-
Die vorliegende Erfindung betrifft ein elektrisch leitfähiges Schleifwerkzeug und ein Materialabtragungsverfahren zum zerspanenden und elektrochemischen Abtragen von Material mit einem derartigen Schleifwerkzeug.
-
Stand der Technik
-
Schleifwerkzeuge für die spanende Bearbeitung von Bauteilen aus Metall, Keramik oder anderen Materialien weisen meist in eine Bindungsmatrix eingebundene Abrasivpartikel (Schleifkörner) auf. Die Verteilung der Abrasivpartikel innerhalb der Bindungsmatrix ist dabei nahezu homogen. Die Abrasivpartikel einbindende Bindungsmatrix kann dabei zur Schleifwerkzeuggeometrie ausgeformt sein. Als Material für die Bindungsmatrix können Metalle, keramische Sinterwerkstoffe oder Polymere, insbesondere auf Phenolharzbasis, eingesetzt werden. Herkömmliche Schleifwerkzeuge mit einer polymeren Bindungsmatrix sind nicht elektrisch leitfähig. Schleifwerkzeuge mit einer metallischen Bindungsmatrix sind hingegen elektrisch leitfähig, wobei die Leitfähigkeit meist auf die Bindungsmatrix beschränkt ist und die Abrasivpartikel nicht leitfähig sind.
-
Elektrisch leitfähige Schleifwerkzeuge mit einer metallischen Bindungsmatrix können für so genannte Hybridbearbeitungsprozesse eingesetzt werden. Bei diesen Hybridbearbeitungsprozessen erfolgt der Materialabtrag an einem ebenfalls elektrisch leitfähigen Werkstück durch einen zeitgleich stattfindenden spanenden und elektrisch abtragenden Wirkmechanismus. Bei einem elektrochemischen Abtragen ist dabei das Schleifwerkzeug als Kathode und das Werkstück als Anode geschaltet, so dass durch das Prinzip der anodischen Auflösung Material am Werkstück entfernt werden kann. Darüber hinaus können elektrisch leitfähige Schleifwerkzeuge mit einer metallischen Bindungsmatrix durch elektrisch abtragende Verfahren, wie elektrochemisches Schärfen, beispielsweise ELID, funkenerosives Abrichten oder kontakterosives Abrichten, konditioniert werden. Das heißt, durch einen elektrisch arbeitenden Materialabtrag kann das metallische Bindungsmatrixmaterial entfernt werden. Dadurch kann gezielt der Abrasivpartikelüberstand erhöht, verschlissene Abrasivpartikel aus der Bindungsmatrix entfernt, neue Abrasivpartikel aus der Schleifscheibe vorgehoben und die Geometrie des Schleifwerkzeuges beziehungsweise das Schleifscheibenprofil überarbeitet werden. Elektrisch leitfähige Schleifwerkzeuge mit einer metallischen Bindungsmatrix zeichnen sich durch eine hohe Härte aus, sind jedoch schwierig abzurichten und für die Hochpräzisions-, Feinst-, Finish- und/oder Polierschleifbearbeitung von harten, insbesondere metallischen oder keramischen, Komponenten, beispielsweise aus hochfesten Stählen, nur im beschränkten Maße einsetzbar.
-
Offenbarung der Erfindung
-
Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist ein elektrisch leitfähiges Schleifwerkzeug, insbesondere eine Schleifscheibe, beispielsweise für ein spanendes und elektrochemisches Materialabtragungsverfahren, welches Abrasivpartikel (Schleifkörner) und eine elektrisch leitfähige Bindungsmatrix umfasst, wobei die Abrasivpartikel in die Bindungsmatrix eingebunden sind.
-
Da wird unter einem „elektrisch leitfähigen Schleifwerkzeug” insbesondere verstanden, dass die Bindungsmatrix elektrisch leitfähig ist, wobei die Abrasivpartikel elektrisch leitfähig oder nicht elektrisch leitfähig, insbesondere nicht elektrisch leitfähig, sein können.
-
Erfindungsgemäß umfasst die Bindungsmatrix dabei mindestens ein elektrisch selbstleitendes Polymer und/oder mindestens ein Polymer, welches mindestens ein elektrisch leitendes Additiv aufweist. Insbesondere kann die Bindungsmatrix aus mindestens einem elektrisch selbstleitenden Polymer und/oder mindestens einem Polymer, welches mindestens ein elektrisch leitendes Additiv aufweist, ausgebildet sein. Vorzugsweise ragt dabei zumindest ein Teil der Abrasivpartikel aus der Bindungsmatrix teilweise heraus.
-
Das erfindungsgemäße Schleifwerkzeug hat den Vorteil, dass es einerseits für ein spanendes und elektrochemisches Materialabtragungsverfahren (Hybridbearbeitungsprozess) eingesetzt werden kann und andererseits weicher sein kann und bessere Dämpfungseigenschaften aufweisen kann als elektrisch leitfähige Schleifwerkzeuge mit einer metallischen Bindungsmatrix, wodurch eine höhere Oberflächengüte des damit bearbeiteten Werkstücks erzielt werden kann. Insbesondere kann das erfindungsgemäße Schleifwerkzeug zur Hochpräzisions-, Feinst-, Finish- beziehungsweise Polierschleifbearbeitung eingesetzt werden. Darüber hinaus ist ein erfindungsgemäße Schleifwerkzeug gut abzurichten und verfügt über einen selbstschärfenden Effekt im Schleifprozess, so dass es im Gegensatz zu Schleifwerkzeugen mit anderen Bindungsmaterialien nach Einsatzbeginn seltener oder sogar nicht abgerichtet werden muss.
-
Das erfindungsgemäße Schleifwerkzeug kann insbesondere für ein Hybrid-Materialabtragungsverfahren zum zerspanenden und elektrochemischen Abtragen von Material, insbesondere für die Hochpräzisions-, Feinst-, Finish- und/oder Polierschleifbearbeitung von harten, insbesondere metallischen oder keramischen, Komponenten, beispielsweise aus hochfesten Stählen, ausgebildet sein.
-
Im Rahmen einer Ausführungsform sind die Abrasivpartikel homogen verteilt in die Bindungsmatrix eingebunden sind.
-
Im Rahmen einer weiteren Ausführungsform ist die Bindungsmatrix elastisch.
-
Im Rahmen einer weiteren Ausführungsform sind die Abrasivpartikel ausgewählt, aus der Gruppe bestehend aus Aluminiumoxidpartikeln (Korund), Siliciumcarbidpartikeln, Bornitridpartikeln, insbesondere kubischen Bornitridpartikeln (CBN), Borcarbidpartikeln, Diamantpartikeln und Mischungen davon.
-
Im Rahmen einer weiteren Ausführungsform ist das elektrisch selbstleitenden Polymer ausgewählt, aus der Gruppe, bestehend aus Polyacetylen, insbesondere cis-Polyacetylen und trans-Polyacetylen, Polypyrrol, Polythiophen, Polyanilin, Poly(para-phenylen), Poly(para-phenylen-vinylen) und Mischungen davon.
-
Im Rahmen einer weiteren Ausführungsform ist das Additiv umfassende Polymer ausgewählt, aus der Gruppe bestehend aus Kunstharzen, insbesondere Phenolharzen, Imidharzen, Epoxidharzen, Polyesterharzen, Polyurethanharzen, Polyolefinen, elastomeren Silikonen, Naturkautschuk (NR), Styrol-Butadien-Kautschuk (SBR), Butylkautschuk (IIR), Ethylen-Propylen-Kautschuk (EPDM), Nitrilkautschuk (NBR), hydrierter Nitrilkautschuk (HNBR), Chloroprenekautschuk (CR), chlorsulfoniertes Polyethylen (CSM), Acrylatkautschuk (ACM), Polyurethankautschuk (PU), Silikonkautschuk (MVQ), Fluorsilikonkautschuk (MFQ), Fluorkautschuk (FPM) und Mischungen davon. Gegebenenfalls kann das Additiv umfassende Polymer auch ein elektrisch selbstleitendes Polymer sein.
-
Das elektrisch leitende Additiv ist vorzugsweise ebenfalls homogen verteilt in dem Polymer beziehungsweise der Bindungsmatrix eingebunden.
-
Im Rahmen einer weiteren Ausführungsform ist das elektrisch leitende Additiv ausgewählt, aus der Gruppe, bestehend aus Leitruß, Metallpulvern und Mischungen davon.
-
Im Rahmen einer weiteren Ausführungsform ist das Schleifwerkzeug in Form eines rotationssymmetrischen Körpers, beispielsweise eines Zylinders, insbesondere einer Scheibe, ausgebildet.
-
Im Rahmen einer weiteren Ausführungsform umfasst das Schleifwerkzeug weiterhin einen Grundkörper, auf den die Abrasivpartikel einbindende Bindungsmatrix aufgebracht ist. Die Abrasivpartikel einbindende Bindungsmatrix kann dabei eine Schichtdicke (d) von ≥ 1 mm bis ≤ 50 mm, insbesondere von ≥ 5 mm bis ≤ 10 mm, aufweisen. Der Grundkörper kann dabei aus einem Metall ausgebildet sein. Insbesondere kann der Grundkörper in Form eines rotationssymmetrischen Körpers, beispielsweise eines Zylinders, insbesondere einer Scheibe, ausgebildet sein.
-
Im Rahmen einer weiteren Ausführungsform ist der Grundkörper in Form eines rotationssymmetrischen Körpers ausgebildet, wobei die Abrasivpartikel einbindende Bindungsmatrix auf der Mantelfläche des Grundkörpers und/oder auf einer oder beiden Deckflächen des Grundkörpers aufgebracht ist.
-
Im Rahmen einer weiteren Ausführungsform ist der Grundkörper in Form einer Scheibe ausgebildet, wobei die Abrasivpartikel einbindende Bindungsmatrix auf der Mantelfläche der Scheibe aufgebracht ist. Die Abrasivpartikel einbindende Bindungsmatrix kann dabei insbesondere eine Schichtdicke (d) von ≥ 5 mm bis ≤ 10 mm aufweisen.
-
Ein weiterer Gegenstand der Erfindung betrifft ein Materialabtragungsverfahren zum zerspanenden und elektrochemischen Abtragen von Material, welches mindestens einen Verfahrensschritt: a) Zerspanendes und elektrochemisches Abtragen von Material von einem, insbesondere elektrisch leitfähigen, Werkstück mit einem erfindungsgemäßen Schleifwerkzeug, umfasst.
-
Durch das erfindungsgemäße Schleifwerkzeug kann vorteilhafterweise eine höhere Bauteilpräzision und eine verbesserte Bauteilqualität als mit einem Schleifwerkzeug mit einer metallischen Bindungsmatrix erzielt werden. Darüber hinaus können durch das erfindungsgemäße Schleifwerkzeug vorteilhafterweise Fertigungszeiten und -kosten reduziert werden. Hinsichtlich weiterer Vorteile wird auf die Erläuterungen im Zusammenhang mit dem erfindungsgemäßen Schleifwerkzeug verwiesen.
-
Das erfindungsgemäße Verfahren kann insbesondere ein Hybrid-Materialabtragungsverfahren zum zerspanenden und elektrochemischen Abtragen von Material, insbesondere für die Hochpräzisions-, Feinst-, Finish- und/oder Polierschleifbearbeitung von harten, insbesondere metallischen oder keramischen, Komponenten, beispielsweise aus hochfesten Stählen, ausgebildet sein.
-
Insbesondere kann zum zerspanenden und elektrochemischen Abtragen von Material, das Schleifwerkzeug an dem Werkstück anliegend gedreht werden, wobei zwischen dem Schleifwerkzeug und dem Werkstück eine Elektrolytflüssigkeit eingebracht wird, wobei das Werkstück als Anode und das Schleifwerkzeug als Kathode geschaltet wird. Das Werkstück kann dabei ebenfalls gedreht werden.
-
Mit der Zeit können die Abrasivpartikel verschleißen. In diesem Fall kann das Schleifwerkzeug neu konditioniert, insbesondere durch Ein- und/oder Abschleifen mit einem Konditionierwerkzeug, werden. Das heißt, durch ein trennendes Verfahren kann das polymere Bindungsmaterial entfernt werden. Dadurch kann gezielt der Abrasivpartikelüberstand erhöht, verschlissene Abrasivpartikel aus der Bindungsmatrix entfernt, neue Abrasivpartikel aus dem Schleifwerkzeug vorgehoben und/oder die Geometrie des Schleifwerkzeuges beziehungsweise das Schleifscheibenprofil überarbeitet werden.
-
Im Rahmen einer weiteren Ausführungsform umfasst das Verfahren daher weiterhin mindestens einen Verfahrensschritt: b) Konditionieren, insbesondere Ein- und/oder Abschleifen des Schleifwerkzeugs, zum Beispiel mit einem Schärfstein, beispielsweise aus einer poröser Keramik oder einem weichen Stahl, oder mit einem Schleifwerkzeug mit keramischen Abrasivpartikeln, insbesondere Aluminiumoxidpartikeln (Korund) oder Siliciumcarbidpartikeln, oder mit einem, beispielsweise stehenden oder rotierenden, Diamantwerkzeug. Auf diese Weise können verschlissene Abrasivpartikel entfernt werden. Beim Entfernen der verschlissenen Abrasivpartikel wird zudem das Polymer durch die beim Konditionieren entstehenden Partikel und/oder durch die eingesetzten Abrasivpartikel und/oder durch das eingesetzte Konditionierwerkzeug teilweise entfernt, sodass darunter liegende, unverschlissene Abrasivpartikel freigelegt werden.
-
Vorzugsweise werden die Verfahrensschritte a) und b), insbesondere bis zum Verbrauch des Schleifwerkzeugs, alternierend durchgeführt.
-
Durch das erfindungsgemäße Verfahren können beispielsweise Ventilnadeln, Bolzen und Düsenkörper für Einspritzsysteme, Hydraulikkomponenten oder Windkraftkomponenten hergestellt werden. Dabei können die Werkstücke aus gehärteten Stählen oder harten metallischen Materialien ausgebildet sein.
-
Zeichnungen
-
Weitere Vorteile und vorteilhafte Ausgestaltungen der erfindungsgemäßen Gegenstände werden durch die Zeichnungen veranschaulicht und in der nachfolgenden Beschreibung erläutert. Dabei ist zu beachten, dass die Zeichnungen nur beschreibenden Charakter haben und nicht dazu gedacht sind, die Erfindung in irgendeiner Form einzuschränken. Es zeigen
-
1 eine Draufsicht auf eine erste Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Schleifwerkzeugs; und
-
2 eine Draufsicht auf eine zweite Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Schleifwerkzeugs.
-
1 zeigt, dass das Schleifwerkzeug Abrasivpartikel 1 und eine elektrisch leitfähige Bindungsmatrix 2 umfasst, wobei die Abrasivpartikel 1 in die Bindungsmatrix 2 eingebunden sind. Dabei umfasst die Bindungsmatrix 2 erfindungsgemäß mindestens ein elektrisch selbstleitendes Polymer und/oder mindestens ein Polymer, welches mindestens ein elektrisch leitendes Additiv 3 aufweist. 1 illustriert, dass die Abrasivpartikel 1 und das elektrisch leitende Additiv 3 homogen verteilt in die Bindungsmatrix 2 eingebunden sind. 1 illustriert ferner, dass das Schleifwerkzeug im Rahmen der in 1 gezeigten, ersten Ausführungsform in Form eines rotationssymmetrischen Körpers, insbesondere einer Scheibe, ausgebildet ist.
-
Die in 2 gezeigte, zweite Ausführungsform unterscheidet sich im Wesentlichen dadurch von der in 1 gezeigten, ersten Ausführungsform, dass das Schleifwerkzeug weiterhin einen Grundkörper 4 umfasst, auf den die Abrasivpartikel 1 einbindende Bindungsmatrix 2 aufgebracht ist. Der Grundkörper 4 ist dabei insbesondere in Form einer Scheibe ausgebildet ist, wobei die Abrasivpartikel 1 einbindende Bindungsmatrix 2 auf der Mantelfläche M des scheibenförmigen Grundkörpers 4 aufgebracht ist und eine Schichtdicke d aufweist. Die beiden Deckflächen D des scheibenförmigen Grundkörpers 4 weisen dabei keine darauf aufgebrachte, Abrasivpartikel 1 einbindende Bindungsmatrix 2 auf.