn Fahrzustand (b4) vorliegt.
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Die Anpassung des wenigstens einen Steuerungsparameters in Abhängigkeit der drei Bewertungen (d1) bis (d3) kann dabei beispielsweise derart erfolgen. Das für die Bewertung (d1) eine spätere und/oder schwächere Auslösung des sicherheitsrelevanten Systems erfolgt, z.B. durch ein Herabsetzen von (Auslöse-)Schwellwerten als Steuerungsparameter. Für die Bewertung (d2) kann der wenigstens eine Steuerungsparameter derart angepasst werden, dass es bereits zu einem früheren Zeitpunkt zum Auslösen des sicherheitsrelevanten Systems kommt und/oder zu einem stärker ausgeprägten Eingriff, insbesondere gegenüber dem Verhalten des System für den Fall (d1), z.B. durch Heraufsetzen eines einem oder mehrerer (Auslöse-)Schwellwerte als Steuerungsparameter. Analog kann für die Bewertung (d3) die Anpassung des wenigstens einen Steuerungsparameters derart erfolgen, dass es zu einem noch früheren Zeitpunkt zum Auslösen des sicherheitsrelevanten Systems kommt und/oder zu einem noch stärker ausgeprägten Eingriff gegenüber den Bewertungen (d1) und (d2). Beispielsweise kann bei einem Geschwindigkeits- bzw. Abstandregelungssystem (z.B. ACC) ein Steuerungsparameter des Systems derart angepasst werden, dass es zu früheren autonomen Verzögerungen (Bremseingriffen) kommt, wenn der Verkehr abbremst, die Bremseingriffe stärker erfolgen oder beispielsweise eine geringere Beschleunigung erfolgt, wenn der (vorausfahrende) Verkehr beschleunigt.
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In einer bevorzugten Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens handelt es sich bei dem wenigstens einen Steuerungsparameter um einen Auslöseschwellwert des sicherheitsrelevanten Systems. Bei dem Auslöseschwellwert kann es sich beispielweise um die Zeitdauer bis zur Auslösung einer Warnung und/oder eines Lenkeingriffs durch ein Fahrspurassistenzsystem, wenn das Fahrzeug die aktuell befahrenen Fahrspur verlässt (z.B. wenn erkannt wird, dass das Fahrzeug eine Fahrspurmarkierung überfährt). Weiterhin kann es sich bei dem Auslöseschwellwert um einen Abstandswert handeln, z.B. zu einem vorausfahrenden Fahrzeug, bei dessen Unterschreiten eine Warnung und/oder ein autonomer Bremseingriff durch ein Bremsassistenzsystem erfolgt.
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In einer weiteren bevorzugten Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens handelt es sich bei dem wenigstens einen Steuerungsparameter um einen Steuerungsparameter zur Beeinflussung der Auslösecharakteristik des sicherheitsrelevanten Systems, beispielsweise um einen Steuerungsparameter zur Beeinflussung der Stärke einer Notbremsung oder der Stärke eines autonomen Lenkeingriffs, d.h. z.B. um einen Schwellwert für eine maximale Verzögerungsdauer, eine maximale Verzögerung (Negativbeschleunigung) und/oder einen maximale Lenkwinkel. Weiterhin kann es sich bei dem Steuerungsparameter um einen Steuerungsparameter zur Beeinflussung des Kraftniveaus bzw. der Aktivierungsschwellenwerte eines reversiblen Gurtstraffers oder zur Beeinflussung der Aktivierungsschwellwerte bzw. der Aktivierungsstufen von pyrotechnischen Sicherheitssystemen.
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Das erfindungsgemäße sicherheitsrelevante System ist bevorzugt in einem Fahrzeug angeordnet und mit Einrichtungen verbunden, zur Erfassung zumindest einer Information darüber, ob
- a1) der Fahrer wenigstens eine Hand am Lenkrad hat und/oder ob
- a2) das Fahrzeug eine aktuell befahrene Fahrspur verlässt.
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Das sicherheitsrelevante System ist weiterhin vorzugsweise mit Auswerteeinrichtungen ausgebildet, zur Ermittlung eines Fahrzustands in Abhängigkeit der zumindest einen erfassten Information.
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Erfindungsgemäß erfolgt dabei eine Anpassung wenigstens eines Steuerungsparameters des sicherheitsrelevanten Systems in Abhängigkeit des ermittelten Fahrzustands, insbesondere entsprechend einem Verfahren nach einem der vorangehend beschriebenen Ausführungsvarianten.