Virtuelle Reaktionsgefässe
Beschreibung
Verfahren zum kostengünstigen Herstellen von modifizierten Oberflächeneigenschaften sowie die durch das Verfahren hergestellten Oberflächen und ihrer Anwendung in technischen und wissenschaftlichen Verfahren und Analysen.
Heutzutage werden vermehrt Verfahren, wissenschaftliche Analysen und Experimente in automatisierten oder miniaturisierten Anwendungen realisiert. Dabei sind neben der Einsparung kostspieliger Reagenzien durch Anwendung kleiner Volumina auch die erhöhte Reproduzierbarkeit innerhalb automatisierter Verfahren und Methoden eines der Ziele.
Dabei kann es sich bei den Verfahren um physikalische, biologische, chemische, biochemische, diagnostische oder qualitätsanalytische Verfahren und/oder Analysemethoden handeln. Dabei ist es unwesentlich, ob nur ein Verfahren (z.
B. ein Herstellung-, Aufreinigungssverfahren, etc.) realisiert oder statische oder dynamische Eigenschaften und/oder Phänomene beobachtet werden. So können z.B. die dynamischen Messungen eine Enzymreaktionen und/oder Bindereaktionen betreffen, die über einen bestimmten Zeitraum hinweg gemessen/beobachtet werden können. In einer speziellen Anwendungsform kann die Suche nach geeigneten Kristallisationsbedingungen von chemischen Produkten oder Biomolekülen von Interesse sein, wie sie z.B. in der Anmeldung WO/04/012841 beschrieben werden. Auch komplexe Systeme, wie z.B. einzelne Zellen oder Zellverbünde können analysiert und/oder beobachtet werden.
Sehr oft kommen in diesen Zusammenhängen Probengefässe zum Einsatz, wobei eine grössere Anzahl an Probengefässen, öfters auch "Wells" genannt, zu einem Gebinde zusammengefasst werden.
Dabei werden die Probengefässe oft in Form einer Matrix angeordnet, wie dies z.B. in so genannten Mikroplatten der Fall ist, die zum Beispiel mit Anordnungen von 8*12, 16*24 oder 32*48 Wells oder Kavitäten realisiert werden können. Auch ist dem Fachmann bekannt, dass Mikroplatten nach international festgelegten Standards wie dem SBS-Standard realisiert werden können (Society of Biomolecular Science; www.sbsonline.org). Verfahren und Analysemethoden müssen aber nicht notgedrungener Weise innerhalb einer Mikroplatte realisiert werden. So gibt es auch Verfahren, wie z.B. die MALDI Massenspektrometrie, wobei der Analyt mit einer geeigneten Matrix versetzt wird und dieses Gemisch auf ein so genanntes Target deponiert wird. Auch hier werden oft die oben genannten Matrixanordnungen gewählt, ohne das hier notgedrungener Weise Probenkavitäten zum Einsatz kommen.
Wichtig ist, dass der Analyt anhand seiner Position auf dem Probenträger eindeutig identifiziert werden kann und sich dieser nicht mit anderen Analyten vermischt und so genannte Kontaminationen ausgeschlossen werden.
Dem Fachmann ist des weiteren bekannt, dass bei der Anwendung von Mikroplatten mit Probengefässen des Öfteren Probleme durch den Einschluss von Glasbläschen (z.B. während des Befüllens) entstehen, wodurch Analyseverfahren nicht ordnungsgemäss durchgeführt werden können, da z.B. der Boden der Probengefässes nicht ausreichend oder gänzlich abgedeckt/benetzt wird. Auch kann es durch eine Überfüllung der Probenkavitäten zu einer Kontamination von weiteren Probengefässen kommen, da eine Gasblase das Volumen des Probengefässes um ihr Volumen mindert. So kann es durchaus von Vorteil sein, z.B.
Lösungen nicht durch Probengefässe an einem Ort zu binden, sondern dies durch andere Herangehensweisen zu realisieren. Dies kann z.B. durch virtuelle Wells realisiert werden. So beschreibt z.B. die Anmeldung DE_10120959 eine aus mehreren Schichten aufgebaute Probenträgerplatte. Hinsichtlich einer sicheren Abgrenzung der flüssigen Proben wurde eine Auftrennung der Probenplatte in benetzbare und weniger benetzbare Bereiche beschrieben.
Ein wesentlicher Nachteil besteht jedoch darin, dass durch den beschriebenen schichtweisen Aufbau der Probenträge[phi]latte dessen Herstellung aufwendig ist und Substanzen im System eingebracht werden, die bei spektroskopischen Verfahren oft nicht erwünscht sind, da sie mit letzteren interferieren können.
Für viele Verfahren ist es des weiteren wünschenswert, die Oberflächeneigenschaften der Probengefässe derart einzustellen, das technische und wissenschaftliche Verfahren leichter anwendbar, kostengünstiger, reproduzierbarer oder erst realisierbar werden. So beschreibt zum Beispiel das Patent DE_19754978 die Realisierung hydrophiler Anker für eine vereinfachte Vorbereitung von Probenträger im Bereich der Proteinanalytik mittels MALDI-Massenspektrometrie.
Durch die Anwendung von hydrophilen Anke[phi]unkten konnte ein so genanntes Probentarget bereitgestellt werden, welches neben einer vordefinierten Ortsauflösung der Probe auch eine höhere Sensitivität für die Messmethode erhalten wird, die es dem Anwender z.B. ermöglicht, ein bereits bestehendes Verfahren mit einer geringeren Menge des Analyten anzuwenden. Dies geschieht unter anderem dadurch, dass ein Tropfen der Analyt/Matrix-Mischung beim Austrocknen nicht auf den hydrophoben Regionen adheriert und somit mit sinkendem Volumen sich auf einen Anke[phi]unkt hin konzentriert. Beispielsweise wurde als mögliche Hydrophobisierung die Verwendung von Silikonen und Alkylchlorsilanen genannt und die Ausbildung hydrophiler Regionen durch eine Zerstörung der hydrophoben Schicht durch Aufdrucken von chemisch verändernden oder enzymatisch abbauenden Substanzlösungen genannt.
Eine genaue Vorgehensweise wurde nicht beschrieben, noch wurden hydrophile Anker einer genauen Geometrie/Grösse beschrieben sondern Anker als genügend kleine Punkte genannt. Insbesondere wurde gezeigt, dass durch vordefinierte Strukturen in Form einer ortsgenauen Matrix (präzises Raster) im Falle einer Probenplatte in einfacher Weise Analysen mit den jeweiligen Geräten durchgeführt werden können, ohne aufwendige Positionierungen zwischen den Messungen vorzunehmen. Auch die Applikation von hydrophilen Flüssigkeiten auf hydrophile Anke[phi]unkte erleichtert die Applikation von geringeren Flüssigkeitsmengen sowie die Reproduzierbarkeit der Flüssigkeitsabgabe, z.B. durch automatisierte und insbesondere kontaktbasierte liquid-handling Systeme.
Auch kann die Beobachtung und Analyse von Verfahren erheblich erleichtert werden.
So können z.B. bei der Anwendung hydrophiler Anke[phi]unkte wässrige Lösungen auf örtlich definierten Regionen begrenzt werden. Somit kann durch die geeignete Wahl der Natur, Geometrie und Ausdehnung der Oberflächenstrukturierung ein Messprozess effizienter gestaltet werden oder gar erst ermöglicht werden.
Insbesondere kann so z.B. im Rahmen von Kristallisationsexperimenten der Tropfen der Proteinlösung sehr ortsdefiniert sein und eine reproduzierbare, z.B. kreisförmige Form annehmen, was sich auf die Anwendung von Bildanalyseverfahren und weiteren Verfahren vorteilhaft auswirkt. So kann z.B. der Radius eines runden hydrophilen Anke[phi]unktes derart gewählt werden, dass ein Tropfen eines gegebenen Volumens eine Halbkugel ausbildet (s. Bild 3 B/C).
Selbst bei Anwendung des in der Anmeldung WO/04/012841 beschriebenen Kristallisationsverfahrens (welches hiermit in seiner Gesamtheit in der Beschreibung der vorliegenden Anmeldung integriert wird) bleibt das sich durch Diffusionsprozesse des Wassers verändernde Volumen der Probe auf einen kontrollierten Bereich auf dem Probenträger erhalten. Dabei kann sich je nach Wahl der Reservoirlösung das Probenvolumen durch die Diffusion verringern oder vergrössern. Es wird dem Fachmann ersichtlich, dass eine voreingestellte Probenlokalisierung und Probengeometrie z.B. für die Anwendung analytischer Messverfahren ein Vorteil gegenüber nicht ortsdefinierten Probenvolumen besteht. So kann z.B. bei der Anwendung von LaserStreulichtmessungen mittels einer Dunkelfeldoptik (s.
Bild 2) sichergestellt werden, dass durch eine definierte Adhäsion zum Glasboden eines Probenträgers die Interferenz zwischen zusätzlichen Grenzflächen (Bild 3 A) vermieden werden kann, was die Anwendung von Streulichtmessungen wesentlich vereinfacht (s. Bild 3). So wird z.B. die Reproduzierbarkeit von Messungen oder eine korrekte Messung einer Konzentrationsreihe zur Bestimmung des zweiten Virialkoeffizienten ermöglicht, da die Streulichtintensität bei unterschiedlich starken Einflüssen zusätzlicher Grenzflächen eine Bestimmung nicht erlauben würde. Insbesondere könnte die Überlagerung der Foki des Anregungsstrahles sowie der des Detektionsstrahles nicht in einheitlicher Weise von einer Probenposition zur Anderen gewährleistet werden, was zu starken konzentrationsunabhängigen Schwankungen des gemessenen Streulichtes führt.
Auch würde eine Interaktion des Anregungsstrahles mit unterschiedlichen Ölen, je nach Verfahrens stand (s. Bild 1) wegen der leicht unterschiedlichen Brechungsindices der verschiedenen Öle nicht einheitlich ermöglicht. Bei Bereitstellung einer Messgeometrie, die eine Beeinflussung des Messprozesses ausschliessen würde, könnte z.B. in ersten Optimierungszyklen die Messung des zweiten Virialkoeffizienten zur Identifikation des Kristallisationsfensters herangezogen werden, wobei die Lösungsparameter sukzessive angepasst werden. Anschliessend könnte nach der Identifikation des Kristallisationsfensters die initialen Lösungsparameter optimal eingestellt werden und der Diffusionsprozess initiiert werden, mit dem Ziel durch eine Repositionierung im Phasendiagramm möglichst grosse Kristalle zu züchten.
Da die Proteinlösung je nach Verfahrensstand in Kontakt mit verschiedenen Phasen ist, wäre es wünschenswert, jegliche Interaktion der Messmethode mit den Phasen I und II (s. Bild 1) zu vermeiden. Dies wird z.B. im Falle der Laserstreulichtmessungen durch eine Kombination zwischen einer konfokalen Dunkelfeldoptik für den Anregungsstrahl und einer konfokalen Detektionsoptik in Kombination mit genau definierten Proben (virtuellen Wells) realisiert (s. Bild 3, B und C). Die Anwendung eines einheitlichen und vordefmierbaren hydrophilen Anke[phi]unktes/Ankerfeldes ist somit für dieses Verfahren wünschenswert. Wie bereits oben erwähnt, sind bereits mehrere Verfahren zur Generierung von hydrophil/hydrophob strukturierten Oberflächen beschrieben worden. Bisher wurde aber kein einfaches und kostengünstiges Verfahren beschrieben.
Die Erstellung einer extrem hydrophoben Glasplatte und die anschliessende Generierung von hydrophylen Regionen mittels einer photokatalytisch aktivierten Oxidation ist beschreiben worden {Conversion of a solid surface from super-hydrophobic to super hydrophylic by photocatalytic remote oxidation and photocatalytic lithography; Wakana Kubo and Tetsu Tatsuma; Applied Surface Science; 243:125-128 (2005)}. Dieses Verfahren ist jedoch nur recht aufwendig zu realisieren und ist durch die Verwendung von Photomasken nur bedingt preisgünstig. Auch ist das Verfahren nicht schnell und daher für die Massenproduktion modifizierter Oberflächen weniger geeignet.
Die Anmeldung US_2004/0018615_A1 beschreibt virtuelle Probengefässe (Wells) sowie Methoden für den Transfer von Flüssigkeiten, die durch die Abgrenzung von hydrophilen Regionen durch hydrophobe Regionen realisiert wird.
Als hydrophobe Region wurden 120 Mikrometer dicke Beschichtung aus Teflon beschrieben.
Die Anmeldung EP_1364702_A2 beschreibt ein photolytographisches Verfahren, wobei die hydrophobe Region in nicht geschützte Regionen z.B. durch ein Sauerstoffplasma abgetragen wird. Dieses Verfahren ist ebenfalls aufwendig und nicht kostengünstig zu realisieren.
Die Bereitstellung hydrophiler Ankerregionen wird durch das hier beschriebene Verfahren überraschenderweise und sehr kostengünstig realisiert.
Im Wesentlichen wird das Verfahren in wenigen Stufen realisiert:
1) Reinigung und/oder Aktivierung der zu behandelnden hydrophilen/hydrophoben Oberfläche (z.B. ein hydrophiles Glassubstrat).
2) Aufbringen einer dünnen hydrophoben/hydrophilen Schicht.
3) Entfernen der hydrophoben/hydrophilen Schicht durch eine chemische Reaktion durch eine aufgetragene Substanz.
4) Reinigen der behandelten Oberfläche.
In einer bevorzugten Ausführungsform ist die zu behandelnde Oberfläche aus Glas, wird eine hydrophobe Schicht durch eine Silanisierung hergestellt und die hydrophobe Schicht durch eine basische Katalyse entfernt. In einer bervorzugten Ausführungsform werden Verfahren zum Aufbringen und/oder Entfernen der hydrophoben Schicht derart gewählt, dass ein Minimum an Chemikalien benötigt wird. In einer bevorzugten Ausführungsform wird auf die Verwendung von organischen Lösungsmitteln für Reinigungsschritte gänzlich verzichtet.
In einer bevorzugten Ausführungsform wird die chemische Substanz der Dritten Stufe durch ein einfaches Verfahren ortsaufgelöst aufgetragen, wie z.B. durch Schablonendruck, Siebdruck, Stempelverfahren, automatisierte Pipettierautomaten und Drucker (kontaktbasiert oder kontaktfrei), Aufsprühen durch eine Maske, händig, etc.
In einer bevorzugten Ausfuhrungsform ist die chemische Substanz der 3. Stufe wasserlöslich und/oder einer wasserlöslichen Substanz zugegeben, die von einstellbarer Viskosität ist, wie z.B. Polyethylenglykol oder andere wasserlösliche biologische Polymere mit einstellbaren Kettenlängen/Viskositäten oder einer Mischung letzterer.
In einer weiteren Ausführungsform besteht der vierte Schritt aus einer Reinigung mit Wasser, welches zur besseren Reinigunswirkung temperiert werden kann.
In einem bevorzugten Verfahren wird die hydrophobe Schicht auf beiden Seiten des Substrates entfernt. Dabei kann die hydrophobe Schicht auf der probenabgewandten Seite des Substrates auf einer identischen, grösseren oder auf der gesamten Fläche des Substrates entfernt werden. In einer weiteren Ausführungsform kann die probenabgewandten Seite durch die in Punkt 2 realiserten hydrophoben/hydrophilen Schicht gänzlich verschont werden. Wenn das Substrat transparent ist, so sind die darauf vorhandenen hydrophilen Regionen nur schwer oder gar nicht zu identifizieren.
Bei der automatisierten Probenapplikation kann die genau definierte Position für die Applikation genutzt werden, wobei leichte Positionierfehler automatisch korrigiert werden, sobald eine Kontakt mit der hydrophilen Region erreicht wird (siehe DE_19754978). Beim händigen Auftragen kann in einer bevorzugten Ausführungsform eine Unterlage genutzt werden, auf der die hydrophilen Regionen markiert sind. Diese wird z.B. unter den Probenträger gelegt und zeigt somit dem Anwender den Ort der hydrophilen Regionen an. Beispiel 1 :
Ein Glassubstrat (Deckglas mit einer Dicke von 0,17 mm) wird 30-240 Minuten bei 350[deg.] gereinigt und aktiviert.
Das Glas wird langsam abgekühlt und in einen Behälter mit einigen Miko- bis Millilitern Sigmacoat (chloriniertes Organopolysiloxan in Heptan; SigmaChemical Co.) und nach Etablierung eines leichten Vakuums 30 bis 240 Minuten inkubiert und dadurch Silanisiert. Die Silanisierung kann für 30 Minuten auf 100[deg.]C erwärmt werden, wodurch eine stabilere Silanisierung erhalten wird und überschüssiges Sigmacoat entfernt wird. Auf dem silaniserten Glas wird anschliessend mittels Schablonendruck oder manuell ein mit 200mM KOH (Endkonzentration) versetztes Polyethylenglykolgemisch aus hoch- und niedermolekularem Molekulargewicht ortsgenau appliziert.
Nach einer Inkubation von einigen Minuten wird das behandelte Glas mit reichlich temperiertem Wasser gereinigt und in einen Trockenschrank getrocknet.
Bild 1 : Kristallisationsverfahren nach WO/04/012841
Bild 2: Geometrie einer Streulichtmessung mittes konfokaler Dnkelfeldoptik und konfokaler Detektionsoptik
Bild 3: verschiedene Messgeometrien je nach Geometrie des Probenvolumens, A: hydrophober Probenträger und Interaktion des Anregungsstrahls mit dem Probenvolumen umgebenden Medium. B: Probenvolumen mit definiertem
Anke[phi]unk, wobei der Fokus des Anregungsstrahles Mittig im Probenvolumen positioniert ist. C: gleich wie B, wobei jedoch der Fokus näher am Gefässboden des Probenvolumens ist.
Bild 4: Geometrie von zwei Proben mit verschiedenen Volumina innerhalb von Paraffmöl auf zwei durch das beschriebene Verfahren generierte hydrophile Anke[phi]unkte gleicher Ausdehnung.