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Die vorliegende Erfindung betrifft eine Handhabungsvorrichtung zur Manipulation von Mikrobauteilen, bei der eine erste Bewegungseinrichtung für ein Werkzeug und eine von dieser entkoppelte, zweite Bewegungseinrichtung vorgesehen sind, sodass eine Bewegung des Werkzeugs zu dem Werkstück in drei translatorischen Freiheitsgraden und drei rotatorischen Freiheitsgraden durchführbar ist, die seriell miteinander koppelbar sind, wobei zusätzlich mindestens zwei Bilderfassungsvorrichtungen vorgesehen sind, die in unterschiedlichen Projektionsebenen derart angeordnet sind, dass der Arbeitsraum stets visuell kontrollierbar ist.
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Eine ähnliche Handhabungsvorrichtung ist beispielsweise aus der
JP 7256575 A bekannt.
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Handhabungsvorrichtungen sind Arbeitsmaschinen, die zur Handhabung von Objekten mit zweckdienlichen Einrichtungen, beispielsweise Greifern oder Werkzeugen ausgerüstet sind. Da sich der mechanische Aufbau von Handhabungsvorrichtungen durch kinematische Ketten darstellen lässt, ist die Anzahl der Freiheitsgrade einer Handhabungsvorrichtung maximal gleich der Anzahl der unabhängig zu bewegenden Glieder der kinematischen Kette, wenn jedes Glied bzw. Gelenk nur einen Freiheitsgrad hat. Zur technischen Realisierung eines kinematischen Systems werden Gelenke, Hebel und Antriebe als Elemente benutzt.
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Jede einzelne Kombination von Gelenk, Hebel und/oder Antrieb wird als Bewegungsachse bezeichnet Jede Bewegungsachse entspricht hierbei einem Freiheitsgrad der kinematischen Kette. Durch die Verwendung von Dreh- oder Schubgelenken entstehen entsprechend Rotations- oder Translationsachsen.
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Handhabungsvorrichtungen dienen zur Veränderung der Orientierung und der Position von festen Körpern. Zur Einstellung der Lage eines festen Körpers bzw. Werkstücks im kartesischen Raum sind sechs unabhängige Bewegungen mit zusammen sechs unabhängigen Freiheitsgraden notwendig. Legt man ein raumfestes kartesisches Koordinatensystem zugrunde, werden drei translatorische Freiheitsgrade zur Festlegung der Position eines Werkstückpunktes und drei rotatorische Freiheitsgrade zur Orientierung des Werkstücks benötigt, Die zu der Handhabung benötigten Bewegungen werden durch Schiebungen und Drehungen erzeugt.
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Die dafür erforderlichen, voneinander unabhängigen Bewegungen, lassen sich durch eine geeignete Anordnung von mindestens drei steuerbaren Achsen realisieren. Die Kombination von Linear- und Drehachsen sowie deren Anordnung legt den Arbeitsraum der Handhabungsvorrichtung fest.
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Derartige Handhabungsvorrichtungen sind als Industrieroboter, beispielsweise portal- oder schienengeführte Roboter sowie Roboter auf schwenkbaren Plattformen, bekannt. Beispiele für derartige, überbestimmte Systeme sind in der
JP 07308875 A sowie der
DE 3729162 C2 offenbart. Die zusätzlichen Bewegungsachsen erweitern den Arbeitsraum des Handhabungssystems und eine Überbestimmung der Freiheitsgrade ermöglicht Kollisionsvermeidungsstrategien sowie eine Bewegungsablaufoptimierung. Weiterhin sind Industrieroboter als Systeme mit verteilten Achsen bekannt, die beispielsweise durch die Kombination von sechsachsigen Knickarm-Robotern mit einem Dreh- und Kipptisch ein Nahtschweißen ermöglichen.
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Bei einer zunehmenden Miniaturisierung von Werkzeugen und Werkstücken wachsen jedoch die Anforderungen an die Positioniergenauigkeit, die visuelle Auflösung sowie Konditionierung der Umgebung, beispielsweise Ladungsfreiheit, Feuchte etc. Bei Mikrobauteilen, deren laterale Abmessungen zwischen etwa 10 μm und 10 mm bei einer Masse von bis zu etwa 1 g betragen, ist das Verhältnis von der Oberfläche zu dem Volumen des Bauteils sehr groß, so dass bei entsprechend miniaturisierten Bauteilen Oberflächen-Effekte, beispielsweise Van-der-Vaals-Kräfte und/oder Oberflächenspannungen, dominant werden. In einem kleinen Arbeitsraum müssen die technischen Lösungen für die Manipulation ebenfalls verkleinert werden, um Kollisionen zu vermeiden.
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Üblicherweise werden hochgenaue serielle oder parallele Sechsachskinematiken zur Positionierung mit sechs Freiheitsgraden eingesetzt. Für die Zuführung der Bauteile werden meist weitere Achsen eingesetzt, bis eine ausreichende Bewegungsmöglichkeit und Zugänglichkeit innerhalb des Systems gewährleistet ist. Hierdurch entstehen sehr komplexe mechatronische Systeme, deren Anzahl an bewegten Achsen sehr hoch werden kann. Insbesondere bei einem bewegten Werkstück und einem bewegten Werkzeug werden oft bis zu zwölf Achsen eingesetzt, um eine visuelle Kontrolle durchführen zu können.
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Bei der Visualisierung entstehen Probleme aus einer geringen Objektgröße und einem kleinen Bildausschnitt. Dies führt zu der Schwierigkeit, das zu beobachtende Werkstück „zu finden”. Die visuelle Kontrolle kann üblicherweise nur unzureichend mit einem einzigen bildgebenden System realisiert werden, was zu fehlerhafter oder sehr aufwändiger Bildauswertung führt. Ferner sind Kollisionen der bewegten Achsen aufgrund des kleinen Arbeitsraumes ein ebenfalls häufig vorkommendes Problem derartiger Systeme.
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Vor diesem Hintergrund ist es Aufgabe der vorliegenden Erfindung, eine eingangs vorgestellte Handhabungsvorrichtung für eine Manipulation von Mikrobauteilen zu verbessern.
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Zur Lösung dieser Aufgabe ist bei einer gattungsgemäßen Handhabungsvorrichtung zur Manipulation von Mikrobauteilen vorgesehen, dass die Handhabungsvorrichtung für jeweils einen Freiheitsgrad genau eine Achse aufweist und eine kinematische Kette der Bewegung in den translatorischen und rotatorischen Freiheitsgraden auf die erste und zweite Bewegungseinrichtung aufgeteilt ist, so dass die Auflösung der translatorischen Bewegung ≤ 1 μm und die Auflösung der rotatorischen Bewegung ≤ 1' beträgt. Für besondere Anforderungen kann die Auflösung der translatorischen Bewegung ≤ 0,1 μm und die Auflösung der rotatorischen Bewegung ≤ 1'' betragen. Durch das Vorsehen genau einer Achse für jeden Freiheitsgrad ist das erfindungsgemäße System nicht überbestimmt, wodurch es möglich ist, eine Fehlerfortpflanzung der seriell gekoppelten Bewegungen zu vermindern.
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Die Zuführung und Positionierung sowie die Orientierung des Werkstücks werden durch dieselben Achsen durchgeführt. Somit sind keine zusätzlichen Achsen erforderlich. Auch liegt der erfindungsgemäßen Handhabungsvorrichtung ein einfaches kinematisches Modell mit einer Achse für jeden Freiheitsgrad zugrunde, wodurch der Rechen- bzw. Programmieraufwand gering gehalten werden kann. Bei einer bevorzugten Ausführungsform der vorliegenden Erfindung weist die erste Bewegungseinrichtung eine translatorische Bewegungsachse und zwei rotatorische Bewegungsachsen auf. Die zweite Bewegungseinrichtung weist zwei translatorische Bewegungsachsen und eine rotatorische Bewegungsachse auf. Durch diese Anordnung zweier kinematisch nicht gekoppelter Dreiachssysteme können das Werkzeug und das Werkstück zueinander in allen sechs Freiheitsgraden bewegt werden. Durch die minimale Anzahl der Achsen und die Aufteilung in zwei kinematischen Bewegungsketten ist die Positioniergenauigkeit gegenüber einer üblichen seriellen Sechsachskinematik erhöht.
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Bevorzugt ist bei einer erfindungsgemäßen Handhabungsvorrichtung zur Steuerung, Messwerterfassung und Achssteuerung eine Steuereinheit vorgesehen. Dies ermöglicht einen Betrieb der Handhabungsvorrichtung mit einem Rechner bzw. Computer, auf dem eine einzige, durchgängige Software zur Ansteuerung vorgesehen ist.
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Bei der erfindungsgemäßen Handhabungsvorrichtung sind bevorzugt zumindest zwei Bilderfassungsvorrichtungen für eine visuelle Kontrolle vorgesehen. Bevorzugt sind die beiden Bilderfassungsvorrichtungen in unterschiedlichen Projektionsebenen angeordnet Dies eröffnet die Möglichkeit, das Werkzeug bzw. des Werkstück aus unterschiedlichen Betrachtungsrichtungen gleichzeitig zu beobachten, wodurch der Aufwand für eine Bildauswertung verringert wird, insbesondere entfällt eine aufwändige 3-D-Rokonstruktion.
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Eine vorteilhafte Ausgestaltung der erfindungsgemäßen Handhabungsvorrichtung sieht als Werkzeug einen mechanischen Greifer vor. Alternativ ist als Werkzeug ein Unterdruckgreifer vorgesehen. Schließlich ist als weitere Alternative ein elektrostatischer Greifer als Werkzeug vorgesehen. Die unterschiedlichen Werkzeuge können somit je nach Umgebungsbedingungen und/oder Material und Größe der Mikrobauteile ausgewählt werden.
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In vorteilhafter Weise ist die Handhabungsvorrichtung in eine Messkammer eines Elektronen-Rastermikroskapes einsetzbar. Der kompakte und einfache Aufbau der Vorrichtung ermöglicht die Durchführung bei gleichzeitiger Beobachtung der Manipulation von Mikrobauteilen.
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Nachfolgend wird die vorliegende Erfindung anhand eines Ausführungsbeispieles unter Bezug auf die beigefügten Figuren beispielhaft näher erläutert, in denen:
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1 – schematisch den prinzipiellen Aufbau der vorliegenden Erfindung zeigt;
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2 – ein Ausführungsbeispiel der Handhabungsvorrichtung skizziert wiedergibt; und
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3 – die Handhabungsvorrichtung aus 2 mit zusätzlicher Bilderfassung skizziert wiedergibt.
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1 zeigt schematisch den prinzipiellen Aufbau der erfindungsgemäßen Handhabungsvorrichtung mit einer ersten Bewegungseinrichtung 1 und einer zweiten Bewegungseinrichtung 2, die auf einer im Wesentlichen ebenen Standfläche 3 angeordnet sind. Die erste Bewegungseinrichtung 1 weist eine zu der Standfläche 3 senkrecht angeordnete translatorische Achse 11 auf, die eine Bewegung in eine durch die Strichpunktlinie angedeutete Z-Richtung ermöglicht.
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An der translatorischen Achse 11 ist Schwenkarm 12 mit einem Ende an einem Drehlager 13 angeordnet, sodass der Schwenkarm 12 um eine Rotationsachse ψ des Drehlagers 13 drehbar ist. Das andere Ende des Schwenkarms 12 ist im W sentlichen parallel zu der Rotationsachse ψ ausgebildet. An diesem Ende des Schwenkarms 12 ist ein weiteres Drehlager 14 angeordnet, das um eine Rotationsachse θ drehbar ist. Die Rotationsachse θ ist orthogonal zur Rotationsachse ψ und der Schnittpunkt beider Rotationsachsen θ und ψ befindet sich bevorzugt im Arbeitspunkt.
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Die dargestellte erste Bewegungseinrichtung weist somit die Z-Achse für eine Bewegung in dem ersten translatorischen Freiheitsgrad sowie die Rotationsachsen ψ und θ für Bewegungen in zwei rotatorischen Freiheitsgraden auf. Die Drehbewegung um die Rotationsachse ψ beträgt mindestens +/–90°, wohingegen die Drehbewegung um die Rotationsachse θ +/– 180°, also im Prinzip einen Vollkreis beträgt.
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In der 1 ist ferner die zweite Bewegungseinrichtung 2 gezeigt, die eine erste translatorische Achse 21 für eine Bewegung in eine X-Richtung aufweist. An dieser ersten translatorischen Achse 21 ist eine zweite translatorische Achse 22 angeordnet, die eine Bewegung in Y-Richtung ermöglicht. In Z-Richtung oberhalb der zweiten translatorischen Achse 22 ist ein Drehlager 23 vorgesehen, das eine Drehung um eine Rotationsachse ϕ ermöglicht.
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Die zweite Bewegungseinrichtung 2 ermöglicht somit eine translatorische Bewegung in X- sowie in Y-Richtung und eine rotatorische Bewegung um die Rotationsachse ϕ. Die X-, Y- und Z-Richtung stehen jeweils senkrecht aufeinander und bilden somit die Raumrichtungen eines kartesischen Raumes. Die Rotationsachse ψ ist parallel zu der X-Richtung und die Rotationsachse ϕ ist parallel zu der Z-Richtung. Das Verschwenken des Schwenkarmes 12 um die Rotationsachse ψ um 90° aus einer senkrechten Position erzeugt eine Parallelität zwischen der Rotationsachse θ und der Y-Richtung. Durch die insgesamt sechs Bewegungsachsen wird die Bewegung in allen sechs Freiheitsgraden ohne Überbestimmung ermöglicht.
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2 zeigt ein Ausführungsbeispiel der erfindungsgemäßen Handhabungsvorrichtung. Die Handhabungsvorrichtung weist eine Basisplatte als Standfläche 3 auf, an deren Oberseite eine erste Bewegungseinrichtung 1 und eine zweite Bewegungseinrichtung 2 angeordnet sind. Die erste Bewegungseinrichtung 1 umfasst eine Stützstruktur 15, die eine in Z-Richtung linear bewegliche Achse 11 aufweist. An dieser translatorischen Achse 11 ist ein Schwenkarm 12 mit einem Ende schwenkbar gelagert.
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Das andere Ende des Schwenkarmes 12 weist einen Werkzeugkopf 16 auf, der zu der Rotationsachse der Schwenkbewegung senkrecht drehbar ist. Der Werkzeugkopf 16 weist als Greifelement eine Kapillare 17 auf, deren Durchmesser beispielsweise 80 μm beträgt. Mit der Kapillare 17 kann ein Bauteil (nicht dargestellt) mittels Unterdruck festgehalten werden.
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Die zweite Bewegungseinrichtung 2 weist zwei übereinander angeordnete translatorische Achsen 21 und 22 auf, die eine Bewegung in die X- bzw. Y-Richtung ermöglichen, die orthogonal zueinander angeordnet sind. An der zweiten translatorischen Achse 22 ist ein Drehtisch 24 angeordnet, dessen Dreh- bzw. Rotationsachse senkrecht zu der durch die X- und Y-Richtung aufgespannten Ebene ist. Auf der Oberseite des Drehtisches 24 kann ein Werkstück (nicht dargestellt) angeordnet werden, das mittels der Kapillare 17 aufgenommen und abgesetzt werden kann. Die Aufnahme erfolgt durch einen an der Spitze der Kapillare 17 angelegten Unterdruck. zum Lösen des Mikrobauteils wird dieses mit einem kleinen Druckstoß beaufschlagt.
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3 zeigt die erfindungsgemäße Handhabungsvorrichtung aus 2 mit einem Gehäuse 31. An der Oberseite 32 des Gehäuses 31 ist eine Trägerstruktur 33 angeordnet. Die Trägerstruktur 33 dient zur Aufnahme zweier Bilderfassungseinrichtungen 34 bzw. Kameras, deren Projektionsebenen senkrecht zueinander ausgerichtet sind. Mittels der Bilderfassungseinrichtungen 34 können sowohl die Kapillare 17 als auch das Mikrobauteil (nicht dargestellt) gleichzeitig aus zwei verschiedenen Richtungen beobachtet werden, um die Manipulation simultan Kontrollieren zu können.
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Der relativ einfache Aufbau der beiden linearen Bewegungsketten für die beiden Bewegungseinrichtungen ermöglicht dabei einen guten Einblick in den Arbeitsraum. Der Arbeitsraum ist im Wesentlichen zylinderförmig und ist mit einer Dimensionierung von mehreren Zentimetern in Höhe und Durchmesser für Mikrobauteile relativ groß. Eine Einschränkung des optisch kontrollierbaren Arbeitsraumes ergibt sich durch die Qualität bzw. Auflösung der Bilderfassungseinrichtungen (Tiefenschärfe).
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In der Darstellung der 3 ist die Stützstruktur 33 fest angeordnet. Um unabhängig der Einstellungen der beiden Bewegungseinrichtungen 1 und 2 jeweils einen ungestörten Einblick in den Arbeitsraum zu ermöglichen, kann die Stützstruktur 33 ebenfalls beweglich und schwenkbar angeordnet werden, um die Projektionsebenen der beiden Bilderfassungseinrichtungen 34 den Einstellungen der Bewegungseinrichtungen 1 und 2 anpassen zu können.
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Die in 2 dargestellte Handhabungsvorrichtung ist zum Betrieb im Hochvakuum geeignet. Somit kann die relativ kompakte Handhabungsvorrichtung in eine Messkammer eines Elektronen-Rastermikroskopes (nicht dargestellt) eingesetzt werden. Hierbei ist eine durch die Größe der Kammer bedingte Einschränkung der Bewegungsfreiheit nicht gegeben. Die Handhabungsvorrichtung wird durch einen Rechner bzw Computer gesteuert, der der Übersicht halber nicht dargestellt ist.