Es ist bekannt, daß das HNA-2a (NB1)-Merkmal zur Bildung von Allo- und Autoantikörpern
führen kann. Diese Antikörper können zu Erkrankungen wie der neonatalen
Immunneutropenie, die transfusionsassoziierten akuten Lungeninsuffizienz, der
Immunneutropenie nach Knochenmarktransplantation, der Medikament-induzierten
Immunneutropenie sowie der Autoimmunneutropenie führen. Man weiß, daß es sich bei dem
HNA-2a (NB1)-Antigen um ein auf einer Subpopulation der Granulozyten exprimiertes
Glykoprotein handelt. Die dem Glykoprotein zugrundeliegende Nukleotid- und
Aminosäuresequenz ist bisher nicht bekannt gewesen, weshalb die fragilen und nicht
lagerbaren Granulozyten für die Antigen- und Antikörper-Diagnostik benutzt werden müssen.
Hierzu sind die Granulozyten zunächst arbeits- und zeitaufwendig aus dem Blut von Patienten
(Antigennachweis) bzw. ausgesuchter, gesunder Spender (Antikörpernachweis) zu isolieren.
Erst dann können die notwendigen Untersuchungen für die Diagnostik der oben angeführten
Erkrankungen durchgeführt werden. Dies hatte zur Folge, daß diese Untersuchungen nur von
wenigen Speziallaboratorien durchgeführt werden, was wiederum Postversand notwendig
macht, bzw. der Patient wegen der Instabilität der Granulozyten zur. Blutentnahme zum
Speziallabor reisen muß.
Das Problem der Erfindung lag daher in der Aufklärung der kodierenden Nukleotidsequenz
und der hieraus ableitbaren Aminosäuresequenz, um auf die Verwendung von humanen,
Granulozyten verzichten zu können.
Zur Lösung dieses Problems wurden zunächst Granulozyten aus dem Blut HNA-2a (NB1)
tragender Individuen separiert und anschließend lysiert. Mittels
Immunaffinitätschromatographie wurde das Antigen aus dem Granulozytenlysat isoliert.
Nach Auftrennung in der SDS-Polyacrylamid-Gelelektropherese wurde das isolierte Antigen
mittels Immunoblot unter Verwendung von mehreren Referenzantikörpern als HNA-2a
(NB1)-Antigen bestätigt. Die N-terminale Aminosäuresequenz wurde durch Edman-Abbau
ermittelt und Primer zur Aufklärung der cDNA-Sequenz konstruiert. Nach Isolierung von m-
RNA aus Granulozyten HNA-2a (NB1)-positiver Individuen wurde die cDNA-Sequenz
mittels RACE-PCR ("rapid amplification of cDNA ends polymerase chain reaction) ermittelt.
Die aus der cDNA-Sequenz abgeleitete Aminosäuresequenz enthielt Aminosäuresequenzen
von 3 Trypsinspaltprodukten des immunchromatographisch isolierten Antigens. Die
gefundene Nukleinsäuresequenz wurde in COS- und CHO-Säugerzellen zur Expression
gebracht. Das exprimierte Glykoprotein (Antigen) wurde von monoklonalen und humanen
Antikörpern sowohl in der Durchflußzytometrie als auch in immunchemischen Methoden wie
dem Immunoblot und der Immunpräzipitation erkannt. Somit ist nach derzeit gültigen
wissenschaftlichen Maßstäben nachgewiesen, daß die von uns aufgeklärte
Nukleinsäuresequenz für das bekannte HNA-2a- (NB1)-Antigen codiert.
Nukleinsäuresequenz-Datenbanksuchen zeigten, daß der Anfangsteil der Nukleotidsequenz
bereits im Rahmen des Human Genome Projekts sequenziert worden waren, ohne jedoch die
Bedeutung der Nukleotidsequenz als kodierende Sequenz für das HNA-2a (NB1)-Antigen zu
erkennen, was sich auch in den Protein-Datenbanksuchen bestätigte. Bei dem HNA-2a
(NB 1)-Antigen handelte es sich somit um ein Glykoprotein der Granulozytenmembran mit
bislang unbekannter Primärstruktur.
Mit Hilfe der gewonnenen Nukleotidsequenz lassen sich einfache und sichere
molekularbiologische Methoden, z. B. Polymerase-Ketten-Reaktionen, zur
Antigenbestimmung entwickeln, die nur geringe Mengen lagerbare DNA und nicht fragile
Granulozyten als Ausgangsmaterial erfordern. Die DNA-basierten Techniken erlauben im
Gegensatz zu intakten Granulozyten auch einen Versand der Patientenblutproben.
Weiterhin kann mit Hilfe der Rekombinationstechnologie das HNA-2a (NB1)-Antigen in
großer Menge und ohne Verunreinigungen durch andere humane Glykoproteine hergestellt
und in Antikörpernachweisverfahen, z. B. ELISA, eingesetzt werden.
Sowohl die DNA-basierten Antigentests als auch die Antikörpernachweisverfahren unter
Verwendung rekombinanter Antigene lassen sich in Form von fertig konfektionierten Testkits
als einfache diagnostische Verfahren für Laboratorien vermarkten. Die Aufklärung der HNA-
2a (NB 1)-Primärstruktur führt somit zu einer entscheidenden Vereinfachung seiner Antigen-
und Antikörper-Diagnostik.
Die Ausführung der Testkits kann zum Beispiel analog zu den bereits im Handel befindlichen
PCR-SSP-Testkits für die molekulare HLA-Antigenbestimmung erfolgen, wobei die
Nukleotidsequenzen für die HLA-Primer durch HNA-2a (NB1)-Antigen-spezifische
Primersequenzen zu ersetzen wären.
Der Antikörpernachweistest könnte entsprechend einem ebenfalls bereits auf dem Markt
befindlichen Testkit zum Nachweis antinukleärer Antikörper unter Verwendung rekombinat
hergestellter Antigene konfiguriert werden. Hierzu könnte die rekombinate Herstellung des
HNA-2a (NB1)-Antigens in größerem Stile ebenfalls im Baculovirus-Insektenzellen-
Expressionssystem erfolgen.