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Die
Erfindung betrifft ein Verfahren gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs
1 zur Verbesserung des Regelverhaltens einer blockiergeschützten Bremsanlage
und eine Vorrichtung gemäß dem Oberbegriff
von Anspruch 5.
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Bei
einer radindividuellen Regelung (Individualregelung, Einzelradregelung)
einer Kraftfahrzeugbremsanlage wird der Bremsdruck jedes Rades völlig unabhängig von
dem Drehverhalten der übrigen
Räder geregelt.
Mit dieser Vorgehensweise sind zwar geringe Bremswege erreichbar,
aber aufgrund ungleicher Bremsmomente oder auf Fahrbahnen mit geteilter
Reibsituation (μ-Split)
kann ein Giermoment um eine Fahrzeughochachse aufgebaut werden,
welches vom Fahrzeugführer
aktives Gegenlenken erfordert, um ein Ausbrechen zu vermeiden. Nicht
alle Fahrzeugführer
sehen sich in der Lage, ein gierendes Fahrzeug in der Spur zu halten.
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Um
ein Giermoment infolge Bremsung bei μ-Split-Situation zu verringern,
ist eine sogenannte Giermomentaufbauverzögerung (GMA) bekannt geworden,
welche an einem Vorderrad, das auf der Fahrbahnseite mit dem größeren Reibwert
läuft (High-Rad),
zu einem zeitlich verzögerten
Druckaufbau in der Radbremse führt
(Kraftfahrtechnisches Taschenbuch, 22. Auflage 1995, VDI-Verlag, S. 630 ff). Ein
verzögerter
Druckaufbau oder ein verringerter Druckaufbaugradient verlängert den
Bremsweg. Die Maßnahme
ist nur bei kurzen μ-Split-Situationen wirksam
und bleibt bei längeren μ-Split-Strecken ohne
Einfluß.
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Um
eigenstabiles Verhalten zu gewährleisten,
ist man dazu übergegangen,
dasjenige Rad der Hinterachse als Kriterium für eine gemeinsame Bestimmung
der Druckmodulation für
die Hinterräder heranzuziehen,
welches die stärkere
Blockiertendenz zeigt. Bei dieser sogenannten select-low-Strategie
wird die mögliche
Bremskraftübertragung
des Rades mit verminderter Blockiertendenz nicht vollständig ausgenutzt.
Dafür besteht
an diesem Rad eine ausreichende Reserve, um Seitenführungskräfte zu übertragen.
Aufgrund der geringeren Kraftschlußbeanspruchung übernimmt
es eine Sicherungsfunktion bei gefährdeter Fahrstabilität.
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Es
ist ferner bekannt, bei großen
Reibwertunterschieden zwischen Rädern
einer Hinterachse und Blockiertendenz des Hochreibwert-Rades eine Individualregelung
zu beenden, und einen Antiblockier-Regeleingriff nach dem Select-Low-Prinzip
in Abhängigkeit
von der Drehgeschwindigkeit des Niedrigreibwert-Rades vorzunehmen. Dies verursacht mithin
einen überhöhten Druckabbau
an dem Hochreibwert-Hinterrad. Ferner erfolgt der dem Druckabbau nachfolgende
Druckaufbau am Hochreibwert-Hinterrad
starr. Dadurch sind Konstellationen möglich, bei denen das Hochreibwert-Hinterrad über einen
kleineren Druckaufbaugradienten verfügt, als das Niedrigreibwert-Hinterrad.
In der Folge wird der Reibwert zwischen Fahrbahn und Reifen nicht
ausgenutzt. Weil der Druckaufbau in einem select-low-Regelzyklus im Bereich
des Hochreibwert-Rades auf einer Steuerung nach Maßgabe des
Niedrigreibwert-Rades beruht, ist die Bremswirkung verbesserungswürdig.
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Der
vorliegenden Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, Maßnahmen
anzugeben, welche ohne Verringerung der Fahrstabilität eine verbesserte
Ausnutzung der Kraftschlußsituation
zwischen Reifen und Fahrbahn erlauben.
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Diese
Aufgabe wird erfindungsgemäß bei einem
Fahrzeug mit blockiergeschützter
Bremsanlage und radindividueller Regelung des Bremsdrucks von Radbremsen
dadurch erzielt, daß das
Drehverhalten der Hinterräder
anhand des Radschlupfes beobachtet und bewertet wird, und daß bei Erkennung
einer μ-Split-Situation
und bei Erkennung einer Blockiertendenz eines Hochreibwert-Hinterrades ein Bremsdruckabbau
nur zugelassen wird, wenn an dem Niedrigreibwert-Hinterrad eine
Druckaufbauphase oder eine Druckhaltephase vorliegt. Erfindungsgemäß wird das
Druckabbau Niveau am Hochreibwert-Hinterrad auf einen Wert begrenzt,
der die Ausnutzung der Kraftschlußsituation bei limitierter
Destabilisierung ermöglicht.
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Um
den Bremsweg weiter zu senken, kann es vorgesehen sein, die im Anschluß an einen Druckabbau
an beiden Hinterradbremsen vorgesehenen Druckaufbauzeiten miteinander
zu vergleichen und zu bewerten. Wenn auf Basis des Vergleiches erkannt
wird, daß die
summierten Druckaufbauzeiten am Hochreibwert-Hinterrad kleiner sind,
als die summierten Druckaufbauzeiten an dem Niedrigreibwert-Hinterrad,
wird davon ausgegangen, daß das
Hochreibwert-Hinterrad
unterbremst wurde. Deshalb wird ein zusätzlicher Druckaufbau an dem
Hochreibwert-Hinterrad vorgenommen. Der zusätzliche Druckaufbau kann beispielsweise
anhand einer (oder vielfacher) zusätzlichen Druckaufbauzeit bewirkt werden.
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Vorteilhafterweise
wird für
den Druckaufbauzeitenvergleich ein Toleranzbereich zur Berücksichtigung
einer Hysterese vorgesehen. Nur wenn die summierten Druckaufbauzeiten
des Hochreibwert-Hinterrades den vorgegebenen Toleranzbereich unterschreiten,
wird ein zusätzlicher
Druckaufbau vorgenommen. Destabilisierende Druckaufbauvorgänge werden
dadurch vermieden.
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Um
die Kraftschlußsituation
weitgehend auszuschöpfen,
werden zusätzliche
Druckaufbauvorgänge
vorgenommen, bis unterschiedliche Druckaufbauzeiten ausgeglichen
sind.
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Eine
erfindungsgemäße Kraftfahrzeugbremsanlage
zur Durchführung
des Verfahrens verfügt über Radbremsen
und Mittel zur Erfassung und Beobachtung von Raddrehinformationen
sowie über Mittel
zur elektronisch geregelten Bremsdruckmodulation, oder Bremskraftmodulation,
zur Durchführung des
Verfahrens. Die Bremsanlage verfügt über einen Vergleicher
zum Vergleichen und Bewerten von Druckaufbauzeiten an den Hinterradbremsen.
Der Vergleicher emittiert auf Grundlage des Vergleiches elektronische
Signale an eine elektronische Steuereinheit (ECU) zur Änderung
der Bremsdruckmodulation oder Bremskraftmodulation. Bei dieser Ausführungsform
der Erfindung besteht ein vollständiger Sonderregelungszyklus
der modifizierten Individualregelung folglich aus Druckaufbau- und
Druckabbauvorgängen.
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Eine
Vorrichtung, welche insbesondere zur Durchführung des Verfahrens geeignet
ist, verfügt über individuell
geregelte Radbremsen an einer Hinterachse, über Mittel zum Erfassen und
Beobachten von Raddrehinformationen sowie über Mittel zur elektronisch
geregelten Bremsdruckmodulation, oder Bremskraftmodulation. Es ist
ferner ein Beobachter zum Beobachten und Bewerten des Drehverhaltens, insbesondere
des Radschlupfs von Hinterrädern
vorgesehen, welcher Mittel zum Erkennen wenigstens einer bestimmten
Regelsituation an wenigstens einem der Räder aufweist, um in Abhängigkeit
von dieser Regelsituation und in Abhängigkeit von dem Radschlupf
eine Änderung
der Bremsdruckmodulation oder eine Änderung der Bremskraftmodulation
an dem anderen Rad zu veranlassen.
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Bei
einer Abwandlung der Erfindung ist ein Vergleicher zum Vergleichen
und Bewerten von Druckaufbauzeiten der Hinterradbremsen vorgesehen,
wobei der Vergleicher auf Grundlage des Vergleiches elektronische
Signale an eine elektronische Steuereinheit zur Änderung der Bremsdruckmodulation
oder Bremskraftmodulation emittiert. Sowohl der Beobachter als auch
der Vergleicher können
ein integraler Bestandteil der elektronischen Steuereinheit sein.
Sie liegen vorzugsweise als – anhand
computerimplementierter Mittel – umgesetzter
Algorithmus vor. Die Erfindung wird nachstehend anhand der Zeichnung
näher erläutert. In
der Zeichnung sind jeweils schematisiert einander zugeordnete Ventilsteuerzeiten,
Radgeschwindigkeitsverläufe
sowie Radbremsdrücke
von zwei Hinterrädern
bei μ-Split-Situation
in Abhängigkeit
von der Zeit aufgetragen. Die Legende dient der Erläuterung
des jeweiligen Kurvenverlaufs. In der Zeichnung zeigt
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1 einen
schlupfbedingten Druckabbau an einem Hochreibwert-Hinterrad, und
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2 einen
Druckaufbau an einem Hochreibwert-Hinterrad infolge differierender
Druckaufbauzeiten.
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Eine
Kraftfahrzeugbremsanlage verfügt über Radbremsen,
welche Rädern
zugeordnet sind, und über
Mittel zur Erfassung und Beobachtung von Raddrehinformationen. Zur
Gewinnung von Raddrehinformationen haben sich Raddrehzahlsensoren durchgesetzt,
deren elektrische Signale in einer elektronischen Steuereinheit
(ECU) verarbeitbar sind, um anhand hydraulischer Ventile eine Druckmodulation bei
Blockiertendenz vorzunehmen. Die elektronische Steuereinheit dient
der Ansteuerung der hydraulischen Ventile, die in einer Hydraulikeinheit
(HCU) angeordnet sind. Die Steuereinheit weist einen integrierten
Beobachter zum Beobachten und Bewerten des Radschlupfs der Hinterräder auf.
Der Beobachter ist darüber
hinaus in der Lage, und mit entsprechenden Mitteln versehen, um
Regelsituationen von – den Radbremsen
zugeordneten – Hydraulikventilen
zu erkennen. Mit anderen Worten kann der Beobachter beurteilen,
ob sich ein Niedrigreibwert-Hinterrad
in einer Druckaufbau- oder in einer Druckabbauphase befindet. Wenn
der Beobachter ermittelt, daß an
dem Hochreibwert-Hinterrad Blockiertendenz vorherrscht, und daß sich das
Niedrigreibwert-Hinterrad in einer Druckaufbau oder Druckhaltephase
befindet, wird mittels Emission eines entsprechenden Ventilansteuersignals
eine Änderung
der Bremsdruckmodulation an dem Hochreibwert-Hinterrad im Sinne
eines Druckabbaus vorgenommen. Der elektronischen Steuereinheit
(ECU) ist ferner ein Vergleicher zugeordnet, welcher zum Vergleichen
und Bewerten von Druckaufbauzeiten an den Radbremsen einer Hinterachse
vorgesehen ist. Bei Erkennung eines Ungleichgewichts der Ventilansteuerzeiten
(Druckaufbau) zu Ungunsten des Hochreibwert-Hinterrades, werden entsprechende elektronische
Ventilansteuersignale für
einen zusätzlichen
Druckaufbau an dem Hochreibwert-Hinterrad
emittiert. Sowohl der Beobachter, als auch der Vergleicher kann
in die ECU integriert sein.
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Obwohl
die Erfindung am Beispiel der Bremsdruckmodulation bei einer elektrohydraulischen
Kraftfahrzeugbremsanlage erläutert
wird, ist die Erfindung nicht auf diesen Anwendungsfall beschränkt. Die
Erfindung kann insbesondere auch bei einer elektromechanischen Bremsanlage
mit elektromechanischen Aktuatoren zur Bremskrafterzeugung angewendet
werden.
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Um
den vorliegenden Reibwert zwischen Reifen und Fahrbahn bei μ-Split-Situationen
besser auszunutzen, und den Bremsweg zu reduzieren, wird das Drehverhalten
der Hinterräder
anhand des Radschlupfes – welcher über die
Raddrehzahlsensoren erfaßt
wird – beobachtet.
Sodann wird beurteilt, ob eine μ-Split-Situation
vorliegt oder nicht. Sofern keine μ-Split-Situation vorliegt, wird
eine herkömmliche
Antiblockier-Regelstrategie durchgeführt. Wurde jedoch erkannt,
daß eine μ-Split-Situation
vorliegt, bei der sich die Schlupfwerte der Räder einer Fahrzeugseite wesentlich
von den Schlupfwerten auf der gegenüberliegenden Fahrzeugseite
unterscheiden, wird zusätzlich überprüft, ob an
dem Hochreibwert-Hinterrad Blockiertendenz herrscht. Auf Blockiertendenz
kann geschlossen werden, wenn beispielsweise eine Schlupfschwelle überschritten
wurde. In 1 ist die Blockiertendenz an
dem Hochreibwert-Hinterrad zu dem Zeitpunkt t1 mit λ1 gekennzeichnet.
Sowie eine bestimmte, vorgegebene Schlupfschwelle bei μ-Split überschritten
ist, und weiterhin an dem Niedrigreibwert-Hinterrad eine Druckaufbauphase
oder eine Druckhaltephase vorliegt (was aus dem entsprechenden Radbremsdruckverlauf
bei plm1 hervorgeht), erfolgt entsprechend
phm1 ein Bremsdruckabbau an dem schlupfenden
Hochreibwert-Hinterrad.
Dadurch wird bewirkt, daß das
Radbremsdruckniveau am Hochreibwert-Hinterrad auf einen Wert begrenzt wird,
der die größtmögliche Verzögerung bei
limitierter Destabilisierung ermöglicht.
Mit anderen Worten erfolgt bei phm1 unter
den gegebenen Bedingungen ein beschränkter Druckabbau. Die Druckabbauzeit ist
beispielsweise konstant, und die Pausenzeit hat die Dauer einer
Reglerschleife.
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Für Vergleich
und Bewertung werden gefilterte Radschlupfwerte herangezogen, so
daß Meßausreißer und
Fehler gewissermaßen
unterdrückt werden.
Es versteht sich ferner, daß zur
Anpassung der Regelcharakteristik an das Raddrehverhalten in ansich
bekannter Art und Weise jeweils zwei unterschiedliche Regelschwellen
als Kriterium für
die Einleitung von Druckhaltephasen oder Druckabbau- oder Druckaufbauphasen
vorgesehen sind. Aus Gründen
der Vereinfachung wird in der vorliegenden Beschreibung nur von
einer einzigen Regelschwelle gesprochen.
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Für ein weiterentwickeltes
Regelverhalten werden die Regelschwellen bei Erkennung einer μ-Split-Situation
für die
betreffenden Räder
im Vergleich zu zuvor wirksamen Regelschwellen abgesenkt.
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Zur
weiteren Verkürzung
des erforderlichen Bremsweges dient folgende, in 2 verdeutlichte, zusätzliche
Routine. Die sich im Anschluß an
einen Druckabbau an beiden Hinterrädern ergebenden Druckaufbauzeiten
(Ventilsteuerzeiten) werden miteinander verglichen. Die Ventilansteuerungszeiten sind
anhand der markierten Verläufe
verdeutlicht, wobei ein vertikal nach oben deutender Impuls eine Steuerzeit
im Sinne eines Druckaufbaus und ein vertikal nach unten deutender
Impuls eine Ansteuerzeit im Sinne eines Druckabbaus verdeutlicht.
Wenn auf Basis dieses Vergleichs bei t2 erkannt
wird, daß die summierten
Druckaufbauzeiten am Hochreibwert-Hinterrad kleiner sind, als die
summierten Druckaufbauzeiten an dem Niedrigreibwert-Hinterrad, wird
davon ausgegangen, daß das
Hochreibwert-Hinterrad unterbremst ist. Deshalb erfolgt zum Zeitpunkt
t2 gemäß dem dokumentierten
Druckverlauf bei pHM2 ein zusätzlicher
Druckaufbau an dem Hochreibwert-Hinterrad. Der zusätzliche
Druckaufbau kann anhand einer zusätzlichen, standardisiert vorgegebenen
Druckaufbauzeit (beispielsweise ein Loop) mit einer standardisierten
Pulsamplitude (konstanter Wert) oder mit einer in Abhängigkeit
von dem Grad der Unterbremsung angepaßten Pulsamplitude und Druckaufbauzeit
erfolgen. Das Niedrigreibwert-Hinterrad verfügt zu dem Zeitpunkt t2 über
den Druck pLM2.
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Generell
ist bei dem Vergleich der Druckaufbauzeiten ein Toleranzbereich
zu berücksichtigen, um
eine Hysterese zu erzielen. Nur wenn die summierten Druckaufbauzeiten
den vorgegebenen Toleranzbereich unterschreiten, ist ein zusätzlicher Druckaufbau
vorgesehen. Es versteht sich, daß der vorstehende Vergleich
der Druckaufbauzeiten primär für elektromagnetisch
schaltbare Sitzventile Verwendung findet. Bei Verwendung von analog
regelbaren Sitzventilen kann gegebenenfalls zusätzlich ein Öffnungsgrad Berücksichtigung
finden, oder der Druckgradient wird anhand von Drucksensoren bestimmt.
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Die
zusätzlichen
Druckaufbauvorgänge
werden fortgesetzt, bis Differenzen der Druckaufbauzeiten ausgeglichen
sind.