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Die
Erfindung betrifft die Steuerung einer Bremse deren Zuspannung mittels
elektrischer Signale geregelt werden kann, wobei sich die Erfindung insbesondere
auf eine selbstständige
Optimierung der Bremscharakteristik infolge von Veränderungen multisensorisch
erfasster Zustandsdaten der Bremse bezieht.
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Die
Verzögerung
eines Fahrzeugs wird üblicherweise
mittels Bremsen realisiert, bei denen ein oder mehrere Reibbeläge mit einer
bestimmten Normalkraft auf eine Bremsscheibe gedrückt werden. Meist
liegen sich jeweils zwei Reibbeläge
so gegenüber,
dass die Bremsscheibe zwischen ihnen gefasst werden kann. Die Reibbeläge sind
im Allgemeinen in einer Halterung, beispielsweise einem Bremssattel aufgenommen,
worin sie gegenüber
der Bremsscheibe mittels eines hydraulischen, pneumatischen, elektrohydraulischen,
-pneumatischen oder elektromechanischen Systems verstellt werden
können.
Das Andrücken
der Reibbeläge
(Bremsbeläge)
an die Bremsscheibe wird als Zuspannen bezeichnet, die beim Andrücken erzielte
Normalkraft als Zuspannkraft.
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Die
erzielte Bremskraft ergibt sich aus der Normalkraft, mit der die
Reibbeläge
auf die Bremsscheibe drücken,
sowie der Reibungszahl für
das von der Bremsscheibe und den Reibbelägen gebildete Stoffpaar. Durch
die Reibung wird kinetische Energie in Wärme umgewandelt, so dass sich
Bremsscheibe und Reibbeläge
während
des Bremsvorgangs aufheizen. Aufgrund der Temperaturabhängigkeit
der Reibungszahl ändert
sich daher bei konstant gehaltener Zuspannkraft die für die Verzögerung des
Fahrzeugs wirksame Bremskraft. Anders betrachtet, hängt die
mit einer bestimmten Zuspannkraft erzielte Bremskraft von der jeweils
aktuellen Temperatur von Bremsscheibe und Reibbelägen ab.
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Die
mit einer bestimmten Zuspannung, d. h. einem bestimmten zeitlichen
Verlauf der Zuspannkraft erzielbare Bremswirkung hängt jedoch
noch von vielen weiteren Parametern ab. Hier sind in erster Linie
das Verschleißen
von Bremsscheibe und Reibbelägen
zu nennen, das sich einerseits in einer Veränderung des Lüftspiels
(Verschiebeweg des Reibbelags von der Lösestellung bis zum Kontakt
mit der Bremsscheibe), andererseits aber auch in einer Veränderung
der Härte
der Reibbeläge,
z. B. hervorgerufen durch fortschreitende Verglasung, oder auch anderen
Veränderungen,
wie zum Beispiel einer Veränderung
in der Oberflächenrauhigkeit
der Bremsscheibe, ausdrücken
kann.
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Neben
diesen internen Parametern, die sich aus der Konstruktion und Alterung
einer Bremse selbst ergeben, wird die Bremswirkung, d. h. die erzielte
Verzögerung
des Fahrzeugs, darüber
hinaus auch von äußeren Faktoren
bzw. Parametern beeinflusst, wie z. B. von Feuchtigkeit oder Regenwasser an
den Bremsscheiben oder dem, vom Zustand der Fahrbahn und der Reifen
bestimmten Reibwert zwischen Reifen und Fahrbahnoberfläche.
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In
der Bremsvorrichtung können
ferner während
des Bremsvorgangs Schwingungen auftreten, die zu einer unangenehmen,
den Komfort des Fahrzeugs beeinträchtigenden Geräuschbildung
führen. Ursache
der Schwingungen können
unter Anderem eine sich lokal verändernde Oberflächenbeschaffenheit
der Bremsscheiben, eingedrungene Fremdkörper oder Resonanzen der Bremsvorrichtung
selbst sein. Aber auch eingedrungene Fremdkörper oder Resonanzen der Bremsvorrichtung
selbst können Schwingungen
im akustischen oder fühlbaren
Bereich verursachen.
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Die,
die Bremswirkung beeinflussenden externen wie internen Parameter,
sowie die Geräuschentwicklung
einer Bremse können
in der Regel über geeignete
Sensoren erfasst werden. Auf der Grundlage der mittels der Sensoren
erhaltenen Daten könnte
dann die Zuspannung so angepasst werden, dass z. B. Einflüsse wie
Nässe an
der Bremsscheibe oder Verschleiß von
Reibbelägen kompensiert,
ein Überhitzen
der Bremse vermieden, oder die Geräuschentwicklung der Bremse
minimiert wird.
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Hierzu
muss ein multisensorisches Eingangssignal in ein oder mehrere Ausgangssignale transformiert
werden, wobei, wie in folgendem Beispiel veranschaulicht wird, oftmals
kein feststehender analytischer Zusammenhang zwischen den Eingangssignalen
und den Ausgangssignalen besteht. Beispielsweise kann das Quietschen
einer Bremse von lokalen Änderungen
der Bremsscheibendicke oder deren Oberflächenrauhigkeit herrühren. Das Quietschgeräusch kann
in diesem Fall durch eine an die lokalen Veränderungen angepasste Modulation der
Zuspannkraft verringert werden. Rührt das Quietschen jedoch von
einem, in den Raum zwischen Reibbelag und Bremsscheibe eingedrungenen Fremdkörper her,
so wird diese Modulation zu keinem Erfolg führen. Vielmehr muss der Fremdkörper entfernt
werden, wozu eine Vielzahl unterschiedlicher Zuspannstrategien verfolgt
werden können,
deren Erfolgsaussichten unter Anderem von der Konsistenz des Fremdkörpers, seiner
Klemmkraft und der Tiefe seines Eindringens abhängen. Besteht keine Aussicht,
den Fremdkörper
mittels einer Zuspannstrategie zu entfernen, wäre dem Fahrzeugführer die
Notwendigkeit eines Werkstattbesuchs anzuzeigen. Obwohl sich in
beiden der beschriebenen Fälle
die Sensordaten ähneln,
können
aufgrund der unterschiedlichen Ursachen dennoch höchst unterschiedliche
Signale zur Ansteuerung der Bremse gefordert sein.
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In
diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass in dieser Schrift
nicht wie im deutschen Sprachgebrauch üblich zwischen den Begriffen
Steuern und Regeln sowie Steuerung und Regelung und deren jeweiligen
grammatikalischen Abwandlungen unterschieden wird. Stattdessen werden diese
Begriffe, sofern im Einzelfall nicht explizit anders angegeben,
synonym verwendet, da bei den in der Praxis vorhandenen komplexen
Ansteuerungen Regelung und Steuerung im klassischen Sinne meist kombiniert,
und damit begrifflich nicht mehr trennbar, eingesetzt werden.
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Aufgrund
der Vielzahl der Einflüsse,
die das Verhalten einer Bremse beeinflussen sowie der enormen Schwierigkeit
der Identifizierung dieser Einflüsse
allein auf Grundlage der Sensordaten bzw. Sensorsignale, ist eine
Regelung mit einem feststehenden Prozess zur Umsetzung der Sensorsignale
bzw. -daten in Ansteuersignale einerseits sehr aufwändig, andererseits
dennoch oft nicht in der Lage, auf bestimmte Einflüsse erfolgreich
zu reagieren.
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Es
ist daher Aufgabe der vorliegenden Erfindung, für eine Bremse, deren Zuspannung
mittels elektrischer Signale geregelt werden kann, eine Ansteuerung
anzugeben, deren Regel- bzw.
Steuerverhalten sich selbstständig
an eine veränderte
Betriebsbedingung der Bremse anpassen kann.
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Die
Aufgabe wird gemäß den unabhängigen Ansprüchen der
Erfindung gelöst.
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Die
Erfindung umfasst eine Vorrichtung zur Steuerung des Zuspannens
einer elektrisch ansteuerbaren Bremse mit zumindest zwei Sensoren,
von denen jeder zur Umwandlung einer bestimmten physikalischen Messgröße in ein
elektrisches Signal ausgebildet ist, und einer Signalverarbeitungseinrichtung,
die zum Erhalt der elektrischen Signale von den zumindest zwei Sensoren
und zum Erzeugen eines oder mehrerer Ausgangssignale auf der Grundlage der
von den Sensoren erhaltenen elektrischen Signale ausgebildet ist,
wobei die Ausgangssignale der Signalverarbeitungseinrichtung als
Steuersignale zur Steuerung des Zuspannens der elektrisch ansteuerbaren
Bremse ausgebildet sind. Die Signalverarbeitungseinrichtung ist
dabei zur Signalverarbeitung auf der Grundlage eines Verfahrens
der Computational Intelligence ausgebildet.
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In
diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass die in dieser
Beschreibung und den Ansprüchen
zur Aufzählung
von Merkmalen verwendeten Begriffe "mit", "umfassen", "aufweisen" und "beinhalten", sowie deren grammatikalische
Abwandlungen, generell das Vorhandensein von Merkmalen, wie z. B.
Verfah rensschritten, Einrichtungen, Bereichen, Größen und
dergleichen mehr angeben, jedoch in keiner Weise das Vorhandensein
anderer oder zusätzlicher
Merkmale oder Gruppierungen von anderen oder zusätzlichen Merkmalen ausschließen.
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Die
Erfindung umfasst ferner eine Bremsanlage, die wenigstens eine elektrisch
ansteuerbare Bremse mit einer der oben angegeben Vorrichtung zur
Steuerung des Zuspannens der elektrisch ansteuerbaren Bremse aufweist.
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Die
Erfindung gestattet auf vorteilhafte Weise das Einstellen einer
Bremsensteuerung im Rahmen eines Trainings unter Zuhilfenahme von
Lernregeln sowie die automatische Optimierung des Bremsverhaltens
in Anpassung an Umgebungsbedingungen. Damit kann Schwingungen oder
Geräuschbildungen
an der Bremse vorgebeugt und eine Überdimensionierung der Bremse
vermieden werden.
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Die
Erfindung wird in ihren abhängigen
Ansprüchen
weitergebildet.
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Um
das Steuerungsverhalten im Rahmen eines Lernprozesses ausbilden
zu können,
ist die Signalverarbeitungseinrichtung in einer bevorzugten Ausführungsform
als künstliches
neuronales Netzwerk ausgebildet.
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Zum
Messen der den Betrieb einer Bremse beeinflussenden Parameter ist
wenigstens einer der zumindest zwei Sensoren zur Wandlung einer
Temperatur in ein, die Temperatur repräsentierendes elektrisches Signal
und/oder zur Wandlung von Schall in ein, den Schalldruck repräsentierendes elektrisches
Signal und/oder zur Wandlung einer Drehzahl in ein, die Drehzahl
repräsentierendes
elektrisches Signal und/oder zum Erfassen eines Drucks und zum Erzeugen
eines, den Druck repräsentierenden
elektrischen Signals ausgebildet. Hiermit lassen sich insbesondere
Bremstemperatur, Geräuschentwicklung,
Reifendrehung und -fülldruck
erfassen.
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Zweckmäßigerweise
kann wenigstens einer der zumindest zwei Sensoren zum Erfassen einer Position
und zum Erzeugen eines, die Position repräsentierenden elektrischen Signals
und/oder einer Distanz und zum Erzeugen eines, die Distanz repräsentierenden
elektrischen Signals ausgebildet sein, sodass insbesondere verkehrsrelevante
Daten und/oder Betriebsstellung von Eingabeeinrichtungen für einen
Fahrzeugführer
erfasst werden können.
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Da
viele Eingangsgrößen nur
in Form elektrischer Signale vorliegen, ist wenigstens einer der
zumindest zwei Sensoren zweckmäßig zur
Messung eines Stroms und zum Erzeugen eines, den Strom repräsentierenden
elektrischen Signals und/oder zur Messung einer elektrischen Spannung
und zum Erzeugen eines, die elektrische Spannung repräsentierenden
elektrischen Signals ausgebildet.
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Um
auch fahrdynamische Parameter in die Bremssteuerung mit einbeziehen
zu können,
ist in einer vorteilhaften Weiterentwicklung der Erfindung wenigstens
einer der zumindest zwei Sensoren zur Wandlung einer Kraft in ein
die Kraft repräsentierendes
elektrisches Signal und/oder zur Messung einer Beschleunigung und
zum Erzeugen eines, die Beschleunigung repräsentierenden elektrischen Signals und/oder
zur Messung einer Geschwindigkeit in ein die Geschwindigkeit repräsentierendes
elektrisches Signal ausgebildet.
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Da
der Bremswunsch eines Fahrzeugführers einen
wesentlichen Einfluss auf die erforderliche Zuspannkraft der Bremse
hat, ist wenigstens einer der zumindest zwei Sensoren zur Messung
einer Veränderung
an einer Eingabeeinrichtung für
eine Bremsvorgabe und zum Erzeugen eines, die Veränderung repräsentierenden
elektrischen Signals ausgebildet.
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Für eine Anpassung
der Zuspannkraft an die aktuellen Betriebsparameter der Bremse ist
die Signalverarbeitungseinrichtung bevorzugt zum Erkennen des Kontaktpunkts
von Reibbelag und Bremsscheibe und einer entsprechenden Anpassung
des Zustellwegs des Reibbelags und/oder zur Steuerung des zeitlichen
Verlaufs des Zuspannens, wobei die Steuerung des zeitlichen Verlaufs
des Zuspannens vorzugsweise die Steuerung des Gradienten der Zuspannkraft
umfasst, ausgebildet. Ferner ist die Signalverarbeitungseinrichtung
zur Steuerung der maximalen Zuspannkraft ausgebildet, wobei die
Signalverarbeitungseinrichtung weiterhin vorteilhaft zur Steuerung
der Regelabweichung der maximalen Zuspannkraft ausgebildet ist.
Die Signalverarbeitungseinrichtung kann ferner auch zur Regelung
eines Bremsdrucks, einer Einstellung eines Bremsaktors, einer Keilposition
bei einer elektromechanischen Keilbremse oder dergleichen mehr ausgebildet
sein. In einer vorteilhaften Weiterentwicklung ist die Signalverarbeitungseinrichtung
zur Steuerung der Frequenz einer Variation der Zuspannkraft ausgebildet, womit
z. B. eventuell auftretende Resonanzen umgangen werden können.
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Die
Signalverarbeitungseinrichtung ist ferner vorteilhaft dazu ausgebildet,
das Erzeugen des einen oder der mehreren Ausgangssignale auf der
Grundlage der von den Sensoren erhaltenen elektrischen Signale im
Rahmen eines Kalibrierungsvorgangs unter Verwendung von Lernregeln
auszubilden, so dass auch ohne explizite Kenntnis systematischer
Zusammenhänge
eine funktionssichere Bremsensteuerung erzielt werden kann. Zur
Anpassung an veränderte Verhältnisse
kann das Erzeugen des einen oder der mehreren Ausgangssignale vorteilhaft
auf der Grundlage eines Kalibrierungsvorgangs während einer Fahrt eines die
Bremse aufweisenden Kraftfahrzeugs erfolgen.
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Weitere
Merkmale der Erfindung ergeben sich aus der folgenden Beschreibung
erfindungsgemäßer Ausführungsbeispiele
in Verbindung mit den Ansprüchen
sowie den Figuren. Die einzelnen Merkmale können bei einer Ausführungsform
gemäß der Erfindung
je für
sich oder zu mehreren verwirklicht sein. Bei der nachfolgenden Erläuterung
einiger Ausführungsbeispiele
der Erfindung wird auf die beiliegenden Figuren Bezug genommen,
von denen
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1 eine
multisensorische Steuerung einer elektrisch steuerbaren Bremse in
einem schematisierten Schaltbild veranschaulicht,
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2 den
Aufbau eines neuronalen Netzwerks zur Verarbeitung eines multisensorischen
Eingangs in mehrere Ausgangssignale darstellt, und
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3 den
zeitlichen Verlauf der Zuspannkraft einer elektrisch steuerbaren
Bremse zeigt.
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1 zeigt
ein Beispiel einer multisensorischen Steuerung 10 einer
elektrisch steuerbaren Bremse 5. Die multisensorische Steuerung 10 umfasst
mehrere Sensoren 2, 3 und 4, deren Signalausgänge mit
den Eingängen
einer, als künstliches
neuronales Netzwerk mit einer Feed-Forward-Struktur ausgebildeten
Signalverarbeitungseinrichtung 1 verbunden sind. Der Ausgang
der Signalverarbeitungseinrichtung 1 ist mit einem Steuereingang
der elektrisch steuerbaren Bremse 5 verbunden. Die Signalverarbeitungseinrichtung 1 dient
zur Steuerung der Zuspannkraft der Bremse 5. Sie kann als
selbständige
Einrichtung oder als Teil einer, weitere Funktionen der Bremse 5 steuernden
Bremsensteuervorrichtung ausgebildet sein.
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Das
neuronale Netzwerk der Signalverarbeitungseinrichtung 1 ist
durch n Eingabeneuronen (im Beispiel der 1 die Neuronen
E1, E2, E3 und E4) und m Ausgabeneuronen (im Beispiel der 1 das Neuron
Ex) definiert. Dazwischen kann mindestens eine Schicht von verdeckten
Neuronen angeordnet sein. Der Eingang des künstlichen neuronalen Netzwerks
wird von mehreren Sensoren gespeist, deren Ausgangssignale so den
Eingabevektor des neuronalen Netzwerks bilden.
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Um
den durch eine Vielzahl unterschiedlicher Parameter bestimmten Betriebszustand
einer Bremse zu erfassen zu können,
müssen
die Sensoren zum Erfassen unterschiedlicher physikalischer Messgrößen ausgebildet
sein. Wichtige, mit Sensoren erfassbare Betriebsparameter stellen
z. B. die Temperatur der Bremse, der von der Bremse erzeugten Schall
bzw. Schalldruck, das bei einer bestimmten Zuspannkraft Bremsmoment
erzielte Bremsmoment, die Zuspannkraft selbst, die Drehzahl des
abgebremsten bzw. abzubremsenden Rades, die Zustellposition bzw.
das Lüftspiel
der Bremse, der Aktivierungsstrom bei elektromechanischen Bremsen, oder
der zeitliche Verlauf einer Zustellbewegung dar.
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Weitere
mit Sensoren erfassbare Parameter, die unter anderem den Betriebszustand
bzw. die Betriebsweise einer Bremse beeinflussen können, sind zum
Beispiel die Charakteristik einer Bremsanweisung wie beispielsweise
die Art der Betätigung
eines Bremspedals, die Geschwindigkeit des Fahrzeugs und der Abstand
zum vorausfahrenden Fahrzeug, oder auch der Reibwert zwischen Reifen
und Fahrbahn, sowie der Reifenfülldruck.
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Die
einzelnen Sensoren können
dabei jeweils nur für
das Erfassen einer einzelnen bestimmten physikalischen Messgröße aber
auch für
das Erfassen multipler physikalischer Messgrößen ausgebildet sein. Insbesondere
Beschleunigungssensoren gestatten das Erfassen einer Beschleunigung
in drei Raumrichtungen, sodass ein entsprechender Sensor drei voneinander
unabhängige
Ausgangssignale liefert. Ein entsprechender, in der 1 von
den Sensoren 2 und 4 symbolisierter Sensor wird
im Folgenden als multipler Sensor bezeichnet.
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Um
eine übersichtliche
Darstellung zu gewährleisten,
sind in der 1 beispielhaft drei Sensoren
zum Erfassen von Betriebsparametern der Bremse 5 dargestellt.
In der Praxis richtet sich die Anzahl der erforderlichen Sensoren
nach der Anzahl der Parameter, die einen wesentlichen Einfluss auf
das Betriebsverhalten der Bremse besitzen. Die für eine multisensorische Steuerung 10 einer
elektrisch steuerbaren Bremse erforderliche Anzahl von Sensoren ist
daher nicht auf die drei des Beispiels von 1 beschränkt.
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Insbesondere
bei mehreren Sensoren zeigen sich die Vorteile einer auf einem künstlichen
neuronalen Netzwerk aufgebauten Bremsensteuerung, da hier im Allgemeinen
kein expliziter, analytischer Zusammenhang zwischen den diversen
Sensorsignalkombinationen und den erforderlichen Reaktionen der
Bremsensteuerung vorliegt. Die Verarbeitung des Eingabevektors,
d. h. der Gesamtheit der am Eingang des künstlichen neuronalen Netwerks
anliegenden Sensorausgangssignale, in als Steuersignale für die Bremse
dienende Ausgangssignale, kann bei einem künstlichen neuronalen Netzwerk
durch Trainieren erlernt werden. Unter Trainieren wird hierbei ein Verfahren
verstanden, bei dem die Gewichtungen der Signaleingänge an den
einzelnen künstlichen Neuronen
und deren Schwellwerte solange verändert werden, bis das künstliche
Netwerk für
einen vorgegebenen Satz von Eingabevektoren den erwünschten
Satz von Ausgabevektoren erzeugt. Das Training des künstlichen
neuronalen Netzwerks erfolgt dabei nach bestimmten Lernregeln, bei
denen der für
einen jeweiligen Eingabevektor erzeugte Ausgangsvektor mit dem erwünschten
Ausgangsvektor verglichen und die Neuronengewichte und -schwellwerte
so verändert
werden, dass sich die Unterschiede zwischen den erzeugten und den
erwünschten Ausgangsvektoren
minimieren.
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Dies
ist in dem in der 2 schematisch veranschaulichten
Beispiel illustriert, bei dem die Ausgänge von sechs Sensoren S1,
S2, S3, S4, S5 und S6 an die Eingänge von fünf Eingangsneuronen A, B, C,
D und E geleitet werden. Die Verknüpfung der Sensoren mit den
Eingangsneuronen ist, wie auch die Verknüpfung zwischen den Eingangsneuronen mit
den Neuronen der verdeckten Zwischenschicht und die Verknüpfung der
Neuronen der verdeckten Zwischenschicht mit den Ausgangsneuronen,
in der 2 symbolisch vereinfacht für eine Verknüpfung eines
Sensors bzw. Neurons einer unteren Schicht mit jedem Neuron einer
darüber
liegenden Schicht dargestellt.
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Zur
Signalverarbeitung werden die Messdaten bzw. Messsignale der Sensoren
S1 bis S6 in jedem der einzelnen künstlichen Neuronen A bis E
der Eingangsschicht gewichtet und die Summe der gewichteten Eingänge mit
der Schwellwertfunktion behandelt. Der so erzeugte Ausgangswert
des jeweiligen künstlichen Neurons
wird dann an jedes der Neuronen der verdeckten Zwischenschicht A', B', C' und D' geleitet. Jedes
Neuron dieser Schicht erhält damit
von jedem Neuron der darunter liegenden Eingangsschicht ein Signal.
Die am jeweiligen Neuron eingehenden Signale werden wiederum gewichtet, addiert
und die Summe mit einer Schwellwertfunktion verglichen. Das resultierende
Ausgangssignal wird schließlich
wieder an jedes der darüber
liegenden Ausgangsneuronen A'', B'' und C'' geleitet,
von denen jedes wiederum eine Gewichtung der eingehenden Signale,
gefolgt von einer Addition und einem Schwellwertvergleich vornimmt.
Bei der in der 2 dargestellten Anordnung ist
die Anzahl der Eingangsneuronen geringer als die der Sensoren und
die Anzahl der künstlichen
Neuronen nimmt bei jeder höheren
Schicht ab. Dadurch wird eine Zuspitzung der Messwertverarbeitung
erreicht, die aus einer Vielzahl von Messwerten eine geringere Zahl
an Steuersignalen erzeugt. Es sei darauf hingewiesen, das ein für die Signalverarbeitungseinrichtung 1 verwendetes neuronales
Netzwerk mehrere als verdeckte Schichten ausgebildete Verarbeitungsschichten
aufweisen kann.
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Während des
auch als Kalibrierung bezeichneten Trainings werden bestimmte Sensorwerte
erzeugt. Hierzu ist das Vorhandensein der Sensoren S1 bis S6 nicht
erforderlich. Stattdessen dann der Eingang des neuronalen Netzwerks,
d. h. die Gesamtheit der Eingänge
der Eingangsneuronen mit entsprechenden Signalen aus einem Prüfgerät versorgt
werden. Für
jeden 6-dimensionalen
Eingangsvektor (6 bestimmte Eingangswerte) erzeugt das künstliche
neuronale Netzwerk von 2 einen 3-dimensionalen Ausgangsvektor. Jeder
der drei Werte des Ausgangsvektors bedeutet eine bestimmte Steuer-
bzw. Regelgröße zur Steuerung
der Zuspannkraft der Bremse. Aus der Abweichung des Ausgangsvektors
von dem Zielvektor, d. h. den Steuersignalen, die bei den angelegten
Eingangssignalen hätten
erreicht werden sollen, wird nun über bestimmte Lernregeln eine
Anpassung der Gewichtungen und der Schwellwertfunktionen in den
einzelnen Neuronen vorgenommen.
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Dieses
Lern- bzw. Kalibrierverfahren kann beispielsweise in Form eines überwachten
Lernens erfolgen, bei dem das Bremsverhalten z. B. mit einer Reihe
von Testpersonen geprüft
und an ein Sollverhalten angepasst wird. Hierbei wird die multisensorisch
gesteuerte Bremse 10 in unterschiedlichen Fahrzeugumgebungen
auf unterschiedliche Weise betätigt,
um entsprechende Musterdaten zu erlernen. Das System 10 kann
dabei auf Teststrecken oder auf einem Rollenprüfstand kalibriert werden. Auch
der Einsatz von Fahrsimulatoren, in denen abgespeicherte Fahr- bzw.
Bremsbetätigungsprofile
durchlaufen werden, ist möglich.
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Statt
einem neuronalen Netzwerk können auch
andere auf einem Verfahren der Computational Intelligence beruhende
Steuerungssysteme verwendet werden. Unter dem Begriff der Computational
Intelligence werden drei biologisch motivierte Techniken der Informationsverarbeitung
zusammengefasst: die bereits behandelten künstlichen neuronalen Netwerke,
evolutionäre
Algorithmen, wie z. B. genetische Algorithmen, und Fuzzy-Systeme.
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Bei
Fuzzy-Systemen werden die Sensordaten mittels Zugehörigkeitsfunktionen
in eine Situationseinschätzung überführt, aus
der mittels einer Regelbasis Schlussfolgerungen ermittelt werden.
Letztere werden wieder in konkrete Handlungsanweisungen, d. h. Steuersignale überführt. Fuzzy-Systeme eignen
sich hierdurch für
die Lösung
nichtlinearer Problemstellungen.
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Unter
dem Begriff der evolutionären
Algorithmen werden Optimierungsverfahren verstanden, bei denen Optimierungsregeln
verwendet werden, die sich an Prinzipien der Evolution orientieren.
Da sie kein Problemwissen erfordern, eigenen sie sich für die Ermittlung
von meist mehreren parallelen Lösungen
für nichtlineare
und sogar für
diskontinuierliche Probleme.
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Aufgrund
ihrer Lernfähigkeit
ermöglichen Steuerungssysteme
mit einer auf Techniken der Computational Intelligence beru henden
Signalverarbeitung eine komplexe Steuerung der Zuspannung einer
Bremse bei geringem technischen Aufwand. Insbesondere ist im Gegensatz
zu "klassischen" Steuerungen eine
flexible Steuerung der Bremse auch dann gegeben, wenn kein analytischer
Zusammenhang zwischen den Eingangssignalen der Steuerung und den
daraus abgeleiteten Steuersignalen feststellbar ist.
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Während des
Lern- bzw. Kalibriervorgangs einer auf Computational Intelligence
beruhenden Steuerung (CI-Steuerung) werden verschiedene Bremsvorgänge mit
unterschiedlichen Bremszuständen
durchlaufen, und bezüglich
bestimmter Anforderungen klassifiziert. Beispielsweise können Bremssituationen,
d. h. Bremsvorgänge
bei bestimmten Bremszuständen,
bezüglich
ihrer Geräusch-
oder Schwingungsentwicklung in Gut- und Schlechtsituationen eingeteilt
werden. Die CI-Steuerung wird nun so trainiert, dass sie bei bestimmten
Bremszuständen, bei
denen eine aktuelle Bremsanforderung bzw. -anweisung zu einer Schlechtsituation
führen
könnte,
die Bremsanweisung so modifiziert, dass eine Gutsituation erzielt
wird.
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Störungen,
wie z. B. ein Auftreten von fühlbaren
oder akustisch hörbaren
Schwingungen, werden dabei im Allgemeinen als eine, eine Schlechtsituation begründende Beeinträchtigung
behandelt. Das Auftreten von Störungen
kann zumindest während
des Lernvorgangs der CI-Steuerung automatisch während des Fahrbetriebs festgestellt
werden. Die Feststellung kann sich hierbei auf die Auswertung von Messungen
mit Verfahren wie z. B. der Fourieranalyse stützen. Die Beurteilung von Zuständen der
Bremse als Störung
kann aber auch werkseitig durch Entwickler oder Testfahrer erfolgen.
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Auf
diese Weise kann mit geringem Aufwand eine komplexe Steuerung der
Zuspannkraft erreicht werden, die mit "klassischen", analytische Zusammenhänge widerspiegelnden,
Steuer- und Regelungstechniken
nicht, oder nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand
erzielt werden könnte.
Darüber
hinaus ist bei einer Steuerung, die ein Verfahren der Computational
Intelli gence umsetzt, im Gegensatz zu "klassischen" Steuerungen trotz der Kalibrierung im
Zuge des Trainierens kein feststehender Zusammenhang zwischen Eingangs-
und Ausgangsvektoren gegeben. Vielmehr ist die mit einem Verfahren der
Computational Intelligence realisierte Steuerung in der Lage auf
neue oder veränderte
Eingangsdaten, beispielsweise aufgrund der Abnutzung der Bremsbeläge, sinnvoll
zu reagieren und eine Anpassung der Kalibrierung in kürzester
Zeit selbsttätig
vornehmen. Vorteilhaft ist auch die enorme Fehlertoleranz einer
CI-Steuerung gegenüber
Hardwareausfällen, wie
beispielsweise dem Ausfall eines Sensors oder der Fehlfunktion eines
Neurons, wodurch die Betriebssicherheit einer Bremse gegenüber einer
konventionell gesteuerten Bremse enorm verbessert wird.
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In
der 3 ist der zeitliche Verlauf 20 der Zuspannkraft
einer elektrisch steuerbaren Bremse dargestellt. Das Zuspannen der
Bremse beginnt zum Zeitpunkt 0. bedingt durch das Lüftspiel
der Bremse, d. h. dem Abstand zwischen Reibbelag und Bremsscheibe
bei gelöster
Bremse, wird auf die die Bremsscheibe erst ab Überwindung dieses Abstands
zum Zeitpunkt t0 eine Normalkraft FZ ausgeübt.
Diese als Zuspannkraft bezeichnete Normalkraft wird bei weiterem
Zuspannen bis zu einem Maximalwert FZmax erhöht, der
oberhalb des bei t1 überschrittenen Sollwerts der
Zuspannkraft FZsoll liegt. Danach nimmt
die Zuspannkraft bis zum minimalen Druckpunkt mit FZmin ab
um dann wieder bis zu einem weiteren, aber geringerem lokalen Maximum
anzusteigen und so fort. Das Einschwingen der Zuspannkraft auf den
Sollwert FZsoll erfolgt in etwa mit der
Regelfrequenz f = (1/(t3-t2)).
Auch andere zeitliche Verläufe
der Zuspannkraft sind möglich,
beispielsweise solche, bei denen kein Überschwingen auftritt, sodass
die Kurve 40 den Sollwert FZsoll nie überschreitet.
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Mittels
der oben erläuterten
CI-Steuerung 1 können
folgende Charakteristika eines Zuspannvorgangs gesteuert werden:
Kontaktpunkt, Steilheit des Druckgradienten, maximaler und minimaler
Druckpunkt und die Regelfrequenz f. Die diesen Charakteristika entsprechenden
Kenwerte werden durch die Ausgangs signale des, die Signalverarbeitungseinrichtung 1 bildenden,
neuronalen Netzwerks gesteuert.
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Der
Kontaktpunkt kann über
die zeitliche Verzögerung
(t0) des Zuspannens bestimmt werden. Aus der
Position des Kontaktpunkts verglichen mit dem Zustellweg kann z.
B. der Belagverschleiß ermittelt und über die
von einem künstlichen
neuronalen Netzwerk gebildete Signalverarbeitungseinrichtung 1 ein geeignetes
automatisches Nachstellen der Reibbeläge entsprechend der augenblicklichen
Abnutzung der Reibbeläge
erfolgen.
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Durch
Variation der Steilheit des Druckgradienten zu Beginn des Zuspannens
lässt sich
die Zeitspanne des erstmaligen Erreichens des Sollwerts der Zuspannkraft
FZsoll beeinflussen. Je steiler der Druckgradient
gewählt
wird, desto früher
kann die Zuspannkraft FZ den Soll-Wert FZsoll erreichen bzw. bei einem wie gezeigten Überschwingen überschreiten.
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Der
maximale Druckpunkt mit einem Wert von FZmax > FZsoll tritt
insbesondere bei einem Überschwingen
der Bremskraftregelung im Zuge des Einschwingens auf die Sollbremskraft
und kann über
das Trainieren des neuronalen Netzwerks optimiert werden. Analog
zum maximalen Druckpunkt kann auch die Regelabweichung hinsichtlich
des minimalen Druckpunkts optimiert werden.
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Die
Steuerung der Zuspannkraft stellt nur eines der möglichen
Einsatzgebiete der Signalverarbeitungseinrichtung 1 dar.
Statt direkt auf die Zuspannkraft einzuwirken, kann die Signalverarbeitungseinrichtung 1 auch
auf die Regelung des Bremsdrucks z. B. bei einer hydraulischen Bremse einwirken,
oder auf die Keilposition bzw. die Einstellung eines Bremsaktors
einer elektromechanischen Keilbremse.
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Des
Weiteren kann auch die Frequenz f über die beispielsweise als
neuronales Netzwerk ausgebildete CI-Steuerung optimiert werden,
vor allem im Hinblick auf Resonanzfrequenzen. Dies ist insbesondere
dann wesentlich, wenn die Regelfrequenz f in den Resonanzbereich
von Teilen der Bremse oder auch des Fahr zeugs selbst fällt. Bei
einer elektromechanischen Bremse kann die Frequenz beispielsweise über die
Ansteuerung des Aktuators beeinflusst werden. Insbesondere können die
Steuerung der Zuspannkraftvariation zur Minimierung von Bremsgeräuschen genutzt
werden, indem zur Kompensation der Schallwellen der Aktuator zur
Erregung gegenphasiger Schwingungen angeregt wird. Mithilfe der trainierten
Kalibrierung des neuronalen Netzwerks kann so eine Verbesserung
des NVH-Verhaltens (von: Noise, Vibration, Harshness) erreicht werden.
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Die
beschriebene Vorrichtung zur Steuerung des Zuspannens einer elektrisch
ansteuerbaren Bremse kann vorzugsweise in einer Bremsanlage für Kraftfahrzeuge
verwendet werden.
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- 1
- Signalverarbeitungseinrichtung
- 2
- Sensor
- 3
- Sensor
- 4
- Sensor
- 5
- Bremse
- 10
- multisensorischen
Steuerung
- 20
- zeitlicher
Verlauf der Zuspannkraft
- E1
- Eingangsneuron
- E2
- Eingangsneuron
- E3
- Eingangsneuron
- E4
- Eingangsneuron
- Ex
- Ausgangsneuron
- S1
bis S6
- Sensoren
- A,
B, C, D, E
- Eingangsneuronen
- A', B', C', D'
- Neuronen
der verborgenen Verarbeitungsschicht
- A'', B'', C''
- Ausgangsneuronen
- FZmax
- maximale
Zuspannkraft
- FZsoll
- Sollwert
der Zuspannkraft
- FZmin
- minimale
Zuspannkraft