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Die
Erfindung betrifft ein Zellchipsystem mit einer Zulaufkammer, einer
Hauptkammer, in deren Bodenbereich sich eine Zellkulturkammer mit
darunter angeordnetem Sensorchip befindet, sowie einer Ablaufkammer,
wobei zwischen Zulaufkammer und Zellkulturkammer sowie zwischen
Zellkulturkammer und Ablaufkammer jeweils Verbindungskanäle
vorgesehen sind, wobei ferner ein in der Hauptkammer eingepasster,
vertikal verschiebbarer Verdrängungskörper vorgesehen
ist, der in der unteren Endstellung die Zellkulturkammer nach oben
hin begrenzt.
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Unter
Zellchipsystemen im Allgemeinen versteht man Messaufbauten, die
mit Hilfe von mikroskalierten Sensorstrukturen auf unterschiedlichen
Trägersubstraten in der Lage sind, metabolische und morphologische Änderungen
an einer Zellkultur festzustellen. Mit Hilfe von Biosensorchips
ist man in der Lage, Änderungen im extrazellulären
Medium dynamisch und über Tage zu detektieren.
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Von
zentraler Bedeutung für das Sensor-gestützte Zellmonitoring
ist eine Fluidikkomponente: Zum einen erfolgt dadurch über
einen geregelten Austausch von Kulturmedien die kontinuierliche
Versorgung der Zellen mit Nährstoffen und der Abtransport
von Metaboliten. Weiterhin ermöglicht das System die genau
dosierte Zugabe von Wirkstoffen. Und schließlich wird nur über
die Einstellung eines ausreichend kleinen Mikro-Reaktionsvolumens
im Bereich der Zellkultur die Messung von Stoffwechselraten an kleinen
Zell- und Gewebekulturen möglich. Hierzu wird ein sog.
Drei-Kammer-System verwendet.
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Ein
solches Drei-Kammer-System ist beschrieben und dargestellt in Lob,
V. et al. (2005): Cell-based Assays: Mikrosensorarray-basiertes Screening
an lebenden Zellen und Geweben. BIOspektrum Sonderausgabe 11, 511–512,
sowie in Brischwein, M. et al. (Februar 2006): Chip statt
Maus: Microsensorarrays zur Chemikalienprüfung. Nachrichten
aus der Chemie 54, 115–120.
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Das
Drei-Kammer-System besteht aus drei miteinander verbundenen Kammern.
Eine Zu- und eine Ablaufkammer nehmen das an der Zellmessung beteiligte
Fluid in sich auf. In einer Zellkulturkammer, die mit Verbindungskanälen
mit der Zu- und Ablaufkammer verbunden ist, befindet sich das zu
untersuchende biologische Material. Ein Sensorchip schließt das
Fluidsystem nach unten hin ab. Um das System in Betrieb zu setzen,
wird das Drei-Kammer-System zuerst komplett mit Flüssigkeit
gefüllt. Dann wird ein Verschlusskörper eingeführt
und soweit nach unten bewegt, dass nur eine Zellkulturkammer einer
geringen Höhe im Bereich von etwa 0,5–3 mm verbleibt. Die
beiden Verbindungskanäle liegen sich bezüglich der
Zellkulturkammer gegenüber, so dass das Fluid von dem Zulaufkanal
eintritt, die Zellkulturkammer nach den Gesetzen der Strömungsmechanik
durchströmt und am anderen Ende wieder durch den Ablaufkanal
austritt.
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Angetrieben
wird das System durch Druckdifferenzen, die durch die Zugabe bzw.
Abnahme von Medium aus der Zu- bzw. Ablaufkammer entstehen (Pegeldifferenzen).
Durch Verbindungskanäle strömt das Fluid von der
Zulauf- durch die Zellkultur- in die Ablaufkammer.
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Die
Druckschrift
DE 10148210
A1 beschreibt ein Fluidsystem, bei dem ein Strömungskanal
zur Untersuchung biologischer Zellen von zwei seitlich angebrachten Öffnungen
geflutet werden kann. Aufgrund der Struktur bildet sich im Strömungskanal eine
laminare Strömung aus.
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Fluidsysteme
zur Versorgung lebender Zellkulturen, die Mikrostrukturen zur Beeinflussung
der Strömungsdynamik innerhalb des Zellkulturbereiches
verwenden, sind bisher nicht bekannt. Dabei ist ein angepasstes
und reproduzierbares Strömungsmuster von zentraler Bedeutung,
da es nicht nur die Zellkultur, sondern letzten Endes auch die gemessenen
Parameter beeinflusst.
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Es
ist daher Aufgabe der Erfindung, ein gattungsgemäßes
Zellchipsystem bereitzustellen, das eine gezielte Beeinflussung
des Strömungsverlaufes in der Zellkulturkammer bzw. ein
angepasstes bzw. reproduzierbares Strömungsmuster ermöglicht.
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Diese
Erfindung wird durch die im Anspruch 1 aufgeführten Merkmale
gelöst. Vorteilhafte Weiterbildungen ergeben sich aus den
Unteransprüchen.
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Die
Erfindung besteht im Wesentlichen darin, durch die Mikrostruktur
im Zulaufbereich einer Zellkulturkammer die Strömungsdynamik
im Messvolumen zu beeinflussen. Das Ergebnis ist eine Optimierung
des Fluidaustausches. Die Mikrostruktur ermöglicht mit
einem Minimum an Medium, die Zellkulturkammer mit neuem Medium zu
fluten.
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Abhängig
vom Druck und vom Volumen der Zellkulturkammer kann eine laminare
bzw. turbulente Strömung im Messbereich eingestellt werden.
Die Mikrostruktur setzt den Druckpunkt, ab dem das Strömungsmuster
Turbolenzen enthält nach unten und dient damit als wichtiges
Stellglied, mit dessen Hilfe in einem geringen Druckbereich verschiedene
Strömungscharakteristiken simuliert werden können.
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Vorzugsweise
ist die Mikrostruktur als Strömungsteiler in Form eines
Prismas in der Mitte des Zu- bzw. Ablaufs ausgebildet, welches das
einfließende Fluid teilt und es seitlich in die Zellkulturkammer
lenkt.
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Die
Strömungsgeschwindigkeit in Abhängigkeit vom Druck
wird hauptsächlich durch den Querschnitt der Zulauföffnung
bestimmt. Die Mikrostruktur stellt ein zusätzliches Hindernis
dar, mit dessen Hilfe die Dynamik weiter heruntergesetzt werden
kann. Das Risiko einer Verstopfung des Drei-Kammer-Systems bei gleichzeitiger
Reduktion der Strömungsgeschwindigkeit wird nicht erhöht.
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Aufgrund
der Mikrostruktur kommt es senkrecht zur Strömungsrichtung
zu einem Geschwindigkeitsgradienten innerhalb des Zellkulturbereiches. Dieses
heterogene Strömungsbild ermög licht die Untersuchung
von Strömungscharakteristika auf das Wachstum von Zellen,
wie es beispielsweise auch in Kapillaren zu beobachten ist.
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Vorzugsweise
ist die Mikrostruktur ausgebildet als Strömungsteiler in
Form eines geraden Prismas mit einem gleichschenkligen Trapez als
Grundfläche, besitzt eine Höhe von mindestens
0,1 mm, vorzugsweise zwischen 0,1 und 1 mm. Die Höhe richtet
sich an dieser Stelle nach der Höhe des Zu- bzw. Ablaufbereiches.
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Das
zugrunde liegende gleichschenklige Trapez besitzt eine Trapezhöhe
von mindestens 0,1 mm, vorzugsweise zwischen 0,1–0,4 mm.
Die kurze der parallel angeordneten Seiten hat eine Länge
von mindestens 0,02 mm, vorzugsweise zwischen 0,02–0,05
mm. Die lange der parallel angeordneten Seiten hat eine Länge
von mindestens 0,1 mm, vorzugsweise zwischen 0,1–0,35 mm.
Die Trapezform dient der seitlichen Ablenkung und somit einer besseren
Verteilung des einströmenden Fluids.
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Ein
prismenartiger Strömungsteiler im Zu- bzw. Ablaufbereich
des Drei-Kammer-Systems ist bevorzugt. Alternativ ist es erfindungsgemäß auch möglich,
mehrere Strömungsteiler vorzusehen. Sie können
auch zu einem Gitter bzw. Netz angeordnet werden.
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Andere
Strukturen, wie etwa Zylinder, Noppen, Rillen oder Körper
mit linsenförmiger, ovaler oder ellipsoider Grundfläche
sind ebenfalls von der Erfindung umfasst, um die Strömungsdynamik
im Zu- bzw. Ablaufbereich zu beeinflussen.
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Mit
Hilfe des erfindungsgemäßen Zellchipsystems ist
es möglich, lebende Zellen realitätsnah, d. h.
nahezu wie in ihrer natürlichen Umgebung zu untersuchen,
und zwar in Echtzeit, dynamisch und multiparametrisch. Das System
erlaubt somit ganz allgemein Aussagen zur Vitalität der
untersuchten Zellen und kann detektieren, ob und in welchem Ausmaß die
Vitalität der Zellen durch Exposition von Wirkstoffen,
Giften oder Umwelteinflüssen (inkl. Gasen, Strahlung) verän dert/beeinträchtigt
wird. Dadurch ergeben sich insbesondere die folgenden Anwendungen:
- – individuelle Sensitivitätsanalyse:
Von individuellen Patienten (z. B. Krebspatienten) entnommene Zellproben
werden hinsichtlich ihres Ansprechens auf unterschiedliche (z. B.
Krebs-) Medikamente (einschließlich Medikamentenkombinationen
und verschiedene Dosierungen) untersucht. Somit erhält
der behandelnde Arzt eine wertvolle Entscheidungshilfe für
die in diesem Fall effizienteste Therapieoption, gewinnt Zeit und
erspart eine ggf. weniger wirksame, mit Nebenwirkungen belastete und
teure Behandlung. Ähnliches Vorgehen ist neben Krebs auch
bei Infektionserkrankungen (Bakterien, Pilze) und in allen weiteren
Situationen anwendbar, bei denen unerwünschte Zellen bzw.
Mikroorganismen medikamentös geschwächt oder abgetötet
werden sollen, ohne den eigenen Organismus zu schädigen.
Ebenso lässt sich an verschiedenen Zellproben eines Individuums
(z. B. Muskelzellen, Nervenzellen, Blutzellen, Hautzellen, Lymphzellen)
das Ansprechen von therapeutischen Alternativen testen.
- – Wirkstoffscreening: An Hand von Zellen/Zellkulturen
(von denen das Ansprechverhalten auf pharmakologisch aktive Substanzen
bekannt ist) werden verschiedene Wirkstoff-Kandidaten für neue
Medikamente auf ihre Wirksamkeit hin getestet.
- - Ersatz von Tierversuchen/Humanversuchen: Neue Wirkstoffe/Medikamentenkandidaten
werden anstatt im Tier- oder Humanversuch an Zellproben auf ihre
Wirksamkeit oder Sicherheit hin getestet.
- – Toxizitätstests: Substanzen (Flüssigkeiten,
Gase), sowie Strahlen deren toxisches Potenzial untersucht werden
soll, werden mit Zellen/Zellkulturen konfrontiert, von denen bekannt
ist, dass sie sensitiv auf toxische Effekte reagieren. Anwendbar
z. B. im Gewässerschutz oder Immissionsschutz.
- – Biochemische Prozesskontrolle: Verfolgung biochemischer
Prozesse bei Fermentierung und Brauprozessen; Überwachung
der Vitalität/Aktivität der eingesetzten Organismen
(Hefen, Bakterien).
- – Zellbiologische Anwendung: Überprüfung
der Vitalität z. B. von Stammzellen, Eizellen, Samenzellen,
etc.
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Die
Erfindung wird nachfolgend anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels
in der beigefügten Zeichnung weiter erläutert.
Dabei zeigt:
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1:
eine schematische Schnittdarstellung eines Zellchipsystems, und
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2:
eine schematische Draufsicht des Zellchipsystems von 1
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3:
eine schematische Darstellung zweier weiterer Varianten eines Einlaufkanals.
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Zunächst
sei angemerkt, dass das in den Zeichnungen dargestellte Zellchipsystem 10 vielfach, vorzugsweise
in 96-facher Form in einer rechteckigen 12 × 8 Anordnung
nebeneinander in einer gemeinsamen Multititerplatte angeordnet ist.
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Die
in den Zeichnungen dargestellte Ausführungsform eines Zellchipsystems 10 besteht
im wesentlichen aus einer Zulaufkammer 12, einer Hauptkammer 14 und
einer Ablaufkammer 16, die derart miteinander in Verbindung
stehen, dass ein flüssiges Medium aus der Zulaufkammer 12 über
den Zulaufkanal 18a in die im Bodenbereich der Hauptkammer 14 ausgebildete
Zellkulturkammer 20, und von dort über den Ablaufkanal 18b in
die Ablaufkammer 16 strömt. Die Strömungsgeschwindigkeit
bzw. Strömungsrichtung wird durch die Flüssigkeitspegel
in den Zulauf- bzw. Ablaufkammern 12, 16 bestimmt. Unterhalb
der Zellkulturkammer 20 ist ein Sensorchip 22 angeordnet, über
den Messwerte verschiedener Parameter im Fluid erfasst werden können.
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In
der Hauptkammer 14 ist ein Verdrängungskörper 24 angeordnet,
der näherungsweise dichtend in der Hauptkammer 14 auf
und ab bewegbar und auch vollständig entnehmbar ist. Vorzugsweise
hat die Hauptkammer 14 und der Verdrängungskörper 24 aus
fertigungstechnischen Gründen einen kreisförmigen
Querschnitt.
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Der
Boden der Zellkulturkammer 20 liegt unterhalb der Böden
der Zu- und Ablaufkammern 12, 16. Der Zulaufkanal 18a umfasst
also einen Vertikaleinlauf 26a und einen Verteilungstrichter 28a,
der in die Zellkulturkammer 20 mündet. Im Verteilungstrichter 28a ist
eine Mikrostruktur 30a in Form eines Prismas mit gleichschenkligem
Querschnitt angeordnet. Diese Mikrostruktur 30a bewirkt
zum einen eine Strömungsteilung und damit eine gleichmäßigere
Durchströmung der Zellkulturkammer 20. Gleichzeitig
kann durch gezielte Einstellung der Strömungsgeschwindigkeit
eine laminare oder turbulente Strömung der Zellkulturlösung
bewirkt werden.
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Wie
in 1 und 2 zu erkennen, ist in einer
Ausführungsform nicht nur der Einlaufkanal 18a sondern
auch der Auslaufkanal 18b mit einer Mikrostruktur 30b versehen.
Die Mikrostruktur 30b ist vorzugsweise spiegelsymmetrisch
zur Mikrostruktur 30a aufgebaut, es können alternativ
auch andere Formen oder Arten von Mikrostrukturen Verwendung finden. Über
einen Sammeltrichter 28b wird die Zellkulturlösung
aus der Zellkulturkammer 20 ausgeleitet und über
einen Vertikalauslauf 26b nach oben in die Auslaufkammer 16 geleitet.
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In 3 ist
in der oberen Hälfte eine Ausführungsform der
Erfindung dargestellt, bei der die Mikrostruktur als Gitteranordnung
von Zylinderelementen 34 ausgebildet ist und in der unteren
Hälfte als Rillen 36.
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Im
Betrieb wird eine Zellkulturlösung in eine der drei Kammern 12, 14, 16 des
Zellchipsystems eingeführt und zwar im Wesentlichen bis
alle drei Kammern gefüllt sind. Sodann wird der Verdrängungskörper 24 eingesetzt
und nach unten geschoben, wobei unter dem Verdrängungskörper 24 befindliche
Luft oder Lösung in die seitlichen Zu- und Ablaufkammern 12, 16 abströmt.
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Anschließend
wird zwischen Zulaufkammer 12 und Ablaufkammer 16 ein
gezielter Pegelunterschied erzeugt, der zu einer hydrostatischen
Druckdifferenz zwischen beiden Kammern 12, 16 führt,
wodurch Zellkulturlösung aus der Zulaufkammer 12 über
den Zulaufkanal 18a in die Zellkulturkammer 20 strömt.
Durch die Mikrostruktur 30a erfolgt dabei eine gezielte
Beeinflussung der Strömungsbedingungen in Verbindung mit
der über die Druckdifferenz eingestellten Strömungsgeschwindigkeit. Über
den Sensorchip 22 werden Messwerte der zu messenden physikalischen
Größen der dort stattfindenden Stoffwechselvorgänge
gemessen, bevor die Lösung über den Verbindungskanal 18b in
die Ablaufkammer 16 abströmt wobei wiederum über
die Mikrostruktur 30b die Strömungsbedingungen
im Auslaufbereich beeinflussbar sind.
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Die
Mikrostruktur 30 erstreckt sich vorzugsweise über
die gesamte Höhe des jeweiligen Verbindungskanals 18.
Insbesondere bei Ausbildung als Rillen oder Noppen wird die Höhe
deutlich geringer sein als die des Verbindungskanals 18 aber
in diesem Fall ist es bevorzugt, die Mikrostrukturen 30 sowohl
in der Bodenwand als auch in der Deckenwand des jeweiligen Trichters 28 auszubilden.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- - Lob, V. et
al. (2005): Cell-based Assays: Mikrosensorarray-basiertes Screening
an lebenden Zellen und Geweben. BIOspektrum Sonderausgabe 11, 511–512 [0004]
- - Brischwein, M. et al. (Februar 2006): Chip statt Maus: Microsensorarrays
zur Chemikalienprüfung. Nachrichten aus der Chemie 54,
115–120 [0004]