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Die
Erfindung betrifft ein Verfahren zur Erkennung von Fahrsituationen
(Fahrzeugsituationen und/oder Fahrmanöver) eines Kraftfahrzeugs bzw. bei
einem Kraftfahrzeug, insbesondere ein Verfahren zur Erkennung von
Fahrsituationen, in denen der Fahrer beim Betrieb des Kraftfahrzeugs
durch ein die erkannten Fahrsituationen auswertendes Fahrerassistenzsystem
unterstützt
wird.
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Heutige
Fahrerassistenzsysteme benötigen eine
Vielzahl an aufbereiteten Informationen über eine aktuell vorliegende
oder unmittelbar bevorstehende Fahrsituation, das heißt Informationen
zur sogenannten (aktuellen) Fahrzeugsituation (z. B. Fahrzeug nähert sich
mit bestimmter Relativgeschwindigkeit einem, die gleiche Fahrspur
befahrenden, vorausfahrenden Fahrzeug an), als auch Informationen über ein
unmittelbar bevorstehendes oder ein aktuell durchzuführendes
Fahrmanöver
(z. B. Fahrzeug wird eine Notbremsung durchführen bzw. führt gerade eine Notbremsung
durch). Wird im Folgenden (im Sinne der Erfindung) von Fahrsituation
gesprochen, ist darunter stets die beschriebene Fahrzeugsituation und/oder
ein durchzuführendes
Fahrmanöver
zu verstehen. Die von einem Fahrerassistenzsystem benötigten Informationen
zur aktuellen Fahrsituation werden heute in der Regel dezentral
und zum Teil an Hand unterschiedlicher Verfahren ermittelt. Vorhandene
Ansätze
zur Ermittlung der Fahrsituation basieren auf scharfen, meist regelbasierten
Entscheidungen.
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Der
Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein alternatives Verfahren
zur Erkennung von Fahrsituationen anzugeben. Insbesondere soll durch
dass neue Verfahren die Qualität
der Fahrerunterstützung verbessert
und soll der strukturelle Aufbau eines Fahrerassistenzsystems vereinfacht
werden.
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Erfindungsgemäß wird die
Aufgabe durch die Gesamtheit der Merkmale des Anspruchs 1 gelöst, während in
den Unteransprüchen
bevorzugte Weiterbildungen der Erfindung angegeben sind. Durch das
erfindungsgemäße Verfahren
zur Fahrsituationserkennung (Fahrzeugsituationserkennung und/oder
Fahrmanövererkennung)
werden das Fahrumfeld und die in dieser Umgebung durchgeführten Fahrzeugbewegungen
auf einfache und effiziente Weise interpretiert. Durch das über die
aktuelle Fahrzeugsituation und/oder ein aktuell oder unmittelbar
bevorstehend durchzuführendes
Fahrmanöver extrahierte
Wissen (Fahrsituationswissen) wird z. B. die Grundlage für ein im
Hinblick auf die Unterstützungsqualität verbessertes
Fahrerassistenzsystem gebildet. Dabei werden aus unbewerteten Informationen
zur Fahrumgebung relevante Aspekte (Fahrzeugsituationsaspekte und
Fahrmanöveraspekte) extrahiert.
Die Fahrumfeldinformationen und die Informationen zur Fahrzeugeigenbewegung
werden hierfür
aus Sicht des Systems Fahrer-Fahrzeug bewertet. Dabei werden zunächst situations-
bzw. manöverspezifische
Merkmale (Situationsmerkmale) berechnet und anschließend mit
Hilfe dieser Situationsmerkmale die vorliegende Fahrsituation klassifiziert.
Unter Situationsmerkmalen werden im Sinne der Erfindung insbesondere
vorverarbeitete Umfeldinformationen und Fahrzeugbetriebs-Parameterwerte (z.
B. Längsbeschleunigung,
Querbeschleunigung, Gierrate, Nickwinkel, Drehzahl, ...) verstanden,
anhand derer entschieden werden soll, ob eine vorbestimmte Fahrsituation
vorliegt oder nicht vorliegt.
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Alternativ
oder zusätzlich
zur Anwendung bei Fahrerassistenzsystemen ist vorgesehen, die Informationen über die
bestimmte/ermittelte Fahrsituation für ein situationsabhängiges Energiemanagement
im Kraftfahrzeug zu verwenden.
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Gemäß der Erfindung
werden zur Erkennung einer Fahrsituation (Fahrzeugsituation und/oder Fahrmanöver) zuerst
sogenannte Situationsmerkmale (Fahrzeugsituationsmerkmale und/oder
Fahrmanövermerkmale)
in Abhängigkeit
von Informationsdaten über
die Fahrzeugumgebung und Informationsdaten über den Bewegungszustand des
Eigenfahrzeugs erzeugt. Die als Basis dienenden Informationsdaten
werden durch eine sensorbasierte Messwerterfassung und/oder durch
eine modellbasierte Berechnung ermittelt. Die sensorbasierten Informationen werden
ggf. durch Filterung, Fusionierung (Zusammenführung redundanter Informationen/Signale) und/oder
durch sogenanntes Tracking (zeitliche Zuordnung erfasster Informationen/Signale)
aufbereitet. Anschließend
erfolgt eine Bewertung von zumindest zwei generierten Situationsmerkmalen,
derart, dass jedem Situationsmerkmal gemäß einer vorbestimmten Funktionalität (Entwicklung
des Situationsmerkmals über
einer vorbestimmten Größe) ein
Zugehörigkeitsgrad
zu der vorbestimmten (zuvor definierten) Fahrsituation zugeordnet
wird. Dies erfolgt z. B. über eine
vorbestimmte funktionale Beziehung zwischen Situationsmerkmal und
Zugehörigkeitsgrad.
Dieser funktionale Zusammenhang kann beispielsweise durch eine einfache
Rampenfunktion definiert sein. Der Zugehörigkeitsgrad definiert den
Grad, zu dem das jeweilige Situationsmerkmal einer vorbestimmten
Fahrsituation zugeordnet wird. Schließlich wird eine Gewichtung
der bewerteten Situationsmerkmale anhand eines probabilistischen
Netzwerkes oder dergleichen vorgenommen. Diese Gewichtung erfolgt mit
Vorteil in Abhängigkeit
von vorbestimmten (unscharfen) Regeln und der ermittelten Merkmalssignifikanz.
Abschließend
erfolgt die Bestimmung der vorliegenden Fahrsituation in Abhängigkeit
von den bewerteten und gewichteten Situationsmerkmalen.
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In
einer besonders bevorzugten Weiterbildung der Erfindung wird die
ermittelte Fahrsituation anschließend bewertet, indem ein Qualitätsmaß für die Richtigkeit
der ermittelten Fahrsituation in Abhängigkeit von einem sensorspezifischen
Fehler ermittelt wird. Als sensorspezifischer Fehler (Genauigkeiten/Erkennungsgüte) wird
der spezifische Fehler bzw. die Güte gemäß Herstellerangabe herangezogen.
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Ein
Ausführungsbeispiel
der Erfindung ist in der Zeichnung dargestellt und wird im Folgenden
näher beschrieben.
Es zeigen:
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1:
die allgemeine Struktur eines Fahrerassistenz-Systemverbunds mit
zentraler Fahrsituationserkennung in einer schematischen Blockbilddarstellung,
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2:
die erfindungsgemäße Struktur
und Wirkungsweise zentralen Fahrsituationserkennung gemäß 1,
und
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3:
in einem Diagramm, eine mögliche Ausführungsform
einer Situationsmerkmal-Zugehörigkeitsfunktion, über die
Situationsmerkmale auf ein Einheitsintervall transformiert werden.
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1 zeigt
die Signalverarbeitung eines Fahrerassistenzsystem-Verbundes mit
einer zentralen Fahrsituationserkennung (Erkennung von Fahrzeugsituation
und/oder Fahrmanöver)
für unterschiedliche
Fahrerassistenzsysteme. Das erfindungsgemäße Verfahren soll anhand des
schematisch dargestellten Schaltbildes erläutert werden. Ein Modul 2 zur
Fahrsituationserkennung erhält
von einer Vielzahl von Sensoren S1, ..., Sn und/oder Berechnungsmodellen
zum einen die Fahrzeugumgebung abbildende Informationsdaten IU (bzw. Fahrzeugumgebungsparameter) sowie
zum anderen den Bewegungszustand des Eigenfahrzeugs abbildende Informationsdaten
IB (bzw. Fahrzeugbetriebsparameter). Auf
der Basis dieser sensorisch oder modellbasiert ermittelten Informationsdaten
IU, IB erfolgt eine Generierung
von sogenannten Situationsmerkmalen (Merkmale, die für bestimmte
Situationen/Manöver kennzeichnend
sind), eine anschließende
Bewertung der Situationsmerkmale durch Zuordnung eines Zughörigkeitsgrades
zu einer bestimmten Fahrsituation sowie eine Gewichtung der bewerteten
Situationsmerkmale durch ein probabilistisches Netzwerk und eine
abschließende
Bestimmung der vorliegenden Fahrsituation in Abhängigkeit von bewerteten und gewichteten
Situationsmerkmalen. Im Einzelnen wird diese Vorgehensweise zu einem
späteren
Zeitpunkt anhand von 2 näher erläutert. Ist die vorliegende Fahrsituation
erkannt, wird das Ergebnis den einzelnen Fahrerassistenzsystemen
zur Weiterverarbeitung zur Verfügung
gestellt. Im vorliegenden Beispiel wird aufgrund der erkannten Fahrsituation
FS über ein
erstes Fahrerassistenzsystem FAS1 eine automatische aktive Unterstützung des
Fahrers eingeleitet (z. B. ein Lenk- oder Bremseingriff o. d. – wobei der
automatische Eingriff vom Fahrer überstimmt werden kann), über ein
zweites Fahrerassistenzsystem FAS2 eine Handlungsempfehlung für den Fahrer erzeugt
(z. B. ein Momentenaufschlag auf das Lenkrad generiert als Spurhalteempfehlung – der allerdings
jederzeit vom Fahrer überstimmt
werden kann) und über
ein drittes Fahrerassistenzsystem FAS3 eine an den Fahrer auszugebende
Warnung generiert (z. B. durch Signalton, Vibration oder Signalleuchte
auf eine (Gefahren-)Situation aufmerksam machen).
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2 veranschaulicht
die innere Struktur und Wirkungsweise des Moduls 2 zur
Fahrsituationserkennung. Durch das Modul 2 können die
sensorbasiert oder modellbasiert ermittelten, das Fahrzeugumfeld
und die Fahrzeugeigenbewegung abbildenden Informationsdaten IU, IB für die Weiterverarbeitung
innerhalb eines Fahrerassistenzsystems oder eines Energiemanagementsystems
für ein
Bordnetz oder für
die Weiterverarbeitung in anderen Systemen aufbereitet und interpretiert
werden. Hierfür
werden wahrscheinlichkeitsbasiert in Abhängigkeit von den Informationsdaten
Fahrsituationen extrahiert. Diese Fahrsituationsaussagen werden über ein
probabilistisches Netz in Kombination mit einer unscharfen Fuzzy-Zuordnung gewonnen.
Im Einzelnen werden in Abhängigkeit
von den in einem ersten Modulabschnitt 2.1 zusammengeführten Informationsdaten
IU, IB in einem
zweiten Modulabschnitt 2.2 Situationsmerkmale M1, ...,
Mn (fahrzeugsituationsspezifische und/oder fahrmanöverspezifische
Merkmale) über eine
Merkmalsextraktion bestimmt. Die ermittelten Werte der Situationsmerkmale
M1, ..., Mn werden ebenfalls im Modulabschnitt 2.2 mit
Hilfe einer unscharfen situationsabhängigen Zugehörigkeitsfunktion
auf ein Einheitsintervall transformiert (siehe 3).
Die auf diese Weise bestimmten Zugehörigkeitsgrade (M1, ..., Mn)
bilden die Eingangsgrößen für ein wahrscheinlichkeitsbasiertes
(probabilistisches) Netzwerk. Dieses Netzwerk dient der Fusion der
spezifischen Merkmale bzw. Zugehörigkeitsgrade λ1, ..., λn und leitet
daraus eine wahrscheinlichkeitsbasierte Fahrzeugsituations- und/oder
Fahrmanöverentscheidung
ab (Modulabschnitt 2.3).
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Parallel
dazu können
aus den sensorbedingten Messungenauigkeiten die daraus resultierenden Situationsungenauigkeiten
bestimmt werden. Hierfür werden
zunächst
aus den Messwertungenauigkeiten mit Hilfe der Gaußschen Fehlerfortpflanzung
die Merkmalsungenauigkeiten berechnet. Die Merkmalsungenauigkeiten
werden dem probabilistischen Netzwerk als weitere Eingangsgrößen bereitgestellt. Diese
bilden gemeinsam mit den sogenannten Verbindungsstärken im
Netzwerk die Grundlage zur Bestimmung der Ungenauigkeit der ermittelten
Fahrsituation.
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Des
Weiteren ist eine Relevanzbewertung der generierten Situationsmerkmale
und/oder der Informationsdaten auf die Fahrsituationsentscheidung möglich. Für die Merkmalsbewertung
werden die Verbindungsstärken
im Netz benutzt. Die Bewertung der Sensorinformationen erfolgt anhand
einer Parametersensitivitätsanalyse
angewandt auf die Merkmalsextraktion. Insbesondere kann hierdurch
eine Aussage getroffen werden, in wie weit einzelne Informationsdaten
oder Situationsmerkmale für
die Entescheidung einer bestimmten Fahrsituation überhaupt von
Bedeutung sind oder ob diese vielleicht sogar verzichtbar sind.
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Schließlich ist
in 3 eine Situationsmerkmal-Zugehörigkeitsfunktion in einer möglichen
Ausprägung
dargestellt, über
die Situationsmerkmale M1, ..., Mn auf ein Einheitsintervall transformiert
werden. Anhand der Zugehörigkeitsfunktion
werden die erzeugten Situationsmerkmale situations- bzw. manöverspezifisch
unscharf auf ein Einheitsintervall abgebildet. Das bedeutet, dass
jedem Situationsmerkmalswert ein Betrag zwischen „0” und „1” zugeordnet wird,
wodurch eine einheitliche Aussage darüber getroffen werden kann,
in wie weit das vorliegende Situationsmerkmal für das Vorhandensein bzw. Nicht-Vorhandensein
einer Fahrzeugsituation oder eines Fahrzeugmanövers spricht. Beispielsweise stellen
Situationsmerkmale M1, ..., Mn mit einem Zugehörigkeitsgrad von „1” einen
besonders situationstypischen Wert dar, während ein Zugehörigkeitsgrad von „0” einen
besonders situationsuntypischen Wert darstellen. Mit Vorteil kommen
hier die aus der Fuzzy-Logic bekannten Zugehörigkeitsfunktionen zum Einsatz.
In der 3 ist eine rampenförmige Zugehörigkeitsfunktion F dargestellt,
die jeden Situationsmerkmalwert yi auf einen
Zugehörigkeitsgrad μyi abbildet.
Im Normalfall sollte sich der Zugehörigkeitsgrad μyi für ein Situationsmerkmal
M1, ..., Mn im Übergangsbereich
der Zugehörigkeitsfunktion
F, zwischen oberer Funktionsgrenze „1” und unterer Funktionsgrenze „0”, befinden.
Ist dies nicht der Fall, und das Funktionsmodell geht häufig und über ein
vordefiniertes Maß hinaus
in den Sättigungsbereich,
muss die Parametrisierung der Grenzen angepasst werden. Da die Zugehörigkeitsfunktion
F situations- bzw. manövertypische
(Situationsmerkmal-)Werte angibt (Werte zwischen „0” und „1”), ergibt
es sich, dass diese Werte in Abhängigkeit
vom Fahrstil eines Fahrers (defensiv, normal, sportlich, ...) als
auch in Abhängigkeit
von der Fahrzeugumgebung (Stadt, Land, Autobahn, ...) stark variieren
können.
Ein Fahrer mit einem sportlichen Fahrstil wird beispielsweise das Fahrmanöver „Fahrspurwechsel” unterschiedlich
zu einem vielleicht defensiv orientierten Fahrer durchführen, was
zur Folge hat, dass für
die unterschiedlichen Fahrer die situations- oder manövertypischen Zugehörigkeitswerte
einzelner Situationsmerkmale erheblich differieren können. Ähnlich ist
es bei der Bewertung der Fahrzeugumgebung, wo ein Fahrer in Abhängigkeit
von der Fahrzeugumgebung sein Fahrzeug deutlich unterschiedlich
bewegt – beispielsweise
wird ein Spurwechsel auf der Autobahn anders erfolgen als der in
der Stadt. Dies hat zur Folge, dass auch diesbezüglich die Charakteristik der
Zugehörigkeitsfunktion
anpassbar bzw. veränderbar
ausgestaltet werden sollte. Dies kann beispielsweise durch eine
Verschiebung der Zugehörigkeitsfunktion
entlang der Abszisse erfolgen (angedeutet durch Doppelpfeil).