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Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zum Betrieb eines Lenksystems in einem Fahrzeug nach dem Oberbegriff des Anspruches 1 und auf ein Steuergerät zum Durchführen eines solchen Verfahrens.
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In der gattungsbildenden
DE 196 01 826 A1 wird ein Lenksystem für ein Kraftfahrzeug beschrieben, bei dem der Fahrer über das Lenkrad einen Lenkwinkel vorgibt, der über die Lenksäule und ein Lenkgetriebe auf ein Lenkgestänge übertragen wird, so dass sich ein dem Lenkwinkel zugeordneter Radlenkwinkel an die lenkbaren Räder einstellt. Zusätzlich ist im Lenksystem ein Überlagerungsgetriebe angeordnet, über das dem vom Fahrer vorgegebenen Lenkwinkel fahrzustandsabhängig ein Überlagerungslenkwinkel überlagerbar ist. Üblicherweise umfassen derartige Lenksysteme auch ein Servounterstützungssystem, welches in das Lenkgetriebe eingreift und ein lenkkraftunterstützendes Moment erzeugt.
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Mithilfe des Überlagerungsgetriebes können in verschiedenen Fahrzuständen des Fahrzeugs Überlagerungslenkwinkel erzeugt werden, die sowohl Einfluss auf den Fahrkomfort als auch auf die Fahrdynamik des Fahrzeuges haben. Eine typische Fahrkomfortfunktion ist die Vorgabe eines geschwindigkeitsabhängigen Überlagerungslenkwinkels, indem bei niedrigeren Geschwindigkeiten größere und bei höheren Geschwindigkeiten nur kleinere Überlagerungslenkwinkel erzeugt werden, so dass Lenkeinschläge des Fahrers bei niedrigeren Geschwindigkeiten zu größeren Radlenkwinkeln führen als bei höheren Geschwindigkeiten. Eine weitere Komfortfunktion, die ggf. mit dem geschwindigkeitsabhängigen Lenkwinkeleingriff überlagert wird, liegt in der lenkwinkeleinschlagsabhängigen Erzeugung eines Überlagerungslenkwinkels. Hierbei werden im Bereich um die Mittellage der Lenkung nur verhältnismäßig geringe oder keine Überlagerungslenkwinkel zugelassen, wohingegen bei größerem Lenkeinschlag auch größere Überlagerungslenkwinkel erzeugt werden, was insgesamt zu einer progressiven Lenkübersetzung führt, die insbesondere beim Einparken Vorteile bringt.
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Auf der Fahrdynamikseite erlaubt die Erzeugung eines Überlagerungslenkwinkels Eingriffe in den aktuellen Fahrzustand des Fahrzeugs, und zwar sowohl im Hinblick auf die Längs- als auch die Querdynamik. Hierbei werden in einem Fahrdynamikregelsystem, beispielsweise in einem Gierratenregler, ein oder mehrere Aktoren im Fahrzeug beaufschlagt, um eine Fahrzeugstandsgröße in gewünschter Weise zu beeinflussen. Zu diesen Aktoren kann auch das Überlagerungsgetriebe gehören, das angesteuert werden kann, um einen entsprechenden Überlagerungslenkwinkel zu erzeugen.
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Ferner ist aus der
DE 10 2004 028 826 A1 ein Verfahren zum Betrieb eines Lenksystems bekannt, wobei das Lenksystem eine hydraulische Lenkkraftunterstützungseinrichtung in Form einer Hydraulikpumpe und ein Überlagerungsgetriebe umfasst, und wobei die Fördermenge der Hydraulikpumpe in Abhängigkeit einer geeigneten Fahrzeuggröße elektronisch steuerbar ist.
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Von diesem Stand der Technik ausgehend liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, ein gattungsgemäßes Lenksystem in einem Fahrzeug störungssicher zu betreiben.
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Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß mit den Merkmalen der Ansprüche 1 und 8 gelöst. Die Unteransprüche geben zweckmäßige Weiterbildungen an.
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Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren zum Betrieb eines Lenksystems in einem Fahrzeug werden im Falle einer Störung nur in bestimmten Fallgruppen Eingriffe des Überlagerungsgetriebes in das Lenksystem zugelassen. Man erhält dadurch ein aktives Lenksystem, bei dem ein Überlagerungslenkwinkel zu dem vom Fahrer vorgegebenen Lenkwinkel nur in begrenzten Fällen hinzuaddiert wird, sofern eine Störung in einem bestimmten Bauteil des Lenksystems diagnostiziert worden ist. Bei diesem Bauteil handelt es sich um die Servo- bzw. Lenkkraftunterstützungseinrichtung, mit deren Hilfe ein lenkunterstützendes Moment erzeugt und in das Lenksystem eingespeist wird. Sofern die Lenkkraftunterstützungseinrichtung nicht bzw. nicht voll funktionstüchtig ist, wird nur in den festgelegten Fällen ein Überlagerungslenkwinkel erzeugt. Damit wird der Situation Rechnung getragen, dass die Servounterstützung nicht mehr oder nicht mehr vollständig funktioniert, mit der Konsequenz, dass Dynamikeingriffe von Fahrzeugregelsystemen ignoriert werden.
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Hintergrund ist die Tatsache, dass ein Überlagerungslenkwinkel, der zu dem vom Fahrer vorgegebenen Lenkwinkel addiert wird, zu höheren Geschwindigkeiten eines Ritzels führt, mit dem die Lenkbewegung der Lenkstange auf das Lenkgetriebe übertragen wird, wobei die höhere Ritzelwinkelgeschwindigkeit auch einen entsprechend höheren Ausschlag der Lenkkraftunterstützungseinrichtung bedingt. Um im Falle einer Störung der reduzierten Leistungsfähigkeit der Lenkkraftunterstützungseinrichtung Rechnung zu tragen, werden Eingriffe des Überlagerungsgetriebes zweckmäßigerweise nur noch auf eine bestimmte Gruppe von Fallkonstellationen beschränkt, insbesondere auf Komfortfunktionen, wohingegen Eingriffe in das Überlagerungsgetriebe unterbleiben, die eine Veränderung längs- oder querdynamischer Fahrzustandsgrößen zur Folge haben. Der Fahrer wird daher trotz der Störung im Servosystem keine oder nur eine geringe Komforteinschränkung spüren, so dass auch keine Panik- oder Fehlreaktionen durch den Fahrer zu erwarten sind, die beim vollständigen Ausfall des Servosystems und einer damit einhergehenden Verhärtung des Lenksystems zu befürchten sind. Da die Komfortfunktionen der Aktivlenkung üblicherweise nur mit kleinen Gradienten verbunden sind, die im Vergleich zu rein passiven Lenksystemen nur eine verhältnismäßig geringe Änderung der Ritzelwinkelgeschwindigkeit zur Folge haben, ist trotz der aktivierten Komfortfunktion im Überlagerungsgetriebe kein oder kein nennenswert erhöhter Einsatz des Servo- bzw. Lenkkraftunterstützungssystems erforderlich.
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In bevorzugter Ausführung werden auch bei einer Störung der Lenkkraftunterstützungseinrichtung fahrzeuggeschwindigkeitsabhängige Überlagerungslenkwinkel zugelassen. Alternativ hierzu oder zusätzlich ist es auch möglich, lenkwinkelabhängige Überlagerungslenkwinkel zuzulassen. Es handelt sich in beiden Fällen um Komfortfunktionen, die keinen unmittelbaren Einfluss auf die Fahrdynamik haben und insbesondere auch nicht von einem Fahrzeugregelsystem beeinflusst werden. Bei fahrzeuggeschwindigkeitsabhängigen Überlagerungslenkwinkeln werden in der Regel bei niedrigeren Geschwindigkeiten größere und bei höheren Geschwindigkeiten kleinere Überlagerungslenkwinkel erzeugt, die zu dem vom Fahrer vorgegebenen Lenkwinkel addiert werden. Auf diese Weise wird bei höheren Geschwindigkeiten die Lenkempfindlichkeit verringert und bei niedrigeren Geschwindigkeiten verbessert.
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Bei lenkwinkelabhängigen Überlagerungslenkwinkeln wird dagegen im Bereich der Mittellage des Lenksystems nur ein geringer oder gar kein Überlagerungslenkwinkel vorgegeben, wohingegen bei höheren Lenkeinschlägen auch ein größerer Überlagerungslenkwinkel hinzuaddiert wird, wodurch insgesamt ein progressiv anwachsender Lenkwinkeleinschlag erreicht wird, der insbesondere das Einparken erleichtern soll. Diese Funktion kann auch mit der fahrzeuggeschwindigkeitsabhängigen Überlagerung eines Überlagerungslenkwinkels gekoppelt werden, indem der progressive Lenkeinschlag nur bei Geschwindigkeiten unterhalb einer Grenzgeschwindigkeit zugelassen bzw. als Funktion der Geschwindigkeit ausgeführt wird.
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Die Lenkkraftunterstützungseinrichtung ist insbesondere als hydraulisches System bzw. als elektrohydraulisches System ausgebildet und umfasst eine Hydraulikpumpe, deren benötigte Ölfördermenge von der aktuellen Ritzelwinkelgeschwindigkeit des an der Lenkstange im Übergang zum Lenkgetriebe angeordneten Ritzels abhängt. Diese Hydraulikpumpe ist vorzugsweise mit einer elektronischen Volumenstromregelung (Electronically Controlled Orifice - ECO), bei der aus Gründen der Energieeffizienz ein Ölvolumenstrom durch die Hydraulikpumpe nur dann gefördert wird, wenn tatsächlich eine Lenkkraftunterstützung benötigt wird. Wenn die elektronische Volumenstromregelung ausfällt, steht üblicherweise nicht mehr die gesamte Servounterstützung zur Verfügung. In diesen Fällen unterbleibt der Eingriff in das Überlagerungsgetriebe zur Veränderung einer längs- oder querdynamischen Fahrzustandsgröße, wohingegen vorteilhafterweise Komforteingriffe des Überlagerungsgetriebes nach wie vor zugelassen sind.
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Das erfindungsgemäße Verfahren lässt sich in allen aktiven Lenksystemen realisieren. Vorteilhafterweise kommuniziert das Lenksystem bzw. ein Regel- bzw. Steuergerät des Lenksystems mit weiteren Steuergeräten, die Bestandteil von Fahrzeugregelsystemen sind. Bei diesen Fahrzeugregelsystemen handelt es sich beispielsweise um einen Gierratenregler, der Teil eines elektronischen Stabilitätsprogramms (ESP) sein kann. Prinzipiell kommen aber alle Fahrzeugregelsysteme in Betracht, also beispielsweise ASR, ABS oder aktive Fahrwerksysteme.
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Weitere Vorteile und zweckmäßige Ausführungen sind den weiteren Ansprüchen, der Figurenbeschreibung und der Zeichnung zu entnehmen, in der ein aktives Lenksystem 1 dargestellt ist.
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Bei dem aktiven Lenksystem 1 wird vom Fahrer über die als Lenkrad ausgeführte Lenkhandhabe 2 ein Lenkwinkel δL vorgegeben, der über eine Lenksäule 3, ein Lenkgetriebe 6 und ein Lenkgestänge 7 auf die lenkbaren Räder 8, welche vorliegend Vorderräder sind, übertragen wird, in denen sich ein Radlenkwinkel δv einstellt. In die zweigeteilte Lenksäule 3 ist ein Überlagerungsgetriebe 4 integriert, das einen elektrischen Stellmotor 5 umfasst, bei dessen Betätigung ein Überlagerungslenkwinkel δM erzeugt wird, der dem vom Fahrer vorgegebenen Lenkwinkel δL überlagert wird, woraufhin sich additiv ein Gesamtlenkwinkel δL' einstellt, welcher dem Lenkgetriebe 6 als Lenkritzelwinkel zugeführt wird. Der Überlagerungslenkwinkel δM hängt von der Betätigung des Stellmotors 5 ab; ohne Betätigung des Stellmotors 5 wird auch kein Überlagerungslenkwinkel δM erzeugt, so dass lediglich der vom Fahrer erzeugte Lenkwinkel δL wirksam ist.
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Dem Lenkgetriebe 6 ist eine Servo- bzw. Lenkkraftunterstützungseinrichtung 9 zugeordnet, die eine Hydraulikpumpe P umfasst. Bei einer Betätigung der Lenkkraftunterstützungseinrichtung 9 wird ein unterstützendes Moment eingeleitet, so dass der Fahrer für den von ihm gewünschten Lenkwinkel ein geringeres Handmoment aufbringen muss.
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Die Hydraulikpumpe P in der Lenkkraftunterstützungseinrichtung 9 ist zweckmäßigerweise mit einer Volumenstromregelung ECO ausgestattet, die dafür sorgt, dass nur dann ein Ölvolumenstrom fließt, wenn auch tatsächlich ein unterstützendes Servomoment benötigt wird. Falls beispielsweise der Fahrer den Lenkeinschlag konstant hält, ist keine Lenkkraftunterstützung erforderlich und es muss dementsprechend von der Hydraulikpumpe P auch kein Volumenstrom gefördert werden.
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Für den Fall einer Störung der Volumenstromregelung werden erfindungsgemäß Eingriffe in das Überlagerungsgetriebe 4 und die damit einhergehende Erzeugung des Überlagerungslenkwinkels δM auf bestimmte, vorab festgelegte Fälle begrenzt. Es wird auf fahrdynamische Eingriffe über das Überlagerungsgetriebe 4 verzichtet, was dadurch realisiert wird, dass die Störung in der Volumenstromregelung einem Steuergerät eines Fahrdynamikregelsystems gemeldet wird, woraufhin in diesem Steuergerät keine Stellsignale an das Überlagerungsgetriebe 4 und den dort vorhandenen Stellmotor 5 zur Erzeugung des Überlagerungslenkwinkels δM mehr übermittelt werden. Bei diesem Fahrdynamikregelsystem handelt es sich beispielsweise um einen Gierratenregler, der innerhalb eines ESP-Systems realisiert werden kann.
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Dagegen können trotz der Störung in der Volumenstromregelung komfortbezogene Eingriffe des Überlagerungsgetriebes 4 in das Lenksystem 1 aufrechterhalten bleiben, beispielsweise die Vorgabe fahrzeuggeschwindigkeitsabhängiger Überlagerungslenkwinkel oder die Vorgabe lenkwinkelabhängiger Überlagerungslenkwinkel.