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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Ermittlung von Bewegungsparametern bewegter Objekte, insbesondere für Schienenfahrzeuge, sowie eine diesbezügliche Vorrichtung.
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Bewegungsparameter wie Beschleunigung und Neigung des Objektes bezogen auf mindestens eine der drei Raumachsen dienen beispielsweise der Ortung oder der Navigierung des Objektes. Bekannt ist die Verwendung von Kreiselkompassen, die aber extrem aufwendig und kostspielig sind, so dass ein Einsatz in vielen Bereichen nicht möglich ist. Wesentlich preiswerter sind MEMS-(Micro-Electro-Mechanical-System)Sensoren, die beispielsweise als Beschleunigungssensoren für Airbagsteuerungen eingesetzt werden. Problematisch ist jedoch deren Verwendung als Gyrosensoren zur Ermittlung der Neigung des Objektes um eine Achse, da die Neigung nur kumulativ durch die diskrete Messung von als Drehraten bezeichneten Drehwinkeln ermittelt werden kann. Die gemessenen Drehraten werden fortlaufend addiert und müssen demzufolge außerordentlich genau ermittelt werden. Funktionsbedingt weisen MEMS jedoch erhebliche Offset- und Driftfehler auf.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Ermittlung von Bewegungsparametern anzugeben, welche eine hohe Genauigkeit bei geringem Aufwand ermöglichen.
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Verfahrensgemäß wird die Aufgabe dadurch gelöst, dass entlang mindestens einer der drei Raumachsen mittels MEMS-(Micro-Electro-Mechanical System)Beschleunigungssensoren die Beschleunigung und/oder um mindestens eine der drei Raumachsen mittels MEMS-Gyrosensoren die Drehraten des Objektes gemessen werden, wobei für jeden digitalen oder digitalisierten Drehratenmesswert bezogen auf eine um 90° gedrehte Raumachse nachlaufende und/oder vorlaufende Mittelwerte in Abhängigkeit von der zugehörigen, mit einem Schwellenwert verglichenen Standardabweichung zur Offsetkorrektur des Drehratenmesswertes verwendet werden.
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Die Aufgabe wird auch mit einer Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens gelöst, wobei mindestens ein MEMS-Beschleunigungssensor zur Ermittlung der Beschleunigung entlang mindestens einer der drei Raumachsen und/oder mindestens ein MEMS-Gyrosensor zur Ermittlung der Drehraten um mindestens eine der drei Raumachsen vorgesehen sind/ist, deren/dessen digitale oder digitalisierte Messwerte über ein Speichermedium einer Ansteuereinrichtung zur Berechnung der Bewegungsparameter zugeführt sind, wobei Mittel zur Offsetkorrektur des Drehratenmesswertes anhand bezüglich einer um 90° gedrehten Raumachse nachlaufender und vorlaufender Mittelwerte und zugehöriger mit einem Schwellwert zu vergleichender Standardabweichungen vorgesehen sind.
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Erst durch diese Offsetkorrektur sind einfache MEMS-Sensoren für die Neigungsberechnung, beispielsweise für Schienenfahrzeuge, einsetzbar.
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Während sich ein zu betrachtendes Objekt in Bewegung befindet, werden durch die MEMS-Beschleunigungssensoren die Beschleunigungen, denen das Objekt ausgesetzt ist, entlang einer, zwei oder alle drei Raumachsen erfasst. Vorzugsweise gleichzeitig werden durch die MEMS-Gyrosensoren sämtliche Drehungen des Objektes ebenfalls um eine, zwei oder alle drei Raumachsen erfasst. Für die Messung der Beschleunigungen und Drehraten können sowohl einzelne MEMS-Sensoren als auch mehrachsige MEMS-Sensoren eingesetzt werden. Auch MEMS-Sensoren, die alle sechs Freiheitsgrade überwachen, können verwendet werden. Die Gleichzeitigkeit der Datenerfassung ist bis zu einem gewissen Grad unabdingbar. Haben die MEMS-Sensoren analoge Ausgangssignale, werden diese mit Hilfe von A/D-Wandlern in digitale Ausgangssignale umgewandelt. Die digitalen oder digitalisierten Messwerte der Beschleunigungen und der Drehraten werden gespeichert, wobei immer auch die Möglichkeit besteht, nicht alle Achsen überwachen zu müssen.
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Gemäß Anspruch 2 ist vorgesehen, dass für digitale oder digitalisierte Beschleunigungsmesswerte nachlaufende und vorlaufende Standardabweichungen mit einem Schwellenwert verglichen werden, wobei die Beschleunigungsmesswerte zur Neigungsberechnung verwendet werden, wenn mindestens eine der beiden Standardabweichungen den Schwellenwert unterschreitet und gegebenenfalls eine einer maximal zulässigen Neigung entsprechende maximale Beschleunigung von den Beschleunigungsmessert unterschritten wird. Auf diese Weise wird die kumulative Drehratenmessung, bei der eine Fortpflanzung von Offset- und Drifteinflüssen gemäß Anspruch 1 zwar minimiert aber nicht ausgeschlossen werden kann, quasi umgangen. Es werden nur Beschleunigungsmesswerte betrachtet, die nicht kumulativ ermittelt werden. Dieser zu bevorzugende Algorithmus setzt jedoch voraus, dass in der Hauptbewegungsrichtung keine Beschleunigung, sondern eine Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit erfolgt. Sobald eine Beschleunigung festgestellt wird, muss der Drehratenmesswert mit Offsetkorrektur gemäß Anspruch 1 sofort wieder zur Verfügung stehen. Deshalb ist die gleichzeitige Ermittlung der Drehraten und deren Speicherung von entscheidender Bedeutung.
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Sind in der Bewegungsbahn des betrachteten Objektes Kurven zu erwarten, ist gemäß Anspruch 3 vorgesehen, dass zur Identifizierung einer Kurve Drehratenmesswerte um eine vertikale Raumachse und zur Berechnung einer kuvenbedingten Querneigung des Objektes Drehratenmesswerte um eine Hauptbewegungsrichtung des Objektes verwendet werden. Auf diese Weise können Einflüsse der Querneigung in Kurven, beispielsweise fliehkraftbedingt nach außen oder bei in Querrichtung abgeschrägter Fahrbahn nach innen, ermittelt und zur Korrektur der Neigungsberechnung verwendet werden.
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Die Erfindung wird nachfolgend anhand figürlicher Darstellungen näher erläutert. Es zeigen:
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1 die wesentlichen Komponenten einer erfindungsgemäßen Vorrichtung,
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2 eine erste Variante für die Ermittlung der Bewegungsparameter,
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3 eine zweite Variante für die Ermittlung der Bewegungsparameter,
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4 einen Algorithmus zur Offsetkorrektur bei der Neigungsberechnung,
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5 einen Algorithmus zur Neigungsberechnung mittels Beschleunigungsmesswerten und
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6 einen Algorithmus zur Neigungskorrektur bei Kurvenfahrt.
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1 zeigt eine MEMS-Sensorik 1 mit Einzelsensoren für die Ermittlung von Beschleunigungswerten AccX, AccY, AccZ und für Drehratenwerte GyroX, GyroY und GyroZ, jeweils für die drei Raumachsen X, Y, Z. Die analogen Werte AccX, AccY, AccZ, GyroX, GyroY und GyroZ werden über A/D-Wandler 2 digitalisiert und stehen als diskrete Messwerte AccX', AccY', AccZ', GyroX', GyroY' und GyroZ' ausgangsseitig zur weiteren Verarbeitung zur Verfügung. Diese Messwerte AccX', AccY', AccZ', GyroX', GyroY' und GyroZ' werden zunächst einem beliebigen Speichermedium 3 zugeführt und anschließend in einer Auswertevorrichtung 4 zur Berechnung der gewünschten Bewegungsparameter 5 mit verschiedenen Algorithmen ausgewertet. Diese Auswertealgorithmen sind in den 4, 5 und 6 veranschaulicht.
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Prinzipiell ist der in 5 dargestellte zweite Algorithmus zu bevorzugen, wie 2 zeigt. Bei diesem zweiten Algorithmus werden nur Beschleunigungswerte Acc benötigt, um die gewünschten Bewegungsparameter 5 zu ermitteln. Die Beschleunigungswerte Acc können im Gegensatz zu Drehraten mittels der MEMS-Sensorik 1 in einem nichtkumulativen Verfahren bereitgestellt werden. Die fehleranfälligeren Drehratenmesswerte Gyro, die für die in den 4 und 6 dargestellten Algorithmen eins und drei erforderlich sind, werden nur dann für die Berechnung der Bewegungsparameter 5 verwendet, wenn der Algorithmus zwei nicht anwendbar ist.
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Es ist aber auch möglich, den Verfahrensablauf gemäß 2 umzukehren und den Acc-Algorithmus zwei parallel zu dem Gyro-Algorithmus eins und/oder drei ablaufen zu lassen, wie 3 zeigt, und erst anschließend die Entscheidung über den für die Berechnung der Bewegungsparameter 5 zu verwendenden Algorithmus zu treffen.
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Der Algorithmus eins wird nachfolgend anhand des in 4 dargestellten Flussdiagramms erläutert. Dieser Algorithmus eins ist zur Offset- und Driftkompensation bei der Drehratenermittlung auf der Basis von MEMS-Gyrosensoren erforderlich. Der Algorithmus wird am Beispiel der Neigung in Richtung der Hauptbewegungsrichtung des sich bewegenden Objektes erklärt. Die Verwendung des Algorithmus ist natürlich nicht auf diesen Fall begrenzt, sondern kann in jeder beliebigen Raumachse zur Anwendung kommen. Um die Störeinflüsse Nullpunktverschiebung – Offset – und Nullpunktdrift bei der Neigungsberechnung mittels Drehraten zu minimieren, wird eine zum aktuelle betrachteten Zeitpunkt t vor- und eine nachlaufende Betrachtung der Standardabweichung StabwGXv und StabwGXn der Drehrate um die horizontale, zur Hauptbewegungsrichtung um 90° gedrehte Achse über einen festen Zeitraum herangezogen. Unterschreitet mindestens eine der beiden Standardabweichungen StabwGXv und StabwGXn einen festgelegten Schwellwert SgX, signalisiert dies eine geradlinige Bewegung, die beschleunigt oder gleichförmig sein kann. Im Fall einer solchen Bewegung ist die Drehrate gleich null. Für den festgelegten Zeitraum werden ein vor- und ein nachlaufender Mittelwert MwGXv und MwGXn errechnet. Diese Mittelwerte MwGXv und MwGXn stellen den Offset vor und nach dem aktuell betrachteten Zeitpunkt t dar. Unterschreitet nur eine der beiden Standardabweichungen StabwGXv und StabwGXn den Schwellenwert SgX, wird auch nur der dazugehörige Mittelwert MwGXv oder MwGXn herangezogen. Unterschreiten beide Standardabweichungen StabwGXn und StabwGXv den Schwellenwert SgX, wird aus den beiden Mittelwerten MwGXv und MwGXn nochmals der Mittelwert gebildet. Der somit letztlich entscheidende Mittelwert – nachlaufend, vorlaufend oder Mittelwert aus beiden – kann nun zur Kompensation des aktuellen Offsets verwendet werden. Die Kompensation kann dabei in den verschiedenen Stadien der Neigungsberechnung durchgeführt werden, nämlich in Bezug auf die Drehraten, den errechneten Winkel oder der berechneten Neigung. Auf diese Weise entsteht eine mitlaufende Kompensation des jeweils aktuellen Offsets. Letztlich werden dadurch auch Störeinflüsse der Drift kompensiert.
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Bei dem in 5 veranschaulichten Algorithmus zwei werden zur Neigungsberechnung nur Beschleunigungsmesswerte AccX' benötigt. Dazu werden zum aktuellen Beschleunigungsmesswert AccX' vor- und nachlaufend die Standardabweichungen StabwAXv und StabwAXn über einen bestimmten Zeitraum ermittelt und mit einem Schwellenwert SaX verglichen. Wird dieser Schwellenwert SaX von mindestens einem der beiden Standardabweichungen StabwAXv und StabwAXn unterschritten, bedeutet dies, dass sich das Objekt in einem Zustand befindet, in dem die Geschwindigkeit entlang der betrachteten Achse konstant ist. Nur in diesen Phasen mit konstanter Geschwindigkeit wird auf die Neigungsberechnung mittels Beschleunigungsmessung zurückgegriffen. Dabei handelt es sich um ein nichtkumulatives Verfahren, so dass sich Fehler nicht fortpflanzen können. Die Gleichzeitigkeit der Messungen von Beschleunigung und Drehrate ist für diesen Algorithmus infolgedessen sehr wichtig. Wenn die Phase mit konstanter Geschwindigkeit beendet ist und eine Beschleunigung stattfindet, muss sofort auf die Drehratenmessung zur Berechnung der Neigung zurückgegriffen werden können.
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Zusätzlich kann auch der Fall berücksichtigt werden, bei dem Maximalneigungen nicht überschritten werden dürfen. Diesen Maximalneigungen entsprechend gibt es dann auch zulässige Grenzwerte für die Beschleunigung. Die Neigung wäre im Fall einer konstanten linearen Beschleunigung größer als es die Maximalneigung zulassen würde. Es gibt also zwei Schwellenwerte, die zu berücksichtigen sind, nämlich der Schwellenwert SaX für die Standardabweichung und der Schwellenwert MaxAX für die aus der Maximalneigung resultierende Beschleunigung. Demzufolge müssen der aktuelle Beschleunigungswert und mindestens eine der beiden Standardabweichungen StabwAXv oder StabwAXn kleiner als der jeweilige Schwellenwert SaX beziehungsweise MaxAX sein, um die Beschleunigungsmessung zur Neigungsberechnung verwenden zu können.
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Ein dritter Algorithmus, der in 6 dargestellt ist, dient der Kompensation der Einflüsse von Querneigungen. Bewegt sich das Objekt um eine Kurve, ist dies in vielen Fällen mit einer Querneigung, d. h. mit einer Neigung um die Achse der Hauptbewegungsrichtung verbunden. Diese Querneigung kann entweder zur Kurvenaußenseite gerichtet sein, beispielsweise resultierend aus der Fliehkraft, oder zur Kurveninnenseite gerichtet sein, beispielsweise bei Überhöhungskurven zur Maximierung der Durchfahrgeschwindigkeit. Beide Fälle führen zu messbaren Drehraten um die horizontale, zur Hauptbewegungsrichtung senkrechte Raumachse. Dabei ist die Auswirkung der Drehung in der Kurve direkt abhängig von der Querneigung. Da die Drehraten um diese zur Hauptbewegungsrichtung senkrechte Raumachse zur Neigungsberechnung in Hauptbewegungsrichtung dienen, entstehen bei Kurvenfahrt falsche Neigungswerte bei Algorithmus eins, die kompensiert werden müssen. Die Querneigung darf natürlich nur im Fall einer Kurve zu Kompensationswerten führen oder die ständig berechneten Kompensationswerte dürfen nur im Fall einer Kurve berücksichtigt werden. Die Querbeschleunigung kann in diesem Fall nicht herangezogen werden, da die Beschleunigungswerte, die durch die Querneigung verursacht werden, durch die Querbeschleunigung überlagert werden, welche zur Kurvenfahrt führen.
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Um eine Kurve zu identifizieren, muss die Drehung GyroZ' um die vertikale Z-Achse betrachtet werden. Zur Berechnung der Querneigung werden die Drehratenmessungen um die Hauptbewegungsrichtung verwendet. Da diese wiederum eine kumulative Berechnung erfordern, muss auch hier der Algorithmus eins mit entsprechendem Achsbezug zur Anwendung kommen. Die so berechnete Neigung dient zur Kompensation der aus der Querneigung stammenden Fehler bei der Neigungsberechnung.
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Die drei Algorithmen der 4, 5 und 6 ermöglichen eine genaue und zuverlässige Berechnung von Bewegungsparametern. Der Einsatz der im Vergleich zu Gyroskopen mit rotierenden Kreiselelementen preiswerten MEMS-Technologie wird erst durch die beschriebenen Algorithmen ermöglicht.