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HINTERGRUND DER ERFINDUNG
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Die
vorliegende Erfindung betrifft hochattenuierte Tierpockenviren,
daraus hergestellte Paramunitätsinducer
und Vektor-Vakzinen auf der Basis von hochattenuierten Tierpockenvirusstämmen. Die
erfindungsgemäßen hochattenuierten
Tierpockenviren besitzen durch den Prozess der Hochattenuierung
keinerlei virulente und immunisierende Eigenschaften. Ein weiterer
Aspekt der Erfindung betrifft Verfahren zur Herstellung von solchen
hochattenuierten Tierpockenvirusstämmen und deren Verwendung als
Paramunitätsinducer
zur Induktion von Paramunität,
d. h. zur Aktivierung des unspezifischen (paraspezifischen) Immunsystems
bei Mensch und Tier oder als Vektor-Vakzine zur Immunisierung eines
Säugetiers
oder Menschen. Die erfindungsgemäßen hochattennierten
Tierpockenviren eignen sich ferner zur Prophylaxe und Behandlung
von multifaktoriellen, meist chronischen Erkrankungen. Bevorzugte
Ausführungsformen
der Erfindung betreffen aus infizierten Tieren isolierte und durch
Serienpassagen hochattenuierte Tierpockenvirusstämme sämtlicher Genera der Familie
Poxviridae. Die erfindungsgemäßen Tierpockenstämme besitzen
hervorragende paramunisierende Eigenschaften, wobei die virulenten
und immunisierenden Eigenschaften durch das erfindungsgemäße Verfahren
zur Hochattenuierung verloren gegangen sind.
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Das
körpereigene
Immunsystem von Säugetieren
lässt sich
in einen antigenspezifischen sowie einen antigenunspezifischen (paraspezifischen)
Teil aufteilen. Zum antigenspezifischen Teil des Immunsystems gehören z. B.
Antikörper
oder spezifische Immunzellen. Die antigenspezifischen Mechanismen
sind für
die Etablierung einer spezifischen Immunität, die antigenunspezifischen
für den
Aufbau von Paramunität
verantwortlich. Die paraspezifischen Aktivitäten des antigenunspezifischen
Immunsystems (engl.: „innate
immune system”)
umfassen nichtselektive zelluläre
und lösliche
Schutzelemente, wie zum Beispiel das Komplement-Lysozymsystem und
die regulative Zytokinkaskade, sowie zelluläre Schutzelemente, wie zum
Beispiel Granulozyten, Mikro- und Makrophagen, natürliche Killerzellen,
nicht antigengeprägte
T-Lymphozyten, dendritische Zellen u. a.
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Unter
Paramunität
versteht man den Zustand eines gut regulierten und optimal funktionierenden
unspezifischen Abwehrsystems, das dem Organismus einen schnell entstandenen,
zeitlich limitierten, erhöhten Schutz
gegenüber
einer Vielzahl unterschiedlicher Erreger, Antigene und anderer Noxen
verleiht.
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Paraspezifische
Aktivitäten
sind im betreffenden Organismus unmittelbar nach Kontakt mit Noxen,
d. h. endogenen oder exogenen Schadstoffen sowie transformierten
körpereigenen
Zellen, nach etwa 2 bis 6 Stunden, nachzuweisen, während die
Wirkungen des antigenspezifischen Immunsystems erst nach 5–8 Tagen (zelluläre spezifische
Immunität)
oder gar nach Wochen (Antikörper)
eintreten. Hierdurch wird zusätzliche
Zeit gewonnen, um spezifische Abwehrreaktionen gegenüber den
Antigenen aufzubauen, die durch die paramunisierenden Aktivitäten nicht
neutralisiert werden konnten. Die paraspezifische Abwehr ermöglicht es
daher dem Organismus, sich bei Konfrontation mit den unterschiedlichsten
Fremdstoffen, Infektionserregern, Toxinen und transformierten körpereigenen
Zellen sofort, d. h. ohne Zeitverlust zur Wehr zu setzen (Anton
Mayr, „Paramunisierung:
Empirie oder Wissenschaft”,
Biol. Med., Aufl. 26(6): 256–261,
1997).
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Die
paraspezifische Immunabwehr ist somit ein physiologischer Vorgang
und lässt
sich als „primäre Barriere” bei der
Auseinandersetzung mit einer schadstoffhaltigen Umwelt definieren.
Diese Form der Abwehr ist nicht nur für die niederen Organismen,
sondern insbesondere auch für
die höher-
und hochentwickelten Lebewesen unersetzlich. So zeigt sich, dass
primäre
kongenitale Defekte in diesem biologischen Abwehrsystem zu lebensbedrohenden
Situationen führen
können.
Als Beispiel ist das „Chediak-Steinbrinck-Higashi-Syndrom” des Menschen
zu nennen, das durch Granulozytendefekte und Dysfunktionen der natürlichen
Killerzellen (NK-Zellen) charakterisiert ist und in den meisten
Fällen
bis zur Vollendung des 10. Lebensjahrs zum Tode des Patienten führt.
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Der
Zustand der Paramunität
ist durch eine erhöhte
Phagozytoserate, eine erhöhte
Funktion der spontanen zellvermittelten Zytotoxizität (NK-Zellen)
und eine erhöhte
Aktivität
sonstiger nicht antigenspezifischer lymphoretikulärer Zellen
gekennzeichnet. Gleichzeitig kommt es zur Freisetzung bestimmter
Zytokine, die sowohl mit den zellulären Elementen wie auch untereinander
stimulierend und/oder supprimierend (z. B. über Repressormechanismen),
d. h. optimal regulierend wirken. Dieses eng vernetzte und stufenweise
reagierende biologische System der Paramunität mit seinen unterschiedlichen
Akzeptor-, Effektor- und Zielzellen sowie den signalübertragenden
molekularen Botenstoffen (Zytokinen) ist daneben intensiv mit dem
Hormon- und Nervensystem, teilweise sogar mit dem Gefäß- und Stoffwechselsystem
verbunden. Es ist damit ein wichtiger Bestandteil der Kommunikation,
Interaktion und Regulation des Abwehrnetzwerkes, das bei jedem Organismus von
Geburt an natürlicherweise
vorhanden ist. Die Natur hat damit in angepasster Weise alle Organismen
von Anfang an geschützt.
In der Phylogenese entwickelt sich anfangs nur das paraspezifische,
d. h. unspezifische Abwehrsystem. Erst im späteren Verlauf der Evolution
bildet sich schrittweise das spezifische Immunsystem aus.
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Die
Einleitung einer medikamentösen
Paramunität
erfolgt durch Paramunisierung mit sogenannten Paramunitätsinducern.
Eine medikamentöse
Paramunisierung erreicht man durch Aktivierung der zellulären Elemente
des paraspezifischen Teils des Immunsystems und der damit verbundenen
Bildung von Zytokinen, mit dem Ziel, Dysfunktionen zu beseitigen,
den Erreger- und Antigen-unspezifischen Schutz eines Individuums schnell
zu erhöhen
(optimale Bioregulation), eine durch Stressfolgen oder anderweitig
(z. B. medikamentös) entstandene
Immunsuppression oder Immunschwäche
zu beseitigen, Defizite zu reparieren und/oder regulatorisch zwischen
Immun-, Hormon- und Nervensystem zu wirken (Anton Mayr, „Paramunisierung:
Empirie oder Wissenschaft”,
Biol. Med., Aufl. 26(6): 256–261,
1997). Dies bedeutet, dass je nach Art der Paramunisierung und der
Reaktionslage, wie zum Beispiel der Abwehrlage des Patienten, bestimmte
unspezifische körpereigene
Abwehrvorgänge
gesteigert, ergänzt
oder auch gedämpft
werden können.
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Der
Paramunitätsinducer
per se ist ein Protein, d. h. er ist weder mit einem Abwehrstoff,
noch mit einer Chemikalie, einem Antibiotikum, Vitamin oder Hormon
vergleichbar. Vielmehr aktiviert er wie ein Katalysator über einen
stufenweisen Mechanismus das paraspezifische Immunsystem, so dass
dieses ausreichend zelluläre
und humorale Abwehrmechanismen mobilisiert. Paramunitätsinducer
wirken hierbei hinsichtlich der Immunabwehr sowohl regulierend als
auch reparierend. Bezüglich
der Wirkungsweise von Paramunitätsinducern
ist bekannt, dass sie von phagozytierenden Zellen (Akzeptorzellen)
aufgenommen werden, die dadurch aktiviert werden und Mediatoren,
wie z. B. Zytokine, freisetzen, welche wiederum Effektorzellen mobilisieren.
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Paramunitätsinducer
auf der Basis von Kombinationen zweier oder mehrerer konventionell
attenuierter Tierpockenviruskomponenten, die sich aus unterschiedlichen
Tierpockenvirusstämmen
mit paramunisierenden Eigenschaften ableiten, sind in der europäischen Patentschrift
EP 0 669 133 B1 beschrieben.
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Die
diesen Paramunitätsinducern
zugrunde liegenden Tierpockenvirusstämme sind auf konventionelle Weise
attenuiert worden, d. h. sie liegen in einem reduzierten Zustand
vor, bei dem die virulenten und vor allem die immunisierenden Eigenschaften
des Virus abgeschwächt,
aber nicht vollständig
verloren sind.
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In
der vorliegenden Erfindung wird erstmalig ein neues Verfahren vorgestellt,
welches die Virulenz und Immunogenität von einfach attenuierten
Tierpockenvirusstämmen
vollständig
eliminiert. Dieses Verfahren wird im folgenden als „Hochattenuierung” bezeichnet.
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Eine
solche Hochattenuierung von Poxviren wird in der vorliegenden Erfindung
zum ersten Mal anhand der Orthopoxviren Kamelpockenvirus (Orthopoxvirus
cameli) und Ektromelievirus (Orthopoxvirus muris), dem Leporipoxvirus
Myxomatosevirus (Leporipoxvirus myxomatosis), den Avipoxviren Hühnerpockenvirus (Avipoxvirus
gallinae) und Kanarienpockenvirus (Avipoxvirus serinis) sowie dem
Parapockenvirus Ecthyma (Parapoxvirus ovis) gezeigt.
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Beispielhafte
Ausführungsformen
der Erfindung betreffen die Hochattenuierung des Orthopoxvirusstammes.
Kamelpockenvirus Stamm h-M 27 und des Leporipoxvirusstammes Myxomatosevirus
Stamm h-M 2. Für
diese Poxvirusstämme
wurde bislang weder eine Attenuierung noch eine Hochattenuierung
durchgeführt
oder beschrieben. Andere bevorzugte Ausführungsformen betreffen weitere
Orthopoxvirusstämme,
sowie Stämme
der Parapoxviren und Avipoxviren (siehe unten).
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Eine
einfache konventionelle Attenuierung wurde für das Genus Orthopoxvirus beim
Vacciniavirus Ankara MVA durch A. Mayr, H. Stickl, H. K. Müller, K.
Danner und H. Singer, 1978: „Der
Pockenimpfstamm MVA”, Zbl.
Bakt. Hyg., I. Abt. Orig. B 167, 375–390; Mayr, A., 1999: „Geschichtlicher Überblick über die
Menschenpocken (Variola), die Eradikation von Variola und den attenuierten
Pockenstamm MVA”,
Berl. Münch.
Tierärztl Wschr.
112, 322– 328;
für das
Genus Avipoxvirus HP1 und KP1 durch A. Mayr, F. Hartwig, und I.
Bayr, 1965: „Entwicklung
eines Impfstoffes gegen die Kanarienpocken auf der Basis eines attenuierten
Kanarienpockenkulturvirus”,
Zbl. Vet. Med. B 12, 41–49;
A. Mayr und K. Malicki, 1966: „Attenuierung
von virulentem Höhnerpockenvirus
in Zellkulturen und Eigenschaften des attenuierten Virus”, Zbl.
Vet. Med. B 13, 1–13;
und für
das Genus Parapoxvirus ORF-1701 durch A. Mayr und M. Büttner, 1990: „Ecthyma
(ORF) virus”:
In: Z. Dinter und B. Morein (Hrsg.): Virus infections of vertebrates,
vol. 3; Virus infections of ruminants, Elsevier Science Publishers
B. V. Amsterdam, gezeigt.
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Im
folgenden werden einige der durch das erfindungsgemäße Verfahren
hochattenuierten Tierpockenvirusstämme näher erläutert:
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Kamelpockenvirus
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Die
Kamelpocken sind die Erreger einer gefährlichen, zyklisch-systemisch
verlaufenden Viruserkrankung der Kameliden, die durch ein Exanthem
bevorzugt der Haut und Schleimhaut im Kopf-, Nacken- und Halsbereich
sowie den Extremitäten
und der Inguinalgegend charakterisiert ist (Munz, E., 1999: „Pox and
pox-like diseases in camels”,
Proc. 1st Int. Camel Conf. 1, 43–46). Die
Erkrankung tritt in zyklischer Weise alle 2 bis 3 Jahre auf, wenn
eine genügend
große
sensible Population vorhanden ist. Von den Kamelpockenviren werden bevorzugt
zwei Gattungen (Lama und Camelus) der Familie Camelidae befallen
(Mayr, A. and Czerny C. P., 1990: „Camelpox virus”, In: Dinter
Z. und Morein B. (Hrsg.): „Virus
infections of vertebrates”,
vol. 3: Virus infections of ruminants. Elsevier Science Publishers
B. V. Amsterdam). Die Gattung Camelus umfasst das einhöckrige Dromedar
(Camelus dromedarius) und das zweihöckrige Trampeltier (Camelus
ferus bactrianus). Dromedare und Trampeltiere kommen hauptsächlich in
den Ländern
der sogenannten „Alten
Welt” vor
(Wüsten,
Steppen von Nordafrika, Arabien, Mongolei), während das Lama bevorzugt in
Südamerika
beheimatet ist.
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Das
Kamelpockenvirus (Orthopoxvirus cameli) ist ein besonders enger
Verwandter des Variola-Virus, dem Erreger der Pocken beim Menschen
(Variola). Für
den Menschen ist das Kamelpockenvirus nicht pathogen. Das Kamelpockenvirus
ist wie alle klassischen Pockenviren quaderförmig und besitzt charakteristische Oberflächenproteine,
die für
die immunisierenden und paramunisierenden Eigenschaften des Virus
bzw. dessen Bestandteile verantwortlich sind. Die durchschnittliche
Größe beträgt je nach
Genus bzw. Stamm in Längsrichtung
280 nm und in Querrichtung etwa 180 nm (Otterbein, C. K., 1994: „Phäno- und
genotypische Untersuchungen zweier Kamelpockenvirus-Isolate vor
und nach Attenuierung durch Zellkulturpassagen”, Vet. Med. Diss. München).
Das Genom des Kamelpockenvirus besteht aus einer linearen, doppelsträngigen DNA.
Die beiden DNA-Stränge
sind an den Genom-Enden kovalent miteinander gebunden, so dass die
Virus-DNA eine durchgehende Polynuldeotidkette bildet.
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Myxomatosevirus
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Myxomaviren
sind die Erreger der Myxomatose, einer zyklisch verlaufenden, kontagiösen Virusallgemeinkrankheit
der Wild- und Hauskaninchen, die durch generalisierte, teilweise
hämorrhagische
Unterhautödeme
am Kopf und über
den ganzen Körper,
mit Bevorzugung der Analgegend, der Vulva und des Schlauches, wie
keine andere Infektionskrankheit charakterisiert ist. Wird die Myxomatose
in ein bisher seuchenfreies Land neu eingeschleppt, verläuft sie
rasch und tödlich.
Nach Sesshaftwerden des Virus verändert sich der Seuchencharakter
bis hin zu klinisch inapparenten Infektionen (Mayr A.: Medizinische
Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre, 7. Aufl., Enke-Verlag,
Stuttgart, 2002).
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Die
Krankheit ist unter amerikanischen Baumwollschwanzkaninchen der
Gattung Sylvilagus, die ausschließlich die neue Welt besiedeln,
weit verbreitet. Diese Wildkaninchen bilden das einzige natürliche Reservoir
der Seuche. Die Infektion verläuft
bei ihnen in einer milden Form. Dagegen besitzt die Erkrankung bei
europäischen
Wild- und Hauskaninchen der Gattung Oryctolagus, die auch in Australien
heimisch sind, eine fast 100%ige Sterblichkeit bei Neueinschleppung
des Erregers.
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Das
natürliche
Wirtsspektrum des Myxomavirus (Genus Leporipoxvirus) ist eng begrenzt.
Im Allgemeinen vermehrt sich das Virus nur in amerikanischen Baumwollschwanzkaninchen
und in europäischen
Haus- und Wildkaninchen. Vereinzelt wurden allerdings auch Infektionen
in europäischen
Wildhasen beobachtet. Übertragungsversuche
auf andere Tierarten und auf den Menschen verliefen negativ.
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Avipoxvirus
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Die
durch Avipoxviren, insbesondere das Hühnerpockenvirus und das Kanarienpockenvirus,
verursachten Infektionen verlaufen ähnlich. Hühnerpocken stammen aus Asien
und sind seit Jahrtausenden bekannt. Sie sind weltweit verbreitet
und sehr widerstandsfähig.
Die Übertragung
erfolgt durch das Eindringen über
Hautverletzungen. Es können
auch stechende Insekten an der Übertragung
beteiligt sein. Die Inkubationszeit für die Krankheit beträgt 4 bis
14 Tage. Es gibt zwei Verlaufsformen, wobei zwischen der sogenannten Hautform
und der Schleimhautform unterschieden wird. Die Hautform ist durch
Bläschen
oder schorfige Knoten an Kopf, Kamm, Hals und Füßen charakterisiert. Die Schleimhautform
weist gelblich- weiße
Beläge
auf der Zunge, den Schleimhäuten
des Schnabels, des Kehlkopfes, der Luftröhre und den Augen auf.
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Die
Inkubationszeit bei einer Infektion mit Kanarienpockenviren beträgt 3 bis
16 Tage. Nach Ausbruch der Krankheit stirbt ein Großteil des
Bestandes innerhalb von nur wenigen Stunden ab. Die infizierten
Tiere zeigen Knötchen
an den Hornteilen und an den Schnabelwinkeln. Es kommt zu massiven
Atemstörungen
und die Vögel
ersticken recht schnell an den durch das Virus verursachten käsigen Auflagerungen
in den Atemwegen.
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Attenuierte
Stämme
von Avipoxviren wurden durch sukzessive Passagen in Zellkulturen
aus Hühnerembryo-Fibroblasten
gewonnen und zur Vakzinierung von Hühner eingesetzt. Der am besten
untersuchte und verfügbare
Stamm ist der Stamm HP-1 (A. Mayr und K. Malicki, 1966: „Attenuierung
von virulentem Hühnerpockenvirus
in Zellkulturen und Eigenschaften des attenuierten Virus”, Zbl.
Vet. Med. B 13, 1–13).
Mehr als 200 Passagen in Hühnerembryo-Fibroblasten führen zu
einem attenuierten, aber noch replizierfähigen Virus, jedoch mit verbleibender
Pathogenität
für Hühner bei
intravenöser
oder Aersol-Verabreichung. Viren die mehr als 400 mal passagiert
wurden gelten als apathogen und werden als effziente und extrem
sichere Vektoren für den
Einsatz in Säugetieren
angesehen. Eine Immunisierung konnte erreicht werden, ohne dass
eine vollständige
produktive Replikation des Virus stattfand.
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Aufgabe der Erfindung
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Die
bislang durch eine konventionelle Attenuierung abgeschwächten Tierpockenvirusstämme fahren zu
einer Steigerung der paramunisierenden Eigenschaften und zu einer
Verringerung der virulenten bzw. immunisierenden Eigenschaften der
Viren bzw. deren Bestandteilen. Allerdings gehen bei der konventionellen Attenuierung
nicht alle virulenten und immunisierenden Eigenschafen der Tierpockenstämme verloren.
Immunreaktionen sind bei einfach attenuierten Tierpockenstämmen in
Säugetieren
noch immer vorhanden. Dies liegt vermutlich an der zu geringen Stabilität einer
einfachen Attenuierung bzw. dem zu geringen Grad der Attenuierung
bei den einfach attenuierten Tierpockenviren.
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Der
vorliegenden Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde Tierpockenstämme bereitzustellen,
die stabil sind, einen hohen Attenuierungsgrad aufweisen und bei
denen die Pockenviren derart verändert
sind, dass sie ihre virulenten und immunisierenden Eigenschaften
vollständig
verloren haben und somit als unschädliche Paramunitätsinducer
und Vektor-Vakzinen verwendbar sind.
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Diese
Aufgabe wird erfindungsgemäß durch
die Gegenstände
der anhängenden
Patentansprüche
gelöst.
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Überraschenderweise
wurde festgestellt, dass einfach attenuierte Tierpockenstämme durch
zusätzliche
Attenuierungsschritte mit fortführenden
Plaque-Endverdünnungs-Passagen
in ausgewählten
permissiven Zellkulturen derart verändert werden, dass sie ihre
Virulenz und Immunisierungsfähigkeit
vollständig
verlieren, ohne in ihrer Vermehrungsfähigkeit beeinträchtigt zu
sein. Auch sind die erfindungsgemäßen Tierpockenstämme in ihrem
Wirtsspektrum weiter eingeschränkt.
Die durch die Hochattenuierung entstehenden Deletionen im Virusgenom
ermöglichen
zudem die Einführung
von Fremd-Antigenen.
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Durch
den durch die Hochattenuierung verursachten Verlust der immunisierenden
Proteine werden zusätzliche
paramunisiernde Proteine aktiv, welche die paramunisierende Wirksamkeit
dieser Stämme
in signifikanter Weise erhöhen.
Auf diese Weise erhält
man hoch wirksame und unschädliche
Paramunitätsinducer, die
auch bei kurzfristig wiederholten und häufigen Applikationen keine
Allergien oder andere immunpathogenen Nebenwirkungen verursachen.
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Daher
eignen sich die durch das erfindungsgemäße Verfahren hochattenuierten
Tierpockenstämme
in hervorragender Weise als Paramunitätsinducer oder für die Herstellung
von Vektor-Vakzinen.
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ZUSAMMENFASSUNG DER ERFINDUNG
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Die
Erfindung betrifft hochattenuierte Tierpockenvirusstämmen gemäß Anspruch
1 und ihre Verwendung als Paramunitätsinducer oder zur Herstellung
von Vektor-Vakzinen.
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Besondere
Ausführungsformen
der hochattenuierten Tierpockenstämme sind Stämme des Myxomatose- und des
Kamelpockenvirus. Besonders bevorzugt ist der Kamelpockenvirusstamm
h-M 27 mit der Hinterlegungsnummer 05040602 und der Myxomatosevirustamm
h-M 2 mit der Hinterlegungsnummer 05040601. Die Hinterlegung der
Viren erfolgte bei der Hinterlegungsstelle der Public Health Laboratory
Service (PHLS), Centre for Applied Microbiology & Research (CAMR), European Collection
of Animal Cell Cultures (ECACC), Porton Down, Salisbury, Wiltshire,
United Kingdom. Andere Ausführungsformen
der Erfindung betreffen die Hochattenuierung des Kanarienpockenvirus
(Avipoxvirus serinae), bevorzugt des Stammes KP1, des Ektromelievirus
(Orthopoxvirus muris), bevorzugt des Stammes Mü 1 und des Hühnerpockenvirus
(Avipoxvirus gallinae), bevorzugt des Stammes HP1 und des Parapoxvirus
(Parapoxvirus ovis).
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Bei
der erfindungsgemäß entdeckten
Hochattenuierung von Tierpockenvirusstämmen gehen die Virulenz der
Virusstämme
und ihre immunisierenden Eigenschaften im Vergleich zu konventionell
attenuierten Tierpockenstämmen
vollständig
verloren. Die erfindungsgemäßen hochattenuierten
Tierpockenviren besitzen daher keine Rest-Virulenz oder -Immunität mehr.
Somit eignen sich die hochattenuierten Tierpockenstämme insbesondere
für die
Verwendung als Paramunitätsinducer
oder zur Herstellung von Vektor-Vakzinen.
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Die
Erfindung betrifft ferner Verfahren zur Herstellung der erfindungsgemäßen hochattenuierten
Pockenvirusstämme.
Bevorzugte Pockenvirusstämme
sind Stämme,
die dem Genus Orthopoxvirus, Avipoxvirus, Leporipoxvirus und Parapoxvirus
angehören.
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Die
Hochattenuierung von Pockenvirusstämmen wird erfindungsgemäß durch
zusätzliche Plaque-Endverdünnungs-Passagen
(d. h. Überimpfen
und Weiterführen)
von konventionell attenuierten Virusstämmen in optimierten, ausgewählten, permanenten
Zelllinien (z. B. VERO-Zellen), in primären Zellkulturen (z. B. Hühnerembryofibroblasten
(FHE)-Zellkulturen),
bebrüteten
Hühnereiern
oder in Versuchstieren erreicht. Es wurde überraschend festgestellt, dass
durch diese zusätzliche
Passagierung die Virulenz und Immunogenität der Tierpockenviren und deren
Bestandteile im Vergleich zu konventionell attenuierten Stämmen verloren geht.
Die Passagierung in den ausgewählten
Zellsystemen oder -kulturen erfolgt so lange, bis die erwünschten Eigenschaften
erreicht sind, d. h. bis die Tierpockenviren keinerlei Virulenz
oder Immunogenität
mehr aufweisen und stattdessen eine gesteigerte Aktivität des unspezifischen
Immunsystems (Paramunität)
aufweisen. Gewöhnlich
lässt sich
dies durch mindestens 300–500
Passagen in optimierten Zellsystemen, wie Zellkulturen von VERO-Zellen Passagen (ATCC
CCL-81, WHO, American Type Culture Collection) erreichen. Solche
optimierten Zellsysteme ergeben den erforderlich hohen Infektiositätstiter.
Die weiteren erwünschten
biologischen, genetischen und immunologischen Eigenschaften die
aus einer Hochattenuierung von Tierpockenstämmen hervorgehen sind in Tabelle
3 aufgeführt.
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Allgemein
lässt sich
das erfindungsgemäße Verfahren
zur Herstellung von hochattenuierten Tierpockenviren durch folgende
Schritte definieren:
- (a) Adaptierung der Tierpocken
auf ein permissives Zellsystem, beispielsweise bestehend aus der
Chorioallantoismembran 10 Tage alter Hühnerembryonen (CAM) oder Zellkulturen.
- (b) Überimpfung
und Weiterführung
der Tierpockenviren zur Attenuierung durch Dauerpassagen in verschiedenen
permissiven Zellsystemen, die optimale Infektiositätstiter
ermöglichen.
- (c) Überimpfung
und Weiterführung
der Tierpockenviren zur Attenuierung in einem optimalen Zellsystem
für etwa
100–300
Passagen.
- (d) Überimpfung
und Weiterführung
der Tierpockenviren in VERO-Zellen für mindestens 90 Passagen.
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In
einer besonders bevorzugten Ausführungsform
betrifft der hochattenuierte Orthopoxvirusstamm ein hochattenuiertes
Kamelpockenvirus (Orthopoxvirus cameli), insbesondere der Stamm
h-M 27. Ein bevorzugtes Verfahren zur Hochattenuierung von Kamelpockenviren
umfasst die folgenden Schritte:
- (a) Kultivierung
des isolierten Kamelpockenvirus über
etwa 2 Passagen in Lammnieren-Zellkulturen;
- (b) Überimpfen
und Kultivierung der Tierpockenviren über etwa 5 Passagen in VERO-Zellen
Passagen (ATCC CCL-81, WHO, American Type Culture Collection);
- (c) Überimpfen
und Kultivierung der Tierpockenviren über etwa 114 Passagen in MA-Zellen;
- (d) Überimpfen
und Kultivierung der Tierpockenviren über etwa weitere 267 Passagen
in VERO-Zellen.
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Die
so erzeugten Tierpockenviren sind zur Herstellung von Paramunitätsinducern
und Vektor-Vakzinen
einsetzbar. Für
die Herstellung wird die vermehrungsfähige Virusernte verwendet.
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Eine
weitere Ausführungsform
der vorliegenden Erfindung betrifft den hochattenuierten Leporipoxvirusstamm
Myxomatosevirus (Leporipoxvirus myxomatosis), Stamm h-M 2.
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Ein
bevorzugtes Verfahren zur Hochattenuierung eines solchen Myxomatosevirusstammes,
bevorzugt des Stammes h-M 2, umfasst die folgenden Schritte:
- (a) Isolierung aus erkrankten Tieren über die
Chorioallantoismembran 10 Tage alter Hühnerembryonen (CAM) und Weiterführung in
diesem System über
mindestens 2 Passagen;
- (b) Überimpfung
und Weiterführung
der isolierten Tierpockenviren für
mindestens 120 Passagen in VERO-Zellkulturen;
- (c) Überimpfung
und Weiterführung
der Tierpockenviren in AVIVER-Zellen für mindestens 24 Passagen;
- (d) Überimpfung
und Weiterführung
der Tierpockenviren in VERO-Zellen für mindestens 157 Passagen;
- e) Überimpfung
und Weiterführung
der Tierpockenviren in MA-Zellen über mindestens 114 Passagen;
- f) Überimpfung
und Weiterführung
der Tierpockenviren in VERO-Zellen über mindestens 179 Passagen.
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Zur
Herstellung von Paramunitätsinducern
werden die Virusernten durch Behandlung mit beta-Propiolacton inaktiviert.
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Die
Erfindung betrifft auch pharmazeutische Zusammensetzungen, die einen
oder mehre hochattenuierte Pockenstämme unterschiedlicher Herkunft
in Kombination enthalten und denen gegebenenfalls ein pharmazeutischer
Träger
zugesetzt wird.
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Ein
weiterer Aspekt der Erfindung betrifft daher die Verwendung eines
oder mehrerer erfindungsgemäßen hochattenuierten
Tierpockenstämme
(z. B. in Kombination) oder Bestandteilen der hochattenuierten Tierpockenstämme zur
Aktivierung des paraspezifischen Immunsystems in einem Säugetier
oder im Menschen zur Prophylaxe und Therapie.
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In
einem weiteren Aspekt der vorliegenden Erfindung werden die hochattenuierten
Tierpockenviren zur Herstellung von Vektor-Vakzinen eingesetzt,
hierfür
werden die vermehrungsfähigen
Virusernten verwendet. Eine für
ein Fremdantigen kodierende Nukleinsäure wird dabei in eine der
durch die Hochattenuierung entstandenen Deletionen der Nukleinsäure des
Vektors (Tierpockenvirus) eingebaut, so dass das Fremd-Gen durch
den Vektor exprimiert werden kann. Die so entstandenen Fremdproteine
stellen immunisierende Epitope bereit und stimulieren dadurch das
körpereigene
spezifische Abwehrsystem.
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DEFINITIONEN
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Unter
dem Begriff Attenuierung (engl. „attenuate”: abschwächen, milder) eines Infektionserregers
(z. B. Viren, Bakterien, Pilze) versteht man grundsätzlich die
Verminderung seiner virulenten und immunisierenden Eigenschaften.
Insbesondere handelt es sich, je nach Attenuierungsgrad, gentechnologisch
um die Reduktion des Molekulargewichtes und damit die Verkürzung seiner
Nukleinsäure,
verbunden mit dem Auftreten von Deletionen, biologisch um die Reduzierung
bzw. um den Verlust seiner pathogenen Eigenschaften bezüglich Virulenz
und Kontagiosität,
immunologisch um den Verlust der immunogenen Aktivitäten und
die Erhöhung der
paraspezifischen Potenzen sowie klinisch um die Einschränkung des
Wirtsspektrum und um eine erhöhte Aktivität von paraspezifischen
Abwehrreaktionen des Wirtes.
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Unter
Hochattenuierung versteht man die weitere Reduzierung von einfach
attenuierten aber noch teilweise virulenten und immunisierenden
Erregern, bis zu einem vollständigen
Verlust der Virulenz und des immunisierende Potentials, wobei es
durch die Hochattenuierung zu einer extremen Einengung des Wirtsspektrums
kommt. Durch die Hochattenuierung wird das paramunisierende Potential
stark erhöht.
Bezüglich
einer Reaktivierung ihrer verlorengegangenen virulenten und immunisierenden
Eigenschaften sind die hochattenuierten Poxviren stabiler als konventionell
attenuierte Stämme,
d. h. eine Rückwandlung
ist nicht möglich.
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Die
hochattenuierten Tierpockenstämme
unterscheiden sich von den konventionell attenuierten Tierpockenstämmen gentechnologisch
durch eine weitere Abnahme des Molekulargewichtes der Virusnukleinsäure und
der Zunahme von Deletionen in der Nukleinsäure; biologisch durch den vollständigen Verlust
der Virulenz und Kontagiosität,
wobei diese Stämme
gleichzeitig im permissiven Wirtssystem einen optimalen und im Vergleich
zu konventionell attenuierten Stämmen
hohe Infektiositätstiter
erreichen; immunologisch durch den totalen Verlust der Immunogenität, und molekularbiologisch
durch den Verlust von Zytokinrezeptoren, z. B. Rezeptoren für Interferon
und bestimmte Interleukine.
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Unter
Vektor-Vakzinen (rekombinierte Vakzine, Hybridvakzine) versteht
man Impfstoffe, die aus zwei Komponenten bestehen: einen mikrobiellen
Träger
(Vektor) und einem immunisierendes Antigen, dessen kodierende Nukleinsäure in den
Vektor eingebaut wird. Als mikrobielle Träger eignen sich wegen ihrer
zahlreichen Nukleinsäure-Deletionen
und ihrer paramunisierenden Eigenschaften bevorzugt (hoch-)attenuierte
Tierpockenviren. Die eingeführte
Fremdgen-Nukleinsäure
wird im Impfling durch den Vektor zur Expression gebracht, was zur
Bildung von spezifisch immunisierenden Reaktionen führt.
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Als
Paramunitätsinducer
(paraspezifische Vakzine) bezeichnet man bioregulative Präparate aus
attenuierten, avirulenten und inaktivierten Tierpockenviren, die
je nach Attenuierungsgrad nur noch Reste von (konventionell attenuiert)
bzw. keine (hochattenuiert) immunisierenden Eigenschaften enthalten
und dazu bestimmt sind, bei Mensch und Tier zur Paramunisierung
angewendet zu werden. Sie werden wie die klassischen spezifischen
Impfstoffe hergestellt und gleichen ihnen auch funktionell, jedoch
mit dem Unterschied, dass sie überwiegend
die paraspezifischen (unspezifischen) Abwehrmechansimen aktivieren
und dabei durch ihre bioregulierenden Eigenschaften zu einer Homöodynamik
der Abwehrsysteme führen.
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DETALIERTE BESCHREIBUNG DER
ERFINDUNG
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Allgemeines
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Die
Erfindung basiert auf der überraschenden
Entdeckung, dass sich die Virulenz und die immunisierenden Eigenschaften
von konventionell attenuierten Tierpockenvirusstämmen durch zusätzliche
Plaque-Endverdünnungs-Passagen
in permissiven Zellkulturen, bebrüteten Hühnereiern oder Versuchstieren
bis zum völligen
Verlust reduzieren lassen. Gegenüber
einer potentiellen Reaktivierung dieser Eigenschaften sind derart hochattenuierte
Stämme
stabil. Dieser über
eine einfache, konventionelle Attenuierung hinausgehende Prozess
wird in der vorliegenden Erfindung als „Hochattenuierung” bezeichnet.
Diese hochattenuierten Tierpockenvirusstämme sind gegenüber konventionell
attenuierten Erregern deutlich verbessert. Insbesondere unterscheiden
sich die hochattenuierten Tierpockenstämme, wie in Tabelle 3 zusammengefasst,
von den konventionell attenuierten Tierpockenstämmen gentechnologisch durch
die Abnahme des Molekulargewichtes der Virusnukleinsäure und
der Zunahme von Deletionen in der Nukleinsäure; biologisch durch den Verlust
der Virulenz und Kontagiosität;
immunologisch durch den Verlust der Immunogenität, und molekularbiologisch
durch den Verlust von Zytokinrezeptoren.
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Unerwartet
war die Entdeckung, dass sich sämtliche
getesteten attenuierten Tierpockenstämme der Familie Poxviridae,
gleichgültig
welchem Genus sie angehören,
konventionell attenuieren und anschließend mit einer hohen Stabilität weiter
abschwächen
lassen können
(siehe Tabellen 1 und 2). Eine solche Hochattenuierung wird in dieser
Erfindung beispielhaft mit Vertretern der Genera Orthopoxviren,
Leporipoxviren und Avipoxviren gezeigt, wobei sie nicht auf diese
Genera beschränkt
zu sehen ist. Erstmals wird in der vorliegenden Erfindung auch eine
Hochattenuierung mit einem Myxomatosevirus und einem Kamelpockenvirus
beschrieben.
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Experimentell
kann man die Wandlungsfähigkeit
von Infektionserregern, sich gegebenen Umweltveränderungen, z. B. durch Vermehrung
in Zellkulturen oder in nicht natürlichen Wirtssystemen anzupassen,
nutzen, um den für
eine Hochattenuierung notwendigen Zeitaufwand deutlich zu verkürzen. Dies
gelingt bevorzugt durch Dauerpassagen in bestimmten permissiven
Wirtssystemen, die normalerweise nicht zum natürlichen Wirtsspektrum gehören (z.
B. Versuchstiere, Zellkulturen, Nährböden). Für eine Hochattenuierung von Pockenvirustämmen werden
in der Regel etwa 15 bis 30 Jahre benötigt.
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Hochattenuierte
Poxvirusstämme
verlieren durch das unten näher
beschriebene Hochattenuierungsverfahren auch ihre spezifischen immunisierenden
Kapazitäten
während
ihre paraspezifische Wirksamkeit gezielt verstärkt wird. Daher eignen sich
die hochattenuierten Poxvirusstämme
als Paramunitätsinducer
oder für die
Herstellung von Vektor-Vakzinen.
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Die
Verstärkung
der paraspezifischen Eigenschaften ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass
immunisierende und paramunisierende Proteine von Tierpockenviren
miteinander interferieren. Durch den durch die Hochattenuierung
verursachten Verlust der immunisierenden Proteine werden zusätzliche
paramunisiernde Proteine aktiv, welche die paramunisierende Wirksamkeit
dieser Stämme
in signifikanter Weise erhöhen.
Auf diese Weise erhält
man hoch wirksame und unschädliche
Paramunitätsinducer,
die auch bei kurzfristig wiederholten und häufigen Applikationen keine
Allergien oder andere immunpathogenen Nebenwirkungen verursachen.
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In
der Regel führt
eine einfache, konventionelle Attenuierung zur Abnahme der Virulenz
und der Kontagiosität
sowie zur Einengung des Wirtsspektrums und zu geringen Veränderungen
im Erreger-Genom bei gleichzeitiger Abnahme des Molekulargewichtes
und dem Auftreten von Deletionen in den terminalen Bereichen des
Virusgenoms. Daneben kommt es zu einer Abnahme der spezifisch immunisierenden
Aktivitäten
und zu einer Zunahme der paraspezifischen Wirksamkeit. Bei einer
Hochattenuierung verstärken
sich diese Effekte allerdings drastisch, so dass die erhaltenen
hochattenuierten Viren bezüglich
ihrer Stabilität,
ihrer Wirtsspezifität,
der fehlenden Virulenz und Immunogenität den konventionell attenuierten
Viren überlegen
sind (Tabellen 3 und 4).
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Das Verfahren zur Hochattenuierung
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Eine
konventionelle Attenuierung (wie auch die ersten Schritte der Hochattenuierung)
beginnt mit der Adaptierung von isolierten Tierpockenviren in homologen
oder heterologen permissiven Zellsystemen, wie z. B. Zellkulturen,
bebrüteten
Hühnereiern
oder in Versuchstieren. Darauf folgt eine Attenuierung durch Dauerpassagen
in verschiedenen permissiven Zellsystemen. Die zu jedem Virusstamm
passenden permissiven Zellsysteme werden für jede Tierpockenvirusart spezifisch
ausgewählt.
Die Auswahl richtet sich nach dem Infektiositätstiter der Viren in dem jeweiligen
Zellsystem. Dabei wird das Zellsystem zur Passagierung ausgewählt, das
für die
jeweilige Virusart den höchsten
Infektiositätstiter
ergibt. Dies entspricht zugleich auch dem optimalen Virus-Titer.
Die Attenuierung wird fortgeführt,
indem die Tierpockenviren für
etwa 100–300
Passagen in diesen optimalen Zellsystemen weitergeführt werden.
Darauf schließt
sich eine Endphase an, die durch 3–5 Plaque-Endverdünnungspassagen gekennzeichnet
ist. Dieses Material kann entsprechend der weiteren Verwendung weiterverarbeitet
werden.
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Alle
hier beschriebenen Vertreter der Orthopox-, Leporipox-, Parapox-
und Avipoxviren lassen sich auf konventionelle Weise attenuieren.
Die anschließende
Hochattenuierung erfolgte durch Fortführung der Passagen des einfach,
konventionell attenuierten Virusstammes in homologen oder heterologen
permissiven Wirtssystemen. Die Wahl des Wirtsystems ist wiederum
abhängig
von der Tierpockenart und wird nach den oben erwähnten Gesichtspunkten (Infektiositätstiter)
ausgewählt.
Eine Hochattenuierung erfolgt beispielsweise durch Fortführung der
einfach atttenuierten Orthopoxviren in VERO-Zellen oder der einfach
attenuierten Avipoxviren in embryonalen Hühnerembryofibroblasten (FHE)-Zellkulturen). Bevorzugt
erfolgt eine Hochattenuierung von Poxviren (z. B. Ektromelievirus,
Kamelpockenvirus) durch mindestens 60 bis 300 Passagen in Abhängigkeit
des jeweiligen Virusstammes in VERO-Zellkulturen (beispielsweise
150 oder 260 Passagen). Der Stamm Leporipoxvirus myxomatosis wird
durch etwa mindestens zusätzliche
150 bis 300 Passagen in MA- und VERO-Zellkulturen, bevorzugt 290
Passagen hochattenuiert. Der Stamm Avipoxvirus gallinae wird durch etwa
100 bis 150 zusätzliche
Passagen, bevorzugt durch 98 Passagen, in FHE-Zellkulturen hochattenuiert. Der
Parapoxvirusstamm wird durch weitere 100 bis 160, bevorzugt durch
164 Passagen hochattenuiert (Tabellen 3 und 4). Es ist bevorzugt,
dass bei der Passagierung der Virusstämme (d. h. bei der Überführung und Animpfung)
die sogenannten Plaque-Endverdünnungsmethode
verwendet wird.
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Im
Allgemeinen werden für
eine Hochattenuierung für
das Genus Avipoxvirus primäre
Hühnerembryofibroblastenkulturen
(FHE) und für
alle anderen Genera, wie Orthopoxvirus, Leporipoxvirus und Parapoxvirus permanente
MA-104-Affennierenzellen (kurz: MA-Zellen) oder VERO-Zellen Passagen
(ATCC CCL-81, WHO, American Type Culture Collection) u. a. m. verwendet.
Für die
Anzucht der MA- oder VERO-Zellkulturen wird vorzugsweise ein vollsynthetisches
Medium eingesetzt, besonders bevorzugt ist das Medium MEM („minimal essential
medium”),
das 5% bis 20%, vorzugsweise 10% BMS (Serumersatzmedium) und 5%
bis 20%, vorzugsweise 10% Lactalalbuminhydrolysat, enthält. Als
Virusmedium wird nach dem Austausch mit dem Anzuchtmedium, vorzugsweise
MEM-Medium, mit 5% bis 20%, vorzugsweise mit 10% Lactalalbuminhydrolysat, ohne
BMS bzw. ohne fetales Kälberserum
und ohne Antibiotika verwendet. Sämtliche Herstellungsverfahren werden
vorzugsweise bei pH-Werten von 7.0 bis 8.0, vorzugsweise bei einem
pH-Wert von 7,25 durchgeführt. Virusernten
mit Titer von 105 bis 108 TCID50/ml, vorzugsweise von mindestens 107.5 TCID50/ml, sind
als Ausgangsmaterial für
die Herstellung der hochattenuierten Tierpockenstämme bevorzugt.
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Die
Vermehrung der Poxviren führt
in VERO-Zellen zu einem typischen cytopathischen Effekt, der zur Zerstörung der
infizierten Zellen führt
(Lyse). Bei einer primären
Impfdosis von ca. 10 MOI („multiplicity
of infection”)
kommt es nach einer kurzen Abkugelungsphase (1–2 Tage) für etwa 3 Tage zu netzartigen
Zellstrukturen und nach etwa 5 Tagen zur Lyse der Zellen.
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Die
aus der letzten Passagiereng gewonnen Virusernten können entsprechend
ihrer Verwendung weiter verarbeitet werden. Beispielsweise können die
in den Viren enthaltenen Nukleinsäuren zur Herstellung von Vektor-Vakzinen
rekombinant kloniert werden. Oder die hochattenuierten Virusernten
können
lyophilisiert werden und beispielsweise durch Zusatz von 2,5% Gelatine
bei 4°C
zur weiteren Verwendung, beispielsweise als Paramunitätsinducer
aufbewahrt werden. Für
medizinische und therapeutische Indikationen kann das Lyophilisat
auf dessen Unschädlichkeit
und Wirksamkeit überprüft werden.
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Hochattenuierung von Orthopoxviren
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In
einer bevorzugten Ausführungsform
lassen sich die Orthopoxviren durch folgendes, beispielhaft mit Kamelpockenviren
beschriebene Verfahren hochattenuieren:
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Orthopoxvirus cameli, h-M 27
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Kamelpockenviren,
isoliert aus Pustelmaterial erkrankter Tiere, wie der Stamm M 27,
werden in embryonale Lammnieren-Zellkulturen über etwa 2 Passagen angezüchtet. Die
so gezüchteten
Tierpockenviren werden durch eine geeignete Methode, bevorzugt durch
die Plaque-Endverdünnungsmethode,
in VERO-Zellen übertragen
und dort für
etwa 5 Passagen weitergeführt.
Nach Passagierung in einer VERO-Zellkultur, wird die letzte Zellkulturpassage
auf MA-Zellen (MA-104-Affennierenzellen) adaptiert und etwa 114
mal in Passagen weitergeführt.
Die so erhaltene 121. Plaque-gereinigte MA-Passage (insgesamt 284
Passagen) hat sich als einfach attenuiert erwiesen. Bei Isolaten
dieser Passage, d. h. bei einer einfachen Attenuierung, lässt sich bereits
ein Rückgang
der Virulenz für
den homologen Wirt, eine Einengung des Wirtsspektrums, ein Anstieg des
Infektiositätstiters,
eine Abnahme der Riesenzellen beim cytopathischen Effekt in Zellkulturen
und eine geringe Abnahme der spezifischen immunogenen Aktivitäten beobachten.
Aufgrund der bei einer einfachen Attenuierung noch vorhandenen immunisierenden
Eigenschaften der Tierpockenviren, eignen sich einfach attenuierte
Kamelpockenviren auch für
eine parenterale Impfung gegen Variola des Menschen oder als Impfstoff gegen
Kamelpocken (O. -R. Kaaden, A. Walz, C. P. Czerny and U. Wernery,
1992: „Progress
in the development of a camelpox vaccine”, Proc. 1th Int. Camel Conf.,
1, 47–49).
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Die
Hochattenuierung des Kamelpockenvirusstamms M 27 wird durch Fortführung des
attenuierten Stamms in VERO-Zellen erreicht. Hierzu müssen mindestens
weitere 50–150
Passagen, bevorzugt 100 Plaque-gereinigte VERO-Passagen durchgeführt werden.
Das auf diese Weise erhaltene hochattenuierte Kamelpockenvirus h-M
27 (h = hochattenuiert) erweist sich als äußerst stabil. Insgesamt sind
also für
die Herstellung des erfindungsgemäßen hochattenuierten Kamelpockenvirus
etwa 384 Zellkulturpassagen notwendig. Die genaue Zahl der Passagen
soll hierbei allerdings nicht als beschränkend aufgefasst werden. Der
Fachmann wird erkennen, dass Modifikationen der hier beschriebenen
Verfahren und der verwendeten Parameter insbesondere der Zellpassagenzahl
oder Zelllinie zur Hochattenuierung eines Tierpockenvirusstamms
innerhalb des Umfangs der Erfindung liegen.
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Das
durch das erfindungsgemäße Verfahren
erhaltene hochattenuierte Kamelpockenvirus, Stamm h-M 27, weist
einen totalen Verlust der Virulenz und Kontagiosität für den homologen
Wirt und einen hohen Infektiositätstiter
in VERO-Zellen (107.25 KID50/ml)
auf. Es ist daher besonders für
die Verwendung als paraspezifisches Vakzin (Paramunitätsinducer)
geeignet. Dabei kann der auf hochattenuierten Tierpockenviren basierende
Paramunitätsinducer
sowohl in vermehrungsfähiger
als auch in inaktivierter Form verwendet werden. In inaktivierter
Form wird das hochattenuierte Virus, wie unten beschrieben, mit
Beta-Propiolacton behandelt (V. Fachinger, T. Schlapp, W. Strube,
N. Schmeer and A. Saalmüller,
2000: „Pox-virus-induced
immunostimulating effects an porcine leukocytes”, J. Virology 74, 7943–7951; R.
Förster,
G. Wolf und A. Mayr, 1994: „Highly
attenuated poxvirus induce functional priming of neutrophils in
vitro”,
Arch. Virol. 136, 219–226;
Mayr A., 1999: „Paraspezifischen
Vaccinen aus Pockenviren (Paramunitätsinducer): „Eine neue
Art von Impfstoff', Ärztezschr. Naturheilverf.
40, 550–557;
Mayr, A., 2000: „Paraspezifische
Vaccine – Eine
neue Art von Impfstoffen zur Regulation von Dysfunktionen in verschiedenen
Körpersystemen”, Erfahrungsheilkunde
(EHK) 49, 591–598).
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Bei
einer einfachen Attenuierung ist die Genomlänge des Virus durch auftretende
Deletionen bereits deutlich vermindert. Die Genomlänge des
Ausgangsvirus (Wildtyp) beträgt
etwa 193 900 bp, während
die Genomlänge
des attenuierten M 27-Stammes etwa 172 400 bp beträgt. Durch
die konventionelle Attenuierung kommt es somit zu einem deutlichen
Verlust von Nukleotiden in der DNA. Ein Restriktionsverdau mit dem
Restriktionsenzym HindIII zeigt, dass im Genom vier Restriktionsfragmente
weniger im Analysegel vorhanden sind (Otterbein C. K., 1994, Vet.
Med. Diss. München).
Dabei befinden sich zwei Deletionen im rechten und zwei Deletionen
im linken terminalen Abschnitt des Virusgenoms. Der zentrale, konservierte
Bereich des Virusgenoms bleibt unverändert (C. Gubser, S. Hue, P.
Kellam and G. L. Smith, 2004: „Poxvirus
genomes: a phylogenetic analysis”, J. Gen. Virol. 85, 105–117.) Die
Länge des
Virusgenoms verkürzte
sich durch die Hochattenuierung weiter von 172 400 bp (attenuiertes
Virus) auf 160 300 bp. Die Zahl der Deletionen stieg von 4 auf 5
(zwei im linken und 3 im rechten terminalen Abschnitt des Genoms),
wobei der zentrale, konservierte Bereich des Virusgenoms stabil
blieb. Weiter führte
die Hochattenuierung zu einem Verlust von Interferon α- und γ- sowie weiteren
Interleukin-Rezeptoren und überraschenderweise
auch zu einer Aktivierung von hämatopoetischen
Stammzellen.
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Leporipoxvirus myxomatosis, Myxomatosevirus,
h-M 2
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In
einer weiteren Ausführungsform
der Erfindung wurde die Hochattenuierung mit dem Myxomatose-Virusstamm
M 2 durchgeführt.
Auch hier erfolgte eine Passagierung in CAM-Zellen, gefolgt von mehreren Passagen
VERO- und AVIVER-Zellen und schließlich weitere Passagen in VERO-Zellen.
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Das
für die
Attenuierung verwendete Myxomatosevirus wurde aus der ödematösen Subkutis
(linkes Ohr) eines in typischer Weise an Myxomatose erkrankten europäischen Wildkaninchens
(Gattung Oryctolagus) das Myxomavirus über die Anzüchtung auf der Chorioallantoismembran
(CAM) 10 Tage bebrüteter
Hühnereier
(VALO-Eier) isoliert und dreimal nach dem Verfahren von Herrlich
et al. auf der CAM in Passagen adaptiert (Herrlich A., Mayr A. und
Munz E.: „Die
Pocken”,
2. Aufl., Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1967). Die dritte CAM-Passage
wurde in einer 1. Stufe auf VERO-Zellen über 120 Passagen (ATCC CCL-81,
WHO, American Type Culture Collection) adaptiert, in einer 2. Stufe
durch 24 Zwischenpassagen in AVIVER-Zellkulturen vermehrt und in
der 3. Phase in VERO-Zellen weitergezüchtet. Insgesamt sind etwa
300 Passagen mit dem Ziel der Attenuierung durchgeführt worden.
Nach diesen kontinuierlichen Endverdünnungspassagen war das ursprünglich virulente
Myxomavirus attenuiert.
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Die
Hochattenuierung des Myxomavirusstammes M 2 wird durch die Fortführung des
attenuierten Stammes in VERO-Zellen erreicht. Hierzu hierzu müssen mindestens
weitere 250 bis 350 Passagen, bevorzugt 300 Plaque-gereinigte Passagen
in VERO-Zellen durchgeführt
werden. Der auf diese Weise gewonnnene Virusstamm Myxoma h-M 2 (h
= hochattenuiert) erweist sich wie der hochattenuierte Kamelpockenstamm
als äußerst stabil.
Er weist ebenfalls einen totalen Verlust der Virulenz und Kontagiosität für den homologen
Wirt, einen hohen Infektiositätstiter
(106,75 KID50),
völliger
Verlust der Immunogenität,
Erhöhung
der paramunisierenden Wirksamkeit, weitere Einengung des Wirtsspektrums,
weitere Deletionen im Genom und Verlust verschiedener Interferon
und Interleukin-Rezeptoren auf.
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Eigenschaften der hochattenuierten
Orthopoxviren
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Die
erfindungsgemäßen hochattenuierten
Tierpockenstämme
sind wie folgt charakterisiert:
- 1. erhöhte biologische
Stabilität;
- 2. Verlust der Virulenz und Kontagiosität, auch für 2–3 Tage alte Babymäuse (parenteral,
intraperitoneal);
- 3. Verlust der spezifischen Immunogenität nach parenteraler und intraperitonealer
Applikation;
- 4. vollständige
Einengung des Wirtsspektrums;
- 5. Erhöhung
des Infektiositätstiters
des attenuierten Virus in VERO-Zellen;
- 6. starke paramunisierende Wirksamkeit (vermehrungsfähig und
inaktiviert);
- 7. Verkürzung
der Genomlänge
der attenuierten Tierpockenviren, entsprechende Abnahme des Molekulargewichtes;
- 8. Erhöhung
der Zahl der Deletionen im terminalen Bereich;
- 9. Verlust des Interferon α-
und γ-Rezeptors
und anderer Interleukin-Rezeptoren;
- 10. Aktivierung der hämatopoetischen
Stammzellen.
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Die
Zahl der Zellpassagen und der Zellarten, die für eine konventionelle Attenuierung
im Vergleich zu einer Hochattenuierung notwendig sind, sind in der
Tabelle 3 zusammengestellt. In der Regel sind für eine Hochattenuierung mehr
als 100 bis etwa 300 Passagen in verschiedenen permissiven Wirtssystemen
notwendig. Für
die gesamte Attenuierung ist ein Zeitraum von ca. 15–30 Jahren
erforderlich.
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Tabelle
3 und Tabelle 4 zeigt einen Überblick über die
biologischen und gentechnologischen Unterschiede zwischen einer
konventionellen Attenuierung und einer erfindungsgemäßen Hochattenuierung
am Beispiel des Vacciniavirus, Stamm MVA. So treten gehäuft Deletionen
in den terminalen Bereichen des Virusgenoms (inverted terminal repeat)
auf und das Molekulargewicht ist aufgrund geringerer Basenpaaren
reduziert. Bei hochattenuierten Tierpockenviren fehlt etwa 20% des
Ursprungsgenoms (was sie deshalb auch als Vektor-Vakzine so attraktiv macht, siehe unten).
Weiter findet man einen Verlust von Rezeptoren, z. B. für IL-1β und TH 1-Zellen
und eine Verstärkung
der NK-Zell-Aktivierung und der Bildung von haematopoetischen Stammzellen
sowie eine weitere Einengung des Wirtsspektrums in Zellkulturen.
Ferner ist Interferon α und γ, IL-1, 2,
6, 12, sowie GM-CSA, TNF verstärkt.
Schließlich
besitzen die hochattenuierten Tierpockenstämme keine spezifische Immunogenität, jedoch
aber eine erhöhte
Aktivität
des unspezifischen Immunsystems (Paramunität). Eine Virulenz gegenüber Mensch
oder Tier fehlt völlig.
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Weiterverarbeitung von hochattenuierten
Parapoxviren zu Paramunitätsinducern
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Bei
der Herstellung von Paramunitätsinducern
aus hochattenuierten Pockenvirusstämmen kann eine Inaktivierung
durch chemische Behandlung mit Beta-Propiolacton bei einer Konzentration
von 0,01%–1%
Beta-Propiolacton durchgeführt
werden. Besonders bevorzugt ist hierbei eine Konzentration von 0,05%
Beta-Propiolacton. Idealerweise wird eine Inaktivierung mit Beta-Propiolacton
bei einem pH von 7,8 für
etwa 1 Stunde bei 4°C
unter Rühren
und anschließender
Inkubation bei 37°C
für etwa
4 Stunden und über
Nacht bei +4°C, durchgeführt. Eine
Inaktivierung mit Beta-Propiolacton führt zu einem vollständigen Verlust
der immunisierenden Eigenschaften bei einem gleichzeitigen starken
Anstieg der paraspezifischen Wirksamkeit.
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Bei
der Herstellung von Paramunitätsinducern
erfolgt die Reinigung der hochattenuierten Viruspartikel vorzugsweise
mittels Zentrifugation bei niedriger Umdrehungszahl (z. B. 1000
UpM). Nach der Zentrifugation kann 0,5–10% succinylierte Gelatine
(z. B. Polygeline, erhältlich
von z. B. Firma Hausmann, St. Gallen/Schweiz), vorzugsweise 5% succinylierte
Gelatine zugesetzt werden. Das resultierende Gemisch kann anschließend in
Portionen von z. B. 1.5 ml in entsprechenden sterilen Glasfläschchen
oder Ampullen lyophilisiert und bei Bedarf mit destilliertem Wasser
(Aqua dest.) aufgelöst
werden. Ein Volumen von 0,5–2
ml, vorzugsweise von 1,0 ml, des mit Aqua dest. aufgelösten Lyophilisats
entspricht einer Impfdosis für
den Menschen bei intramuskulärer
Applikation (siehe auch Mayr A. und Mayr. B.: „Von der Empirie zur Wissenschaft”, Tierärztl. Umschau,
Aufl. 57: 583–587,
2002). Das lyophilisierte Präparat
kann bei Temperaturen von etwa +4°C
bis +8°C
oder bei geringeren Temperaturen (z. B. –60°C) zeitlich unbegrenzt stabil
gelagert werden.
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Verwendung von hochattenuierten
Tierpockenviren als Paramunitätsinducer
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Ein
weiterer Aspekt der Erfindung betrifft die Verwendung von hochattenuierten
Tierpockenvirusstämmen
bzw. von Bestandteilen hochattenuierten Tierpockenstämme einzeln
oder Kombinationen als Paramunitätsinducer.
Beispiele sind vermehrungsfähige
oder inaktivierte frisch isolierte Tierpockenviren, vermehrungsfähige oder
inaktivierte rekombinante Tierpockenviren, die sich von frisch isolierten
Tierpockenviren ableiten, Virushüllen,
abgetrennte Hüllen
sowie Spaltprodukte und aberrante Formen dieser Hüllen, einzelne
native oder rekombinante Polypeptide oder Proteine, insbesondere
Membran- und Oberflächenrezeptoren,
die in isolierten Tierpockenviren vorkommen oder von einem genetisch
modifizierten Pockenvirus oder einem Teil seiner genetischen Information
rekombinant exprimiert werden.
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Ein
weiterer Aspekt der vorliegenden Erfindung ist es daher, verschiedene
hochattenuierte Pockenstämme
des gleichen oder eines anderen Genus zur Verwendung als Paramunitätsinducer
zu kombinieren.
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Wegen
ihrer optimalen paramunisierende Eigenschaften eignen sich die hochattenuierten
Tierpockenviren für
folgende prophylaktische oder therapeutische Indikationen bei Mensch
und Tier:
- – Multifaktorielle
infektiöse
Faktorenkrankheiten und Mischinfektionen, chronische Manifestationen
infektiöser
Prozesse, hartnäckig
rezidivierende Infektionen sowie chemotherapieresistente, bakterielle
und virale Infektionen
- – Abwehrschwächen beziehungsweise
Dysregulationen im Abwehrsystem eines Organismus
- – neonatale
Infektionsbedrohung
- – adjuvante
Therapie bei bestimmten Tumorkrankheiten, z. B. Verhütung der
Metastasierung, Minderung von Nebenwirkungen durch Chemo- und Strahlentherapie
- – Verbesserung
der Wundheilung, Vermeidung von Sekundärinfektionen nach chirurgischen
Eingriffen bzw. durch Verletzungen
- – Regulierung
der Homöostase
zwischen Hormon-, Kreislauf-, Stoffwechsel-, Gefäß- und Nervensystem.
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Durch
die sofort einsetzende paramunisierende Wirkung, fördern die
hochattenuierten Tierpockenviren die Unschädlichkeit gegenüber Erregern,
wodurch Stresssymptome, latente Infektionen, Fieber, ein verminderter
Allgemeinzustand u. a. Faktoren, die eine Impfung belasten können, neutralisiert
werden.
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Die
erfindungsgemäßen Paramunitätsinducer
auf der Basis von hochattenuierten Tierpockenstämme eignen sich somit zur Induktion
des paraspezifischen Immunsystems und/oder zur Prophylaxe bzw. Behandlung
von Defekten oder multikausale Infektionskrankheiten. Beispiele
solcher Krankheiten sind Dysfunktionen des Immunsystem, Immunsuppression,
Immunschwache-Erkrankungen, Dysfunktionen der Homöostase zwischen
Hormon-, Kreislauf-, Stoffwechsel- und Nervensystem, neonatale Infektionsbedrohung,
Tumorerkrankungen, Viruserkrankungen, bakterielle Erkrankungen,
therapieresistente infektiöse
Faktorenkrankheiten, virale und bakterielle Mischinfektionen, chronische
Manifestationen infektiöser
Prozesse, Leberkrankheiten unterschiedlicher Genese, chronische
Hautkrankheiten, Herpeskrankheiten, chronische Hepatididen, grippale
Infekte, Endotoxinschäden,
Verbesserung der Wundheilung mit Verhütung von Sekundärinfektionen.
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Eine
Applikation der hier beschriebenen hochattenuierten Tierpockenstämme kann
lokal oder parenteral erfolgen. Die lokale Verabreichung von Paramunitätsinducern
stimuliert speziell die paraspezifischen Abwehrmechanismen in den
Schleimhäuten
und in der Haut. Daneben kommt es aber auch zu einer gewissen systemischen
Wirkung. Dagegen beeinflussen parenteral angewendete Paramunisierungen
die lokalen Abwehrmechanismen in der Haut und der Schleimhaut kaum.
Bevorzugt ist hierbei eine pharmazeutische Zusammensetzung, die
einen oder mehrere der erfindungsgemäßen hochattenuierten Tierpockenstämme und
gegebenenfalls einen pharmazeutisch annehmbaren Träger umfasst.
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Ein
solches Trägermittel
oder Zusatzstoffe sind z. B. Polyethylenglycol, Dextrose, Sorbit,
Mannit, Polyvinylpyrrolidon, Gelantine, Magnesiumstearat, Carboxylpolymethylen,
Carboxylmethylcellulose, Celluloseacetatphthalat oder Polyvinylacetat.
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Verwendung von hochattenuierten
Tierpockenviren als Vektor-Vakzine
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Ein
weiterer Aspekt der Erfindung betrifft die Verwendung der hochattenuierten
Pockenvirusstämme zur
Herstellung von Vektor-Vakzinen (Übersicht: Pastoret, P. -P.
und Vanderplasschen, A., 2003). Im Vergleich zu konventionell attenuierten
Stämmen
eignen sich hochattenuierte Tierpockenvirusstämme noch besser als Vektoren
für die
Herstellung von Vektor-Vakzinen, da sie vollständig ihre immunisierende Eigenschaften
durch die Hochattenuierung verloren haben. Da die Viren aufgrund
ihres Infektiositätstiter
passagiert werden, befinden sich die Deletionen in Bereichen, die
für die
Virusreplikation nicht erforderlich ist. Durch die im Vergleich zur
konventionellen Attenuierung noch größer ausfallenden Deletionen
in den terminalen Bereichen des Virusgenoms, bieten die hochattenuierten
Tierpockenviren genügend
Raum zur Insertion einer zu exprimierenden Fremd-Nukleinsäure (DNA)
bzw. eines Fremd-Immungens.
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Die
Fremd-Nukleinsäure
kann für
ein Peptid oder Protein kodieren, das immunisierende Epitope zur Verfügung stellt.
Die Erfindung soll jedoch nicht auf ein bestimmtes Peptid oder Protein
beschränkt
werden. Der Fachmann wird erkennen, dass die Fremd-Gene entsprechend
ihrer Größe in den
passenden Deletionsbereich des Virus einkloniert werden kann. Die
Expression des eingeführten
Peptids oder Proteins kann durch Kontrollelemente wie einen Promotor
und falls erforderlich durch Enhancer-Elemente gesteuert werden.
Durch den Einbau einer Fremd-Nukleinsäure, die für ein Peptid oder Protein kodiert,
kann eine starke, spezifische immunstimulatorische Eigenschaft gegen
das Peptid oder Protein induziert werden. Dies lässt sich beispielsweise ausnützen, indem
eine virale Nukleinsäuresequenz
in das Vektorkonstrukt kloniert wird, deren Expression eine Immunantwort
in dem transfizierten Wirt auslöst.
-
Die
Klonierung von rekombinanten Tierpockenviren als Vektor-Vakzine
erfolgt nach der letzten Plaque-Endverdünnungspassage. Die Virus-Nukleinsäure kann
zur Klonierung mit geeigneten Restriktionsendonukleasen gespalten
werden und mit den Fremd-Nukleinsäuresequenzen
durch Standard-Ligationsverfahren ligiert werden.
-
Gegenüber konventionellen
Impfstoffen bzw. Vektor-Vakzinen, für die andere mikrobielle Vektoren
benutzt werden, haben die erfindungsgemäßen Vektor-Vakzinen den Vorteil,
dass sie nicht allergisch wirken und dem eluierten spezifischen
Antigen ein optimal reguliertes Immunsystem anbieten, was zu einem
optimalen Impferfolg beiträgt.
Auch sind die erfindungsgemäßen Vektor-Vakzinen
frei von lokalen oder systemischen negativen Nebenwirkungen. Da
sie die immunologische Lücke
bis zur vollen Ausbildung der Immunität ausnützen, sind sie vor allem für Notimpfungen
(z. B. bei akuter Infektionsgefahr, vor unerwarteten Reisen) geeignet.
-
Die
Beobachtung, dass durch eine hervorragende paraspezifische Wirksamkeit
des Vektors Tierpockenvirus der Impferfolg und die Unschädlichkeit
der Vakzine beträchtlich
gesteigert werden kann, ist neu und macht die Stämme für die Herstellung von Vektor-Vakzinen
attraktiv. Vektor-Vakzinen, die auf hochattenuierten Tierpockenstämmen basieren,
sind deshalb bezüglich
ihrer Wirksamkeit und Unschädlichkeit
konventionellen Vektor-Vakzinen überlegen.
-
TABELLENVERZEICHNIS
-
- Tabelle 1: Gliederung der Familie Poxviridae
- Tabelle 2: Systematik der Orthopockenviren (Genus Orthopoxvirus,
OVP)
- Tabelle 3: Unterschiede einer konventionellen Attenuierung und
einer Hochattenuierung
- Tabelle 4: Passagenzahlen einer konventionellen Attenuierung
im Vergleich zu einer Hochattenuierung.
- Tabelle 5: Applikationsschema zur Behandlung mit Paramunitätsinducer
- Tabelle 6: Indikationen zur Paramunisierung mit dem hochattenuierten
Myxomavirus h-M 2.
-
BEISPIELE
-
Die
nachfolgenden Beispiele sind bevorzugte Ausführungsformen und dienen zur
weiteren Erläuterung
der Erfindung, die jedoch nicht auf diese beschränkt sein soll.
-
Beispiel 1
-
Als
Ausgangsmaterial für
die Herstellung von Myxoma-Paramunitätsinducern (h-PIND-Myxo) wurde konventionell
attenuiertes Myxomavirus M 2 (3 CAM-Passagen, 277 VERO-Passagen, 24 AVIVER-Passagen =
304 Passagen) über
weitere 114 MA-Passagen und 179 VERO-Passagen, weiter passagiert
(insgesamt 597 Passagen) und dadurch hochattenuiert (siehe Tabelle
4). Die VERO-Virusernten des hochattenuierten Leporipoxvirus myxomatosis
h-M 2 haben einen Titer von mindestens 106,75KID50/ml.
-
Die
so erhaltenen hochattenuierten Leporipoxviren zeigten keinerlei
virulente oder immunisierende Eigenschaften und wurden folgendermaßen zum
Paramunitätsinducer
weiterverarbeitet:
Die Virusernten wurden mit Beta-Propiolacton
0,05% inaktiviert (pH 7.8, 1 Stunde bei +4° C (gerührt), für 4 Stunden bei einer Temperatur
von +37° C
bei einem pH von 7,8 gerührt
(pH-Wert kontrollieren
und wenn nötig auf
pH 7.8 einstellen), über
Nacht inkubiert (ca. 12 Stunden stationär bei einer Temperatur von
+4° C) und
anschließend
durch grobtouriges Zentrifugieren (15 Min., ca. 4000 g) gereinigt.
Dem inaktivierten Virusmaterial wurde Polygeline (pH 7.8) für eine Gelatine-Gesamtkonzentration
von 2,5% zugesetzt. Das so präparierte
Virusmaterial wurde in sterile Fläschchen a 1,5 ml abgefüllt und
lyophilisiert. Die Lyophilisate wurden bei einer Temperatur von
+4° C aufbewahrt.
Vor Gebrauch wurden die Lyophilisate mit 1 ml sterilem Aqua dest
pro inj. aufgelöst
und tief intramuskulär
appliziert.
-
Die
Applikationsfolgen und medizinischen Indikationen sind in der Tabelle
5 aufgelistet. Der Myxoma-Paramunitätsinducer eignet sich beispielsweise
zur unterstützenden
Behandlung von Herpes zoster (Modus 4) mittels Paramunisierung.
Hierbei führt
die Behandlung zur Abheilung der krankheitstypischen Pusteln nach
3–4 Tagen.
Bei prä-grippalen
Infekten beobachtete man bei der Anwendung der erfindungsgemäßen Paramunitatsinducer
ein völliges
Verschwinden der Symptome (Fieber, Abgeschlagenheit, Kopf- und Gliederschmerzen).
Bei Patienten mit Wundverletzungen (z. B. nach Operationen) verzeichnete
man mit den h-PIND-MYXO eine ungewöhnlich rasche Wundheilung,
ohne Sekundärinfektionen.
Bei Stomatitis und den Läsionen
nach einem Zahnarztbesuch kam es nach dem Einreiben des Lyophilisats
zum Verschwinden der Apthen bzw. Läsionen nach 1–2 Stunden.
-
Beispiel 2
-
Konventionell
attenuiertes Kamelpockenvirus M 27 (siehe Beschreibungsteil) wurde
durch weitere 263 Passagen in VERO-Zellen hochattenuiert (insgesamt
384 Passagen). Virusernten über
107.0 KID50/ml dienten als
Ausgangsmaterial für
die Herstellung von Paramunitätsinducern.
Hierzu wurde die Virusernte in analoger Weise wie in Beispiel 1
inaktiviert, zentrifugiert und lyophilisiert. Der Modus der Applikationen
wie auch die Indikationen sind analog denen von Beispiel 1. Die
gewonnenen Viren zeigten aufgrund der Hochattenuierung keinerlei
virulente oder immunisierende Eigenschaften.
-
Beispiel 3
-
Konventionell
attenuiertes Kanarienpockenvirus (Avipox serinae, KP1, 535. FHE-Passage)
wurde durch weitere 67 Passagen in FHE hochattenuiert (siehe Tabelle
4). Die 602. FHE-Passage
diente in analoger Weise wie Beispiel 1 und 2 als hochattenuiertes
Kanarienpockenvirus für
die Herstellung von Paramunitätsinducern.
Die gewonnenen Viren zeigten aufgrund der Hochattenuierung keinerlei
virulente oder immunisierende Eigenschaften.
-
Beispiel 4
-
Konventionell
attenuiertes Hühnerpockenvirus
(Avipoxvirus gallinum, HP1, 444.FHE-Passage) wurde durch weitere 98. FHE-Passagen
hochattenuiert. Ab der 542. FHE-Passage erwies sich das Hühnerpockenvirus
HP1 als hochattenuiert und wurde in analoger Weise wie in Beispiel
1 zur Herstellung von Paramunitätsinducer
verwendet. Die gewonnenen Viren zeigten aufgrund der Hochattenuierung
keinerlei virulente oder immunisierende Eigenschaften.
-
Beispiel 5
-
Analog
zu den in den vorhergehenden Beispielen beschriebenen Verfahren,
wurden auch Paramunitätsinducer
auf der Basis von Myxomavirus (OPV muris) und Parapoxviren hergestellt.
-
Beispiel 6
-
Hochattenuierte
Tierpockenstämme
wurden zur Herstellung von Vektor-Vakzinen verwendet. Bei der Herstellung
von Vektor-Vakzinen ist vor allem die Kontrolle des pH-Wertes nach
jedem einzelnen Herstellungsschritt zu beachten. Der pH-Wert sollte
etwa 7.8 betragen. Die Attenuierung und Hochattenuierung der zur
Vektorherstellung verwendeten Viren erfolgte wie in Beispiel 1 beschrieben.
Dabei können
alle gängigen
gentechnologischen Verfahren zur Insertion von Nukleinsäureabschnitten,
die für
spezifische Antigene kodieren, gegen die eine spezifische Impfreaktion,
d. h. Immunitätsbildung
erzielt werden soll, verwendet werden. Das Fremd-Gen wird standardmäßig mittels
geeigneten Restriktionsenzymen in die durch die Hochattenuierung
erzeugten deletierten Nukleinsäureregionen
der erfindungsgemäßen Tierpockenstämme eingebaut.
Dabei werden Standard-Restriktionsverdaus und -Klonierungstechniken
verwendet.
-
Zur
Isolierung von rekombinanten Viruskonstrukten können beliebige (Selektions-)Marker-Gene oder Selektionskassetten
verwendet werden, wie beispielsweise das β-Galaktosidase-Gen, die unter der
Kontrolle von geeigneten Kontrollsequenzen sind.
-
Beispielhafte
Verfahren zur Herstellung solcher Vektoren aus Tierpockenstämmen sind
in der
WO 00/69455
A2 beschrieben. Die Offenbarung dieser Druckschrift und
die darin enthaltene Lehre zur Herstellung von Vektorvakzinen ist
hiermit ausdrücklich
unter Bezugnahme eingeschlossen,
-
Tabellen
-
Tabelle 1: Gliederung der Familie Poxviridae
Genus | Spezies | Infektion-Krankheit |
Orthopoxvirus | Opv.
commune
variola/alastrim
simiae 1
bovis
cameli
muris | Vaccinia
Variola
major/minor (Mensch)
Affenpocken
”Kuhpocken” (u. ähnliche)
Kamelpocken
Mäusepocken
(Ektromelie) |
Avipoxvirus | Apv.gallinae
meleagris
columbae
serinis
coturnica,
agapornicis u.a. | Hühnerpocken
Putenpocken
Taubenpocken
Kanarienpocken
Wildvögelpocken |
Capripoxvirus | Cpv.
ovis
caprae
bovis | Schafpocken
(originäre)
Ziegenpocken
(originäre)
Lumpy
skin Disease (Rind) |
Leporipoxvirus | Lpv.
myxomatosis
fibromatosis
sciuris, leporis | Myxomatose
(Kaninchen)
Fibrom (Kaninchen)
Eichhhörnchen-, Hasenfibrom |
Suipoxvirus | Spv.
suis | Schweinepocken |
Parapoxvirus | Ppv.
ovis
bovis 1
bovis 2
cameli | Ecthyma,
ORF (Schaf, Ziege)
Stomatitis papulosa (Rind)
Euterpocken,
Melkerknoten
Kamel-Ecthyma (inoffiziell) |
Yatapoxvirus | Ypv.
simiae 2
tanae | Yaba-Affentumor
Tanapocken
(Mensch, Affen) |
Molluscipoxvirus | Mpv.
molluscae | Molluscum
contagiosum (Mensch) |
Tabelle 2: Systematik der Orthopockenviren (Genus
Orthopoxvirus, OVP) (aktualisiert nach dem ”7th Report of the International
Committee an Taxonomy of Viruses”, 2000)
Spezies | empfängliche
Wirte |
Variolavirus
(OPV Variola) | Mensch |
Vacciniavirus
(OPV commune) | sämtl. Säuger |
Kuhpockenvirus
(OPV bovis) | alle
Säuger |
Ektromelievirus
(OPV muris) | Maus,
Fuchs, Nerz |
Kamelpockenvirus
(OPV cameli) | Kamel
(experimentell evtl. Affen, Mäuse,
Kaninchen),
Menschen sind unempfänglich |
Affenpockenvirus
(OPV simiae) | Affen,
Mensch |
nicht
klassifizierte Spezies:
Waschbärenpockenvirus, California
Volepockenvirus, Taterapockenvirus | Waschbar
Wühlmaus
Nager,
Hase, Frosch |
- Anmerkung: nach dieser noch unvollständigen Nomenklatur
entfallen folgende, früher
geführten
Spezies:
- OPV bubali (Büffel,
OPV elefanti (Elefant), OPV equi (Pferd), OPV cuniculi (Kaninchen)
Tabelle 3: Unterschiede zwischen konventionell attenuierten
und hochattenuierten MVA-Stämmen
(MVA = Modifiziertes Vacciniavirus Ankara) MVA-Original
(572. Passage in primären
Hühnerembryofibroblastenkulturen)
und VERO-MVA (weitere 182 Passagen in permanenten VERO-Zellkulturen
(WHO-ATCC, CCL-81)) |
Marker | MVA-Original
(FHE) (konventionelle Attenuierung) | VERO-MVA
(hochattenuiert) |
genetische Marker | 3
Deletionen im linken u. rechten terminalen Bereich (inverted terminal
repeat) | 3
Deletionen im rechten u. 4 Deletionen im linken terminalen Bereich |
Zahl
der Basenpaare von 208 auf 178 Kb | Zahl
der Basenpaare 172 Kb |
Molekulargewicht:
Verlust von 15% des Ursprungsgenoms | Verlust
von 20% des Ursprungsgenoms |
Verlust
des Interferon α-
und γ-Rezeptors | zusätzlich weiterer
Verlust von Rezeptoren, z. B. für
IL-1 β und
TH 1-Zellen |
zelluläre
Marker | Aktivierung
von T-Helferzellen (CD 4, CD 8, CD 25) | Verstärkung der
Aktivierung von nicht antigenspezifischen cytotoxischen T-Lymphozyten |
Aktivierung
von NK-Zellen u. haematopoetischen Stammzellen | Verstärkung der
NK-ZellAktivierung und der Bildung von haematopoetischen Stammzellen |
abortive
Vermehrung in Säugerzellen (Ausnahme:
BHK) | weitere
Einengung des Wirtsspektrums in Zellkulturen |
Zytokine | Interferon α und γ, IL-2, 6
u. IL-12, M-CSA | Interferon α und γ, IL-1, 2,
6, 12, sowie M-CSA, TNF verstärkt |
Virustiter | FHE:
109.5 KID50/ml VERO:
104.0 KID50/ml | FHE:
104.5 KID50/ml VERO:
109.5 KID50/ml |
Immunsystem | Reduktion
der Aktivität
des spezifischen Immunsystems | keine
spezifische Immunogenität;
erhöhte
Aktivität
des unspezifischen Immunsystems (Paramunität) |
Virulenz
für Mensch u. Tier | schwach | fehlt |
Tabelle 4: Beispielhafte Passagenzahlen in verschiedenen
selektionierten Zellkulturen bei der konventionellen Attenuierung
im Vergleich zur Hochattenuierung verschiedener Tierpockenstämme Virusstamm | Passagenzahl
für konventionelle
Attenuierung | Passagenzahl
für Hochattenuierung | Bemerkungen |
modifiziertes
Vacciniavirus MVA | 572
FHE-Passagen (8, 9, 10, 19) | weitere
182 Passagen in VERO-Zellen; insgesamt 754 Passagen | konventionelle
Attenuierung (publiziert) Hochattenuierung: Gegenstand der vorliegenden Erfindung |
Avipoxvirus HP 1 | 444
FHE-Passagen (15) | weitere
98 Passagen in FHE; insgesamt 542 Passagen |
Canarypoxvirus
KP-1 | 535
FHE-Passagen (4) | weitere
67 FHE-Passagen; insgesamt 602 Passagen |
Parapoxvirus ORF-D 1701 | 135
Passagen in embryonalen Lammnieren (ELN); 37 Pass. in embryonalen
Rinderlungen (BEL); 49 Pass. in MA-Zellen; insgesamt 221 Passagen
(14) | weitere
164 Passagen in VERO-Zellen; insgesamt 385 Passagen |
Orthopoxvirus
cameli, M 27 | 2
ELN-Passagen; 5 VERO-Passage; 114 MA-Passagenn; insgesamt 121 Passagen | weitere
263 Vero-Passagen;
insgesamt 384 Passagen (h-M 27) | Gegenstand
der vorliegenden Erfindung |
Orthopoxvirus
muris, Ektromelievirus Mü1 | 3
CAM-Passagen; 250 FHE-Passagen, insgesamt 253 Passagen | weitere
50 FHE-Passagen ; 104 MA-Pass.,; 93 VEROPassagen; insgesamt 500
Passagen |
Myxomavirus M 2 (Myxomatose) | 3
CAM-Pass.; 24 AVIVER-Pass.; 277 VERO-Pass.; 114-MAPass.; insgesamt
418 Passagen | weitere
179 VERO-Passagen;
insgesamt 597 Passagen (h-M 2) |
Tabelle 5: Applikationsschema zur Behandlung mit
Paramunitätsinducer Applikationsmodus | Durchführung der
Applikationen |
Modus
1
(Prophylaxe, kurzfristig) | 2
Injektionen im Abstand von 24 Stunden, 1–3 Tage vor Belastung |
Modus
2
Prophylaxe, langfristig) | 2–3 Injektionen
im Abstand von 24 Stunden; „Kuren” in monatlichen
Abständen |
Modus
3
(Prophylaxe, adjuvante Behandlung von Tumoren und anderen
chronischen Erkrankungen) | 2
Injektionen im Abstand von 24 Std.; einmal/Monat über Monate
bzw. Jahre, evtl. auch häufiger |
Modus
4
(parenterale Therapie akuter Infektionen) | 1–2 Injektionen/Tag über 3 =
5 Tage bzw. bis zum Abklingen der Symptome; zusätzlich 1 Injektion/Tag bis
zur Genesung |
Modus
5
(nasale/orale Prophylaxe bzw. Therapie) | nicht
aufgelöstes
Lyophilisat tief in die Nase oder Backentaschen applizieren – bei Erkrankungen
mindestens 2 mal täglich;
– nur bei
Erkrankungen der Schleimhäute – (prophylaktisch
Anwendung nach Bedarf) |
Modus
6
(kutane Applikation) | Inducer
in etwas Salbe lösen
(pH-Wert beachten!); Salbengemisch muss immer frisch zubereitet
verwenden
– nur
bei chronischen Hautkrankheiten – |
Tabelle 6: Indikationen zur Paramunisierung mit dem
hochattenuierten Myxomavirus h-M 2 (h-PIND-MYXO) (Fallbeispiele
aus der Familie) |
Indikation | Beispiel | Patient | Ergebnis |
akute
Infektionen | Herpes
zoster (Modus 4)
beginnender grippaler Infekt 1 Injektion
i. m. bei Auftreten der ersten Symptome, 2–3 Stunden Bettruhe | R.
E, männl.,
57 J. W. E., männl.,
22 J. W. E., männl.,
75 J. B. S., weibl., 67 J. B. M., weibl., 65 J. H. E., weibl., 63
J. B. B., männl.,
62 J. | Abheilung
der Pusteln innerhalb von 3–4
Tagen, keine Postzoster-Encephalitis
bei Ein-haltung
der Ruhezeit völliges
Verschwinden der Symptome (Fieber, Abgeschlagenheit, z. T. Kopf-
und Glieder-schmerzen) |
substituierende
und adjuvante Therapie | Operationen
(Unterstützung
der Wundheilung) Modus 5 | W.
E., männl.,
75J. (Knie-OP 3 Wochen nach Zoster) E. B., weibl., 45 J. (Uterus)
B. M., weibl., 60J. (Sprungggelenk) | ungewöhnlich rasche Wundheilung;
keine Sekundärinfektionen
(lt. Kommentar der behandelnden Ärzte) |
HNO-Bereich | Stomatitis,
spontan Läsionen
nach Zahnarztbesuch Modus 5 | A.
M., männl.,
82 J. B. M., weibl., 66 J. R. H., weibl., 67 J. B. M., weibl., 65
J. | nach
Einreiben des Lyophilisates Verschwinden der Aphthen bzw. der Läsionen nach
1–2 Stunden |
-
LITERATURVERZEICHNIS
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