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Die vorliegende Erfindung betrifft Nanopartikel mit dendritischen Polygycerolsulfaten, Verfahren zu deren Herstellung sowie deren Verwendungen, insbesondere im medinizischen Bereich. Dabei sind die dendritischen Polyglycerolsulfate und die anorganischen Nanopartikel über Linker miteinander verbunden.
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Eine Entzündung ist eine charakteristische Antwort von menschlichem oder tierischem Gewebe auf einen schädigenden Reiz oder der Invasion von Pathogenen, bei der Leukozyten aufgrund ihrer antimikrobiellen, sekretorischen und Phagozytose-Aktivitäten eine Schlüsselrolle spielen. Bei allen Formen der Entzündungsreaktion wird die Rekrutierung von Leukozyten an das Gefäßendathel und das nachfolgende Auswandern in das umliegende entzündete Gewebe beobachtet.
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Die akute Entzündungsreaktion ist somit das erste Alarmsignal des Körpers, das auf die Eindämmung und schließlich Eliminierung proinfllammatorischer Reize ausgerichtet ist.
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Neben dieser gewünschten, schützenden Eigenschaft der Entzündungsreaktion zur Eliminierung von Antigenen in unserem Körper kann eine Fehlfunktion der Immunantwort jedoch zu schweren sekundären Gewebeschäden führen, wenn der proinflammatorische Reiz persistiert. Dies beobachtet man bei chronisch entzündlichen Erkrankungen wie beispielsweise Rheuma, Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa, chronische Gewebeabstoßung bei Transplantaten, Asthma, Arthrose, Berylilose oder Schuppenflechte.
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Der erste Schritt der Leukozyten Auswanderung besteht in der Aktivierung der vaskulären Endothelzellen durch Signale (Cytokine) die vom Ort der Entzündung im Gewebe stammen. Aktivierte Endothelzellen ihrerseits sezernieren weitere Signalmoleküle (Chemokine), die Leukozyten aktivieren. Weiterhin fürt die Aktivierung der Endothelzellen zur Expression von Zelladhäsionsmolekülen auf der vaskulären Oberfläche. Es werden so komplementäre Zelladhäsionsmoleküle auf Leukozyten und Endothelzellen präsentiert, die einander binden und so die Adhäsionskaskade einleiten an derem Ende das Auswandern der Leukozyten steht.
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Dieser komplexe Prozess der Rekrutierung der Leukozyten an das Endothel am Entzündungsort wird eingeleitet durch schwache Wechselwirkungen von Selektin-Ligandkomplexen, die zur Reduktion der Fließgeschwindigkeit der Zellen führt und das anschließende Anhaften der Leukozyten an der Blutgefässwand ermöglicht.
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Selektine sind transmembranäre, homologe Glykoproteine, die entsprechend ihres zellulären Vorkommens in L-, E- und P-Selektin eingeteilt sind. E-Selekin wird auf Endothelzellen präsentiert, P-Selektin wird sowohl von Endothelzellen als auch auf Plättchen (Thrombozyten) exprimiert und L-Selektin von den weißen Blutkörperchen (Leukozyten) gebildet.
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Der initiale Kontakt von Leukozyten mit den Endothelzellen erfolgt durch Wechselwirkung von L-Selektin Kohlehydrat-Liganden der Endothelzellen. Eine wichtige Rolle als Bindungspartner stellt dabei das auf Protein und Lipiden präsentierte Tetrasaccharid Sialyl LewisX (sLeX) dar, welches als Standardligand für Struktur-Wirkungs-Beziehungen zur Charakterisierung der Bindungseigenschaften sowie für die Suche nach Selektininhibitoren herangezogen wird.
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Da Selektin-Ligand Wechselwirkungen die Leukozyten Auswanderung einleiten, stellt ihre Addressierung/Blockade eine Möglichkeit zur Lokalisierung und therapeutischer Intervention von Entzündungen dar.
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Verschiedene Selektininhibitoren sind aus dem Stand der Technik bekannt, allerdings ist bislang kein Therapeutikum auf dem Markt.
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So sind in
DE 10 2006 036 326 A1 dendritische Polyglycerolsulfate und –sulfonate offenbart, die eine hohe Affinität zu L- und P-Selektin haben. Die IC
50-Werte liegen dieser Verbindungen liegen zwischen 10 und 40 nM.
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Aus
EP 2123269 A1 sind funktionalisierte Nanopartikel mit einer Größe von 15–50 nm bekannt. Die Partikel bestehen aus einem Goldkern und einer Hülle aus langkettigen linearen Alkylgruppen mit sulfatierten Aminoalkoholen als funktionelle Gruppe. Die Partikel eignen sich als Inhibitoren der Selektin-Ligand Wechselwirkungen und zeigen IC
50-Werte im pikomolaren Bereich.
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Aufgabe der Erfindung ist es daher, verbesserte Substanzen zur Verfügung zu stellen, welche sich besonders zur Lokalisierung und zur Behandlung von Entzündungen eignen, untoxisch sind und sich einfach und günstig herstellen lassen.
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Die Aufgabe wird erfindungsgemäß durch Nanopartikel mit einem anorganischen Kern und einer Hülle aus Linker und dendritischen Polygycerolsulfaten (dPGS) gemäß den Merkmalen der Ansprüche gelöst.
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Erfindungsgemäß umfassen die Nanopartikel
- a) einen Kern aus einem anorganischen Material und
- b) eine Hülle aus Linker und dendritischem Polyglycerolsulfat,
wobei das Polyglycerolsulfat aus sich wiederholenden Glycerin-Einheiten der Formel (RO-CH2)2CH-OR besteht, wobei R = H, oder weitere Glycerin-Einheiten sind, eine oder von mehrere OH-Gruppen der Glycerin-Einheiten durch Sulfatgruppen der Formel -OSO3X, worin X gleich H, ein Alkalimetallatom wie Li, Na oder K, oder ein Ammoniumion wie Triethylammonium oder Diisopropylethylammonium ist, ersetzt sind,
und wobei der Linker Polyglycerolsulfat und Kern miteinander verbindet.
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Die PGS-Hülle um den Kern ist dendritisch (baumartig) verzweigt. Da Glycerin über 3 OH-Gruppen verfügt, lassen sich daraus bei der Polymerisierung zu Polyglycerol – anders als z. B. bei Propandiol – mehr oder weniger stark vernetzte, dreidimensionale Strukturen (dendritische Polymere) erzeugen. Wie stark das dPGS dabei verzweigt ist, lässt sich durch den Verzweigungsgrad (DB) angeben. Der Verzweigungsgrad ist im Rahmen dieser Erfindung definiert nach Frey (Wilms D., Wurm F., Nieberle J., Böhm P., Kemmer-Jonas U., Frey H., Macromolecules, 2009, 42, 3230–3236) durch die folgende Gleichung (1): DB = 2D / 2D + L
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D und L in Gleichung (1) definieren dabei die Anzahl der linearen (L), bzw. dendritischen (D) Glycerineinheiten pro Nanopartikel. L entspricht der Anzahl der Glycerineinheiten (Glycerinmoleküle) pro Nanopartikel, die jeweils mit 2 weiteren Glycerineinheiten verbunden sind. D stellt entsprechend die Anzahl der Glycerineinheiten pro Nanopartikel dar, die jeweils mit 3 weiteren Glycerineinheiten verbunden sind. Der theoretische maximale nach dieser Formel beläuft sich auf 100%, in diesem Fall von maximal verzweigten Polyglycerolen spricht man von sog. Polyglycerol-Dendrimeren.
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Zur Veranschaulichung des Verzweigungsgrades ist in 1 der Ausschnitt eines dPGS-Moleküls exemplarisch dargestellt. T steht für terminale (T) Glycerineinheiten, das heißt, Glycerineinheiten, die mit nur einem Glycerinmolekül verbunden sind. Die terminalen Glycerineinheiten bilden das Ende der jeweiligen Polyglycerolkette und befinden sich somit auf der Oberfläche der Nanopartikel.
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In Abhängigkeit der Polymerisationsbedingungen lässt sich der Verzweigungsgrad des Polyglycerols beliebig einstellen. Erfindungsgemäß beträgt der Verzweigungsgrad 1-100%. Vorzugsweise beträgt der Verzweigungsgrad von 30–80% und besonders bevorzugt von 55–65%.
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Erfindungsgemäß ist das dPGS vorzugsweise nicht perfekt, d. h. es weist einen Verzweigungsgrad von weniger als 100% auf (sog. dendritische Polymere). Dendritische Polymere haben gegenüber Dendrimeren (maximal verzweigt) mehrere Vorteile. Bei Dendrimeren nimmt die sterische Hinderung mit zunehmendem Verzweigungsgrad zu, so dass dem Wachstum der Hülle theoretisch Grenzen gesetzt sind und die Partikel einen bestimmten Durchmesser nicht überschreiten können. Bei dendritischen Polymeren ist das nicht der Fall. Außerdem haben dendritische Polymere den Vorteil, dass sie nicht nur an deren Oberfläche, sondern auch im Innern über freie funktionelle Gruppen verfügen. Diese kann man beispielsweise nutzen um andere Moleküle, wie z. B. medizinisch wirksame Substanzen oder andere Markermoleküle zu koppeln. Des Weiteren haben dendritische Polymere eine größere Beweglichkeit (Flexibilität) als Dendrimere.
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Erfindungsgemäß beträgt die Schichtdicke der Hülle aus dPGS und Linker ca. 1–20 nm, vorzugsweise von 2–10 nm.
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Das durchschnittliche Molekulargewicht der dPGS beträgt etwa 100 bis 1.000.000 g/mol, bevorzugt 2.500–200.000 g/mol und besonders bevorzugt von 5.000–15.000 g/mol.
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Die dPGS weisen Sulfatgruppen -OSO
3X auf; worin X gleich H, ein Alkalimetallatom wie Li, Na oder K, oder ein Ammoniumion wie Triethylammonium oder Diisopropylethylammonium ist. Die Sulfatgruppen können mit Hilfe geeigneter Sulfatierungsreagenzien in die als Ausgangsverbindung eingesetzten dendritischen Polyglycerole eingeführt werden (
Turk H, Haag R, Alban S (2004) „Dendritic Polyglycerol sulfates as new heparin analogues and potent inhibitors of the complement system", Bioconjugate Chem 15: 162–167.). Die dendritischen Polyglycerole sind z. B. herstellbar durch eine einstufige anionische Polymerisation (z. B. eine sog. anionic multibranching ringopening polymerization, Haag R, Mecking S, Türk H.
DE 10211664A1 ; 2002). Als Sulfatierungsreagenz wird bevorzugt ein Komplex aus SO
3 mit Basen, wie Pyridin oder Triethylamin verwendet. Über das Verhältnis von SO
3 zu den OH-Gruppen des dendritischen Polyglycerols kann der resultierende Sulfatierungsgrad eingestellt werden.
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Der Sulfatierungsgrad beträgt 1–100%, bevorzugt 50–99%%, und besonders bevorzugt 80–99%, ganz besonders bevorzugt 84–99%. Der Begriff „Sulfatierungsgrad” drückt im Rahmen dieser Erfindung den Prozentsatz der –OH-Gruppen der Glycerineinheiten des dPG (dendritisches Polyglycerol) aus, die im dPGS sulfatiert sind. Ist z. B. die Hälfte der –OH Gruppen der Glycerineinheiten sulfatiert, so beträgt der Sulfatierungsgrad 50%.
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Der Kern besteht aus einem nanoskaligen anorganischen Material. Grundsätzlich eignen sich alle Metalle und anorganischen Metallverbindungen, die inert und biokompatibel, und wasserunlöslich sind. Wegen ihrer hohen Biokompatibilität sind Gold und Eisenoxidbesonders bevorzugt und eignen sich daher besonders für die Verwendung im therapeutischen oder diagnostischen Bereich. Ganz besonders bevorzugt sind Gold Nanopartikel. Typischerweise hat der Kern der erfindungsgemäßen Nanopartikel einen Durchmesser von 5–45 nm vorzugsweise von 10–30 nm.
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Als Linker eignen sich C1-C20-Kohlenwasserstoffreste, z. B. verzweigte oder lineare C1-C20-Alkylketten, optional unterbrochen mit –NH-, -O-, -S-, -(C=O)-NH-, -(C=O)-O-, -N-(C=O)-N-,-N-(C=S)-N-, -N-(C=O)-O-, -N-(C=S)-O-, oder -triazol-, welche alpha-terminal 1, 2 oder 3 Thio-Gruppen oder Phosphonat-Gruppen aufweisen und Omega-terminal eine oder mehrere, vorzugsweise eine reaktive Gruppe, ausgewählt aus der Gruppe -(C=O)-OH, C-(C=O)-R, mit R = N-Hydroxysuccinimid, Cl, -N=C=S, -N3, oder -alkin.
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Die Linker können über die terminalen Thio-Gruppen oder Phosphonatgruppen kovalent oder koordinativ an den Kern gebunden sein. Im Falle von Gold Nanopartikeln sind alpha-terminale Thio-Gruppen bevorzugt. Die Bindung der Thio-Gruppen zum Gold Nanopartikel findet vorzugsweise über eine „weiche Base, weiche Säure” Bindung statt, die Bindungsenergie beträgt dabei im Allgemeinen 126–146 kJ/mol, was vergleichbar ist zu schwachen kovalenten Bindungen (150–500 kJ/mol). Im Falle von Eisenoxid Nanopartikeln sind alpha-terminale Phosphonat-Gruppen bevorzugt. Dabei erfolgt die Bindung der Phosphonat-Gruppe zum Eisenoxid Nanopartikel bevorzugt über eine koordinative Bindung.
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Wegen der hohen Affinität von Schwefel zu vielen Metallen bilden Thio-Gruppen eine bevorzugte Funktion, über die sich die dPGS mit dem Kern verknüpfen lassen. Bevorzugt werden dabei die Linkermoleküle über Thio-Gruppen wie Thiol-Gruppen oder schwefelhaltige Heterocyclen an die Oberfläche der anorganischen Kerne gekoppelt. Beispiele für schwefelhaltige Heterocyclen sind schwefelhaltige Fünfringe wie Dithiolane.
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Bevorzugte Linker sind C1-C20-Kohlenwasserstoffketten wie C1-C20-Alkylketten, z. B. Propyl, Butyl, Pentyl, Hexyl, Octyl oder Decyl. Diese können z. B. über eines oder mehrere, insb. 1, 2 oder 3 Schwefelatome mit dem Kern und über eine Carboxylgruppe mit dem dPGS verbunden sein.
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Besonders bevorzugte Linker sind Disulfide, insbesondere cyclische Disulfide wie Dithiolane. Diese weisen eine Adsorptionsenergie auf, die mit der von kovalenten Bindungen vergleichbar ist. Dies ist beispielhaft im Schema 1 für Liponsäure als Linker dargestellt.
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Ein geeignete Linker ist zum Beispiel Liponsäure. Überraschend wurde gefunden, dass Liponsäure dPGS mit einem MW im Bereich von 10.000 g/mol bis 15.000 g/mol an Gold Nanopartikel mit hoher Stabilität koppelt.
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Das Linkermolekül ist über eine kovalente Bindung mit dem dPGS verbunden. Die Bindung des Linkers mit dem dPGS erfolgt über eine funktionelle Gruppe des Linkers, die mit einer freien NH2- oder OH-Gruppe des dPGS verknüpft wird, z. B. über eine Esterbindung oder eine Peptidbindung. Bei der Verknüpfungsreaktion handelt es sich typischerweise um eine Kondensationsreaktion, bei der der Linker über eine funktionelle Gruppe, z. B. eine freie Carboxyl-Gruppe, mit dem dPGS verknüpft wird. Bei Liponsäure erfolgt die Bindung an dPGS beispielsweise über die Carboxylgruppe. Der Linker bildet im Allgemeinen eine innere Schicht um den anorganischen Kern, um die herum sich eine äußere Schicht aus dPGS befindet.
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Typischerweise hat der Linker eine Länge von 0,5–10 nm, vorzugsweise von 1–5 nm.
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In einer bevorzugten Ausführungsform umfasst der erfindungsgemäße Nanopartikel einen Kern aus Gold, eine dPGS-Hülle mit einem durchschnittlichem Molekulargewicht MW von 500–100.000 g/mol und einem Verzweigungsgrad von 30–80% und einem Thio-Linker aus einer C1-C8-Alkyl-Gruppe, mit einer oder mehreren alpha-terminalen Disulfidgruppen und einer omega-terminalen Gruppe -C-(C=O)-OH, -C-(C=O)-Cl oder -C-(C=O)-N-Hydroxysuccinimid.
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In einer besonders bevorzugten Ausführungsform umfasst der erfindungsgemäße Nanopartikel einen Kern aus Gold, eine dPGS-Hülle mit einem durchschnittlichem Molekulargewicht von 5.000–15.000 g/mol und einen Verzweigungsgrad von 55–65% und einem Liponsäure-Linker gekoppelt an das dPGS über eine Amid-Bindung.
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Die erfindungsgemäßen Nanopartikel können gleiche oder voneinander verschiedene dPGS und Linker aufweisen. Bevorzugt wird ein Linkertyp und ein dPGS-Typ eingesetzt.
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Überraschenderweise hat sich gezeigt, dass die erfindungsgemäßen Nanopartikel eine sehr hohe Affinität zu Selektinen wie L-Selektin aufweisen. Die hohe Affinität der erfindungsgemäßen Nanopartikel zu Selektinen macht diese zu hervorragend geeigneten Substanzen für den Einsatz im Medizin- oder Diagnostikbereich, vor allem bei entzündlichen Erkrankungen.
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Die erfindungsgemäßen Nanopartikel können mit geeigneten medizinischen Wirkstoffen zu Konjugaten verbunden werden. Diese Konjugate aus den erfindungsgemäßen Nanopartikeln mit Wirkstoffen sind ebenfalls Gegenstand der vorliegenden Erfindung. Damit können beispielsweise Substanzen sehr selektiv in entzündetes Gewebe transportiert werden.
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Ein Vorteil der erfindungsgemäßen Nanopartikel liegt darin, dass keine weiteren zielführenden Moleküle wie z. B. Antikörper, Antikörperfragmente, Proteine, Peptide oder Oligonucleotiden für den Transport der Partikel an den Wirkungsort eingesetzt werden müssen, da das dPGS selbst zielführend wirkt. Dies verringert den synthetischen Aufwand und die damit verbundenen Kosten und erhöht die Robustheit des Systems.
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Weiterhin benötigen die erfindungsgemäßen Nanopartikel bei disgnostischen Anwendungen nicht notwendigerweise signalgebenden Moleküle, da die anorganischen Kernmaterialien wie Gold oder Eisenoxid selbst als Signalgeber wirken können, beispielsweise in MSOT (Multispektrale Optoakustische Tomographie) Messungen oder im MRT.
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Als Arzneimittel oder pharmazeutische Zusammensetzung mit akzeptalen Träger können die Nanopartikel z. B. in Form Tabletten, Kapseln, Pulver, Suspensionen, und Infusionen angewendet werden. Die Arzneimittel oder pharmazeutischen Zusammensetzungen können des Weiteren Träger und/oder Hilfsstoffe enthalten. Geeignete Träger und Hilfsstoffe beinhalten Bindemittel, Suspensionsmittel, Gleitmittel, Farbstoffe, Geschmacksstoffe und Konservierungsmittel.
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Für eine therapeutische Behandlung mit den erfindungsgemäßen Nanopartikeln kommen z. B. alle entzündlichen Prozesse in Frage, sowohl akuter wie chronischer Art. Erfindungsgegenstand ist daher auch die Verwendung als Prophylaktika oder Therapeutika für Entzündungserkankungen. Bevorzugt werden die erfindungsgemäßen Substanzen eingesetzt bei Erkrankungen bei denen die Extravasation von Leukozyten ins Gewebe eine Rolle spielt und zu Gewebsschädigungen führt.
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Die erfindungsgemäßen Nanopartikel eigenen sich vor allem zur Behandlung von chronisch entzündlichen Erkrankungen, insbesondere von rheumatoider Arthritis, Psoriaris, Morbus Crohn, ulzerative Colitis, Allograft-Abstoßung, Asthma, Beryliose oder von Autoimmunerkrankungen oder Gewebeabstoßung.
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Die erfindungsgemäßen Nanopartikel können auch zur Behandlung entzündlicher Erkrankungen eingesetzt werden, bei denen die Selektin-vermittelte Leukozytenadhäsion dysreguliert ist.
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Bei chronisch entzündlichen Prozessen kommt es nach Gewebezerstörung zur Entstehung von Fibrosen. Dabei spielen die beiden Cytokine IFN und TNFα eine wichtige Rolle. IFNy wird von einer bestimmten Population von Leukozyten abgesondert und führt zur Aktivierung von Makrophagen, die ihrerseits hydrolytische Enzyme und reaktive Sauerstoff- und Stickstoffspezies produzieren, was zur Zerstörung von umliegendem Gewebe führt. Außerdem wird TNFα freigesetzt, was zur Expression von Zelladhäsionsmolekülen auf benachbarten Endothelien führt, wodurch vermehrt Leukozyten rekrutiert werden.
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Die erfindungsgemäßen Nanopartikel binden Selektine wie L- und P-Selektin mit besonders hoher Affinität und blockieren so die Interaktion mit ihren Liganden. Der Leukozyten/Endothel-Kontakt wird reduziert und damit das vermehrte Auswandern der Leukozyten in die Entzündungsherde unterdrückt.
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Die Nanopartikel können daher auch als selektive Selektin-Inhibitoren eingesetzt werden. Mit den erfindungsgemäßen Nanopartikeln konnten überraschenderweise IC
50-Werte von bis zu 180 fM beobachtet werden, welche bis um den Faktor 100 niedriger sind als die IC
50-Werte für aus dem Stand der Technik bekannte Substanzen (z. B.
EP 2123269 A1 ). Die erfindungsgemäßen Nanopartikel eignen sich somit besonders vorteilhaft zur Inhibition der Selektin-vermittelten Leukozytenadhäsion.
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Die erfindungsgemäßen Nanopartikel können auch als Diagnostika verwendet werden, z. B. als Kontrastmittel zum Einsatz in bildgebenden Verfahren wie MRT und MSOT. Bevorzugt ist der Einsatz als Diagnostika bei Entzündungskrankheiten, z. B. als Selektinindikatoren zur Diagnose, Lokalisierung und Visualisierung der Selektine verwendet werden, insbesondere in vitro in entzündetem Gewebe, in Organen, in Gewebeschnitten aber insbesondere auch in vivo. Durch den anorganischen Kern der erfindungsgemäßen Nanopartikel eignen sich diese direkt als Kontrastmittel, z. B. Gold-Nanopartikel in der Multispektralen Optoakustischen Tomographie (MSOT) und Eisenoxid-Nanopartikel in der MRT (Magnetresonanz Tomographie).
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Falls erforderlich oder erwünscht, können die erfindungsgemäßen Nanopartikel auch mit weiteren signalgebenden Molekülen beladen oder an signalgebende Moleküle gebunden werden.
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Bevorzugte signalgebende Moleküle sind beispielsweise radioaktive Isotope wie Iod-124, Iod-125 oder Fluor-18. Daneben können auch Farbstoffe, insbesondere Fluorophore wie z. B. Aminomethylcoumarin, Fluorescein, Cyanin, Rhodamin und deren Derivate verwendet werden. Bei den signalgebenden Molekülen kann es sich jedoch auch um einen Fluoreszenzdonor oder -reporter und einen Fluoreszenzakzeptor oder -guencher handeln, die insbesondere als Paar aus jeweils einem Fluoreszenzdonor/-reporter und einem Fluoreszenzakzeptor/-quencher verwendet werden können.
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Beispiele solcher Konjugate mit signalgebenden Molekülen sind:
- 1) Gold-Nanopartikel-dPGS, kovalent konjugiert mit Cyaninfarbstoff,
- 2) Gold-Nanopartikel-dPGS, kovalent konjugiert mit Rhodaminfarbstoff,
- 3) Gold-Nanopartikel-dPGS, kovalent konjugiert mit Chelatoren für Radionuklide wie z. B. 1,4,7,10-tetraazacyclododecan-1,4,7,10-tetraessigsäure (DOTA), diethylenetriamin-pentaessigsäure (DTPA) oder Mercaptoacetyltriglycin (MAG3).
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Die erfindungsgemäßen Nanopartikel sind auch in der Lage, Chemokine spezifisch zu binden. Dabei handelt es sich z. B. um proinflammatorische Cytokine, insbesondere TNFα, IL-1, 1L-6, sowie IL-8 und MIP = 1β. Bei einer inhibitorischen Bindung der Chemokine, wie INF oder TNFα, durch die erfindungsgemäßen dPGS-Nanopartikel wird eine Interaktion mit Rezeptoren der Chemokine verhindert, so das Gewebeschädigung und Leukozytenextravasation verhindert werden.
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Aufgrund ihrer spezifischen Wechselwirkungen mit Proteinen wie Selektinen, Chemokinen und Gerinnungsfaktoren, insbesondere mit L- und P-Selektin können die erfindungsgemäßen Nanopartikel bevorzugt auch in in vitro Applikationen angewendet werden. Hierzu werden die erfindungsgemäßen Nanopartikel – analog zur kommerziell erhältlichen Heparinsepharose – an eine Matrix immobilisiert. Bevorzugte Matrices, bzw. Oberflächen zur Immobilisierung sind anorganische sowie polymere natürliche synthetische Materialien, beispielsweise Glas, Silica, Dextran, Agarose, Sepharose oder synthetische hydrophile Polymere.
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Die immobilisierten erfindungsgemäßen Nanopartikel können zur Fraktionierung von biologischen Proben wie Körperflüssigkeiten: Plasma, Blut, Serum, Zellsuspensionen und Überständen von Zellkulturen, oder zur Reinigung spezifischer Proteine wie z. B. L-Selektin, P-Selektin, Chemokine, Gerinnungsfaktoren eingesetzt werden.
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Schließlich können die erfindungsgemäßen Nanopartikel auch als Fänger, z. B. im ELISA, verwendet werden.
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Die erfindungsgemäßen Nanopartikel weisen damit viele Vorteile auf: Sie sind sehr gut biokompatibel, einfach herzustellen, und haben eine sehr hohe Affinität zu L- und P-Selektin.
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HERSTELLUNG
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Die Herstellung der erfindungsgemäßen Nanopartikel wird in den folgenden Schemata und Ausführungsbeispielen näher erläutert.
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Dabei werden In den dargestellten Reaktionsschemata folgende Abkürzungen verwendet:
AuNP = Gold Nanopartikel
DCC = Dicyclohexylcarbodiimid
MsCI = Methansulfonylchlorid
NHS = N-Hydroxysuccinimid
DIPEA = Diisopropylethylamin
Pyr = Pyridin
TA = Liponsäure
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Die Figuren zeigen:
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1: Aufbau von dendritischem Polyglycerol. Terminale (T), lineare (L) und dendritische (D) Wiederholungseinheiten sind grau unterlegt.
Schema 1 Liponsäure als Linker.
Schema 2 ein Reaktionsschema zur Herstellung eines aktivierten Linkermoleküls am Beispiel von Liponsäure (NHS-Aktivierung von Liponsäure).
Schema 3 ein Reaktionsschema zur Herstellung eines Amin-funktionalisierten dendritischen Polyglycerols (
Roller, S.; Zhou, H.; Haag, R. molecular diversity. 2005, 9, 305–316). Das dPG Ausgangsmaterial wurde durch eine einstufige „anionic multibranching ringopening polymerization” synthetisiert (Haag R, Mecking S, Türk H.
DE 10211664A1 , 2002); Kontrollierte Amin-Funktionalisierung von dPG.
Schema 4 Reaktionsschema zur Sulfatierung der OH-Gruppen des dendritischen Polyglycerols (
Turk H, Haag R, Alban S (2004) Dendritic Polyglycerol sulfates as new heparin analogues and potent inhibitors of the complement system. Bioconjugate Chem 15: 162–167.); Sulfatierung von teilaminiertem dPG.
Schema 5 Reaktionsschema zur Kopplung eines Linkers wie eines Liponsäure-Linkers an dPGS; Funktionalisierung von dPGS mit einem Liponsäure-Linker.
Schema 6 Ligandenaustausch von Citrat-stabilisierten Gold Nanopartikeln mit dPGS in wässriger Lösung. Die Anzahl von Citrat bzw. dPGS pro Gold Nanopartikel ist hierbei nur schematisch dargestellt (Ligandenaustausch an citrat-stabilisierten Gold Nanopartikeln mit TA-dPGS in wässriger Lösung).
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Die erfindungsgemäßen Nanopartikel können hergestellt werden, indem zunächst das dPGS mit einem Linker verknüpft wird und das Reaktionsprodukt anschließend mit dem Kernmaterial aus anorganischen Nanopartikeln umgesetzt wird.
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Der Linker, z. B. Liponsäure, kann aktiviert werden, z. B. indem es mit N-Hydroxysuccinimid in Dichlormethan und Tetrahydrofuran zum Liponsäure-Succinimid umgesetzt wird (siehe Schema 2).
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Das als Ausgangsstoff verwendete dPG kann z. B. erhalten werden durch eine einstufige anionische mehrfachverzweigende ringöffnende Polymerisation” (Haag R, Mecking S, Türk H.,
DE 10211664A1 , 2002). Dieses kann vor der Umsetzung mit dem Linker funktionalisiert werden, z. B mit Amingruppen (Schema. 3).
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Das dPG kann mit Sulfatierungsmitteln wie SO3/Pyridin zu dPGS umgesetzt werden (Schema 4).
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Die Verknüpfung des aminfunktionalisierten, dendritischen dPGS mit dem Linker erfolgt z. B. über eine Succinimid-Kupplung in Dichlormethan mit N,N-diisopropylethylamin als Base (siehe 6 (Schema 5)).
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Die anorganischen Nanopartikel, die sich als Kern zur Herstellung der erfindungsgemäßen dPGS-Nanopartikel eignen, können z. B, durch ein von X. Lou und C. Wang, C (Biomacromolecules, 2007, 8, 1385–1390) beschriebenes Verfahren hergestellt werden, z. B. durch Reduktion von HAuCl4 mit Natriumcitrat in wässriger Lösung bei Temperaturen um 100°C.
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Zum Schluss erfolgt die Kupplung der dPGS mit Hilfe des Linkers an die Kernpartikel. Dazu kann z. B. die von Mei, B. C.; Susumu, K.; Medintz, I. L.; Delehanty, J. B.; Mountziaris, T. J.; Mattoussi H. (Journal of Materials Chemistry. 2008, 18, 4949–4958) beschriebene Methode angewendet werden, in welcher die Citrathülle der anorganischen Nanopartikel im wässrigen System gegen das mit einem Linker wie Liponsäure funktionalisierte dPGS über Nacht bei Raumtemperatur ausgetauscht wird. Eine Aufreinigung erfolgt anschließend über Dialyse in Wasser (Schema 6).
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AUSFÜHRUNGSBEISPIELE
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Die Erfindung wird anhand der folgenden Ausführungsbeispiele näher erläutert.
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Nanopartikel mit einem Goldkern (AuNP) und einer Hülle aus dendritischen PGS mit Molekulargewichten von 5.300 g/mol, bzw. 10.000 g/mol und einem Sulfatierungsgrad von 85% wurden unter Verwendung von Liponsäure (TA) als Linker wie folgt hergestellt:
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Beispiel 1: Herstellung von AuNP-TA-dPGS mit 5.300 g/mol:
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Für den Ligandenaustausch wurden 20 ml einer 18 nm Citrat-stabilisierter Gold Nanopartikel Suspension (1.39 nM) mit TA-dPGS 5.3 kDa (4.3 mg) (synthetisiert nach Schema 5) über Nacht inkubiert und anschließend über Dialyse in H2O aufgereinigt.
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Beispiel 2: Herstellung von AuNP-TA-dPGS mit 10.000 g/mol:
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Die Herstellung erfolgt analog der Synthese der 5.300 g/mol Partikel in Beispiel 1, nur wurden hier 7.81 mg von TA-dPGS 10.000 g/mol verwendet.
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Messung der Bindungsaffinität:
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Um die Bindungsaffinität der hergestellten AuNP-TA-dPGS zu L-Selektin zu quantifizieren, wurden die IC50-Werte mittels Oberflächenplasmonenresonanzspektroskopie (SPR), in einem Bindungsassay ermittelt. Der IC50-Wert gibt dabei diejenige Konzentration eines Substanz an, bei der eine halbmaximale Inhibition beobachtet wird. Sie wurde wie folgt gemessen.
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Zunächst wurde die Bindung von L-Selektin modifizierten Gold Nanopartikeln an einen auf der Chipoberfläche immobilisierten, synthetischen Selektin-Liganden (sLeX, 20 mol% + sulfo-Tyrosin 5 mol% gekoppelt auf linearem Polyacrylamid) als positive Kontrolle gemessen und auf 100% Bindung normalisiert. Das Maß der Bindung wurde hierbei in Resonance Units (RU) gemessen. Anschließend wurden die Selektin-funktionalisierten Gold Nanopartikel mit AuNP-TA-dPGS als Kompetitor der Bindung in ansteigender Konzentration vorinkubiert und die relative Abnahme der Bindung im Vergleich zur Kontrolle gemessen. Schließlich wurde der IC50 Werte über die Berechnung der Konzentration von AuNP-TA-dPGS bestimmt, das zu 50% des Kontroll-Bindungssignals führt.
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Hierbei ergaben sich für die 5.300 g/mol und die 10.000 g/mol AuNP-TA-dPGS-Partikel IC50-Werte von 210 fM, bzw. von 180 fM, welche überraschend niedrig sind. Die Partikel können daher verwendet werden, um hoch affin Selektine anzusteuern.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102006036326 A1 [0011]
- EP 2123269 A1 [0012, 0047]
- DE 10211664 A1 [0023, 0060, 0063]
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- Wilms D., Wurm F., Nieberle J., Böhm P., Kemmer-Jonas U., Frey H., Macromolecules, 2009, 42, 3230–3236 [0016]
- Turk H, Haag R, Alban S (2004) „Dendritic Polyglycerol sulfates as new heparin analogues and potent inhibitors of the complement system”, Bioconjugate Chem 15: 162–167. [0023]
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