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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Modifizieren einer Fahrstabilitätsregelung eines Fahrzeugs gemäß dem Oberbegriff von Anspruch 1. Sie betrifft außerdem ein elektronisches Steuergerät gemäß Oberbegriff von Anspruch 7 und die Verwendung eines erfindungsgemäßen Steuergeräts in einem Kraftfahrzeug.
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Es wurden bereits verschiedene allgemein bekannte Verfahren zur Fahrstabilitätsregelung eines Fahrzeugs entwickelt, um Fahrzeuginstabilitäten selbsttätig entgegenzuwirken. Grundsätzlich lassen sich hierbei fünf Prinzipien unterscheiden, die das Fahrverhalten eines Fahrzeugs mittels vorgebbarer Drücke bzw. Bremskräfte in oder an einzelnen Radbremsen und mittels Eingriff in das Motormanagement des Antriebsmotors beeinflussen. Dabei handelt es sich um Bremsschlupfregelung (ABS), welche während eines Bremsvorgangs das Blockieren einzelner Räder verhindern soll, um Antriebsschlupfregelung (ASR), welche das Durchdrehen der angetriebenen Räder verhindert, um elektronische Bremskraftverteilung (EBV), welche das Verhältnis der Bremskräfte zwischen Vorder- und Hinterachse des Fahrzeugs regelt, um eine Kippregelung (ARP), die ein Kippen des Fahrzeugs um seine Längsachse verhindert, sowie um eine Giermomentregelung (ESC), welche für stabile Fahrzustände beim Gieren des Fahrzeugs um die Hochachse sorgt.
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Bei einer Fahrstabilitätsregelung wird das Fahrverhalten eines Fahrzeugs derart beeinflusst, dass es für den Fahrer in kritischen Situationen besser beherrschbar wird. Eine kritische Situation ist hierbei ein instabiler Fahrzustand, in welchem im Extremfall das Fahrzeug den Vorgaben des Fahrers nicht folgt. Die Funktion der Fahrstabilitätsregelung besteht also darin, innerhalb der physikalischen Grenzen in derartigen Situationen dem Fahrzeug das vom Fahrer gewünschte Fahrzeugverhalten zu verleihen. Während für die Bremsschlupfregelung, die Antriebsschlupfregelung und die elektronische Bremskraftverteilung in erster Linie der Längsschlupf der Reifen auf der Fahrbahn von Bedeutung ist, fließen in die Giermomentregelung weitere Größen wie die auch als Gierrate bezeichnete Gierwinkelgeschwindigkeit ein.
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Bei einer Giermomentregelung wird anhand der zumindest aus dem vorgegebenen Lenkwinkel und der Fahrgeschwindigkeit bestehenden Eingangsgrößen aufgrund eines durch Fahreigenschaften bestimmten Fahrzeugmodells eine Soll-Gierwinkelgeschwindigkeit berechnet und diese in einem Vergleicher mit einer Ist-Gierwinkelgeschwindigkeit verglichen wird, die vorzugsweise mit einem Gierratensensor gemessen wurde. Nach Maßgabe des Vergleichsergebnisses wird in einem Giermomentregler ein Regelgiermoment berechnet, welches zur Festlegung von Steuergrößen dient, die über den einzelnen Rädern des Fahrzeugs zugeordneten Reibbremsen ein Zusatzgiermoment erzeugen, welches die Ist-Gierwinkelgeschwindigkeit zur Soll-Gierwinkelgeschwindigkeit hinführt, wobei ein Reibwerterkenner vorgesehen ist, dessen Ausgangssignal dem Fahrzeugmodell zugeführt wird. Nach dem Stand der Technik erfolgt unterhalb einer vorgegebenen Regelaustrittsgeschwindigkeit keine Giermomentregelung.
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Aus der
DE 195 15 046 A1 ist eine Vorrichtung zur Regelung des Giermoments eines Fahrzeugs bekannt, bei dem aus Sensorinformationen der Gierwinkelgeschwindigkeit, der Querbeschleunigung und der Schwerpunktsgeschwindigkeit des Fahrzeugs die aktuelle Schwimmwinkelgeschwindigkeit ermittelt wird und der Schwimmwinkel durch Integration der Schwimmwinkelgeschwindigkeit berechnet wird.
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Aus der
DE 197 47 093 A1 ist ein Verfahren zum Betätigen der Bremsen eine Fahrzeugs bekannt, bei dem der Radschlupf und die Radbeschleunigung für jedes Rad berechnet wird. Bei Überschreiten eines Schwellenwerts für den Radschlupf- und/oder die Radbeschleunigung wird der jeweilige Istwert des Bremsdrucks gespeichert. Aus dem gespeicherten Istwert und einem charakteristischen Druckwert wird der Reibbeiwert µ geschätzt und eine Blockierverhinderungsregelung des Bremsdrucks an den einzelnen Rädern wird anhand des geschätzten Reibbeiwertes nach einem vorgegebenen Algorithmus durchgeführt.
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Aus der
DE 199 44 333 A1 ist eine weitere Vorrichtung zur Regelung eines Giermoments während einer Kurvenfahrt bekannt, mit einer Regelschaltung, welche die Abweichung von gemessenen, am Reifen angreifenden Istquerkräften berechnet, und einer Aktivierungslogik, welche in bestimmten Fahrsituationen eine Regelung des durch die Istquerkräfte verursachten Giermoments hin zu einem durch Sollquerkräfte bestimmten Giermoments veranlasst, wenn diese Abweichung mindestens einen Schwellenwert überschreitet.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Fahrstabilitätsregelung und ein elektronisches Steuergerät zu schaffen, die eine Fahrstabilisierung auch unterhalb vorgegebener Regelaustrittsgeschwindigkeiten in einfacher Art und Weise ermöglichen.
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Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe durch ein Verfahren gemäß Anspruch 1 und ein elektronisches Steuergerät gemäß Anspruch 7 gelöst.
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Es wird also ein Verfahren zum Modifizieren einer Fahrstabilitätsregelung eines Fahrzeugs bereitgestellt, bei dem die zumindest aus dem Lenkwinkel und der Fahrgeschwindigkeit bestehenden Eingangsgrößen aufgrund eines Fahrzeugmodells unter Berücksichtigung eines modellbasiert ermittelten Reibwerts in einen Sollwert der Gierwinkelgeschwindigkeit umgerechnet werden und dieser mit einem gemessenen Istwert der Gierwinkelgeschwindigkeit verglichen wird, wobei nach Maßgabe des Vergleichsergebnisses in einem Fahrstabilitätsregler ein zusätzliches Giermoment berechnet wird, anhand dessen ein Stabilisierungs-Eingriff mit einem fahrerunabhängigen Aufbau von Bremskräften an einem oder mehreren Rädern angefordert wird, um die Ist-Gierwinkelgeschwindigkeit zur Soll-Gierwinkelgeschwindigkeit hinzuführen, solange die Fahrgeschwindigkeit eine Regelaustrittsgeschwindigkeit des Fahrstabilitätsreglers überschreitet. Erfindungsgemäß wird bei einer Kurvenfahrt des Fahrzeugs in einem Geschwindigkeitsbereich unterhalb der Regelaustrittsgeschwindigkeit des Fahrstabilitätsreglers der Berechnung des Sollwerts der Gierwinkelgeschwindigkeit eine konstante Fahrgeschwindigkeit und ein konstanter Reibwert zugrunde gelegt, wobei ein Stabilisierungs-Eingriff nur in einer Übersteuersituation erfolgt.
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Der Vorteil ist, dass der Fahrer auch im niedrigen Geschwindigkeitsbereich (≤3 m/s) bei einem Übersteuern des Fahrzeugs im Rahmen des physikalisch Möglichen durch ein aktiv aufgebrachtes stabilisierendes Giermoment des Bremsenreglers unterstützt wird. Ein eindeutig übersteuerndes Fahrzeug wird auch unterhalb der Regelaustrittsgeschwindigkeit des Fahrstabilitätsreglers oder GMR-Reglers erkannt, und führt zu einem Stabilisierungs-Eingriff.
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Ein Stabilisierungs-Eingriff, bei dem durch einen fahrerunabhängigen Aufbau von Bremskräften an einem oder mehreren Rädern des Fahrzeugs, kann hierbei durch eine Nachricht auf einem Fahrzeug-Datenbus angefordert werden. Ein Steuergerät eines Bremssystems empfängt die Nachricht und setzt die Anforderung z.B. dadurch um, dass elektrisch ansteuerbare Hydraulikventile und eine Pumpe geeignet angesteuert werden. Aber auch ein elektromechanisches Bremssystems kann den angeforderten Stabilisierungs-Eingriff durchführen. Wenn das Steuergerät des Bremssystems einen Mikrocontroller aufweist, der zusätzlich das erfindungsgemäße Verfahren ausführt, kann die Anforderung besonders einfach umgesetzt werden. Ungenauigkeiten des Einspurmodells bei niedrigen Geschwindigkeiten, wie Fehler in der Referenzgeschwindigkeitsbildung bei starkem Lenkeinschlag, werden durch Wahl einer konstanten Fahrgeschwindigkeit und eines konstanten Reibwerts umgangen. Da ein Eingriff nur bei einem Übersteuern des Fahrzeugs erfolgt, wobei also der Istwert der Gierwinkelgeschwindigkeit den Sollwert der Gierwinkelgeschwindigkeit übersteigt, wird ein künstliches bzw. durch den Fahrstabilitätsregler verursachtes Übersteuern verhindert.
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Bevorzugt wird der konstante Reibwert derart gewählt, dass er einem Hochreibwert entspricht, wie insbesondere einem konstanten Reibwert µ = 1. Da der Reibwert der realen Fahrbahnoberfläche eher kleiner ist, wird somit ein Unterschätzen der Gierwinkelgeschwindigkeit vermieden.
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Zweckmäßigerweise entspricht die konstante Fahrgeschwindigkeit der Regelaustrittsgeschwindigkeit des Fahrstabilitätsreglers. Dies stellt einerseits sicher, dass die Gierwinkelgeschwindigkeit nach oben abgeschätzt wird, um unbegründete Übersteuereingriffe zu verhindern. Andererseits werden dadurch Sprünge im Regelverhalten beim Übergang zwischen den Geschwindigkeitsbereichen vermieden.
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Es ist vorteilhaft, wenn die konstante Fahrgeschwindigkeit in einem Bereich zwischen 3 und 4 m/s liegt. Dies ist auch ein üblicher Wert für die Regelaustrittsgeschwindigkeit.
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In einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung erfolgt bei einer Kurvenfahrt des Fahrzeugs in einem Geschwindigkeitsbereich unterhalb der Regelaustrittsgeschwindigkeit des Fahrstabilitätsreglers ein Stabilisierungs-Eingriff nur dann, wenn eine Übersteuersituation daran erkannt wird, dass der Betrag des gemessenen Istwerts der Gierwinkelgeschwindigkeit (ψ̇mess) den Betrag des Sollwerts der Gierwinkelgeschwindigkeit (ψ̇soll) übersteigt. Dieses Kriterium ist mit geringem Aufwand zu implementieren.
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Gemäß einer besonders bevorzugten Ausführungsform der Erfindung wird eine Übersteuersituation daran erkannt, dass der Betrag des gemessenen Istwerts der Gierwinkelgeschwindigkeit (ψ̇mess) den Betrag des Sollwerts der Gierwinkelgeschwindigkeit (ψ̇soll) um mindestens einen Schwellwert übersteigt. Indem Abweichungen bis zu dem vorgegebenen Schwellwert nicht zu einem Eingreifen des Fahrstabilitätsreglers führen, werden Komforteinbußen durch Stabilisierungs-Eingriffe so weit wie möglich verringert. Da Stabilisierungs-Eingriffe bei einem hydraulischen Bremssystem üblicherweise die Aktivierung einer Pumpe erfordern, könnte durch sie eine Geräuschbelästigung des Fahrers verursacht werden.
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Insbesondere wird als Schwellwert eine konstante Regeleintrittsschwelle des Fahrstabilitätsreglers gewählt. Somit wird ein geeigneter Schwellwert besonders einfach erhalten, da die Regeleintrittsschwelle des Fahrstabilitätsreglers bereits gut an das Fahrverhalten des Fahrzeugs angepasst ist.
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Die Erfindung betrifft weiterhin ein elektronisches Steuergerät, welches zumindest eine Fahrstabilitätsregelung eines Fahrzeugs und eine Schaltung umfasst, die ein Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche ausführt. Hierbei beinhaltet die Schaltung vorzugsweise einen Mikrocontroller, der sowohl die Fahrstabilitätsregelung als auch das erfindungsgemäße Verfahren synchron oder sequentiell ausführt.
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Zweckmäßigerweise umfasst das erfindungsgemäße elektronische Steuergerät weiterhin eine Schaltung, die ein Bremssystem eines Fahrzeugs ansteuert. Die Ansteuerung eines Bremssystems kann besonders bevorzugt ebenfalls durch ein von einem Mikrocontroller ausführbares Programm realisiert werden, welches insbesondere von demselben Mikrocontroller wie das erfindungsgemäße Verfahren ausgeführt wird.
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Weiterhin betriff die Erfindung die Verwendung eines erfindungsgemäßen elektronischen Steuergeräts in einem Kraftfahrzeug, welches mit einem thermodynamischen und/oder elektrischen Antrieb und einem elektrisch steuerbaren Bremssystem ausgestattet ist.
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Weitere bevorzugte Ausführungsformen ergeben sich aus den Unteransprüchen und der nachfolgenden Beschreibung eines Ausführungsbeispiels an Hand von Figuren.
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Es zeigen
- 1 eine Blockschaltbild zur Gesamtstruktur einer Fahrstabilitätsregelung,
- 2 ein Blockschaltbild zur Struktur des Giermomentreglers, und
- 3 einen Signalverlauf bei der Berechnung des Sollwerts der Gierwinkelgeschwindigkeit.
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Verfahren zur Fahrstabilitätsregelung werden in erster Linie in Kraftfahrzeugen mit vier Rädern eingesetzt, wobei an jedem Rad zumindest eine Reibbremse angeordnet ist, die hydraulisch, elektro-hydraulisch oder elektro-mechanisch betätigt wird. In der hydraulischen Bremsanlage kann mittels eines pedalbetätigten Hauptzylinders vom Fahrer ein Bremsdruck aufgebaut werden, während die elektro-hydraulischen und elektro-mechanischen Reibbremsen mittels zusätzlicher Aktuatoren eine vom mit Sensoren erfassten Fahrerbremswunsch abhängige Bremskraft aufbauen. Kraftfahrzeuge sind vielfach mit einer thermodynamischen und/oder elektrischen Antriebsanlage ausgestattet, die ein vom Fahrerwunsch abhängiges Vortriebsmoment über den Antriebsstrang auf mindestens ein Rad des Fahrzeugs aufbringt. Bei mit einer elektrischen Antriebsanlage ausgestatteten Fahrzeugen können Bremskräfte zumindest teilweise auch durch den oder die als Generator betriebenen Elektromotor(en) erzeugt werden.
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Vorzugsweise sind zur Erfassung von fahrdynamischen Zuständen vier Drehzahlsensoren, pro Rad einer, ein Giergeschwindigkeitssensor, ein Querbeschleunigungssensor und mindestens ein Drucksensor für den vom Bremspedal erzeugten Bremsdruck vorhanden. Dabei kann der Drucksensor auch ersetzt sein durch einen Pedalweg- oder Pedalkraftmesser, falls eine Hilfsdruckquelle derart angeordnet ist, dass ein vom Fahrer aufgebauter Bremsdruck von dem der Hilfsdruckquelle nicht unterscheidbar ist, oder das Bremsmoment anhand des mittels Sensoren erfassten Fahrerwunsches elektromechanisch aufgebracht wird. Weiterhin wird der Lenkwinkel durch einen Lenkwinkelsensor erfasst. Zusätzlich werden das aktuell von der Antriebsanlage erzeugte und das vom Fahrer gewünschte Antriebsmoment bestimmt. Dabei kann es sich auch um indirekt ermittelte Größen handeln, die beispielsweise aus einem Motorkennfeld abgeleitet werden.
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Wie eine derartige Fahrstabilitätsregelung gestaltet sein kann, wird im Folgenden anhand der 1 und 2 beschrieben. 1 zeig ein Blockschaltbild zur Gesamtstruktur einer Fahrstabilitätsregelung, während in 2 ein Blockschaltbild zur Struktur des Giermomentreglers dargestellt ist.
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Das Fahrzeug 1 bildet die sogenannte Regelstrecke, auf das die vom Fahrer gegebenen Größen Fahrerbremsdruck PFahrer bzw. PTHZ und Lenkwinkel δ einwirken. Am Fahrzeug 1 werden die hieraus resultierenden Größen Motoristmoment MMotist, Querbeschleunigung aquer, Gierwinkelgeschwindigkeit ψ̇mess, Raddrehzahlen vwheel und Hydrauliksignale wie Radbremsdrücke gemessen. Zur Auswertung dieser Daten weist die Fahrstabilitätsanlage vier elektronische Regler 7, 8, 9 und 10 auf, nämlich das Antiblockiersystem ABS (7), die Antriebsschlupfregelung ASR (8), die elektronische Bremskraftverteilung EBV (9) und die Giermomentregelung GMR (10). Die elektronischen Regler für ABS 7, ASR 8 und EBV 9 können unverändert dem Stand der Technik entsprechen.
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Die Raddrehzahlen werden den Reglern für das Antiblockiersystem 7, die Antriebsschlupfregelung 8 und die elektronische Bremskraftverteilung 9 zugeführt. Der Regler 8 der Antriebsschlupfregelung erhält zusätzlich noch Daten über das herrschende Motormoment, das Motoristmoment MMotist. Diese Information geht auch dem Regler 10 zur Giermomentregelung GMR zu. Außerdem erhält er von Sensoren die Daten über die Querbeschleunigung aquer und die Gierwinkelgeschwindigkeit ψ̇mess des Fahrzeugs. Da im Regler 7 des ABS über die Einzelraddrehzahlen der Fahrzeugräder ohnehin eine Fahrzeugreferenzgeschwindigkeit vRef ermittelt wird, anhand derer ein übermäßiger Bremsschlupf eines der Räder festgestellt werden kann, muss eine derartige Referenzgeschwindigkeit nicht im GMR-Regler 10 berechnet werden, sondern wird vom ABS-Regler 7 übernommen. Wo die Fahrzeugreferenzgeschwindigkeit berechnet wird oder ob zur Giermomentreglung eine eigene Berechnung vorgenommen wird, macht für den Ablauf der Giermomentregelung GMR nur einen kleinen Unterschied. Entsprechend gilt dies auch für die Längsbeschleunigung along des Fahrzeugs, womit der Wert hierfür auch im ABS-Regler 7 ermittelt und an den GMR-Regler 10 weitergegeben werden kann. Für eine Bestimmung des Fahrbahnreibwertes µ gilt dies nur eingeschränkt, da zur Giermomentregelung ein genauer bestimmter Reibwert wünschenswert ist, als er für das Blockierschutzsystem ermittelt wird.
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Alle vier elektronischen Regler der Fahrdynamikregelung, also die Regler für GMR 10, ABS 7, ASR 8 und EBV 9 arbeiten parallel und unabhängig voneinander anhand ihrer eigenen Regelstrategien Bremsdruckvorgaben PGMR, PABS, PASR, PEBV für die einzelnen Räder aus. Selbstverständlich können auch weitere Regler vorhanden sein, auf die jedoch hier nicht weiter eingegangen wird.
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Zusätzlich werden vom ASR-Regler 8 und vom GMR-Regler 10 parallel Vorgaben MASR und MStellM für das Motormoment berechnet.
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Die Druckvorgaben pGMR des GMR-Reglers 10 für die einzelnen Radbremsdrücke werden folgendermaßen ermittelt:
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Der GMR-Regler 10 berechnet zunächst jeweils ein zusätzliches Giermoment MG, welches zur Stabilisierung des Fahrzustandes innerhalb einer Kurve bzw. zur Verbesserung des Fahrverhaltens innerhalb einer Kurve führt, wenn es durch entsprechende Bremsbetätigung erzeugt wird. Dieses MG wird einer Verteilungslogik 2 zugeführt, welche auch als Teil des GMR-Reglers 10 dargestellt werden könnte. In diese Verteilungslogik 2 fließt außerdem ein möglicherweise vorhandener Fahrerwunsch zur Fahrzeugverzögerung ein, der anhand des Fahrerbremsdruckes PFahrer (bzw. PTHZ) erkannt wird. Die Verteilungslogik 2 berechnet aus den vorgegebenen Giermomenten MG und aus dem gewünschten Fahrerbremsdruck Giermomentregelbremsdrücke pGMR für die Radbremsen, welche individuell für die einzelnen Räder sehr unterschiedlich sein können. Diese Giermomentregelbremsdrücke pGMR werden genauso wie die von den übrigen Reglern 7, 8 und 9 für ABS, ASR und EBV zur Funktionsoptimierung berechneten Druckvorgaben einer Prioritätsschaltung 3 für die Radbremsdrücke zugeführt. Diese Prioritätsschaltung 3 ermittelt unter Berücksichtigung des Fahrerwunsches Sollradbremsdrücke psoll für eine optimale Fahrstabilität bzw. ein optimales Fahrverhalten. Diese Sollradbremsdrücke können entweder den Druckvorgaben eines einzelnen dieser vier Regler entsprechen oder aber eine Überlagerung darstellen.
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Ähnlich wie mit den Radbremsdrücken wird mit dem Motormoment verfahren. Während ABS und EBV nur auf die Radbremsen einwirken, ist bei GMR und ASR auch ein Eingriff in das Motormoment vorgesehen. Die im GMR-Regler 10 und im ASR-Regler 8 separat berechneten Vorgaben MStellM und MASR für das Motormoment werden wieder in einer Prioritätsschaltung 4 ausgewertet und zu einem Sollmoment überlagert. Dieses Sollmoment MSoll kann jedoch genauso gut nur der berechneten Vorgabe eines der beiden Regler entsprechen.
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Anhand der berechneten Soll-Vorgaben für den Radbremsdruck pSoll und für das Motormoment MSoll kann nun eine Fahrstabilitätsregelung durch Bremsen- und Motoreingriff vorgenommen werden. In die Drucksteuerung 5 fließen dazu noch Hydrauliksignale oder Werte ein, die den tatsächlichen Radbremsdruck wiedergeben. Die Drucksteuerung 5 erzeugt hieraus Ventilsignale, die an die Regelventile der einzelnen Radbremsen im Fahrzeug 1 abgegeben werden. Das Motormanagement 6 steuert nach Maßgabe von Msoll den Antriebsmotor des Fahrzeugs, wodurch wiederum ein geändertes Motoristmoment erzeugt wird. Hieraus ergeben sich dann jeweils wieder neue Eingangsgrößen für die vier elektronischen Regler 7, 8, 9 und 10 der Fahrstabilitätsanlage. An Stelle von Drucksignalen können auch andere zu einer Bremskraft proportionalen Größen für die Regelung verwendet werden, bzw. eine elektromechanische Reibbremse mit Hilfe von „Druck“-Signalen angesteuert werden.
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2 zeigt in einem Blockschaltbild, wie innerhalb des GMR-Reglers 10 das Zusatzgiermoment MG für die Verteilungslogik 2 ermittelt wird. Hierzu fließen als Eingangsgrößen der Lenkwinkel δ, die Fahrzeugreferenzgeschwindigkeit vRef aus dem ABS-Regler 7, die gemessene Querbeschleunigung aquer sowie die gemessene Gierwinkelgeschwindigkeit ψ̇Mess ein. Die Fahrzeugreferenzgeschwindigkeit vRef durchläuft einen Filter 17, welcher bei niedrigen Geschwindigkeiten einen konstanten Wert oberhalb Null ansetzt, damit bei weiteren Rechnungen der Nenner eines Bruchs nicht gleich Null wird. Der ungefilterte Wert von vRef wird einer Aktivierungslogik 11 zugeführt, welche Fahrzeugstillstand erkennt.
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Diese direkte Erfassung der Fahrzeugreferenzgeschwindigkeit vRef durch die Aktivierungslogik 11 kann auch wegfallen, wenn angenommen wird, dass Fahrzeugstillstand vorliegt, wenn die gefilterte Fahrzeugreferenzgeschwindigkeit vRefFil ihren konstanten Minimalwert einnimmt.
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Im GMR-Regler ist ein Fahrzeugreferenzmodell 12 abgelegt, welches anhand des Lenkwinkels δ, der gefilterten Fahrzeugreferenzgeschwindigkeit vRefFil sowie der gemessenen Gierwinkelgeschwindigkeit ψ̇Mess eine Vorgabe für eine Änderung der Gierwinkelgeschwindigkeit Δψ̇ berechnet.
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Um die Vorgaben im physikalisch möglichen Rahmen zu halten, wird zu diesen Rechnungen auch der Fahrbahnreibwert µ benötigt, der in einer Reibwert- und Situationserkennung 13 als Schätzwert µ̂ berechnet wird. Bei hinreichender Genauigkeit des im Rahmen der Antiblockierregelung ermittelten Reibwertes kann auch letzterer verwendet werden. Alternativ wird im ABS-Regler 7 der im GMR-Regler 10 berechnete Reibwert übernommen.
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Die Reibwert- und Situationserkennung 13 verwendet für ihre Rechnungen die gefilterte Referenzgeschwindigkeit vRefFil, die gemessene Fahrzeugquerbeschleunigung aquer, die gemessene Gierwinkelgeschwindigkeit ψ̇Mess, sowie den Lenkwinkel δ. Die Situationserkennung 13 unterscheidet verschiedene Fälle wie Geradeausfahrt, Kurvenfahrt, Rückwärtsfahrt und Fahrzeugstillstand. Fahrzeugstillstand wird dann angenommen, wenn die gefilterte Fahrzeugreferenzgeschwindigkeit vReFil ihren konstanten Minimalwert einnimmt. Anstelle der ungefilterten Fahrzeugreferenzgeschwindigkeit kann also auch diese Information zur Erkennung eines Fahrzeugstillstandes der Aktivierungslogik 11 zugeführt werden. Zur Erkennung der Rückwärtsfahrt wird ausgenutzt, dass bei gegebenem Lenkwinkel 5 die Gierwinkelgeschwindigkeit ψ̇ entgegengesetzt orientiert ist wie bei Vorwärtsfahrt. Hierzu wird die gemessene Gierwinkelgeschwindigkeit ψ̇Mess mit der vom Fahrzeugreferenzmodell 12 vorgegebenen Soll-Giergeschwindigkeit ψ̇soll verglichen. Wenn die Vorzeichen stets entgegengesetzt sind und dies auch für die zeitlichen Ableitungen der beiden Kurven gilt, so liegt eine Rückwärtsfahrt vor, da ψ̇soll stets für Vorwärtsfahrt berechnet wird, weil gebräuchliche Drehzahlsensoren keine Information über die Raddrehrichtung erfassen. Alternativ kann auch die Information von drehrichtungserkennenden Drehzahlsensoren für die Erkennung einer Rückwärtsfahrt genutzt werden.
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Schließlich wird anhand der gefilterten Fahrzeugreferenzgeschwindigkeit vRefFil, der gemessenen Fahrzeugquerbeschleunigung aquer sowie der gemessenen Gierwinkelgeschwindigkeit ψ̇Mess eine kinematische Schwimmwinkel-Geschwindigkeitsbestimmung, kurz kinematische β̇-Bestimmung 14 vorgenommen.
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Um bei starken Schwimmwinkeländerungen Spitzen abzuschneiden, durchläuft der berechnete Wert der Schwimmwinkelgeschwindigkeit einen Tiefpaß 15 erster Ordnung, welcher einen Schätzwert
für die Schwimmwinkelgeschwindigkeit an die Aktivierungslogik 11 und an ein Programm 16 zur Umsetzung des Giermomentregelgesetzes weitergibt. Das Programm 16 verwendet außerdem die Änderungsvorgaben Δψ̇ für die Gierwinkelgeschwindigkeit, welche sich als die Differenz aus der gemessenen Gierwinkelgeschwindigkeit ψ̇
Mess und der anhand des Fahrzeugreferenzmodells 12 berechneten Soll-Gierwinkelgeschwindigkeit ψ̇
soll darstellt. Hieraus wird das zusätzliche Giermoment M
G für das Fahrzeug ermittelt, welches über die Bremsdrücke vermittelt werden soll.
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Das Programm 16 arbeitet permanent, um stets aktuelle Regelgrößen parat zu haben. Ob diese Stellmomente allerdings an die in 1 dargestellte Verteilungslogik 2 weitergegeben werden, hängt von der Aktivierungslogik 11 ab.
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Die Aktivierungslogik 11 empfängt nicht nur den Wert der ungefilterten Fahrzeugreferenzgeschwindigkeit v
Ref und wie beschrieben den der Schwimmwinkelgeschwindigkeit
sondern auch betragsmäßig die Abweichung |Δψ̇| der Soll-Gierwinkelgeschwindigkeit ψ̇
soll von der gemessenen Gierwinkelgeschwindigkeit ψ̇
Mess sowie eine Information aus der Situationserkennung 13, wenn Rückwärtsfahrt vorliegt.
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Befindet sich das Fahrzeug in Rückwärtsfahrt, so wird die Übertragung vom M
G unterbrochen. Dasselbe gilt, wenn Fahrzeugstillstand erkannt wird oder wenn weder die geschätzte Schwimmwinkelgeschwindigkeit
noch die Vorgabe für die Gierwinkelgeschwindigkeitsänderung Δψ̇ einen Betrag erreichen, der eine Regelung erforderlich macht. Ferner erfolgt nach dem Stand der Technik keine Regelung, wenn die Geschwindigkeit unter einer einer Regelaustrittsgeschwindigkeit von 3 m/s. bzw. v
Ref ≤ 10,8km/h liegt. Folglich gibt es bei Fahrzeugen, die mit einer Fahrstabilitätsanlage ausgerüstet sind, unterhalb der Regelaustrittsgeschwindigkeit v oder v
Ref von 3 m/s bzw. v
Ref ≤ 10,8km/h keine aktiven Bremseneingriffe, die in physikalischen Grenzen eine stabilisierende Wirkung um die Hochachse bewirken und so in kritischen Fahrsituationen das Fahrverhalten derart beeinflussen, dass sie für den Fahrer besser beherrschbar sind oder kritische Fahrsituationen von vornherein vermieden werden. Die hier angegebene Regelaustrittsgeschwindigkeit v oder v
Ref vom 10.8 km/h ist selbstverständlich nur ein besonders vorteilhafter Grenzwert, der bei anderer Ausgestaltung der Fahrstabilitätsregelung auch einen davon abweichenden Wert annehmen kann. Weiterhin kann der Beginn einer Regelung auch erst dann erfolgen, wenn die Fahrgeschwindigkeit eine vorgegebene Regeleintrittsgeschwindigkeit überschreitet. Die Regeleintrittsgeschwindigkeit für eine Fahrzeugstabilisierung liegt vorzugsweise bei 4 m/s; sie kann aber auch mit der Regelaustrittsgeschwindigkeit identisch sein.
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Die logische Schaltung zur Berechnung des Motorstellmoments MStellM ist nicht dargestellt. Weiterhin können zusätzliche Regelschaltungen wie eine Schwimmwinkelregelung vorhanden sein, die jedoch auf das erfindungsgemäße Verfahren keinen Einfluss haben und daher nicht abgebildet sind.
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Um den Fahrer bei einer Übersteuersituation in dem Geschwindigkeitsbereich ≤ 3 m/s unterstützen, ist es zunächst nötig ein übersteuerndes Fahrverhalten eindeutig zu erkennen. Hierzu müssen die Unzulänglichkeiten (Ungenauigkeit in der Berechnung der Schräglaufwinkel, Fehler in der Referenzgeschwindigkeitsbildung bei starkem Lenkeinschlag) eines Einspurmodells bei niedrigen Geschwindigkeiten umgangen werden. Dies erfolgt vorzugsweise dadurch, dass bei der Berechnung des Sollwerts der Gierwinkelgeschwindigkeit eine konstante Geschwindigkeit von 3 m/s und einem Reibwert µ = 1 zugrunde gelegt wird. Für Fahrzeuggeschwindigkeiten, die kleiner 3 m/s sind, wird daher im Prinzip eine „maximale“ stabile Gierwinkelgeschwindigkeit berechnet. Eine eindeutige Übersteuersituation wird vorzugsweise dadurch erkannt, dass der Betrag bzw. der gemessene Istwert der Gierwinkelgeschwindigkeit größer dem Betrag bzw. dem Sollwert der Gierwinkelgeschwindigkeit zuzüglich eines Offsets in Höhe der Gierrateneintrittsschwelle ist.
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Sobald eine eindeutige Übersteuersituation erkannt worden ist, wird ein Bremsenübersteuerregelungseingriff des Giermomentreglers durchgeführt und im Rahmen der physikalischen Möglichkeiten versucht, die Gierwinkelgeschwindigkeit des Fahrzeugs auf die als maximal möglich errechnete zu begrenzen.
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3 zeigt den Signalverlauf bei der Berechnung des Sollwerts der Gierwinkelgeschwindigkeit ψ̇soll, wobei auf der Ordinate die Gierwinkelgeschwindigkeit ψ̇ und auf der Abszisse die Zeit t eingetragen sind. Mit 20 ist dabei der Sollwert der Gierwinkelgeschwindigkeit dargestellt, wie er im Fahrzeugmodell 12 eines bekannten GMR-Reglers 10 bei einem Reibwert µ < 1 und einer Geschwindigkeit v ≤ 10,8 km/h berechnet wird. 22 bezeichnet den gemessenen Istwert der Gierwinkelgeschwindigkeit. Da die Geschwindigkeit v unterhalb der Regelaustrittsschwelle liegt, findet keine Regelung statt. Erfindungsgemäß wird jedoch dem Fahrzeugmodell 12 eine konstante Geschwindigkeit von v= 10,8 km/h und ein Hochreibwert von µ = 1 bei einer Kurvenfahrt unterhalb der Regelaustrittsgeschwindigkeit von 3m/s zugeführt, das daraufhin den Sollwert mit diesen Größen berechnet. 24 bezeichnet den Verlauf des mit diesen Größen berechneten Sollwerts der Gierwinkelgeschwindigkeit ψ̇soll . Es stellt sich bei diesem Soll-Istwertvergleich 24, 22 der Gierwinkelgeschwindigkeit Δψ̇ ein Übersteuersteuersituation dar, die in 3b nach Überschreiten des Ruhebandes 26, innerhalb dem keine Regelung stattfindet, in 3c zum Bremsdruckaufbau 28 in einer Radbremse und damit zur Stabilisierung des Fahrverhaltens führt.