Stahllegierung mit hohem Borgehalt, die insbesondere als Absorbermaterial für Kernreaktoren geeignet ist
Die vorliegende Erfindung betrifft eine Stahllegierung mit hohem Borgehalt, insbesondere als Absorbermaterial für Kernreaktoren, das für fast sämtliche Typen von Kernreaktoren sowie für niedrige und höhere Reaktortemperaturen verwendbar ist. Ausserdem ist ein vorteilhaftes Herstellungsverfahren für ein solches Absorbermaterial angegeben.
Das Element Bor wird im Kernreaktorbau für viele Zwecke herangezogen, da es einen hohen Einfangquerschnitt für thermische Neutronen besitzt. Diese Eigenschaft lässt es besonders für die Regelung des Neutronenflusses geeignet erscheinen, und es ist daher in den verschiedenartigsten Zusammensetzungen als wirksamer Bestandteil in Regelstäben enthalten. Unter Neutronenbestrahlung zerfällt das Borisotop B 10, das etwa zu 20% in dem natürlichen Isotopengemisch vertreten ist, in stabile Atomkerne des Li7 und He4, wobei es keine y-Strahlen aussendet.
Diese Eigenschaft des Bors wird beim Bau von thermischen Schildern ausgenutzt, die aus borhaltigen Werkstoffen hergestellt werden und die Aufgabe haben.
eine übermässige Erwärmung bestimmter Reaktorbauteile durch Bestrahlung zu verhindern. So werden z.B. bei Kugelhaufenkernreaktoren die Abzugsrohre für die Brennstoffkugeln mit einer Schicht eines borhaltigen Materials umgeben. Die Anwendung derartiger Abschir- mungen gestattet es auch, die Wandstärken der übrigen Reaktorbauteile zu verringern sowie eine Überprüfung des Reaktor-Druckbehälters in Stillstandzeiten unter erleichterten Bedingungen vorzunehmen.
Nach dem Stand der Technik wird das Bor in Regelstäben entweder - meist als B4C - in Form einer pulvermetallurgisch hergestellten Mischung oder als metallische Legierung verwendet.
Im ersteren Fall erweist es sich als sehr ungünstig.
dass die B4C-Körper von Dampf angegriffen und schnell zersetzt werden. Sie müssen daher von Hülsen aus nichtrostendem Stahl umschlossen werden, wobei ein Aufquellen der Regelstäbe infolge des sich Ansammelns von Zerfallsatomen (He, Li) nicht auszuschliessen ist. Die Herstellung von Regelstäben, in denen das Bor in einer pulvrigen Mischung vorliegt, stösst auf technische Schwierigkeiten.
Die Verwendung von Bor in Form von metallischen Legierungen ist seit längerer Zeit bekannt, so werden Guss-Stähle mit einem Gehalt von 5% Bor bereits fabrikmässig hergestellt. Austenitische Cr-Ni-Stähle lassen sich bis zu einem eutektischen Borgehalt von 2,1% schmieden. Eine Erhöhung des Borgehalts steigert zwar die Zugfestigkeit und die Streckgrenze der Stahllegierung, aber gleichzeitig werden Bruchdehnung, Kerbschlagzähigkeit und Brucheinschnürung merklich herabgesetzt. Es erschien daher nicht geraten, legierte Stähle mit höheren Borgehalten herzustellen.
Die Erfindung geht von der Aufgabenstellung aus, ein borhaltiges Absorbermaterial insbesondere für Kernreaktoren anzugeben, das eine hohe Stabilität und Temperaturbeständigkeit mit guten mechanischen Eigenschaften verbindet. Das Kennzeichnende der Erfindung ist darin zu sehen, dass in eine austenitische Cr-Ni-Stahllegierung mit einem Cr-Anteil oberhalb 30 Gewichtsprozent das Bor-Isotop B 10 mit einem Gehalt von mindestens 1,9 Gewichtsprozent eingelagert ist. Derartige Stähle mit einem höheren Borgehalt weisen in ihrem Gussgefüge balkenförmige Primärboride auf, die erhebliche Mengen von Cr abzubinden vermögen. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, über die Erhöhung des Cr-Gehalts den Prozentsatz an Bor zu steigern und damit die Zusammensetzung der Stahllegierung ohne nachteilige Folgen für ihre mechanischen Eigenschaften zu beeinflussen.
Das Verhältnis der Anteile von Bor und Chrom ist dabei durch ein stöchiometrisches Gleichgewicht bestimmt, bei dem die Bildung eines niedrigschmelzenden Eutektikums verhindert wird.
Der 1,9%ige B 10-Gehalt ist so berechnet, dass die Wirksamkeit des erfindungsgemässen Absorbermaterials für eine mindestens zwanzigjährige Betriebsdauer eines Kernreaktors gewährleistet ist. Der Borstahl kann daher auch für Reaktorbauteile verwendet werden, die während der Betriebsdauer nicht ausgewechselt werden können, z.B. für das Kugelabzugsrohr umgebende Absorberschichten.
Das Absorbermaterial gemäss der Erfindung kann beispielsweise die folgende Zusammensetzung haben:
36-38 % Chrom
6- 8 % Nickel
2 % Borisotop B 10
0,05% Kohlenstoff
0,2 % Aluminium
Rest: Eisen
Der hohe Cr-Gehalt stellt die Grundlage für die Bildung einer hinreichenden Menge Chromboriden dar.
Der Prozentsatz an Kohlenstoff ist so gering wie möglich zu halten, um die Entstehung von unerwünschten Chromkarbiden zu vermeiden.
Das erfindungsgemässe Absorbermaterial weist gegenüber dem Stand der Technik eine Anzahl von Vorteilen auf. So sind die in ihm enthaltenen Boride stabil und werden nicht von Wasserdampf zersetzt. Das Absorbermaterial ist nicht anfällig für Kornzerfall, da sein C Gehalt nur sehr niedrig ist, und auch nach längerem Abbrand bzw. nach längerer Bestrahlung besitzt es noch ein hinreichend stabiles austenitisches Gefüge, denn die dabei entstandenen Spaltatome He und Li können sich im Gussgefüge und in den Leerstellen festsetzen. Ausserdem müssen der niedrige Preis und die unbegrenzte Verfügbarkeit des erfindungsgemässen Absorbermaterials erwähnt werden sowie der Umstand, dass es leicht zu handhaben ist, was beim Auswechseln von Abschaltstäben von grossem Nutzen ist.
Der 1,9%ige Anteil an B 10 in der Cr-Ni-Stahllegierung entspricht etwa 10% Bor im natürlichen Isotopengemisch, und das erfindungsgemässe Absorbermaterial lässt sich vorteilhaft dadurch herstellen, dass einer Cr-Ni-Stahllegierung der genannten Zusammensetzung 10% des natürlichen Borisotopengemisches beigegeben werden. Für die Verwendung des Absorbermaterials in Abschaltstäben wird es zweckmässig in Form von Hohlkörpern hergestellt, die beispielsweise einen Aussendurchmesser von 12 cm und einen Innendurchmesser von 6 cm haben und 150 cm lang sind.
Vier derartige Hohlkörper bilden zusammen einen Abschaltstab. Die Herstellung einer Cr-Ni-Stahllegierung mit einem 1,9%igen Gehalt an B 10 kann jedoch auch realisiert werden, ohne dass die Stahllegierung den hohen Prozentsatz von 10% Bor aufweist. So kann vorteilhaft ein Gehalt von 7,5 bis 8,5 % Bor gewählt werden, das jedoch nicht im natürlichen Isotopengemisch vorliegt, sondern dessen B 10-Komponente angereichert ist. Ein derartiges Absorbermaterial hat annähernd die gleiche Wirksamkeit wie das vorher beschriebene, lässt sich jedoch vom metallurgischen Standpunkt aus leichter herstellen. Vorteilhaft wird das Bor der Cr-Ni-Stahllegie- rung in Form von Ferrobor zugesetzt, das im Handel angeboten wird. Die Cr-Ni-Stahllegierung wird im Hochvakuum erschmolzen und mit dem Borzuschlag versetzt.
Die Beigabe von Aluminium zur Schmelze soll den Sauerstoff abbinden, welcher jedoch vorzugsweise durch das hohe Vakuum entfernt werden soll. Das Vakuum soll die Schmelze entlüften, entgasen und schützen. In der ersten Phase des Schmelzens kann das Vakuum bei 10-4 Torr stehen, und das Titan wird in dieser ersten Phase beigegeben, ebenso das Aluminium. In der zweiten Phase des Schmelzens, das ist nach der Zugabe des Ferrobors oder der borhaltigen Zutaten in entsprechender Verbindung, soll das Vakuum vorzugsweise 10- Torr oder weniger zeigen, weil durch die entstehenden Chromboride die Schmelze dickflüssiger wird und die Entgasung somit höheres Vakuum erfordert. Die Beigabe des Titans nach dem Ferroborzusatz erscheint unzweckmässig.
Es kann auch zweckmässig sein, die Cr-Ni-Stahllegie- rung im pulvermetallurgischen Verfahren in einer Schutzatmosphäre von Helium oder Argon zu verdichten.
Vorteilhaft schliesst sich daran ein Sinterungsprozess im Hochvakuum an.
Eine Chrom-Nickel-Stahllegierung mit einem hohen Borgehalt gemäss der Erfindung kann wegen ihrer grossen Festigkeit und sonstigen guten mechanischen Eigenschaften auch allgemein im Stahlbau mit Vorteil verwendet werden.