Polymerisationsverfahren für olefinisch ungesättigte Monomere
Viele polymerisierbare Verbindungen werden technisch in wässerigen dispersen Systemen polymerisiert, indem sie in flüssigem Wasser mit Hilfe von besonderen Verteilungsmitteln durch Rühren fein verteilt werden und in diesem dispersen Zustand der Einwirkung von Polymerisationskatalysatoren ausgesetzt werden. Diese Verfahren erlauben eine leichte Kontrolle der Reaktionsbedingungen und die Herstellung der Polymerisate in einer handlichen, für die Weiterverarbeitung geeigneten Form. Sie sind allgemein bekannt und vielfach beschrieben, z. B. von E. Trommsdorff in Die Makromolekulare Chemie XIII, 76-89 (1954).
Diese Verfahren haben auch einige Nachteile, besonders folgende:
1. Das Verteilungsmittel verunreinigen das Polymerisat. Man ist deshalb bemüht, mit einer möglichst kleinen Menge dieser Substanzen zu arbeiten.
2. Die Verteilungsmittel regeln den Kornaufbau des Polymerisats und verhüten die Verkrustung des Reaktionsraumes. Um diese Aufgabe befriedigend zu lösen, muss man relativ viel Verteilungsmittel verwenden.
Es wurde nun gefunden, dass man - unter sonst gleichen Bedingungen - mit weniger Verteilungsmittel arbeiten kann, dass man dennoch eine grössere Regelmässigkeit im Kornaufbau erreicht, und dass überraschenderweise die Krustenbildung praktisch vollständig unterbleibt, wenn der Reaktionsraum während der Polymerisation durch Nachpressen von Flüssigkeit vollständig mit Dispersion gefüllt gehalten wird.
Gegenstand vorliegenden Patentes ist ein Polymerisationsverfahren für disperse Systeme von olefinisch ungesättigten Monomeren in Wasser, die sich in einem geschlossenen Rührgefäss befinden, dadurch gekennzeichnet, dass der Reaktionsraum während der Polymerisation durch Nachpressen von Flüssigkeit vollständig mit Dispersion gefüllt gehalten wird.
Da alle Polymerisationen unter Volumenkontraktion verlaufen, ist ein dauerndes Nachpressen von Flüssigkeit während der Polymerisation erforderlich, damit der Reaktionsraum erfindungsgemäss mit Dispersion gefüllt bleibt.
Presst man keine Flüssigkeit nach, so entsteht auch in einem anfangs vollständig mit Dispersion gefüllten Reaktionsraum ein mit dem Fortschreiten der Polymerisation immer grösser werdender Dampfraum. Durch den sich dauernd ändernden Dampfraum wird aber auch der Rühreffekt dauernd ver ändert. Ferner besteht dabei die Dispersion nicht nur aus festen und flüssigen, sondern auch aus dampfförmigen Bestandteilen, was das Entstehen von Wandverkrustungen und die Ausbildung von unregelmässigen Polymerisatteilchen fördert.
Man vermeidet diese Nachteile, wenn der Reaktionsraum während der Polymerisation durch Nachpressen von Flüssigkeit vollständig mit Dispersion gefüllt gehalten wird. Zusätzliche Vorteile sind die bessere Ausnützung des Reaktionsraumes, da der gleiche Behälter mehr Dispersion aufnehmen kann.
Ferner ist die nachgepresste Flüssigkeitsmenge ein genaues, rasches und jederzeit zur Verfügung stehendes Mass für die Volumenkontraktion und für die entstandene Polymerisatmenge, was in speziellen Fällen, z. B. bei der Herstellung von Copolymerisaten oder bei der Erforschung der Polymerisationsvorgänge, von Bedeutung ist.
Um das Auftreten von Dämpfen über der Dispersion zu vermeiden, wird das Nachpressen von Flüssigkeit vorzugsweise bei einem etwas höheren Druck, als der Druck (Summe der Partialdrucke) über der Dispersion in einem nicht vollständig gefüllten Reaktionsraum betragen würde, vorgenommen. Das Nachpressen der Flüssigkeit kann man beispielsweise so vornehmen, dass der Reaktionsraum mit einer Vorlage verbunden wird, in der die Flüssigkeit unter entsprechendem Druck bereitgehalten wird, so dass die durch die Polymerisation entstehende Volumenkontraktion durch Nachfliessen von Flüssigkeit ausgeglichen wird, wobei der Druck im Behälter und im Polymerisationsgefäss so hoch gehalten wird, dass sich keine dampfförmige Phase bilden kann.
Das dem Verfahren zugrunde liegende allgemeine Prinzip ist im folgenden Absatz an einem speziellen Fall verständlicher gemacht:
In einem geschlossenen Reaktionsapparat von 100 Liter Fassungsvermögen befinden sich bei 600 40 Liter Wasser und 40 Liter flüssiges Vinylchlorid, die restlichen 20 Liter des Reaktionsraumes sind mit Vinylchlorid- und Wasserdampf ausgefüllt. Der Druck beträgt 10 kg/cm2. Wird nun aus einer Vorlage, in der sich flüssiges Vinylchlorid bei 11 kg/cm2 Druck befindet, flüssiges Vinylchlorid in den Reaktionsapparat gedrückt und die Temperatur von 600 aufrechterhalten, so bleibt der Druck zunächst auf 10 kg/cm2 stehen, bis 20 Liter flüssiges Vinylchlorid hinzugekommen sind und sich auch der Vinylchlorid- und Wasserdampf über der Dispersion verflüssigt haben.
Dann steigt der Druck plötzlich auf 11 kg/cm2 an, was bedeutet, dass der Reaktionsraum vollständig mit Flüssigkeit aufgefüllt ist. Statt Vinylchlorid könnte man auch 20 Liter Wasser beim gleichen Druck einpressen. Wird nun die Polymerisation in Gang gebracht, so tritt eine Volumkontraktion ein, und es fliesst eine der Kontraktion entsprechende Flüssigkeitsmenge nach. Der Druck im Reaktionsapparat bleibt immer gleich hoch wie in der Flüssigkeitsvorlage, die auf 11 kg/cm2 gehalten wird.
Das Verfahren ist allgemein anwendbar. Man kann es für die Polymerisation von Vinylchlorid, Vinylazetat, Acryl- und Methacrylestern, Acrylnitril, Styrol, Butadien, Isopren usw. anwenden. Als Flüssigkeit zum Nachpressen in den Reaktionsraum kann weiteres flüssiges Monomeres, vorzugsweise aber Wasser, verwendet werden.
Meistens wird man die Polymerisation mit Kata los autoren und Verteilungsmitteln durchführen, wobei es ein besonderer Vorteil des Verfahrens ist, mit geringen Mengen an Verteilungsmitteln auszukommen, die z. B. höchstens 1/3 der Menge betragen können, welche für eine Polymerisation erforderlich wäre, die in Gegenwart einer Gas- bzw. Dampfphase über der Dispersion stattfindet. In manchen Fällen kann die Menge auf Spuren, z. B. 0,03 O/o der Monomermenge und weniger, gesenkt werden. Als Verteilungsmittel werden bei der Emulsionspolymerisation die üblichen Emulgatoren, wie z. B. Seifen, Sulfonate, Äthylenoxydderivate, bei der Suspensionspolymerisation Kolloide, wie Gelatine, Methylcellulose, Poly äthylenglykole usw., oder anorganische, feinpulvrige Stoffe, wie z. B.
Magnesiumcarbonat, Tricalciumphosphat, Calciumoxalat, verwendet. Wie es der Name besagt, bewirken die Verteilungsmittel eine feine Verteilung des Monomeren im Verdünnungsmittel und verhindern nachträglich das Zusammenfliessen bzw. die Koagulation dieser Teilchen. Als Katalysatoren werden z. B. die gebräuchlichen, wie z. B. Peroxyde, Persäuren, Azoverbindungen, verwendet.
In den folgenden Beispielen ist der erfindungsgemässen Arbeitsweise ohne Gasphase jeweils die entsprechende mit Gasphase gegenübergestellt.
Beispiel 1
Versuch gemäss Erfindung ohne Gasraum mit geringen Mengen Verteilungsmittel
In ein druckfestes Rührgefäss aus Chromnickelstahl 18/8 von 200 mm Durchmesser und 12 Liter Fassungsvermögen, das mit einem Ankerrührer von 160 mm Breite und mit einem Wassermantel zum Heizen und Kühlen des Inhalts ausgerüstet ist, werden folgende Substanzen eingelegt: 4800 cm Wasser, 13 cm3 lOnormales Ammoniakwasser, 30 g Ammoniumstearat = 0,60in der Monomerenmenge und 2 g Ammoniumpersulfat. Dann wird der Apparat geschlossen, der Inhalt auf 50O gebracht und während der Dauer der Polymerisation auf dieser Temperatur gehalten. Die Umdrehungszahl des Rührers wird auf 150 U./Minute eingestellt. Die Luft wird vollständig mit Vinylchloridgas verdrängt.
Dann werden 5000 g Vinylchlorid entsprechend einem Volumen von 5900 cm3 zugegeben. Der Druck im Autoklaven beträgt jetzt 7,8 kg/cm2. Der Autoklav wird nun durch ein Rohr mit einem Gefäss verbunden, in dem sich Wasser unter 9 kg/cm2 Druck befindet. Der Druck über dem Wasser wird durch Druckstickstoff während der Dauer der Polymerisation auf 9 kg/cm2 gehalten. Es fliessen sofort 1200 cm3 Wasser in den Autoklaven und im Verlauf von 6 Stunden weitere 2300 cm3. Der Druck im Reaktionsapparat bleibt dauernd auf 9 kg/cm2 stehen. Hierauf wird die Verbindung zur Wasservorlage geschlossen und der Inhalt des Autoklaven auf etwa 200 abgekühlt. Der Druck fällt dabei rasch auf etwa 2 kg/cm2. Nun lässt man die kleine Menge Vinylchlorid, die nicht in Reaktion getreten ist, abblasen und öffnet den Apparat.
Man kann ihm 13 kg einer feinen Dispersion mit 36 0/o Polyvinylchloridgehalt entnehmen.
Die Autoklavenwand und der Rührer sind frei von Polymerisat, so dass der nächste Ansatz ohne Reinigung vorgenommen werden kann.
Beispiel 2 Vergleichsversuch zu Beispiel 1 mit Gasraum mit den gleichen und grösseren Mengen Verteilungsmittel
Der Versuch wird wie in Beispiel 1 ausgeführt, jedoch werden 6400 cm3 Wasser und nur 3600 g Vinylchlorid eingelegt. Der Gasraum im Autoklaven beträgt etwa 1,3 Liter. Die Polymerisation wird ohne Verbindung mit der in Beispiel 1 beschriebenen Wasservorlage durchgeführt. Der Druck beträgt anfangs 7,8 kg/cm . Schon nach 4 Stunden beginnt der Rührer unruhig zu laufen und bleibt dann vollständig stecken. Nach dem Öffnen des Apparates zeigt sich, dass die Emulsion gebrochen ist. Wand und Rührer sind mit starken Krusten belegt.
Die Arbeitsweise nach Beispiel 2 lässt sich erst dann glatt durchführen, wenn die Ammoniumstearatmenge auf 86 g = 2,40/0 der Monomereneinlage erhöht wird.
Durch die erfindungsgemässe Arbeitsweise kann also die Emulgatormenge auf einen Viertel gesenkt werden.
Beispiel 3
Versuch gemäss Erfindung ohne Gasraum mit geringen Mengen Verteilungsmittel
In den gleichen Apparat wie im Beispiel 1 werden 4650 cm3 Wasser, 1,5 g Methylcellulose = 0,032O/o der Monomermenge, 0,5 cm3 10normales Ammoniakwasser, 3 g Azodiisobuttersäurenitril eingelegt und auf 509 erwärmt. Diese Temperatur wird auch während der Polymerisation aufrechterhalten.
Die Rührgeschwindigkeit wird auf 600 U./Minute eingestellt. Nach Verdrängen der Luft mit Vinylchloridgas werden 4650 g Vinylchlorid zugegeben.
Der Druck beträgt jetzt 7,8 kg/cm2. Nun wird der Autoklav mit der in Beispiel 1 beschriebenen Wasservorlage verbunden. Es fliessen sofort 1900 cm3 Wasser in den Autoklaven, der Druck steigt auf 9 kg/cm2. Im Verlauf von 16 Stunden fliessen weitere 2120 cm3 Wasser in den Autoklaven, und zwar mit steigender Geschwindigkeit. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist in der 14. Stunde rund dreimal so gross als in der zweiten Stunde. Nach Schliessen der Verbindung zur Wasservorlage wird der Autoklaveninhalt in ein anderes Gefäss abgelassen, wobei das nicht in Reaktion getretene Monomer zurückgewonnen werden kann. Dann wird der Autoklav geöffnet und mit Wasser ausgespritzt. Wand und Rührer sind glänzend sauber.
Die Reaktionsmasse wird auf einer Zentrifuge abgeschleudert und bei 70" getrocknet. Man erhält 4400 g eines schneeweissen, feinpulvrigen Polymerisats. Die Siebanalyse ergibt folgende Körnung: unter 0,05 mm 0, 0 /o 0,05-0,10 mm 20,00/0 0,10-0,20 mm 78,00/o 0,20-0,30 mm 0,30-0,50 mm 0,4 o/o
Beispiel 4
Versuch wie Beispiel 3 gemäss Erfindung ohne Gasraum, doch mit grösseren Mengen Verteilungs mittel
Man arbeitet genau wie in Beispiel 3, jedoch mit 4,6 g Methylcellulose = 0,1 0/o der Monomermenge.
Der Versuch verläuft ganz gleich, der Apparat ist nach der Reaktion ebenfalls vollständig sauber, das Polymerisatpulver ist jedoch viel feiner, was folgende Siebanalyse zeigt: unter 0,05 mm 85 /b 0,05-0,10 mm 14 O/o 0,10-0,20 mm 1 O/r
Beispiel 5 Vergleichsversuch zu Beispiel 3 mit Gasraum und geringen Mengen Verteilungsmittel
Bei diesem Ansatz wird nicht erfindungsgemäss, sondern mit Gasphase gearbeitet, indem die Verbindung zur Wasservorlage nicht hergestellt wird. Im übrigen wird genau wie in Beispiel 1 gearbeitet. Der Druck während der Polymerisation beträgt etwa 7,8 kg/cm2, um nach 14 Stunden zu fallen. Jetzt wird gekühlt und abgeblasen, der Inhalt fliesst jedoch nur teilweise heraus.
Nach dem Öffnen zeigt sich, dass Wand und Rührer mit starken Krusten belegt sind. Sie werden herausgebrochen, zerkleinert und mit dem übrigen Produkt vereinigt, zentrifugiert und getrocknet. Man erhält ebenfalls 4400 g Polymerisat. Die krustenartigen Bestandteile sind jedoch rötlich verfärbt. Die Sieb analyse ergibt: unter 0,05 mm 1 0/, 0,05-0,10 mm 0,10-0,20 mm 500/0 0,20-0,30 mm 8 ovo 0,30-0,50 mm 3 ovo 0,50-2,00 mm 8 O/o
Diese Arbeitsweise wäre technisch nicht durchführbar.
Beispiel 6
Vergleichsversuch zu Beispiel 3 mit Gasraum und grösseren Mengen Verteilungsmittel
Man arbeitet wie in Beispiel 5, das heisst nicht erfindungsgemäss. Die Wassereinlage wird auf 5650 cm3 erhöht, die Vinylchloridmenge auf 3650 g erniedrigt, die Methylcellulosemenge auf 4,6 g = 0,1260/, der Monomermenge erhöht. Die Polymerisation verläuft glatt, die Verkrustung des Apparates ist viel geringer als bei 5.
Man erhält 3400 g Polymerisat mit folgender Körnung: unter 0,05 mm 20/0 0,05-0,10 mm 200/0 0,10-0,20 mm 720/0 0,20-0,30 mm 3 ovo 0,30-0,50 mm 3 ovo
Diese Arbeitsweise ist technisch durchführbar.
Das Ergebnis hinsichtlich der Körnung und Reinhaltung des Apparates ist jetzt nahezu so gut wie in Beispiel 3. Der Aufwand an Methylcellulose ist jedoch viermal so hoch, und die Mengenleistung des Apparates ist bedeutend kleiner.
Beispiel 7
Versuch gemäss Erfindung ohne Gasraum mit geringen Mengen Verteilungsmittel
Man arbeitet im gleichen Apparat wie bei Beispiel 1. In den Autoklaven werden 6800 cm3 Wasser, 9 g Polyäthylenglykol (Molekulargewicht etwa 20 000) und 6 g Disterarylperoxyd eingelegt. Nach Verdrängen der Luft mit Vinylchloridgas wird die Temperatur auf 680 und die Rührgeschwindigkeit auf 400 U./Minute eingestellt und während der Polymerisation aufrechterhalten. Dann werden 900 g Vinylacetat und 2100 g Vinylchlorid zugegeben. Der Druck steigt auf 9,8 kg/cm2. Dann wird der Autoklav mit der in Beispiel 1 beschriebenen Wasservorlage verbunden, in der das Wasser unter einem Druck von 11 kg/cm2 gehalten wird. Es fliessen sofort 1800 cm3 Wasser in den Autoklaven hinüber, weitere 1200 cm3 im Verlauf von 6 Stunden.
Die Beendigung des Ansatzes erfolgt wie in Beispiel 3.
Das Autoklaveninnere ist nach dem Ausspritzen mit Wasser sauber. Man erhält 2850 g Polymerisat, das aus feinen, glasartigen, runden Perlen besteht, die in Aceton klar löslich sind. Die Siebanalyse ergibt: unter 0,05 mm 540/U 0,05-0,10 mm 468/o
Wird der gleiche Versuch ohne Auffüllen des Gasraumes mit Wasser durchgeführt, so zeigt das Autoklaveninnere nach dem Versuch starken Polymerisatbelag, der sich nur mit grosser Mühe entfernen lässt, und die Form und Grösse der Polymerisatperlen sind unregelmässig.
Die Beispiele zeigen deutlich die Vorteile der neuen Arbeitsweise. Sie ist sparsamer, erhöht die Ausnützung des Reaktionsraumes, liefert reinere Produkte und verbessert die Reproduzierbarkeit.