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Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Herstellung eines Blechformteils durch Tiefziehen nach den Oberbegriffen der Ansprüche 1 und 7.
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Beim Herstellen von Blechformteilen durch Tiefziehen eines Blechmaterials können sich so genannte Nachlaufkanten im Blechformteil ausbilden, die insbesondere dann, wenn sich diese in einem sichtbaren Bereich befinden, unerwünscht sind.
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Nachlaufkanten der betreffenden Art treten im Bereich von sichtbaren Blechformteilkanten (Bauteilkanten) auf. Hiervon betroffen sind im Besonderen Karosserieaußenhautteile für Kraftfahrzeuge mit langen, scharfkantigen und/oder komplex geformten Designkanten im sichtbaren Bereich, entlang derer benachbarte Flächenbereiche durch einen Flächenrichtungswechsel oder dergleichen zueinander abgegrenzt sind. Solche Designkanten können durchaus auch eine technische Funktion haben und z. B. als Versteifungselemente, Regenwasserabläufe oder dergleichen dienen.
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Am Ort der ersten Berührung des Blechmaterials mit einer Werkzeugkante (zur Ausformung einer Blechformteilkante) kann eine so genannte Anhaukante entstehen, die beim weiteren Tiefziehen durch Nachlaufen des Blechmaterials von der Werkzeugkante wegwandert und die sich dann als bleibende Nachlaufkante im Blechformteil abzeichnet. Eine fast immer anzutreffende Begleiterscheinung ist, dass das Nachlaufen des Blechmaterials über die Werkzeugkante (Nachlaufen unter Zugspannungen) auch Spuren auf der betroffenen Oberfläche des Blechmaterials bzw. des Blechformteils hinterlässt. Meist ist daher eine Nachbearbeitung des hergestellten Blechformteils durch Verspachteln mit Füllmasse und/oder durch Verschleifen des betroffenen Bereichs erforderlich, was zeit- und kostenintensiv ist.
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Um Nachlaufkanten der betreffenden Art zu vermeiden wird in der
DE 102 05 393 B4 ein federkraftbeaufschlagtes Werkzeugelement vorgeschlagen, das beim Tiefziehen im Bereich einer Werkzeugkante von der anderen Blechseite her gegen das Blechmaterial drückt und auf diese Weise die Ausbildung einer Nachlaufkante verhindern soll. Nachteilig hierbei ist, dass es zu einer Beschädigung der Oberfläche des Blechmaterials bzw. des Blechformteils durch das kraftbeaufschlagte Werkzeugelement kommen kann (siehe auch Abs. [0020] der
DE 102 05 393 B4 ).
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Die
DE 10 2005 016 647 A1 offenbart ein Verfahren zum Erzeugen von mehreren vorspringenden Sicken in flächigen, nicht konvexen Außenhautteilen aus Blech, bei dem eine Platine in einem eine Matrize und einen gegenüber dieser abstandsveränderlich angeordneten Stempel umfassenden Werkzeug angeordnet und im Randbereich eingespannt wird, woraufhin das Werkzeug geschlossen und die Platine verformt wird.
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Die
DE 10 2007 059 251 A1 betrifft ein Verfahren zur Herstellung von hoch maßhaltigen, tiefgezogenen Halbschalen mit einem Bodenbereich und einer Zarge, wobei zunächst aus einer Platine eine vorgeformte Halbschale geformt wird.
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Die
DE 41 23 371 C1 offenbart ein Verfahren zum quasi-gleichzeitigen Einformen von mehreren Näpfen unterschiedlicher Höhe, Gestalt oder Volumina in eine dünne Metallfolie unter Verwendung einer die unterschiedlichen Napfformen aufweisenden Matrize und einer aus Teilpatrizen bestehenden, als Prägestempel dienenden Patrize, zwischen die die Metallfolie eingeführt wird, worauf die Teilpatrizen nacheinander, sich zu der Patrize ergänzend zum Einsatz gelangen.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Herstellung eines Blechformteils mit wenigstens einer sichtbaren Blechformteilkante anzugeben, die die mit dem Stand der Technik einhergehenden Nachteile nicht oder zumindest nur in einem verminderten Umfang aufweisen.
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Diese Aufgabe wird gelöst von einem erfindungsgemäßen Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 und von einer erfindungsgemäßen Vorrichtung mit den Merkmalen des nebengeordneten Anspruchs 7. Vorteilhafte Weiterbildungen und Ausgestaltungen sind in den jeweils abhängigen Ansprüchen angegeben. Mit dem zweiten nebengeordneten Anspruch erstreckt sich die Lösung der Aufgabe auch auf ein Blechformteil, wobei es sich vorzugsweise um ein Stahlblechteil und insbesondere um ein Aluminiumblechteil handelt, das nach dem erfindungsgemäßen Verfahren und/oder mit der erfindungsgemäßen Vorrichtung hergestellt wurde. Die in den Ansprüchen angegebenen, in den Figuren gezeigten und/oder nachfolgend erläuterten Merkmale und Merkmalskombinationen gelten analog für alle Erfindungsgegenstände.
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Das erfindungsgemäße Verfahren umfasst zumindest die folgenden Schritte:
- - Bereithalten bzw. Bereitstellen einer Platine (Blechzuschnitt) des umzuformenden Blechmaterials;
- - Einlegen dieser Platine in ein erstes Tiefziehwerkzeug (nachfolgend nur als Ziehwerkzeug bezeichnet) oder dergleichen und Umformen des Blechmaterials, was insbesondere durch Schließen des Ziehwerkzeugs und durch Aufbringen einer Presskraft mittels einer Umformpresse erfolgt (wozu die Umformpresse einen Arbeitshub ausführt), wobei aus der Platine bzw. dem Blechmaterial das herzustellende Blechformteil bezüglich seiner Endgeometrie im Wesentlichen fertig geformt wird (hierbei wird auch im Wesentlichen die volle Ziehtiefe erreicht) und wobei wenigstens eine Blechformteilkante in einem sichtbaren Bereich bezüglich der Endgeometrie positionsgenau bzw. mit exakter Lage und exaktem Verlauf, jedoch mit einem vergrößerten Kantenradius vorgeformt wird; und
- - Einlegen des im ersten Ziehwerkzeug erzeugten Blechformteils in ein zweites Ziehwerkzeug und weiteres Umformen des Blechmaterials, wobei das Blechformteil fertig geformt oder gegebenenfalls auch nur formkalibriert wird (wozu die Umformpresse ebenfalls einen Arbeitshub ausführt) und wobei die vorgeformte Blechformteilkante ausgeformt bzw. mit dem endgültigen Kantenradius fertig geformt wird.
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Das erfindungsgemäße Verfahren kann weitere hierin nicht näher erläuterte Schritte, Teilschritte und/oder Zwischenschritte umfassen, wie z. B. das Entnehmen des Blechformteils bzw. Zwischenformteils aus dem ersten Ziehwerkzeug und das Verbringen desselben zum zweiten Ziehwerkzeug.
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Die erfindungsgemäß vorgeschlagene Vorgehensweise vermeidet bzw. verringert das Entstehen von Nachlaufkanten im Bereich einer Blechformteilkante. Im ersten Ziehwerkzeug kann aufgrund des vergrößerten Kantenradius das Blechmaterial relativ gleichmäßig und insbesondere im Bereich der Blechformteilkante mit einer geringen lokalen Abstreckung (Ausdünnung) zu einem Blechformteil bzw. Zwischenformteil umgeformt bzw. gezogen werden. Der vergrößerte Kantenradius führt aber auch dazu, dass am Ort der ersten Berührung des Blechmaterials mit einer formgebenden Werkzeugkante keine Anhaukante bzw. Nachlaufkante entsteht. Auch im zweiten Ziehwerkzeug können aufgrund der geringen Umformgrade keine Nachlaufkanten mehr entstehen. Das hergestellte Blechformteil ist ohne Nachlaufkanten und ohne lokale hohe Abstreckungswerte (letzteres führt bspw. zu einer hohen Beulsteifigkeit). Das Unterbrechen des Umformprozesses zwischen dem ersten Ziehwerkzeug und dem zweiten Ziehwerkzeug führt in der Regel zu keinen Qualitätseinbußen (wie bspw. etwaige Oberflächenfehler) am hergestellten Blechformteil.
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Erfindungsgemäß ist vorgesehen, dass die beiden Ziehwerkzeuge, bis auf die Radien der Werkzeugkanten an den Wirkflächen zur Ausformung der wenigstens einen Blechformteilkante, identisch ausgebildet sind, wie nachfolgend noch näher erläutert.
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Bevorzugt ist vorgesehen, dass das erste Ziehwerkzeug beim Umformen des Blechmaterials nicht auf Anschlag zugefahren wird. Damit ist z. B. gemeint, dass die Werkzeugbewegung des in der Regel von der Umformpresse bewegten oberen Werkzeugteils nicht bis zum möglichen unteren Totpunkt ausgeführt wird, sondern wenige Millimeter davor (bspw. in etwa 3 mm bis 5 mm und insbesondere in etwa 4 mm vor UT) gestoppt wird. Diese verbleibenden Millimeter stehen für das zweite Ziehwerkzeug als Fertigziehtiefe (Ziehreserve) zur Verfügung, wodurch beim Fertigformen des im Wesentlichen bereits schon fertig geformten Blechformteils bzw. Zwischenformteils sehr scharfkantige Blechformteilkanten (dies sind Blechformteilkanten mit kleinen bis sehr kleinen Kantenradien von bspw. weniger als 2 mm an der Krümmungsinnenseite) mit hoher Maßhaltigkeit, ohne Nachlaufkanten und ohne lokale hohe Abstreckungswerte (im Bereich der Blechformteilkanten) ausgebildet werden können. Dies führt, auch bei großen Ziehtiefen bzw. Blechformteiltiefen (bspw. bis 600 mm und mehr), zu markanten Blechformteilkanten, die insbesondere optisch als sehr ansprechend empfunden werden. Zum Fertigformen wird das zweite Ziehwerkzeug in der Regel auf Anschlag bzw. bis UT gefahren.
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Der vergrößerte Kantenradius am Blechformteil bzw. Zwischenformteil entspricht dem 2 bis 10-fachen und insbesondere dem 3 bis 8-fachen des endgültigen Kantenradius einer betreffenden Blechformteilkante. Der endgültige Kantenradius einer betreffenden Blechformteilkante liegt im Bereich von 2 mm bis 5 mm. Die Blechformteilkante kann einen über der Längserstreckung veränderlichen Kantenradius aufweisen.
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Das erfindungsgemäße Verfahren erweist sich insbesondere dann als vorteilhaft, wenn die auszubildende Blechformteilkante zumindest abschnittsweise in einem mittigen Bereich des herzustellenden Blechformteils verläuft. Unter einem mittigen Bereich wird ein (bezüglich der allgemeinen Blechformteilabmessungen) von der nächstliegenden Außenkante weit entfernter Bereich verstanden. Vor allem bei größeren Blechformteilen, wie bspw. Kotflügeln oder Frontklappen für Kraftfahrzeugkarosserien, kann der Materialfluss beim Umformen in einem mittigen Bereich nicht mehr durch konventionelle Maßnahmen (bspw. durch Einsatz von Bremssicken und/oder durch Anpassung der Niederhalterpressung) beeinflusst werden, um dadurch die Entstehung von Nachlaufkanten in diesem Bereich zu vermeiden.
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Bevorzugt ist vorgesehen, dass es sich bei dem Blechmaterial um ein Stahlblech handelt. Die Blechdicke des Stahlblechs kann bspw. im Bereich von 0,7 mm bis 1,2 mm liegen. Besonders bevorzugt ist vorgesehen, dass es sich hierbei um ein bereits im Anlieferungszustand mit einer Korrosionsschutzbeschichtung (bspw. eine aluminiumhaltige oder zinkhaltige Korrosionsschutzbeschichtung) versehenes Blechmaterial handelt. Insbesondere ist vorgesehen, dass es sich bei dem Blechmaterial um ein Aluminiumblech handelt. Die Blechdicke des Aluminiumblechs kann im Bereich von 1,0 mm bis 2,0 mm liegen. Insbesondere Aluminiumbleche sind hinsichtlich der Entstehung von Nachlaufkanten besonders anfällig, wobei dies jedoch mit dem erfindungsgemäßen Verfahren kein Problem mehr darstellt.
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Die erfindungsgemäße Vorrichtung zur Herstellung eines Blechformteils, wobei das herzustellende Blechformteil wenigstens eine Blechformteilkante in einem sichtbaren Bereich aufweist, umfasst ein erstes Ziehwerkzeug und ein zweites Ziehwerkzeug in denen das Blechmaterial nacheinander zu dem Blechformteil umgeformt wird, wobei das zweite Ziehwerkzeug im Wesentlichen identisch wie das erste Ziehwerkzeug ausgebildet ist, jedoch der Radius der Werkzeugkante zur Ausformung der Blechformteilkante am ersten Ziehwerkzeug deutlich größer als der Radius am zweiten Ziehwerkzeug ausgebildet ist.
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Die Ziehwerkzeuge der erfindungsgemäßen Vorrichtung sind in der Regel mit einem ersten oberen Werkzeugteil ausgebildet, wobei es sich insbesondere um die Matrize handelt, und mit einem zweiten unteren Werkzeugteil, wobei es sich insbesondere um den Stempel handelt. Die Ziehwerkzeuge können in unterschiedlichen und miteinander verketteten Umformpressen oder in einer gemeinsamen Umformpresse (bspw. in einer Großraumstufenpresse) betrieben werden. Die erfindungsgemäße Vorrichtung kann auch mehr als zwei Ziehwerkzeuge umfassen.
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Indem beide Ziehwerkzeuge der erfindungsgemäßen Vorrichtung im Wesentlichen identisch ausgebildet sind, ist der Konstruktionsaufwand für beide Ziehwerkzeuge verhältnismäßig gering. Die Ziehwerkzeuge müssen allerdings unterschiedlich eingearbeitet werden.
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Bevorzugt ist vorgesehen, dass die Werkzeugkante zur Ausformung der Blechformteilkante am zweiten Ziehwerkzeug als scharfe Kante, die im Wesentlichen keinen Radius aufweist, ausgebildet ist. Damit kann am Blechformteil eine Blechformteilkante mit einem sehr kleinen Radius (bspw. kleiner als 2 mm an der Krümmungsinnenseite) und mit sehr hoher Qualität ausgebildet werden.
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Die Erfindung wird nachfolgend beispielhaft und in nicht einschränkender Weise anhand der schematischen Figuren näher erläutert.
- 1 zeigt in einer Draufsicht ein erfindungsgemäß hergestelltes Blechformteil mit einer Blechformteilkante.
- 2 zeigt den Querschnittsverlauf des Blechformteils aus 1, gemäß dem in 1 mit A-A angegebenen Verlauf.
- 3 zeigt eine vergrößerte Detailansicht des Querschnittverlaufs aus 2, gemäß dem in 2 mit B gekennzeichneten Bereich, zur Erläuterung des Herstellungsprozesses.
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1 zeigt ein aus einem Blechmaterial S gebildetes Blechformteil 100, wobei es sich beispielhaft um den hinteren Kotflügel (Außenhautteil) für eine Kraftfahrzeugkarosserie handelt. Mit 110 ist eine im sichtbaren Bereich ausgebildete Blechformteilkante (Bauteilkante) bezeichnet, die das Blechformteil 100 in etwa mittig durchsteckt. Die Blechformteilkante 110 ist mit einem kleinen Radius ausgebildet.
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2 zeigt einen Querschnitt durch das Blechformteil 100, dass durch Tiefziehen oder dergleichen aus einem ebenen Ausgangsblechmaterial hergestellt wurde. Mit R ist der Kantenradius an der Blechformteilkante 110 bezeichnet. Beim Herstellen des Blechformteils 100 kann sich, wie obenstehend erläutert, im Bereich der Blechformteilkante 110 eine so genannte Nachlaufkante 115 im Blechformteil 110 ausbilden, was in 1 mit einer gepunkteten Linie veranschaulicht ist. Derartige Nachlaufkanten sind unerwünscht. Nachfolgend wird anhand der 3 eine erfindungsgemäße Vorgehensweise zur Herstellung des Blechformteils 100 erläutert, bei der das Entstehen solcher Nachlaufkanten vermieden oder zumindest deutlich verringert wird.
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Die Herstellung des Blechformteils 100 erfolgt erfindungsgemäß mit zwei im Wesentlichen identischen Ziehwerkzeugen. Hierzu wird das als Platine bereitgestellte Ausgangsblechmaterial zunächst in das erste Ziehwerkzeug eingelegt und umgeformt, wobei das Blechformteil 100 im Wesentlichen fertig geformt und die Blechformteilkante 110 positionsgenau, jedoch mit einem vergrößerten Kantenradius R' vorgeformt wird. Anschließend wird das im ersten Ziehwerkzeug erzeugte Blechformteil in das zweite Ziehwerkzeug eingelegt und das Blechmaterial S wird weiter umgeformt, wobei das Blechformteil bzw. Zwischenformteil 100 fertig geformt oder gegebenenfalls nur formkalibriert und die Blechformteilkante 110 mit dem endgültigen und der Endgeometrie entsprechenden Kantenradius R fertig ausgeformt wird.
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Zur Ausformung der Blechformteilkante 110 sind die beiden Ziehwerkzeuge mit entsprechenden Werkzeugkanten ausgebildet, die im Bereich der stempelseitigen Wirkflächen P1 und P2 (oder auch im Bereich der matrizenseitigen Wirkflächen D1 bzw. D2) angeordnet sind. Die Werkzeugkante an der Wirkfläche P1 des ersten Ziehwerkzeugs, mit der die Blechformteilkante 110 positionsgenau, jedoch mit einem vergrößerten Kantenradius R' vorgeformt wird, weist allerdings einen deutlich größeren Radius R1 auf als die Werkzeugkante an der Wirkfläche P2 des zweiten Ziehwerkzeugs (Radius R2), mit der die Blechformteilkante 110 fertig ausgeformt wird. Der Radius R1 entspricht einem Vielfachen des Radius R2, wie beispielsweise obenstehend angegeben. Anstelle eines Radius R2 kann an der Wirkfläche P2 des zweiten Ziehwerkzeugs auch eine scharfe Kante vorgesehen sein.
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Mit dem Radius R1 an der Wirkfläche P1 des ersten Ziehwerkzeugs wird somit die Blechformteilkante 110 mit dem Radius R' vorgeformt, wobei bekanntermaßen der Radius R1 nicht zwangsläufig dem Radius R' entsprechen muss. Mit dem Radius R2 an der Wirkfläche P2 des zweiten Ziehwerkzeugs wird die Blechformteilkante 110 mit dem endgültigen Endradius R fertig ausgeformt, wobei auch der Radius R2 nicht zwangsläufig mit dem Radius R übereinstimmen muss. Die Werkzeugradien R1 und R2 sowie die Blechradien R' und R müssen keine konstanten Kreisradien sein, sondern können auch als sich über dem Krümmungsverlauf verändernde Radien (Kurvenradien) ausgebildet sein.
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An den matrizenseitigen Wirkflächen D1 und D2 des ersten und des zweiten Ziehwerkzeugs sind zu den stempelseitigen Werkzeugkanten korrespondierende Sicken ausgebildet, wobei diese Sicken an den jeweiligen Radius R1 oder R2 der stempelseitigen Werkzeugkante angepasst sein können. Gegebenenfalls sind die Sicken an beiden Ziehwerkzeugen identisch ausgebildet und hierbei insbesondere unter Berücksichtigung der Blechdicke des Blechmaterials S an den fertig formenden Radius R2 des zweiten Ziehwerkzeugs angepasst. Mit M ist die Arbeitsrichtung bezeichnet, in der beim Umformen des Blechmaterials S die Matrize unter Aufbringung einer Presskraft gegen den feststehenden Stempel bewegt wird, wobei diese Verfahrensweise nur beispielhaft ist.
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Im ersten Ziehwerkzeug kann das Blechmaterial M aufgrund des verhältnismäßig großen Radius R1 relativ gleichmäßig und hierbei insbesondere auch ohne nennenswerte lokale Abstreckung am Radius R1 umgeformt werden, wobei das Blechformteil 100 im Wesentlichen fertig geformt und die Blechformteilkante 110 positionsgenau mit dem vergrößerten Kantenradius R' vorgeformt wird. Der verhältnismäßig große Kantenradius R1 der Werkzeugkante am ersten Ziehwerkzeug führt dazu, dass am Ort des ersten Kontakts zwischen dem Blechmaterial S und dieser Werkzeugkante keine Anhaukante bzw. Nachlaufkante entsteht. Der Radius R1 ist derart bemessen, dass keine oder gegebenenfalls eine nur sehr kleine Nachlaufkante im Blechmaterial S entsteht. Der Radius R1 sollte jedoch nicht zu groß und insbesondere nicht größer als unbedingt erforderlich sein. Aufgrund der sehr geringen Umformgrade im zweiten Ziehwerkzeug können auch dort keine Nachlaufkanten mehr entstehen. Das hergestellte Blechformteil 100 ist somit ohne Nachlaufkanten und ohne lokale hohe Abstreckungswerte und weist damit eine sehr hohe Güte bzw. Qualität auf.