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Technisches Gebiet
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Die
Erfindung betrifft allgemein das Gebiet der Bremsanlagen. Genauer
gesagt betrifft die Erfindung den Betrieb einer Kraftfahrzeug-Bremsanlage in
einer Bremssituation, in der auf gegenüberliegenden Fahrzeugseiten
unterschiedliche Fahrbahn-Reibwerte vorherrschen („μ-Split-Situation”).
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Hintergrund
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Es
ist allgemein bekannt, dass bei einem Anbremsen eines Kraftfahrzeugs
in einer μ-Split-Situation das Fahrzeug zum Drehen um die
Fahrzeughochachse (auch Gieren genannt) neigt. 1 veranschaulicht
dieses Gieren im Zusammenhang mit einem Kraftfahrzeug 10,
dessen linke Räder 12, 14 auf Eis und
dessen rechte Räder 16, 18 auf trockenem Asphalt
laufen.
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Der
Haftreibungswert von Eis beträgt ungefähr μHF = 0,1, während der entsprechende
Wert von trockenem Asphalt bei ungefähr μHF = 0,8 liegt. Aufgrund dieser stark unterschiedlichen
Reibwerte gelangen die Räder 12, 14 auf
der Niederreibwertseite schneller als die Räder 16, 18 auf
der Hochreibwerteseite in einen Zustand, der eine Schlupfregelung seitens
eines Antiblockiersystems (ABS) erfordert. Aufgrund dieser asymmetrischen
Schlupfregelung wirken bei einem Anbremsen des Kraftfahrzeugs 10 an
den beiden Vorderrädern 12, 16 sehr unterschiedliche
Bremskräfte. Diese unterschiedlichen Bremskräfte
an den Vorderrädern 12, 16 führen
wiederum zu einem Drehmoment um die Fahrzeughochachse 20 (dem
so genannten Giermoment) und damit unter Umständen zu einem
Gieren des Kraftfahrzeugs 10.
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Bei
schweren Kraftfahrzeugen erfolgt das in 1 veranschaulichte
Gieren so langsam, dass es von einem Fahrer bei aktivierter Schlupfregelung durch
Gegenlenken hinreichend schnell ausgeglichen werden kann. Vor allem
bei leichteren Kraftfahrzeugen müssen jedoch zusätzlich
Maßnahmen ergriffen werden, um den Fahrer beim Bremsen
in μ-Split-Situationen zu unterstützen.
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Eine
Möglichkeit, dem Aufbau eines Giermoments in μ-Split-Situationen
entgegenzuwirken, ist die Implementierung einer so genannten „Select-Low”-Regelung
in der ABS-Steuersoftware. Bei einer solchen Regelung wird im Fall
einer erkannten μ-Split-Situation die Bremskraft an den
Radbremsen der Hinterachse gemäß der ABS-geregelten
Bremskraft auf der Niederreibwertseite eingestellt. Während
bei der „Select-Low”-Regelung ein Gieren weitestgehend
vermieden werden kann und die Steuerbarkeit des Fahrzeugs daher
gut erhalten bleibt, kommt es zu einem starken Unterbremsen der
Räder auf der Hochreibwertseite. Dieses Unterbremsen führt
zu einer unakzeptablen Verlängerung des Bremswegs.
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Aus
diesem Grund wird in L. M. Ho et al., The Electronic Wedge
Brake – EWB, XXVIth International μ Symposium
2006, Seiten 248f, beschrieben, eine geringe Bremskraftdifferenz
an den gegenüberliegenden Radbremsen jeder Achse (also
zwischen den hochreibwertseitigen Radbremsen und den niederreibwertseitigen
Radbremsen) zuzulassen. Die Bremskraftdifferenz wird dann achsindividuell
allmählich bis zu einem bestimmten Wert erhöht.
Die allmähliche achsweise Erhöhung der Bremskraftdifferenz
führt zu einem nur langsamen Giermomentaufbau. In jedem
Fall ist der Giermomentaufbau deutlich verzögert gegenüber
einer „reinen” ABS-Regelung. Der Fahrer hat damit
ausreichend Zeit, ein möglicherweise resultierendes Gieren
des Fahrzeugs durch Lenkbewegungen zu kompensieren.
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In 2 ist
die rampenartige Erhöhung der Bremskraftdifferenzen in
Kombination mit einer „Select-Low”-Regelung in
einem Bremskraft/Zeit-Diagramm veranschaulicht. Es wird in 2 davon
ausgegangen, dass (wie in 1 dargestellt)
die linke Fahrzeugseite die Niederreibwertseite und die rechte Fahrzeugseite
die Hochreibwertseite ist. Demgemäß lassen sich
an den linken Vorder- und Hinterrädern (VL/HL bzw. Bezugszeichen 12 und 14 in 1)
nur geringe Bremskräfte aufbauen, während sich
an den rechten Vorder- und Hinterrädern (VR/HR bzw. Bezugszeichen 16 und 18 in 1)
deutlich höhere Bremskräfte aufbauen lassen. Insgesamt
kann der Bremsweg dabei gegenüber einer „reinen” „Select-Low”-Regelung
deutlich reduziert werden. Gleichzeitig wird dem Fahrer genug Zeit
gegeben, auf ein möglicherweise einsetzendes Gieren durch Gegenlenken
zu reagieren.
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Es
hat sich nun herausgestellt, dass bei der in 2 veranschaulichten,
adaptierten „Select-Low”-Regelung noch immer ein
Unterbremsen der hochreibwertseitigen Räder erfolgt. Mit
anderen Worten ist in μ-Split-Situationen der Bremsweg
häufig noch unnötig lang. Der Erfindung liegt
die Aufgabe einer Bremswegverringerung in μ-Split-Situationen zugrunde.
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Kurzer Abriss
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Gemäß einem
ersten Aspekt wird ein Verfahren zum Betreiben einer Kraftfahrzeug-Bremsanlage in
einer Bremssituation mit auf gegenüberliegenden Fahrzeugseiten
unterschiedlichem Fahrbahn-Reibwert („μ-Split-Situation”)
bereitgestellt, bei dem eine Bremskraftregelung mit der Maßgabe
der Einstellung eines von Null verschiedenen Schwimmwinkels erfolgt.
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Der
Schwimmwinkel kann ungefähr im Bereich zwischen 0,5° und
8° liegen. Beispielsweise kann der Schwimmwinkel ungefähr
1° bis ungefähr 4° betragen. Der Schwimmwinkel
kann innerhalb eines gewissen Schwimmwinkelbereichs um einen von Null
verschiedenen Winkel liegen. Dieser Schwimmwinkelbereich beinhaltet
zweckmäßigerweise nicht den Winkelwert Null.
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Als
Schwimmwinkel Ψ (auch Eindrehwinkel genannt) wird allgemein
der Winkel bezeichnet, den die Fahrzeuglängsachse zur Fahrtrichtung
(also zur Richtung des Längsgeschwindigkeitsvektors) einnimmt.
Ein herkömmliches Fahrzeugstabilitäts-System (auch
als Elektronisches Stabilitätsprogramm, ESP, oder Vehicle
Stability System, VSC, bekannt) begrenzt den Absolutwert des Schwimmwinkels Ψ üblicherweise
auf einen Winkelbereich ±x um 0° (d. h. |Ψ| < x). Im vorliegenden
Fall kann bei einer μ-Split-Situation eine Bremskraftregelung
hingegen beispielsweise derart erfolgen, dass gezielt ein Schwimmwinkel Ψ von
mehr oder weniger als 0° (d. h. Ψ = x, mit x ≠ 0°)
eingeregelt wird. Auch kann ein Schwimmwinkel innerhalb eines vorgegebenen
Bereichs ±y um einen Winkel x von mehr oder weniger als
0° (d. h. Ψ = x ± y, mit x, y ≠ 0°)
eingeregelt werden. Optional kann y < x sein, und im Spezialfall y = 0° erhält
man wiederum das zuvor genannte Szenario.
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Von
der Bremskraftregelung zur Einstellung eines von Null verschiedenen
Schwimmwinkels kann eine einzelne Radbremse oder können
mehrere Radbremsen umfasst sein. Gemäß einer Variante
ist von der Bremskraftregelung wenigstens eine Radbremse auf einer
Hochreibwertseite des Fahrzeugs betroffen. Die Bremskraftregelung
kann dabei auf eine oder mehrere Radbremsen auf der Hochreibwertseite
beschränkt sein oder aber zusätzlich eine oder
mehrere Radbremsen auf einer Niederreibwertseite umfassen.
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Gemäß einer
ersten Realisierung ist von der Bremskraftregelung eine Hinterradbremse
auf der Hochreibwertseite betroffen. Gemäß einer
weiteren Realisierung sind sowohl eine Hinterradbremse als auch
eine Vorderradbremse auf der Hochreibwertseite von der Bremskraftregelung
umfasst. Hierbei ist denkbar, dass die Bremskraftregelung an einer
Hinterradbremse auf der Hochreibwertseite beginnt und die Vorderradbremse
auf der Hochreibwertseite erst zu einem späteren Zeitpunkt
mit in die Bremskraftregelung einbezogen wird.
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Das
Verfahren kann ferner den Schritt des Ermittelns des Schwimmwinkels
umfassen. Der Schwimmwinkel lässt sich etwa aus einem gierratenbezogenen
Parameter (wie als zeitliches Integral der Gierrate) ermitteln.
Der ermittelte Schwimmwinkel kann dann in einem weiteren Schritt
als Regelgröße bei der Bremskraftregelung herangezogen
werden. Auf diese Weise kann ein bestimmter (fest oder dynamisch)
vorgegebener Schwimmwinkel eingestellt werden.
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Die
Bremskraftregelung kann ferner gemäß einer untergeordneten
Maßgabe auf ein Vermeiden eines Überschreitens
einer Reibwertgrenze an einem, mehreren oder allen Rädern
gerichtet sein. Zu diesem Zweck kann der Radschlupf an einem, mehreren
oder allen Rädern und/oder eine ermittelte Fahrzeugverzögerung
berücksichtigt werden. Das Vermeiden eines Überschreitens
der Reibwertgrenze lässt sich beispielsweise durch Implementierung
eines erforderlichenfalls modifizierten ABS-Regelmechanismus realisieren.
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Gemäß einer
weiteren Variante umfasst das Verfahren den Schritt des Erfassens
einer Bremssituation mit auf beiden Fahrzeugseiten unterschiedlichem
Fahrbahn-Reibwert. Das Erfassen einer solchen μ-Split-Situation
kann auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen. So lässt
sich beispielsweise mittels eines Drehzahlvergleichs von Rädern
auf gegenüberliegenden Fahrzeugseiten auf unterschiedliche Fahrbahn-Reibwerte
schließen.
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Gemäß einem
weiteren Aspekt wird ein Computerprogrammprodukt mit Programmcodemitteln
zum Durchführen des hier erläuterten Verfahrens,
wenn das Computerprogrammprodukt in einem Steuergerät ausgeführt
wird, bereitgestellt. Das Computerprogrammprodukt kann in einem
Festspeicher des Steuergeräts oder aber auf einem separat handhabbaren
Datenträger gespeichert sein. Bei dem Steuergerät
kann es sich um eine ECU („Electronic Control Unit”)
handeln.
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Ein
weiterer Aspekt der vorliegenden Erfindung betrifft eine Kraftfahrzeug-Bremsanlage
mit einem Bremskraftregelmechanismus, der ausgelegt ist, in einer
Bremssituation mit auf gegenüberliegenden Fahrzeugseiten
unterschiedlichem Fahrbahn-Reibwert eine Bremskraftregelung derart durchzuführen,
dass ein von Null verschiedener Schwimmwinkel eingestellt wird.
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Die
Bremsanlage kann ferner eine Einrichtung zum Ermitteln des Schwimmwinkels
umfassen. Zweckmäßigerweise ist diese Einrichtung
mit dem Bremskraftregelmechanismus gekoppelt, um den ermittelten
Schwimmwinkel dem Bremskraftregelmechanismus als Regelgröße
bei der Bremskraftregelung bereitzustellen.
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Außerdem
ist es denkbar, eine Einrichtung zum Erfassen einer Bremssituation
von beidseits des Fahrzeugs unterschiedlichem Fahrbahn-Reibwert vorzusehen.
Auch diese Einrichtung kann mit dem Bremskraftregelmechanismus gekoppelt
sein, um im Fall einer μ-Split-Situation eine Bremskraftregelung mit
der Maßgabe der Einstellung eines von Null verschiedenen
Schwimmwinkels zu initiieren.
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Beschreibung der Zeichnungen
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Weitere
Aspekte und Vorteile der vorliegenden Erfindung ergeben sich aus
der nachfolgenden Beschreibung bevorzugter Ausführungsbeispiele
sowie aus den Figuren. Es zeigen:
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1 eine
schematische Veranschaulichung eines Kraftfahrzeugs in einer μ-Split-Situation;
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2 ein
schematisches Diagramm einer „Select-Low”-Regelung
mit rampenartiger Druckdifferenz-Erhöhung gemäß dem
Stand der Technik;
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3 eine
schematische Veranschaulichung des Schwimmwinkels im Zusammenhang
mit einer μ-Split-Situation;
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4 eine
schematische Darstellung einer Ausführungsform einer Kraftfahrzeug-Bremsanlage;
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5 ein
schematisches Flussdiagramm, welches eine Ausführungsform
eines Betriebsverfahrens für die Bremsanlage gemäß 4 in
einer μ-Split-Situation veranschaulicht; und
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6 ein
schematisches Diagramm, welches eine Ausführungsform einer
Bremsdruckregelung mit der Maßgabe der Einstellung eines
von Null verschiedenen Schwimmwinkels zeigt.
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Beschreibung bevorzugter Ausführungsbeispiele
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Bevor
einige Ausführungsbeispiele nachfolgend konkret beschrieben
werden, wird unter Bezugnahme auf 3 die Definition
des Schwimmwinkels Ψ, der manchmal auch als Eindrehwinkel
bezeichnet wird, erläutert. Die Darstellung gemäß 3 basiert auf
der beispielhaften Darstellung gemäß 1 (Geradeausfahrt),
wobei zusätzlich die Fahrzeuglängsachse 22 sowie
die Fahrtrichtung 24 in Gestalt des Längsgeschwindigkeitsvektors
bezeichnet sind. Der Schwimmwinkel Ψ ist als der Winkel
zwischen der Fahrzeuglängsachse 22 und der Fahrtrichtung 24 definiert.
Obwohl sich die 3 (wie die 1)
auf den Sonderfall der Geradeausfahrt bezieht, gilt die Definition
des Schwimmwinkels Ψ auch für den Fall einer Kurvenfahrt.
Die nachfolgenden, im Hinblick auf 3 erläuterten
Ausführungsbeispiele lassen sich daher auch bei Kurvenfahrt
anwenden.
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In
den folgenden Ausführungsbeispielen erfolgt eine Bremskraftregelung
mit der Maßgabe der Einstellung eines von Null verschiedenen
Schwimmwinkels. Eine solche Winkeleinstellung beinhaltet auch die
Möglichkeit, anstelle eines vorgegebenen, von Null verschiedenen
Schwimmwinkelwerts einen vorgegebenen Schwimmwinkelbereich um einen
vorgegebenen, von Null verschiedenen Schwimmwinkel einzustellen.
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Die
folgenden Ausführungsbeispiele beziehen sich auf eine hydraulische
Kraftfahrzeug-Bremsanlage. Aus diesem Grund erfolgt die Bremskraftregelung
durch eine Regelung des Hydraulikdrucks in den einzelnen Radbremszylindern.
Es versteht sich, dass die hier vorgestellten Bremskraftregelmechanismen
auch bei einer pneumatischen Bremsanlage oder bei einer mechanischen
Bremsanlage (beispielsweise einer Keilbremse) implementiert werden können.
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4 veranschaulicht
schematisch in Gestalt eines Blockdiagramms ein Ausführungsbeispiel einer
hydraulischen Kraftfahrzeug-Bremsanlage 100. Die Kraftfahrzeug-Bremsanlage 100 ist
in dem in 3 dargestellten Fahrzeug 10 installiert.
Es ist darauf hinzuweisen, dass die Bremsanlage 100 auch in
Fahrzeugen mit drei oder mehr Achsen implementiert werden kann.
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Zentraler
Bestandteil der hydraulischen Bremsanlage 100 ist ein Bremsdruckregelmechanismus 110,
der als ABS- oder ESP-Steuergerät ausgebildet sein kann.
Eine Besonderheit des Bremsdruckregelmechanismus 110 besteht
darin, dass dieser Mechanismus in einer μ-Split-Situation
eine Bremsdruckregelung mit der Maßgabe der Einstellung
eines von Null verschiedenen Schwimmwinkels durchführt.
Im vorliegenden Ausführungsbeispiel regelt der Bremsdruckregelmechanismus 110 gemäß einer
zusätzlichen, untergeordneten Maßgabe (d. h. beispielsweise
erst dann, wenn ein vorgegebener Schwimmwinkel eingestellt wurde)
den Bremsdruck weitergehend derart, dass an einem Rad, mehreren Rädern
oder jedem Rad eine Reibwertgrenze nicht überschritten
wird. Dieser untergeordnete Regelaspekt kann beispielsweise eine
ABS-Schlupfregelung beinhalten.
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Wie 4 entnommen
werden kann, umfasst die Bremsanlage 100 außerdem
eine Einrichtung 120 zum Ermitteln des Schwimmwinkels sowie eine
Einrichtung 130 zum Erfassen einer μ-Split-Situation.
Beide Einrichtungen 120, 130 sind mit dem Bremsdruckregelmechanismus 110 gekoppelt,
um dem Bremsdruckregelmechanismus 110 Informationen über
den vorherrschenden Schwimmwinkel und über die vorherrschende
Bremssituation zur Verfügung zu stellen.
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Die
Einrichtung 120 zum Ermitteln des Schwimmwinkels umfasst
einen Gierratensensor, der gleichzeitig zu einem ESP-System gehören
kann. Ferner beinhaltet die Einrichtung 120 einen Prozessor,
der den Schwimmwinkel durch zeitliches Integrieren der Gierrate
ermittelt. Ein solcher Prozessor kann alternativ hierzu auch im
Bremsdruckregelmechanismus 110 implementiert sein.
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Die
Einrichtung 130 zum Erfassen einer μ-Split-Situation
beinhaltet mehrere Raddrehzahl-Sensoren, die gleichzeitig zu einem
ABS- oder ESP-System gehören können. Genauer gesagt
ist jedem der vier Räder 12, 14, 16, 18 des
Kraftfahrzeugs 10 gemäß 3 ein
separater Raddrehzahl-Sensor (nicht gezeigt) zugeordnet. Die Einrichtung 130 besitzt
ferner einen Prozessor, der durch Auswerten der für die
vier Räder 12, 14, 16, 18 gelieferten
Raddrehzahl-Signale eine μ-Split-Situation erkennt. Alternativ hierzu
kann ein solcher Prozessor auch im Bremsdruckregelmechanismus 110 implementiert
sein. Charakteristisch für eine vom Prozessor erkannte μ-Split-Situation
ist ein Abfall der von den Raddrehzahlsensoren auf der Niederreibwertseite
erfassten Raddrehzahlverläufe im Vergleich zur Hochreibwertseite.
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Im
Folgenden wird die Funktionsweise der Kraftfahrzeug-Bremsanlage 100 unter
Bezugnahme auf das Flussdiagramm 500 der 5 sowie
das schematische Dia gramm der Bremsdruck-, Raddrehzahl- und Schwimmwinkelverläufe
der 6 näher erläutert.
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6 zeigt
ganz unten die zeitlichen Hydraulikdruckverläufe in den
Radbremsen des rechten und linken Vorderrads (pVR und
pVL) sowie in den Radbremsen des rechten
und linken Hinterrads (pHR und pHL). Der Deutlichkeit halber sind die Druckverläufe für
die beiden Vorderräder sowie die Druckverläufe für
die beiden Hinterräder in der Darstellung auseinandergezogen.
Im mittleren Abschnitt der 6 sind die
zeitlichen Raddrehzahl-Geschwindigkeitsverläufe für
alle vier Räder (der Deutlichkeit halber ebenfalls wieder
auseinandergezogen) veranschaulicht. Im oberen Abschnitt der 6 sind
schließlich die zeitlichen Verläufe des Schwimmwinkels Ψist und der zeitlichen Änderung
des Schwimmwinkels Ψ dargestellt. Eine waagerechte Gerade
bezeichnet einen vorgegebenen Sollwert ΨSoll des
Schwimmwinkels.
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Bezug
nehmend auf das Flussdiagramm 500 der 5 geht
der hier erläuterten schwimmwinkelbasierten Bremsdruckregelung
in Schritt 502 das Einleiten eines Bremsvorgangs sowie
ein daraus resultierender Bremsdruckaufbau in allen vier Radbremsen
voraus. Dieser Bremsdruckaufbau kann beispielsweise auf das Betätigen
des Bremspedals seitens eines Fahrers zurückgehen. Im unteren
Abschnitt der 6 ist dieser Bremsdruckaufbau
in einem starken, linearen Druckanstieg ab dem Zeitpunkt t1 gezeigt.
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In
einem nächsten Schritt 504 wird von der in 4 veranschaulichten
Einrichtung 130 zur μ-Split-Erkennung eine Bremssituation
mit auf gegenüberliegenden Fahrzeugseiten unterschiedlichem
Reibwert erkannt. Zu diesem Zweck wertet die Einrichtung 130 die
im mittleren Abschnitt der 6 veranschaulichten
Verläufe der Raddrehzahl-Geschwindigkeiten aus. In 6 ist
deutlich zu erkennen, dass die Raddrehzahl-Geschwindigkeiten des linken
Vorderrads sowie des linken Hinterrads zum Zeitpunkt t2 deutlich
stärker abnehmen als die Raddrehzahl-Geschwindigkeiten
des rechten Vorderrads und des rechten Hinterrads.
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Dieser
fahrzeugseitig asymmetrische Verlauf der Raddrehzahl-Geschwindigkeiten
ist gemäß 3 darauf
zurückzuführen, dass das linke Vorder- und Hinterrad 12, 14 auf
Eis laufen (Niederradwertseite), während das rechte Vorder-
und Hinterrad 16, 18 auf Asphalt laufen (Hochreibwertseite).
Die in 6 veranschaulichten und für eine μ-Split-Situation
charakteristischen Verläufe der Raddrehzahl-Geschwindigkeiten
zum Zeitpunkt t2 werden von der Einrichtung 130 erkannt.
Als Reaktion auf die Erkennung der μ-Split-Situation gibt
die Einrichtung 130 ein auf die μ-Split-Situation
hin weisendes Signal an den Bremsdruckregelmechanismus 110 aus.
Das Signal kann beispielsweise in dem Setzen eines Flags oder in
einer über einen Fahrzeug-Bus gesendeten Nachricht bestehen.
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Als
Reaktion auf die erkannte μ-Split-Situation reduziert der
Bremsdruckregelmechanismus 110, wie in 6 veranschaulicht,
zu einem Zeitpunkt t3 drastisch die Bremsdrücke an allen
vier Radbremsen, um das Auftreten eines übermäßigen
Radschlupfes an den Rädern zu vermeiden. Während
die Radbremsdrücke auf der Niederreibwertseite praktisch
ganz abgebaut werden, werden zur Bremswegverringerung die Radbremsdrücke
auf der Hochreibwertseite weniger stark zurückgenommen.
Es kommt, mit anderen Worten, zu einem fahrzeugseitig asymmetrischen
Bremsdruckabbau. Dieser asymmetrische Bremsdruckabbau wiederum hat,
wie oben erläutert, den Aufbau eines Giermoments zur Folge, und
das Fahrzeug fängt allmählich an zu gieren. Als Folge
dieser Gierbewegung wird, wie im oberen Abschnitt der 6 dargestellt,
der Schwimmwinkel Ψ ausgehend von 0° allmählich
größer.
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Ab
dem Zeitpunkt des Erkennens einer μ-Split-Situation durch
die Einrichtung 130 in Schritt 504 wird auch die
Einrichtung 120 zur Schwimmwinkelermittlung aktiv. Wie
durch Schritt 506 veranschaulicht, ermittelt die Einrichtung 120 dabei
fortlaufend den aktuellen Schwimmwinkel durch zeitliche Integration
der Gierrate. Zur Plausibilitätskontrolle des solchermaßen
ermittelten Schwimmwinkels kann ergänzend ein Fahrzeugmodell
herangezogen werden, das fahrzeugspezifische Parameter wie Gewicht,
Geschwindigkeit, usw. berücksichtigt.
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Der
von der Einrichtung 120 solchermaßen ermittelte
und plausibilisierte Schwimmwinkel wird fortlaufend dem Bremsdruckregelmechanismus 110 zugeführt.
Der Bremsdruckregelmechanismus 110 überprüft
ebenfalls fortlaufend, ob der von der Einrichtung 120 übermittelte
Schwimmwinkel-Istwert einem Schwimmwinkel-Sollwert (von beispielsweise 2°)
entspricht. In Abhängigkeit von dem Ergebnis der in Schritt 508 veranschaulichten Überprüfung
unternimmt der Bremsdruckregelmechanismus 110 entweder
keinen Bremsdruck-Regeleingriff (Zweig „JA”), oder
der Bremsdruckregelmechanismus 110 verändert in
Schritt 510 den Bremsdruck an einer oder mehreren Radbremsen
in Abhängigkeit des aktuellen Schwimmwinkelwerts (Zweig „Nein”).
Bei der Bestimmung einer erforderlichen Bremsdruckänderung
in Schritt 510 können zusätzlich zum
aktuellen Schwimmwinkelwert noch weitere Parameter wie die Gierrate
oder die zeitliche Ableitung der Gierrate berücksichtigt
werden.
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Insgesamt
ist die in Schritt 510 veranlasste Bremsdruckänderung
darauf gerichtet, den in 6 oben in Gestalt einer horizontalen
Geraden dargestellten Schwimmwinkel-Sollwert ΨSoll einzuregeln. Wie
aus 6 ersichtlich, ist der tatsächliche Schwimmwinkel Ψist zwischen den Zeitpunkten t3 und t4 kleiner
als der Sollwert. Dies deutet darauf hin, dass ohne wesentliche
Stabilitätseinbußen ein höheres Bremsmoment
aufgebracht und der Bremsweg damit verkürzt werden könnte.
Diese Situation wird vom Bremsdruckregelmechanismus 110 erkannt, und
entsprechend wird der Radbremsdruck der Radbremsen auf der Hochreibwertseite
zur Bremswegverkürzung erhöht.
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Wieder
Bezug nehmend auf 6 stellt der Bremsdruckregelmechanismus 110 ab
dem Zeitpunkt t4 fest, dass der Schwimmwinkel-Istwert den Schwimmwinkel-Sollwert überschreitet.
Dies bedeutet, dass das Bremsmoment auf der Hochreibwertseite zu
hoch ist und die Gefahr eines weitergehenden Gierens besteht. Aus
diesem Grund wird kurz nach dem Zeitpunkt t4 seitens des Bremsdruckregelmechanismus 110 der
Bremsdruck beider Radbremsen auf der Hochwertreibseite wieder reduziert.
Diese Bremsdruckreduzierung führt ab dem Zeitpunkt t5 wieder
dazu, dass der Schwimmwinkel-Istwert kleiner als der Schwimmwinkel-Sollwert
ist. Entsprechend wird der Bremsdruck wieder erniedrigt, bis zum
Zeitpunkt t6 der Schwimmwinkel-Istwert den Schwimmwinkel-Sollwert
erneut überschreitet und der Bremsdruckregelmechanismus 110 eine
Bremsdruckverringerung auf der Hochreibwertseite durchführt.
Diese aus der Regelschleife der Schritte 506, 508 und 510 resultierenden
zyklischen Bremsdruckänderungen auf der Hochreibwertseite
sind in 6 gut in den zeitlichen Verläufen
der Radbremsdrücke am rechten Vorderrad und am rechten
Hinterrad (PVR bzw. pHR)
erkennbar.
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Zur
Einstellung eines gewünschten Schwimmwinkels (d. h. zur
gezielten ”Querstellung” des Fahrzeugs) sind verschiedene
Druckregelstrategien möglich. Bei der in 6 veranschaulichten Druckregelstrategie
wird in einem ersten Schritt das Bremsmoment des Hochreibwerthinterrads
beeinflusst, um den Schwimmwinkel gemäß dem Schwimmwinkel-Sollwert
einzustellen. Diese Einstellung erfolgt durch eine Modellierung
des Bremsmoments am Hochreibwerthinterrad, wobei der jeweils erforderliche
Radbremsdruckgradient entsprechend dem Regelfehler (also der Differenz
zwischen Schwimmwinkel-Sollwert und Schwimmwinkel-Istwert) gewählt
wird.
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Zusätzlich
kann bei Bedarf auch das Hochreibwertvorderrad, wie in 6 veranschaulicht,
in den momentgeregelten Modus gebracht werden. Diese schwimmwinkelbasierte
Bremsdruckregelung am Hochreibwertvorderrad setzt zweckmäßigerweise zeitlich
versetzt bezüglich des Hochreibwerthinterrads ein. So kann
mit der Bremsdruckregelung am Hochreibwertvorderrad begonnen werden,
nachdem das aus dem Stand der Technik gemäß 2 bekannte
Einstellen einer gewünschten Bremsdruckdifferenz an den
Radbremsen der Vorderachse abgeschlossen ist. Mit anderen Worten
kann die in 6 veranschaulichte, schwimmwinkelbasierte
Bremsdruckregelung zusätzlich zu der in 2 veranschaulichten,
adaptierten „Select-Low”-Regelung implementiert
werden.
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Mittels
der in den Ausführungsbeispielen veranschaulichten Bremsdruckregelstrategie
lässt sich der Bremsweg in μ-Split-Situationen
um bis zu 30% verkürzen. Diese Bremswegverkürzung
ist in erster Linie auf die im Vergleich zum Stand der Technik höheren
Radbremsdrücke auf der Hochreibwertseite zurückzuführen.
Diese höheren Bremsdrücke gehen damit einher,
dass ein von Null verschiedener Schwimmwinkel eingeregelt wird.
Vor allem das Hochreibwerthinterrad erfährt einen erheblicher
höheren Bremsdruck, als bei der konventionellen, in 2 veranschaulichten
Bremsdruckregelung. Da sich zudem die hochreibwertseitigen Radbremsen das
aufzubringende Bremsmoment teilen, kann der gewünschte
Schwimmwinkel des Fahrzeugs oftmals ohne ein Überschreiten
der Reibwertgrenze zwischen Reifen und Fahrbahn erreicht werden.
Die Bremsdruckregelung wird, mit anderen Worten, vorzugsweise derart
durchgeführt, dass sich ein konstantes Bremsmoment an den
Hochreibwerträdern einstellt, welches idealerweise das
Fahrzeug an der Stabilitätsgrenze hält, so dass
ein maximales Bremsmoment abgesetzt werden kann. Der jeweilige „Abstand” zur
Stabilitätsgrenze kann fest vorgegeben sein oder aber fahrzeugindividuell
eingestellt werden.
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Um
ein Überschreiten der Reibwertgrenze zwischen Reifen und
Fahrbahn möglichst zu vermeiden und eine Unterbremsung
des Fahrzeugs zu verhindern, kann dem in 5 veranschaulichten
Regelkreis der Schritte 504, 506 und 508 ein
weiterer Regelkreis untergelagert werden. Dieser weitere Regelkreis
kann eine ABS-basierte Regelung auf der Grundlage des Radschlupfes
eines oder mehrerer Räder und der Fahrzeugverzögerung
beinhalten.
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Die
vorstehend erläuterten Ausführungsbeispiele können
im Rahmen des fachüblichen Handelns in verschiedenster
Weise modifiziert, ergänzt und erweitert werden. So ist
die hier vorgestellte Bremsdruckregelung nicht auf Fahrzeuge mit
zwei Achsen beschränkt. Ferner lässt sich die
hier vorgestellte Bremsdruckregelung anstatt auf der Grundlage eines
Schwimmwinkel-Sollwerts auch auf der Grundlage eines Schwimmwinkel-Sollbereichs
mit vorgegebenen Ober- und Untergrenzen implementieren.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- - L. M. Ho et
al., The Electronic Wedge Brake – EWB, XXVIth International μ Symposium
2006, Seiten 248f [0006]