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Die vorliegende Erfindung betrifft eine Bremsanlage für ein Kraftfahrzeug nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1, ein mit der Bremsanlage ausgestattetes Kraftfahrzeug sowie ein entsprechendes Verfahren zum Betrieb der Bremsanlage.
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Bremsanlagen von Kraftfahrzeugen erfüllen allgemein Betriebs- und Feststellfunktionen sowie gegebenenfalls auch Hilfsbremsfunktionen. Kraftfahrzeuge, insbesondere Personenkraftwagen, weisen hierzu in der Regel zwei voneinander unabhängige Bremssysteme auf: eine Betriebsbremse und eine Feststellbremse. Die Betriebsbremse dient dazu, während des normalen Fahrzeugbetriebs die Geschwindigkeit zu verringern oder das Fahrzeug zum Stillstand zu bringen. Die Feststellbremse dient hingegen dazu, das Fahrzeug im Stillstand zu halten, auch auf geneigter Fahrbahn und insbesondere bei Abwesenheit des Fahrzeugführers.
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Betriebsbremsen kommen in Fahrzeugen im Wesentlichen in drei unterschiedlichen Ausbildungen zur Anwendung: rein hydraulisch, elektrohydraulisch und rein elektrisch. Bei einem hydraulischen Bremssystem wird der Bremsdruck über ein Pedal aufgebracht und über zwei bzw. mehrere Bremskreise an entsprechende, den Fahrzeugrädern zugeordnete Radbremsen übertragen. Bei Ausfall eines Bremskreises übernimmt der jeweils intakt gebliebene Bremskreis die Funktion der Hilfsbremse.
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Bei einem elektrohydraulischen Bremssystem wird der Hydraulikdruck für die Radbremsen durch ein elektrisches Signal geregelt. Dies ermöglicht gegenüber rein hydraulischen Bremssystemen eine bessere Regelbarkeit der Bremsleistung und damit je nach Situation einen kürzeren Bremsweg. Bei der elektrohydraulischen Bremse wird der Fahrerwunsch elektronisch über Sensoren erfaßt. Dabei ermittelt ein Wegsensor den zeitlichen Verlauf des Pedalwegs und daraus die Pedalgeschwindigkeit und Pedalbeschleunigung. Zusätzlich wird über einen Drucksensor der Druckverlauf im Steuerkreis erfaßt. Daraus leitet eine Steuereinheit den Fahrerwunsch, zum Beispiel Teilbremsung, Notbremsung und dergleichen, ab und berechnet den in der momentanen Fahrsituation nötigen Solldruck für jede Radbremse. Die Steuereinheit regelt eine hydraulische Betätigungseinrichtung bzw. Hydraulikeinheit, die für jedes Fahrzeugrad einen individuellen Bremsdruck aufbauen kann. Drucksensoren in jeder Radleitung ermitteln den Ist-Druck, so dass der Soll Druck für jedes Rad einzeln nachgeregelt werden kann. Im Gegensatz zum konventionellen hydraulischen Bremssystem hat der Fahrer bei dem elektrohydraulischen Bremssystem keinen direkten sensorischen Kontakt mehr zu den Radbremsen. Ein Simulator erzeugt das bekannte Bremspedalgefühl, welches bei konventionellen Bremsen als Gegenkraft durch den Hydraulikdruck der Ölsäule vom Hauptbremszylinder bis zu den Radbremsen verursacht wird. Bei einem Ausfall des Steuersystems kann über Ventile wie bei einer konventionellen hydraulischen Bremse eine direkte, jedoch unverstärkte, Verbindung zwischen dem Hauptbremszylinder und den Radzylindern hergestellt werden.
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Bei einem rein elektrisch arbeitenden Bremssystem bringen elektromechanische Betätigungseinrichtungen, zum Beispiel Elektromotoren in Verbindung mit einer Steuereinheit, den Bremsdruck an den Radbremsen durch Zustellen der Reibbeläge auf die Bremsscheiben direkt auf.
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Bei der herkömmlichen Feststellbremse bzw. Parkbremse betätigt ein Fahrer mit dem Fuß oder der Hand eine mechanische Betätigungseinrichtung, die über Seilzüge eine Feststellkraft an den hinteren Radbremsen erzeugt, die auf die Bremsscheiben bzw. Bremstrommeln ausgeübt wird. Demgegenüber wird der Bremsdruck bei einer elektrischen Feststellbremse mittels einer elektromechanischen Betätigungseinrichtung, zum Beispiel einem Elektromotor in Verbindung mit einer Steuereinheit oder einem elektrischen Schalter, direkt an den Radbremsen durch Zustellen der Reibbeläge auf die Bremsscheiben aufgebracht.
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Die vorstehenden, in Kraftfahrzeugen verwendeten Bremssysteme können gemeinsame Teile aufweisen. Aus Gründen der Sicherheit sind jedoch mindestens zwei voneinander unabhängige Betätigungseinrichtungen vorzusehen, wobei unter der Betätigungseinrichtung in diesem Zusammenhang entweder eine Krafteinleitungseinrichtung, zum Beispiel ein Pedal oder ein Handhebel, oder eine Fremdkrafteinrichtung, zum Beispiel eine Steuereinheit bzw. ein elektrischer Schalter in Verbindung mit einem Elektromotor, zu verstehen sind.
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Aus der
EP 0 741 066 B1 ist beispielsweise ein Kraftfahrzeug mit einer Betriebs- und einer Feststellbremsanlage bekannt, wobei jede Bremsanlage über eine ihr zugeordnete Betätigungseinrichtung betätigt werden kann. Die Feststellbremse ist mit einer gemeinsamen Betätigungseinrichtung für eine Notbrems- und Feststellfunktion ausgestattet, wobei mit Hilfe einer Logikschaltung bei einer Fahrzeuggeschwindigkeit größer als Null eine Notbremsung durch die Ansteuerung eines Druckerzeugers eingeleitet wird, während bei einem Stillstand des Kraftfahrzeugs die Feststellbremse aktiviert wird.
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Ferner ist in der
EP 0825 081 B1 ein Kraftfahrzeug mit einer Feststellbremse offenbart, deren Reibungsbremsen sowohl durch einen hydraulischen Druckerzeuger auf hydraulischem Weg als auch unter Umgehung dieser hydraulischen Übertragung direkt durch eine elektromechanische Stelleinheit betätigt werden können. Es wird vorgeschlagen, die Kombination von hydraulischer und elektromechanischer Betätigung der Feststellbremse zur Realisierung von Komfortfunktionen wie zum Beispiel Ampelstopp oder Anfahrhilfen zu nutzen, wobei die Feststellbremse bei Nutzung des Kraftfahrzeugs grundsätzlich hydraulisch und bei abgestelltem Kraftfahrzeug grundsätzlich elektromechanisch betätigt wird.
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Gewöhnlich sind bei einem Kraftfahrzeug während eines Bremsvorgangs, insbesondere kurz vor dem Stillstand, das heißt allgemein bei relativ niedriger Fahrzeuggeschwindigkeit, Nickbewegungen des Fahrzeugaufbaus, das heißt Drehbewegungen des Fahrzeugaufbaus um die Fahrzeugquerachse, zu beobachten. Diese Bewegungen des Fahrzeugaufbaus werden in diesem Zusammenhang auch als Eintauchen der Fahrzeugfront gegenüber dem Fahrzeugheck beschrieben. Derartige Nickbewegungen beeinträchtigen allgemein den Fahrkomfort, da sie von Fahrzeuginsassen merklich wahrgenommen werden können.
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Zur Verringerung von unerwünschten Bewegungen des Fahrzeugaufbaus wie zum Beispiel Wank-, Nick- oder Hubbewegungen, die bei Kurvenfahrten oder als Folge überfahrener Fahrbahnunebenheiten auftreten können, ist es an sich bekannt, Fahrzeuge mit speziellen Vorkehrungen an den Radaufhängungen auszustatten, zum Beispiel mit Wankstabilisatoren oder aktiven, steuer- bzw. regelbaren Feder-Dämpfereinheiten (aktives Fahrwerk).
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Vor diesem Hintergrund hat sich die vorliegende Erfindung die Aufgabe gestellt, eine Bremsanlage für ein Kraftfahrzeug zu schaffen, mit der die bei einem Bremsvorgang des Fahrzeugs auftretenden Nickbewegungen des Fahrzeugaufbaus, insbesondere kurz vor dem Stillstand des Fahrzeugs, wenigstens verringert oder sogar verhindert werden können. Ferner ist es Aufgabe der Erfindung ein mit dieser Bremsanlage ausgestattetes Kraftfahrzeug sowie ein entsprechendes Verfahren zum Betrieb der Bremsanlage anzugeben.
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Diese Aufgaben werden durch eine Bremsanlage für ein Kraftfahrzeug mit den Merkmalen des Anspruchs 1, durch ein Kraftfahrzeug mit den Merkmalen des Anspruchs 8 sowie durch ein Verfahren zum Betrieb der Bremsanlage mit den Merkmalen des Anspruchs 9 gelöst. Weitere, besonders vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung offenbaren die Unteransprüche.
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Es ist darauf hinzuweisen, dass die in den Ansprüchen einzeln aufgeführten Merkmale in beliebiger, technisch sinnvoller Weise miteinander kombiniert werden können und weitere Ausgestaltungen der Erfindung aufzeigen. Die Beschreibung charakterisiert und spezifiziert die Erfindung zusätzlich.
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Der vorliegenden Erfindung liegt der Gedanke zugrunde, zur Verringerung von Fahrzeugaufbaubewegungen, insbesondere von Nickbewegungen, wie sie allgemein beim Abbremsen eines Kraftfahrzeugs und insbesondere kurz vor dem Stillstand des Kraftfahrzeugs auftreten können, mit Hilfe der Kraftfahrzeugbremsen zu verringern bzw. zu vermeiden. Hierzu umfaßt eine Bremsanlage für ein Kraftfahrzeug erfindungsgemäß eine, wenigstens an einer Vorderachse des Kraftfahrzeugs wirksame Betriebsbremse und eine, an einer Hinterachse des Kraftfahrzeugs wirksame, von der Betriebsbremse unabhängig betreibbare, elektrische Feststellbremse. Da die Begriffe „Betriebsbremse“, „Feststellbremse“ und „elektrische Feststellbremse“ bereits im Einleitungsteil dieser Beschreibung ausführlich erläutert wurden, wird auf eine erneute Beschreibung an dieser Stelle verzichtet und statt dessen auf die entsprechenden Stellen des Einleitungsteils verwiesen.
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Ferner umfaßt die erfindungsgemäße Bremsanlage eine Steuereinheit, die während eines mittels der Betriebsbremse durchgeführten Bremsvorgangs abhängig von wenigstens einer Fahrzustandsgröße eine zusätzliche Bremskraft durch Betätigen der Feststellbremse bereitstellt. Die Betätigung der elektrischen Feststellbremse durch die Steuereinheit kann hierbei in an sich bekannter Weise mit Hilfe einer oder mehrerer der Feststellbremse zugeordneter elektromechanischer Betätigungseinrichtungen erfolgen. Eine derartige elektromechanische Betätigungseinrichtung kann zum Beispiel einen Elektromotor umfassen, der den Bremsdruck an den der Feststellbremse zugeordneten Radbremsen der Hinterachse des Fahrzeugs durch Zustellen der Reibbeläge auf die Bremsscheiben in Abhängigkeit von dem mittels der Steuereinheit bestimmten und ausgegebenen elektrischen Steuersignal aufbringt.
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Als Fahrzustandsgrößen sind im Sinne der vorliegenden Erfindung allgemein jene Größen eines Fahrzeugs zu verstehen, die den aktuellen Fahrzeugzustand beschreiben, also zum Beispiel die linearen Beschleunigungs- und/oder Geschwindigkeitsgrößen des Fahrzeugs bzw. Fahrzeugaufbaus entlang und/oder die rotatorischen Beschleunigungs- und/oder Geschwindigkeitsgrößen des Fahrzeugs bzw. Fahrzeugaufbaus um die Längs-(Wank-), Quer-(Nick-) und/oder Hochachse (Gierachse) des Fahrzeugs, der Schlupf der Fahrzeugräder und dergleichen. Diese können in an sich bekannter Weise mittels der im Fahrzeug mitgeführten Sensorik ermittelt werden. Beispielsweise werden derartige Fahrzustandsgrößen bereits im Rahmen einer Fahrdynamikregelung des Fahrzeugs, zum Beispiel eines elektronischen Stabilitätsprogramms (ESP) bzw. einer elektronischen Stabilitätssteuerung (ESC), eines Antiblockiersystems (ABS), einer Antriebsschlupfregelung (ASR) und dergleichen, ermittelt und stehen somit ohne zusätzlichen Aufwand ebenso weiteren im Fahrzeug vorgesehenen Steuer- bzw. Regelungssystemen zur Verfügung, die über ein entsprechendes Fahrzeugkommunikationsnetzwerk, zum Beispiel CAN- oder LIN-Bussysteme und dergleichen, miteinander verbunden sind.
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Durch die erfindungsgemäß mittels der Feststellbremse bereitgestellte zusätzliche Bremskraft, die an der Hinterachse des Kraftfahrzeugs wirksam ist, wird bei einem durch die Betriebsbremse ausgeführten Bremsvorgang die an der Hinterachse wirksame Bremskraft im Verhältnis zu der an der Vorderachse wirksamen Bremskraft vergrößert. Mit anderen Worten wird während des Bremsvorgangs der Betriebsbremse das Bremskraftverhältnis der Vorderachse zur Hinterachse unter Zuhilfenahme der Feststellbremse verkleinert. Dies führt zu einer deutlichen Verringerung bis hin zur Vermeidung der beim Abbremsen des Kraftfahrzeugs und insbesondere kurz vor dem Stillstand des Fahrzeugs auftretenden Nickbewegungen des Fahrzeugaufbaus. Dementsprechend ermöglicht die erfindungsgemäße Bremsanlage ein für die Fahrzeuginsassen als besonders komfortabel wahrgenommenes Abbremsen und Anhalten des Fahrzeugs, weswegen diese Funktion hierin auch als Komfort-Stopp bezeichnet wird.
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In einer vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung umfaßt die Fahrzustandsgröße wenigstens eine Fahrzeuggeschwindigkeit und die Steuereinheit ist ferner ausgelegt, die Feststellbremse lediglich unterhalb einer vorgebbaren Fahrzeuggeschwindigkeit zu betätigen. Bevorzugt ist der Fahrzeuggeschwindigkeitsbereich, in dem die Steuereinheit eine Betätigung der Feststellbremse ausführen kann, ein relativ niedriger Fahrzeuggeschwindigkeitsbereich, zum Beispiel von 0 km/h bis etwa 13 km/h, bevorzugter von 0 km/h bis etwa 10 km/h. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass die erfindungsgemäße Verschiebung des Bremskraftverhältnisses von der Vorderachse des Fahrzeugs auf die Hinterachse nicht bei Bremsvorgängen der Betriebsbremse außerhalb des vorgegebenen Fahrzeuggeschwindigkeitsbereichs erfolgt. Somit ist oberhalb der vorgebbaren Fahrzeuggeschwindigkeit bzw. außerhalb des vorgebbaren Fahrzeuggeschwindigkeitsbereichs eine optimale, wahlweise auch durch ein Antiblockiersystem unterstützte und stabilisierte Bremsverzögerung des Fahrzeugs mit Hilfe der Betriebsbremse möglich, bevor die Steuereinheit der erfindungsgemäßen Bremsanlage bei relativ niedriger Fahrzeuggeschwindigkeit, insbesondere kurz vor dem Stillstand des Fahrzeugs, aktiviert wird und die Eintauchbewegung der Fahrzeugfront gegenüber dem Fahrzeugheck verringert bzw. verhindert.
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Außer der Fahrzeuggeschwindigkeit können alternativ oder zusätzlich auch weitere Fahrzustandsgrößen als Kriterium für die Aktivierung bzw. Deaktivierung der Steuereinheit der erfindungsgemäßen Bremsanlage berücksichtigt werden, zum Beispiel die Nickbeschleunigung bzw. Nickgeschwindigkeit des Fahrzeugaufbaus, das heißt die rotatorische Beschleunigung bzw. Winkelgeschwindigkeit des Fahrzeugaufbaus um die Fahrzeugquerachse. Um jederzeit ein Höchstmaß an Sicherheit während der Fahrzeugverzögerung zu gewährleisten, wird die Steuereinheit der erfindungsgemäßen Bremsanlage allgemein lediglich bei Vorliegen eines unkritischen dynamischen Fahrzustands aktiviert. Zur Bestimmung eines unkritischen Fahrzustands können dementsprechend beispielsweise die Querbeschleunigung, die Gierrate, der Lenkwinkel des Fahrzeugs und dergleichen in an sich bekannter Weise als zu berücksichtigende Fahrzustandsgrößen herangezogen werden.
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Zur weiteren Verbesserung der Komfort-Stopp-Funktion der erfindungsgemäßen Bremsanlage sieht eine vorteilhafte Ausgestaltung der Erfindung vor, dass die Steuereinheit ferner ausgelegt ist, ebenso die Höhe der durch die Feststellbremse bereitgestellten Bremskraft abhängig von der wenigstens einen Fahrzustandsgröße zu bestimmen. Somit kann die erfindungsgemäße Bremskraftverteilung nach der Betätigung der Feststellbremse zum Beispiel abhängig von der aktuellen Fahrzeuggeschwindigkeit oder der aktuellen Nickbeschleunigung bzw. Nickgeschwindigkeit durch die Steuereinheit gesteuert werden und somit der Tendenz des Fahrzeugaufbaus zu Nickbewegungen noch gezielter und genauer entgegenwirken. Beispielsweise kann die Steuereinheit auf diese Weise den unmittelbar vor Erreichen des Fahrzeugstillstands (Fahrzeuggeschwindigkeit nahe 0 km/h) an den Reibungsbremsen auftretenden Ruck infolge des zwischen dem Reibbelag und der Bremsscheibe stattfindenden Übergangs von der Gleitreibung zur Haftreibung verhindern, indem die Feststellbremse gerade rechtzeitig wieder gelöst wird.
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Gemäß einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung ist die Steuereinheit ferner ausgelegt, die Höhe der durch die Betriebsbremse an der Vorderachse wirksamen Bremskraft gleichzeitig mit der Betätigung der Feststellbremse zu verringern. Auf diese Weise ist eine noch größere Verschiebung des Bremskraftverhältnisses von der Vorderachse des Fahrzeugs auf die Hinterachse möglich, wodurch die Steuerungsmöglichkeiten zur Vermeidung der Nickbewegung des Fahrzeugaufbaus nochmals erweitert werden. Für eine einfache Steuerung der Höhe der mittels der Betriebsbremse an der Vorderachse des Fahrzeugs aufbringbaren Bremskraft ist die Betriebsbremse in vorteilhafter Weiterbildung der Erfindung elektrohydraulisch betreibbar und umfaßt einen elektromechanischen Hauptbremszylinder. Diese Ausgestaltung erlaubt zudem eine einfache Kombination der erfindungsgemäßen Bremsanlage mit anderen im Fahrzeug vorgesehenen Fahrdynamiksteuerungssystemen, da gleiche Komponenten dieser Systeme gemeinsam genutzt werden können, wodurch sich der Bauraum, das Gewicht und letztendlich die Kosten des Fahrzeugs verringern lassen.
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Um eine gleichmäßige Bremsverzögerung während des gesamten Bremsvorgangs auch bis zu einem vollständigen Stillstand des Fahrzeugs zu gewährleisten, ist die Steuereinheit gemäß einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung ferner ausgelegt, die Summe der durch die Betriebsbremse und die Feststellbremse bereitgestellten Bremskräfte konstant zu halten. Folglich verändert sich durch die Verschiebung des Bremskraftverhältnisses zwischen der Vorderachse und der Hinterachse des Fahrzeugs die Gesamtbremskraft des Fahrzeugs nicht, wodurch die Komfort-Stopp-Funktion der erfindungsgemäßen Bremsanlage nochmals verbessert wird, da die Verschiebung des Bremskraftverhältnisses unbemerkt von den Fahrzeuginsassen vorgenommen werden kann.
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Gemäß einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung ist die Steuereinheit der erfindungsgemäßen Bremsanlage Teil einer elektronischen Stabilitätssteuerung (ESC) des Kraftfahrzeugs. Durch die Integration der Steuereinheit in die allgemeine Fahrdynamikregelung des Fahrzeugs erübrigt sich das Vorsehen einer eigenen, zusätzlichen Steuereinheit für die erfindungsgemäße Bremsanlage. Außerdem bietet die vorstehende Integration den großen Vorteil, dass alle üblicherweise für die Fahrdynamikregelung benötigten Fahrzustandsgrößen, wie zum Beispiel die linearen Beschleunigungs- und/oder Geschwindigkeitsgrößen des Fahrzeugs bzw. des Fahrzeugaufbaus entlang und/oder die rotatorischen Beschleunigungs- und/oder Geschwindigkeitsgrößen des Fahrzeugs bzw. des Fahrzeugaufbaus um die Längs-(Wank-), Quer-(Nick-) und/oder Hochachse (Gierachse) des Fahrzeugs, der Lenkwinkel, der Schlupf der Fahrzeugräder und dergleichen, unmittelbar auch für die Steuerung der erfindungsgemäßen Bremsanlage zur Verfügung stehen. Darüber hinaus bietet die erwähnte Integration der elektronischen Stabilitätssteuerung und der erfindungsgemäßen Bremsanlage den weiteren Vorteil, diese Systeme gezielt aufeinander abzustimmen und ferner die von beiden Systemen gemeinsam verwendeten Komponenten effizient zu nutzen.
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Nachfolgend wird die Funktionsweise der erfindungsgemäßen Bremsanlage ausführlich beschrieben. Sobald und während die Betriebsbremse einen Bremsvorgang ausführt, überprüft die Steuereinheit anhand wenigstens einer Fahrzustandsgröße, ob die Bedingung zur Betätigung der Feststellbremse erfüllt ist. Als Fahrzustandsgrößen sind im Sinne der vorliegenden Erfindung allgemein jene Größen eines Fahrzeugs zu verstehen, die den aktuellen Fahrzeugzustand beschreiben, also zum Beispiel die linearen Beschleunigungs- und/oder Geschwindigkeitsgrößen des Fahrzeugs bzw. Fahrzeugaufbaus entlang und/oder die rotatorischen Beschleunigungs- und/oder Geschwindigkeitsgrößen des Fahrzeugs bzw. Fahrzeugaufbaus um die Längs-(Wank-), Quer-(Nick-) und/oder Hochachse (Gierachse) des Fahrzeugs, der Lenkwinkel, der Schlupf der Fahrzeugräder und dergleichen. Ist die vorgenannte Bedingung erfüllt, betätigt die Steuereinheit die Feststellbremse und stellt somit zusätzlich zur Betriebsbremse eine Bremskraft an der Hinterachse des Kraftfahrzeugs bereit. Hierdurch verlagert sich das Bremskraftverhältnis zwischen der Vorderachse und der Hinterachse in Richtung der Hinterachse, wodurch die beim Abbremsen des Kraftfahrzeugs üblicherweise auftretenden Nickbewegungen des Fahrzeugaufbaus verringert bzw. vermieden werden.
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Gemäß einer vorteilhaften Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens zum Betrieb der Bremsanlage umfaßt die Fahrzustandsgröße wenigstens eine Fahrzeuggeschwindigkeit und die Feststellbremse wird mittels der Steuereinheit lediglich unterhalb einer vorgebbaren, insbesondere niedrigen, Fahrzeuggeschwindigkeit betätigt. Ein bevorzugter niedriger Fahrzeuggeschwindigkeitsbereich beträgt etwa 0 km/h bis etwa 13 km/h, bevorzugter 0 km/h bis etwa 10 km/h. Somit kann die erfindungsgemäße Verschiebung des Bremskraftverhältnisses von der Vorderachse des Fahrzeugs auf die Hinterachse nicht außerhalb des vorgegebenen Fahrzeuggeschwindigkeitsbereichs erfolgen, auch wenn die Betriebsbremse einen Bremsvorgang ausführt. Dies ermöglicht zunächst eine optimale, wahlweise auch durch ein Antiblockiersystem unterstützte und stabilisierte Bremsverzögerung des Fahrzeugs mit Hilfe der Betriebsbremse, bevor die Steuereinheit die Feststellbremse in erfindungsgemäßer Weise erst betätigt, wenn sich die Fahrzeuggeschwindigkeit innerhalb des vorgegebenen Fahrzeuggeschwindigkeitsbereichs befindet und somit die Nickbewegungen des Fahrzeugs insbesondere kurz vor dem Stillstand verringert bzw. vermeidet.
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Eine weitere vorteilhafte Ausgestaltung des Verfahrens zum Betrieb der Bremsanlage sieht vor, dass ebenso die Höhe der durch die Feststellbremse bereitgestellten Bremskraft mittels der Steuereinheit abhängig von der wenigstens einen Fahrzustandsgröße bestimmt wird. Somit kann die Bremskraftverteilung zwischen der Vorderachse und der Hinterachse auch nach der Betätigung der Feststellbremse zum Beispiel in Abhängigkeit von der aktuellen Fahrzeuggeschwindigkeit oder der aktuellen Nickbeschleunigung bzw. Nickgeschwindigkeit gesteuert werden und somit der Tendenz des Fahrzeugaufbaus zu Nickbewegungen noch gezielter und genauer entgegengewirkt werden.
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Gemäß einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens zum Betrieb der Bremsanlage wird die Höhe der durch die Betriebsbremse an der Vorderachse wirksamen Bremskraft mittels der Steuereinheit verringert, sobald die Feststellbremse mittels der Steuereinrichtung betätigt wird. Auf diese Weise ist eine noch größere Verschiebung des Bremskraftverhältnisses von der Vorderachse des Fahrzeugs auf die Hinterachse möglich, wodurch die Steuerungsmöglichkeiten zur Vermeidung der Nickbewegung des Fahrzeugaufbaus nochmals erweitert werden.
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Eine weitere vorteilhafte Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens sieht vor, dass die Summe der durch die Betriebsbremse und durch die Feststellbremse bereitgestellten Bremskräfte von der Steuereinheit konstant gehalten wird. Folglich verändert sich durch die Verschiebung des Bremskraftverhältnisses zwischen der Vorderachse und der Hinterachse des Fahrzeugs die Gesamtbremskraft des Fahrzeugs nicht, wodurch die Komfort-Stopp-Funktion der erfindungsgemäßen Bremsanlage nochmals verbessert wird, da die Verschiebung des Bremskraftverhältnisses unbemerkt von den Fahrzeuginsassen vorgenommen werden kann.
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Die vorstehend beschriebene, erfindungsgemäße Bremsanlage für ein Kraftfahrzeug ist nicht auf die hierin offenbarte Ausführungsform beschränkt, sondern umfaßt auch gleich wirkende weitere Ausführungsformen. Insbesondere ist die hierin beschriebene Bremsanlage keineswegs lediglich auf den Einsatz in einem Kraftfahrzeug mit einem herkömmlichen, das heißt auf einem Verbrennungsmotor basierenden, Antrieb beschränkt. Selbstverständlich ist die erfindungsgemäße Bremsanlage ebenso in einem Kraftfahrzeug mit Hybridantrieb verwendbar, insbesondere auch in solchen Hybridfahrzeugen, in denen die Betriebsbremse einen als Generator bzw. Rekuperator betreibbaren Elektromotor zur Rekuperation von Bremsenergie umfaßt, mit dessen Hilfe im Generatorbetrieb eine zusätzliche Bremskraft wenigstens an der Vorderachse des Fahrzeugs bereitgestellt werden kann. Die Aufteilung zwischen der durch den Rekuperator und einer mechanischen Reibungsbremsen an der Vorderachse bereitstellbaren Bremskraft kann in diesem Fall von einem so genannten Brake-Blending-System gesteuert werden, wobei die Rekuperation vorteilhafterweise möglichst umfassend genutzt wird und die mechanischen Reibungsbremsen der Betriebsbremse lediglich spärlich eingesetzt werden. Besonders vorteilhaft kann die hierin beschriebene, erfindungsgemäße Bremsanlage in Kombination mit einem derartigen Brake-Blending-System eingesetzt werden, indem die Steuereinheit der erfindungsgemäßen Bremsanlage die Modulation der an der Vorderachse wirkenden Bremskraft der Betriebsbremse gemäß Anspruch 4 gemeinsam mit dem Brake-Blending-System ausführt.
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Ferner ist die Wirkung der Betriebsbremse nicht auf die Vorderachse des Kraftfahrzeugs beschränkt. Die Betriebsbremse kann selbstverständlich ebenfalls an der Hinterachse des Kraftfahrzeugs eine Bremskraft bereitstellen. In diesem Fall ist zur Bestimmung der an der Hinterachse des Fahrzeugs insgesamt wirkenden Bremskraft lediglich die Summe der von der Betriebsbremse und der Feststellbremse gemeinsam bereitgestellten Bremskraft an der Hinterachse zu berücksichtigen.
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In bevorzugter Ausführung wird die erfindungsgemäße Bremsanlage in einem Kraftfahrzeug verwendet und umfaßt eine, wenigstens an einer Vorderachse des Kraftfahrzeugs wirksame Betriebsbremse und eine, an einer Hinterachse des Kraftfahrzeugs wirksame, von der Betriebsbremse unabhängig betreibbare, elektrische Feststellbremse, sowie eine Steuereinheit, die während eines mittels der Betriebsbremse durchgeführten Bremsvorgangs abhängig von wenigstens einer Fahrzustandsgröße eine zusätzliche Bremskraft durch Betätigen der Feststellbremse bereitstellt.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- EP 0741066 B1 [0008]
- EP 0825081 B1 [0009]