Beatmungseinrichtung sowie damit durchführbares Verfahren zur Beatmung eines Patienten
Die Erfindung bezieht sich auf eine Beatmungseinrichtung zur Beatmung eines Patienten, zumindest mit einem espirator und einem Endotrachealtubus oder einer Beatmungsmaske. Außerdem bezieht sich die Erfindung auf .ein Verfahren zur Beatmung eines Patienten, wobei zur Kontrolle und Steuerung während der Beatmung Betriebsparameter gemessen und damit die Beatmung gesteuert wird.
Künstliche oder mechanische Beatmung erfolgt entweder kontrolliert oder in Form von (unterstützter) Spontanatmung. Im ersten Fall hat das Beatmungsgerät (Respirator) die vollständige Kontrolle über das Atemmuster, während im zweiten Fall der zumindest teilweise spontan atmende Patient wesentlichen Einfluss auf das Atemmuster hat. Allen Formen der Beatmung ist aber gemeinsam, dass das Beatmungsgerät nahezu ausschließlich Einfluss auf die Einatemphase (Inspiration) nimmt. Ausschließlich in der Inspirationsphase leistet der Respirator die gesamte mechanische Atemarbeit. Die Exspiration erfolgt - aus der Perspektive des Respirators - passiv, d.h. die in den elastischen Gewebselementen von Lunge und Thorax gespeicherte Energie treibt die ■ Exspiration an. Demzufolge folgt die passive Entleerung der Lunge einer exponentiellen
Abklingkurve, deren Zeitkonstante durch die Volumendehnbarkeit
' (Compliance) des respiratorischen Systems, durch dessen Strömungswiderstand, sowie durch die Summe aller Strömungswiderstände der künstlichen Atemwege bestimmt ist (Gutt ann J, Eberhard L, Fabry B, Bertschmann W, Zeravik J,
Adolph M, Eckart J, Wolff G. Time constant/volume relationship of passive expiration in mechanically ventilated ARDS patients. Eur Respir J 8: 114-120, 1995).
Seitens des Respirators wird bisher lediglich das end- exspiratorische Druckniveau (PEEP) und die zur Verfügung stehende Exspirationszeit aktiv beeinflusst.
Es ist bereits eine technische Realisierung bekannt, bei der der Patient vom flussabhängigen Strömungswiderstand des endotrachealen Tubus entlastet wird. Dieser Unterstützungsmodus wird als ATC (Automatic Tube Compensation) bezeichnet. (Fabry B, Guttmann J, Eberhard L, Wolff G. Automatic compensation of endotracheal tube resistance in spontaneously breathing patients. Technol Health Care 1: 281-291, 1994). (ATC: eingetragenes Markenzeichen (Fa. Dräger Medical, Lübeck)
Aus der DE 101 31 653 C2 ist ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Zufuhr eines Atemgases zu einer Person bekannt. Dabei kann zur Diagnostik und/oder Therapie bei schlafbezogenen Atemstörungen bevorzugt im Rahmen der Heimbeatmung, an der Atemmaske selektiv ein unter oder über dem Umgebungsdruckpegel liegender Atemgasdruck eingestellt werden. Durch Senkung des Atemwegsdruckes unter den Umgebungsdruck kann der Bedarf an Schienung der oberen Atemwege durch Überdruck ermittelt werden. Weiterhin ist ein Screening von Schnarch-Syndromen, sowie der Obstruktionsanfälligkeit bei Asthma möglich. Im Rahmen der Atemtherapie kann das Verfahren auch eingesetzt werden, um auch während der Exspirationszyklen den Druck unter das Umgebungsdruckniveau abzusenken.
Aus der DE 195 16 536 C2 ist ein Verfahren und ein Beatmungsgerät bekannt, mit dem die Vorteile der druckkontrollierten Beatmung durch Kontrollieren des Atemdruckes, der volumen-
kontrollierten Beatmung durch Kontrollieren des Atemvolumens und der freien Durchatembarkeit bei dem jeweiligen Druckniveau kombiniert werden sollen. Durch schrittweises Adaptieren des Einatemdruckes kann dabei eine druckkontrollierte Beatmung mit voreinstellbarem Atemzugsvolumen appliziert werden. Es sind Sollwerte für den in- und exspiratorischen Atemwegsdruck vorgegeben, deren Überschreiten durch aktive Ein- bzw. Ausatembemühungen des Patienten die jeweilige Umschaltung der Atemphase bewirken.
Aus der WO 02/082997 A2 ist eine Steuerungseinrichtung zur Vorgabe eines Atemgasdruckes bekannt . Damit soll im Rahmen der Diagnose und/oder Therapie eine für den momentanen physiologischen Zustand des Patienten günstige Atemgasdruckcharakteristik ermittelt werden können. Die Druckeinstellung erfolgt in Abhängigkeit von automatisch detektierten respiratorischen Ereignissen, wie Apnoen oder Hypopnoen. Dementsprechend werden die therapeutischen Drücke angepasst.
Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, eine Beatmungseinrichtung und ein Verfahren zur Beatmung zu schaffen, womit eine erweiterte Diagnostik mit Analyse der atemmechanischen Eigenschaften des respiratorischen Systems (Lunge und Thorax) und eine erweiterte Therapie betreffend praktisch alle Indikationen der künstlichen Beatmung möglich ist.
Zur Lösung dieser Aufgabe wird hinsichtlich der Beatmungseinrichtung vorgeschlagen, dass zur Steuerung und Kontrolle der Ausatemphase (Exspiration) steuerbare Aktuatoren zur aktiven Beeinflussung der Ausatmung und zur Erzeugung eines beliebigen Ausatemmusters während der Ausatemphase vorgesehen sind. Insbesondere können dabei die Ausatemmuster durch vorgebbare, zeitliche Gasfluss-Verläufe und/oder Gasdruckverläufe und/oder
Gasvolumenänderungen gebildet sein.
Vorzugsweise ist eine Steuer- und Reglereinheit zur Vorgabe eines Ausatemmusters für eine Ausatemphase (Exspiration) vorgesehen, wobei eine mit der Steuer- und Reglereinheit verbundene Messeinrichtung zur Erfassung des Exspirations- verlaufs während einer Ausatemphase bei der natürlichen Ausatmung des Patienten sowie mit der Steuer- und Reglereinheit verbundene Mittel zur Drosselung und Mittel zur Beschleunigung der Ausatmung des Patienten vorgesehen sind.
Hinsichtlich des erfindungsgemäßen Verfahrens wird vorgeschlagen, dass ein Ausatemmuster jeweils für eine oder mehrere Ausatemphase (n) (Exspiration) vorgegeben und die natürliche Ausatmung des Patienten durch Drosselung oder durch Beschleuni- gung der Ausatmung während einer Ausatemphase an das vorgegebene Ausatemmuster angepasst wird.
Zur Erfassung des Ausatemmusters bei der natürlichen Ausatmung des Patienten wird während der Ausatemphase der Gasdruck und/oder der Gasfluss und/oder das Gasvolumen gemessen und mit entsprechenden Daten des vorgegebenen Ausatemmusters verglichen und dann die aktuelle Ausatmung beeinflusst.
Mit den erfindungsgemäßen Maßnahmen kann erreicht werden, dass das Atemmuster (Atemgasfluss, Atemwegsdruck und Atemvolumen) während der Ausatemphase einen bestimmten zeitlichen Verlauf annimmt. Es ist somit eine aktive Regelung des Atemmusters insbesondere durch eine Veränderung der Druck-, und Flussverläufe während der Exspirationsphase vorhanden. Das Verfahren ist sowohl bei kontrollierter Beatmung wie auch bei Spontanatmung zum Zwecke von Diagnostik und Therapie einsetzbar.
So kann beispielsweise bei Patienten mit obstruktiven Ventilationsstörungen dadurch eine Stabilisierung der Atemwege erreicht werden, dass bei hohem Exspirationsfluss ein höherer
Druck eingestellt wird als bei niedrigem Fluss (Nachahmung der Lippenbremse) . Bei Patienten mit akutem Lungenversagen kann durch eine gezielte Drosselung des exspiratorischen Flusses Atelektasenbildung und damit das Auftreten beatmungs- assoziierter Lungenschäden reduziert werden. Letzteres wird durch die Reduktion der wirksamen Scherkräfte vermittelt.
Eine aktive Beeinflussung des Atemmusters während der Ausatem- phase ist sowohl in diagnostischer wie auch in therapeutischer Hinsicht äußerst sinnvoll und wünschenswert.
Die Steuer- und Reglereinheit mit den Sensoren sowie den Aktuatoren der Beatmungseinrichtung kann vorzugsweise eine Funktionseinheit bilden. Dabei kann die Funktionseinheit in ein bestehendes Beatmungsgerät integriert oder aber als externes Gerät mit einem Beatmungsgerät verbindbar sein.
Bei einer Implementation der Funktionseinheit in ein Beatmungsgerät kann die Technologie der modernen Beatmungsgeräte genutzt werden, weil damit grundsätzlich eine aktive Beeinflussung des Ausatemmusters ermöglicht ist. Hierbei' könnte das Exspirations- ventil die Funktion der Reduktion des exspiratorischen Flusses übernehmen. Wenn erforderlich könnte zusätzlich eine Unterdruckquelle in das Beatmungsgerät integriert werden. Bei einer separaten Einheit können' die das pneumatische System beeinflussenden Elemente (Aktuatoren) direkt auf den Exspira- ■ tionsstutzen des Beatmungsgerätes' aufgesetzt werden. Außerdem kann in vorteilhafter Weise eine Nachrüstung hinsichtlich der Hardware und/oder Software bestehender Beatmungsgeräte vorgenommen werden. Schließlich ermöglicht eine externe Realisierung in vorteilhafter Weise die Funktionerweiterung bereits vorhandener älterer Beatmungsgeräte.
Eine vorteilhafte Ausgestaltung der Erfindung sieht vor, dass die Steuer- und Reglereinheit Sensoreingänge für Druck- •und/oder Fluss- und/oder Volumensensoren für eine geschlossene Regelung unter Verwendung der insbesondere respiratorischen Messdaten aufweist. Wahlweise kann schon eine der Messgrößen ausreichen, um das gewünschte Exspirationsmuster einzuregeln. Vorteilhaft jedoch vor allem im Sinne der Patientensicherheit ist es, typischerweise den Beatmungsdruck immer im Regelkreis zu berücksichtigen. Aus der Kombination mehrerer Sensoreingänge ergibt sich eine vorteilhafte Verbesserung der Regelgenauigkeit .
Nach einer weiteren Ausgestaltung können die Steuer- und Reglereinheit Eingänge für anthropometrische oder physiologische Daten besitzen. Anthropometrische Eingänge erlauben in •vorteilhafter Weise eine automatisch1 angepasste Einstellung beispielweise nach Größe und Gewicht des Patienten. Physiologische Eingänge beinhalten typischerweise, aber nicht ausschließlich Informationen über die Erkrankung bzw. über das Krankheitsstadium des Patienten. Durch Eingänge für solche Daten kann die Steuerung/Regelung vorteilhafterweise an das jeweilige Krankheitsbild angepasst werden. Zweckmäßigerweise ist - vornehmlich bei der Realisierung der Steuer- und Reglereinheit - als externe Lösung - die Einheit zur Beeinflussung des respiratorischen Gasfluss-Verlaufs nach dem Prinzip einer Steuerung mit festen Vorgaben ausgebildet. Das gewünschte Exspirationsmuster kann dadurch auf einfache .Weise durch eine feste mechanische Ankoppelung typischerweise einer Volumenpumpe (ohne Regelung) realisiert werden.
Vorteilhaft ist es, in allen anderen Fällen, wenn eine
geschlossene Regelung unter Berücksichtigung von Sensoreingängen, typischerweise, aber nicht ausschließlich respirato- rische Messdaten wie Druck, Fluss und Volumen vorgenommen wird. Durch die Berücksichtigung von respiratorischen Messdaten kann in vorteilhafter Weise die Sicherheit des Verfahrens erhöht werden. So können beispielsweise, aber nicht ausschließlichdurch die Berücksichtigung des Beatmungsdruckes kurzfristige Druckspitzen, die etwa bei Husten oder Pressen entstehen können, vermieden werden. Durch Einbeziehung nicht-respirato- rischer Messdaten kann in vorteilhafter Weise der Einfluss des Ausatemmusters beispielsweise auf das Herz-Kreislaufsystem berücksichtigt werden.
Gegebenenfalls kann die Beeinflussung des respiratorischen Gasfluss-Verlaufs nach dem Prinzip einer Steuerung mit festen Vorgaben erfolgen. Diese Form der Beeinflussung kann in vorteilhafter Weise insbesondere dann gewählt werden, wenn der Regelkreis einer Beatmungseinrichtung nicht schnell genug reagieren kann, um die gewünschte Beeinflussung zu erzielen.
Eine Weiterbildung der Erfindung sieht vor, dass entweder der Druck oder der Fluss oder das Volumen während der Exspirationsphase typischerweise als Funktion der Zeit und/oder des Druckes und/oder des Flusses und/oder des Volumens geregelt wird. Diese Form der Beeinflussung kann in vorteilhafter Weise insbesondere dann gewählt werden, wenn die Veränderung der Ausatmung abhängig von den atemmechanischen Eigenschaften der kranken Lunge vorgenommen werden soll.
Gegebenenfalls wird die Beeinflussung der Exspiration abhängig oder unabhängig vom Atemmuster in der Inspiration und von der Beatmungsform vorgenommen. So kann vorteilhafterweise erreicht werden, dass je nach Wunsch des Anwenders entweder ausschließ-
lieh das Exspirationsmuster eingestellt (unabhängige Beeinflussung) oder ein vereinfachter Kombinationsmodus (abhängige Beeinflussung) gewählt werden kann.
Nach einer weiteren Ausgestaltung kann die Beeinflussung der Exspiration bei kontrollierter Beatmung, bei unterstützter oder bei nicht unterstützter Spontanatmung eingesetzt werden. Dadurch kann die Beeinflussung der Exspiration in günstiger Weise für jeden denkbaren Anwendungsfall der Beatmungstherapie realisiert werden bzw. die aktive Beeinflussung der Exspiration kann in vorteilhafter Weise mit jeder Beatmungsform respektive mit jedem Beatmungsmodus kombiniert werden.
Vorteilhafterweise kann die Beeinflussung der Exspiration bei endotrachealer Intubation oder bei Maskenbeatmung eingesetzt werden. Somit kann die Beeinflussung der Exspiration unabhängig vom gewählten AtemwegsZugang eingesetzt werden. Ebenfalls kann der Einfluss des AtemwegsZuganges auf das Exspirationsmuster berücksichtigt werden.
Zweckmäßigerweise kann das Muster der resultierenden Exspiration eine beliebige Funktion abbilden, beispielsweise kann sie eine einfache Rampe, eine Treppe oder ein Halbsinus sein. Durch technisch einfach zu realisierende Funktionen - typischerweise bei Steuerung mit festen Vorgaben - können in vorteilhafter Weise gute Annäherungen an komplexe physiologisch begründete Regelfunktionen erreicht werden.
Gegebenenfalls wird die exspiratorische Funktion mit positivem end-exspiratorischem Druck (PEEP) kombiniert oder ersetzt diesen. Die aktive Beeinflussung des Exspirationsmusters kann mit dem eingestellten PEEP kombiniert werden, ohne diesen zu verändern. In vorteilhafter Weise kann die Ausatemfunktion so
gestaltet werden, dass sie den PEEP ersetzt bzw. dessen Funktion mit übernimmt .
Nach einer Ausgestaltung der Erfindung kann die Veränderung des Druckes, des Flusses oder des Volumens, die durch die Steuerung/Regelung im Vergleich zu einer passiven Exspiration hervorgerufen wird, ein positives oder ein negatives Vorzeichen oder auch wechselnde Vorzeichen haben. Die Drosselung des Ausatemflusses führt zu einer Anhebung des mittleren Lungenvolumens während der Ausatmung, was mechano- stabilisierend für die kranke Lunge wirkt. Insbesondere bei kurzer Ausatemzeit kann durch eine sich an die Drosselung anschließende Flussbeschleunigung das Ausatemvolumen- in vorteilhafter Weise konstant gehalten und eine Überblähung (intrinsischer PEEP) der Lunge vermieden werden.
Gegebenenfalls kann ■ die Dauer der Steuerung/Regelung variabel sein. Die Zeitdauer der aktiven Regelung der Exspiration kann unabhängig von der Dauer der Exspirationsphase (typischerweise kürzer) sein. Dabei orientiert sich die Zeitdauer der Regelung ausschließlich an den klinischen Erfordernissen.
Weiterhin besteht die Möglichkeit, dass die Regelung/Steuerung länger ist als die Dauer einer einzelnen Exspiration. Vorteilhaft kann die Beeinflussung des Exspirationsmusters über eine variable Anzahl von Atemzügen nach einer Vorgabe "A" erfolgen, dann inaktiviert werden oder mit einer erneuten Vorgabe "B" im Sinne einer polymorphen Beatmung fortgeführt werden.
Die Form der exspiratorischen Funktion kann sich nach dem Anwendungsfall und den Zielen, die mit der Regelung erreicht werden sollen, richten. Die hohe Variabilität der Regelung
gewährleistet , dass das Ausatemmuster an den individuellen Patienten ebenso angepasst werden kann wie an die jeweiligen Anforderungen des behandelnden Arztes etwa im Sinne einer exspiratorischen Atemmechanik-Analyse .
Vorteilhaft ist es, wenn die Form der exspiratorischen Funktion während der Laufzeit insbesondere adaptiv angepasst wird. Damit können - abhängig von den klinischen Erfordernissen - die Vorgaben für die Regelung des Exspirationsmusters innerhalb eines Atemzuges (intratidal) oder von Atemzug zu Atemzug verändert werden.
Zweckmäßigerweise können die Einstellungen und Anpassungen der Steuerung/Regelung manuell oder automatisiert, insbesondere adaptiv vorgenommen werden. Die vorteilhafte Plastizität in der Anwendung des Verfahrens ermöglicht, dass der Arzt typischerweise manuell kurzfristige Ziele verfolgen kann, oder er kann Ziele mit dem System vereinbaren, welches dieses innerhalb einer vorgebbaren Laufzeit zu erreichen sucht.
Gegebenenfalls können mehrere Funktionen überlagert werden oder sich abwechseln. Dadurch ist eine Anpassung an schnelle und langsame atemmechanische Eigenschaften (Zeitkonstanten) des respiratorischen Systems möglich.
Der Zeitraum der Exspiration kann entweder durch das Beatmungsgerät oder durch den Patienten oder durch beide in Kombination vorgegeben werden. In vorteilhafter Weise macht somit das System Vorgaben für eine Einstellung der Exspirationszeit .
Dabei kann die Exspirationszeit bei Bedarf verlängert oder verkürzt werden. Das System berücksichtigt somit in vorteilhafter Weise durchgeführte Veränderungen der
Exspirationszeit .
Zweckmäßigerweise werden atemmechanische Parameter gemessen wie beispielsweise Resistance, Compliance oder exspiratorische Flusslimitierung. In vorteilhafter Weise können dadurch die Größen Druck, Fluss und Volumen im Sinne einer komplexen Regelung miteinander verknüpft werden.
Weitere vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind in den weiteren Unteransprüchen aufgeführt.
Nachstehend ist die Erfindung mit ihren wesentlichen Einzelheiten anhand der Zeichnungen noch näher erläutert.
Es zeigt:
Fig. 1 eine schematische Darstellung einer erfindungsgemäßen Funktionseinheit mit einer Steuer- und Regeleinheit sowie Aktuatoren,
Fig.2a bis 2d verschiedene Druck-Volumen-Diagramme,
Fig. 3 Fluss-, Druck- und Volumenkurven bei Inspiration und Exspiration,
Fig. 4 eine schematische Darstellung von Alveolen (Lungenbläschen) im kollabierten Zustand,
Fig. 5 eine schematische Darstellung von Alveolen im nativen Zustand,
Fig. 6 ein Diagramm mit einer dynamischen Druck-Volumen- Schleife eines Atemzuges und
Fig. 7 ein Diagramm mit einer exspiratorischen Fluss-Zeit- Kurve eines Atemzuges .
Die Figur 1 zeigt schematische als Teil einer Beatmungseinrichtung eine Funktionseinheit 8 mit drei Hauptkomponenten zur technischen Realisierung, nämlich einer vorzugsweise elektronischen Steuer- und Regeleinheit 1 und als Aktuatoren eine regelbare elektromechanische Einheit 3 zur Änderung des Strömungswiderstandes sowie eine regelbare Einheit 2 zur exspiratorischen Druckveränderung.
Die Steuer- und Reglereinheit 1 verfügt über Signaleingänge 4 für Drucksignale 4a, Flusssignale 4b und Volumensignale 4c, sowie einen Signaleingang für eine Sollwerteingabe 5 für das gewünschte exspiratorische Atemmuster. Die Steuer- und Reglereinheit 1 gibt Ansteuersignale an die beiden Aktuatoren 2,3 sowie über den Ausgang 6 an die Exspirationssteuerung des Beatmungsgerätes ab. Die Steuer- und Reglereinheit 1 kann zusammen mit den an die Eingänge angeschlossenen Sensoren sowie den Aktuatoren eine Funktionseinheit bilden.
Was die Verbindung der kompletten Funktionseinheit mit dem Beatmungsgerät anbetrifft, so sind grundsätzlich zwei Realisierungsformen denkbar. Zum einen ist eine Implementation in ein Beatmungsgerät möglich. Die Technologie der modernen Beatmungsgeräte ermöglicht im Grundsatz eine aktive Beeinflussung des Ausatemmusters. Hierbei kann das Exspirationsventil die Funktion der Reduktion des exspiratorischen Flusses übernehmen und zusätzlich kann erforderlichenfalls eine Unterdruckquelle 2 in das Beatmungsgerät integriert werden.
Zum anderen kann eine separate Funktionseinheit vorgesehen sein, wobei dann die Aktuatoren direkt auf den Exspirations- stutzen 7 des Beatmungsgerätes aufgesetzt werden.
Wie bereits erwähnt, ist eine aktive Beeinflussung des Atemmusters während der Ausatemphase sowohl in diagnostischer wie auch in therapeutischer Hinsicht äußerst sinnvoll und wünschenswert. Hierzu exemplarisch einige Angaben:
Diagnostisch: Es gibt Hinweise, dass das respiratorische System in Exspiration andere mechanische Eigenschaften hat als in Inspiration. Das liegt u.a. an einem Phänomen, das als intratidales alveoläres Recruitment bezeichnet wird, das heißt, während der Inspirationsphase werden Alveolen rekrutiert, die in der anschließenden Exspirationsphase u.U. wieder derekrutiert werden. Es steht also zu erwarten, dass aus dem Unterschied zwischen der inspiratorischen und der exspiratorischen Atemmechanik auf das Ausmaß des intratidalen Recruitments/Derecruitments rückgeschlossen werden kann. Es besteht daher seitens der Intensivmediziner ein erhebliches Interesse, die atemmechanischen Eigenschaften der schwerkranken Lunge getrennt nach In- und Exspiration zu analysieren (respiratorisches Monitoring) . Dies ist bisher am nichtlinearen Flussmuster der Exspiration gescheitert. Die Lunge ist - im mechanischen Sinne - ein passiver elastischer Körper mit einem mehr oder minder linearen Zusammenhang zwischen Druck und Volumen, wie dies in Fig.2a gezeigt ist. Die Steigung der Druck-Volumen-Linie entspricht der sogenannten Elastance E (= 1 /Compliance) . Da sich während der Exspiration das Volumen kontinuierlich ändert - es nimmt ausgehend vom Atemzugvolumen V ab - bedeutet das gleichzeitig, dass der treibende Druck für die Exspiration ebenfalls abnimmt. Die Konsequenz ist ein exponentieller Verlauf der exspiratorischen Flusskurve (vgl.
Fig.7). Bei gleichzeitiger Änderung von Atemgasfluss und Volumen ist jedoch die Differentialgleichung, die die Atemmechanik des respiratorischen Systems beschreibt (Bewegungsgleichung) nicht mehr eindeutig lösbar; sie wäre es aber für den Fall, dass der Fluss während der gesamten Exspiration beispielsweise konstant wäre. Dies ist dann der Fall, wenn die treibende Druckdifferenz konstant, also nicht mehr vom Volumen abhängig ist (vgl. Fig.2b). Für diesen Fall sind zwei Bereiche zu unterscheiden (vgl. Fig.2c): (A) Der intrapulmonale Druck liegt oberhalb des eingestellten Druckes; (B) Der intrapulmonale Druck liegt unterhalb des eingestellten Druckes . Für den Bereich (A) bedeutet dies, dass der „elastische" Druck der Lunge einen höheren exspiratorischen Fluss erzeugen würde, als derjenige, der durch die eingestellte Druckdifferenz tatsächlich erreicht werden soll. Für diesen Fall muss der exspiratorische Atemgasfluss „gebremst" werden. Dies geschieht z.B. durch eine geregelte Erhöhung des StrömungsWiderstandes durch den Aktuator 3 (Fig.1).
Für den Bereich (B) reicht der intrapulmonale Druck offensichtlich nicht mehr aus, um einen exspiratorischen Fluss zu erzeugen, wie er durch den eingestellten Druck erwartet wird. Für diesen Fall ist also eine Flusserhöhung notwendig, die z.B. durch das Anlegen eines geregelten Unterdruckes mit Hilfe der Unterdruckquelle 2 (Fig.1 ) realisiert werden kann. Generell gilt, dass der exspiratorische Atemgasfluss immer dann reduziert werden muss, wenn eine Situation (A) erreicht werden soll und dass der exspiratorische Atemgasfluss immer dann erhöht werden muss, wenn eine Situation (B) erreicht werden soll .
Um dies zu verdeutlichen, zeigt Fig.2d ein weiteres Realisierungsbeispiel, bei dem die Exspiration durch drei Phasen mit konstantem Fluss realisiert werden soll.
Ein konkretes Anwendungsbeispiel hierfür ist die Analyse der nichtlinearen, dynamischen Atemmechanik. Bei der schwerkranken Lunge sind die atemmechanischen Eigenschaften Elastizität und Strömungswiderstand nicht konstant, sondern sie ändern sich sogar innerhalb des Atemzuges. Diese Variabilität der Atemmechanik manifestiert sich in teilweise erheblicher Nichtlinearität der Volumen-Druck - Beziehung innerhalb eines Atemzuges .
Figur 6 zeigt schematisch die dynamische Druck-Volumen Schleife eines Atemzuges unter kontrollierter Beatmung. Die Krümmung der gestrichelten, dynamischen pV-Linie ist Ausdruck für die Nichtlinearität der Elastizität, die unterschiedliche Breite der pV-Schleife ist Ausdruck der intratidalen Nichtlinearität des Strömungswiderstandes. Neue diagnostische Verfahren erlauben die Analyse der nichtlinearen Atemmechanik innerhalb des Atemzuges. Hierzu wird die pV- Schleife in mehrere Volumensegmente gleicher Größe (slices) (Fig.6) unterteilt und die Atemmechanik wird segmentweise mit einem mathematischen Verfahren analysiert (Guttmann J, Eberhard' L, Fabry B, Zappe D, Bernhard H, Lichtwarck-Aschoff M, Adolph M, Wolff G. Determination of volume-dependent respiratory System mechanics in mechanically ventilated patients using the new SLICE method. Technol Health Care 2: 175-191, 1994).
Bisher war es nicht möglich, die Atemmechanik-Analyse getrennt
'nach Inspiration und Exspiration durchzuführen. Aus Gründen der Stabilität des mathematischen Approximationsverfahrens mussten jeweils die in- und exspiratorischen Datenpunkte in die Analyse einbezogen werden. Mit dem neuen Verfahren kann der Gasfluss der Exspiration segmentweise konstant gehalten werden.
Figur 7 zeigt eine exspiratorischen Fluss-Zeit-Kurve eines Atemzuges. Die gestrichelte Linie entspricht dem natürlichen exponentiellen Verlauf der Flusskurve. An die exponentielleFlusskurve ist eine treppenförmige Flusskurve angepasst, wobei die Längen der einzelnen Konstantfluss-Phasen unterschiedlich sind. Figur 7 zeigt eine Realisierung der exspiratorischen Flusskurve mit segmentweise konstantem Exspirationsfluss , wobei die Konstantfluss-Segmente an das exponentielle Flussmuster adaptiert sind. Die unterschiedliche Zeitdauer der Konstantfluss-Phasen korreliert mit dem slice-Volumen (vgl. Fig.6). Damit sind die Stabilitätskriterien erfüllt und eine nach Inspiration und Exspiration getrennte Analyse der Atemmechanik ist möglich. Grundsätzlich sind mit dieser Technik alle denkbaren exspiratorischen Fluss- und Druckmuster realisierbar. Dies schließt ansteigende und abfallende lineare
Rampenfunktionen mit variablem Anstieg, bzw. Abfall oderproportional zu Zeit, Druck, Volumen und Fluss ebenso mit ein wie nichtlineare Funktionen wie beispielsweise Halbsinus, Sägezahn u.a.
Therapeutisch: Bei Patienten mit einer obstruktiven Ventilationsstörung kommt es in der Exspiration häufig zu einem Kollaps kleiner Atemwege. Dieser Mechanismus führt nicht nur zu erhöhter Atemarbeit und Minderbelüftung der Lunge. Die Behinderung der Ausatmung führt zu einem intrathorakalen Druckanstieg (dynamische Überblähung) , die erhebliche Auswirkungen auf die Hämodynamik bis hin zum schweren Blutdruckabfall haben kann. Eine aktive Veränderung des Ausatemmusters im Sinne einer Verlangsamung des exspiratorischen Flusses könnte durch die pneumatische Stabilisierung der Atemwege Abhilfe schaffen.
Bei Patienten mit akutem oder chronischem Lungenversagen führt die Überdruckbeatmung zur zusätzlichen mechanischen Schädigung der bereits erkrankten Lunge (beatmungsassoziierter Lungenschaden) . Vor allem die in der Lunge auftretenden Scherkräfte - bedingt durch das zyklische Verschließen von Lungenbläschen am Ende der Exspiration und deren Wiedereröffnen am Beginn der Inspiration - werden für den beatmungsassoziierten Lungenschaden (Atelekttrauma) verantwortlich gemacht. Bisher wird alleine durch Einstellung eines konstanten positiven endexspiratorischen Druckes (PEEP) versucht, den globalen Dehnungszustand der Lunge zu beeinflussen. Durch eine aktive Veränderung des Ausatemmusters (im Sinne einer Verzögerung der Exspiration) könnten instabile Alveolarbezirke selektiv stabilisiert werden. Durch die aktive Verhinderung hoher exspiratorischer Flüsse könnten die in der Lunge auftretenden
Scherkräfte reduziert werden und dadurch könnte auch dem beatmungsassoziierten Lungenschaden entgegengewirkt werden. Andererseits ist der Arzt gerade wegen des gestörten Gasaustausches bei diesen Patienten oftmals gezwungen, eine erhöhte Atemfrequenz bei entsprechender Verkürzung der
Ausatemzeit am Beatmungsgerät einzustellen. Die Folge kann eine unvollständige Exspiration und ein erhöhter intrapulmonaler Druck sein: intrinsischer PEEP (PEEPi) . Durch eine entsprechende Erhöhung des exspiratorischen Flusses könnte in dieser Situation der PEEPi beseitigt werden.
Durch die Einführung eines künstlichen Atemweges (Tubus/ Trachealkanüle) ist bei beatmeten Patienten die natürliche Bronchialtoilette außer Funktion gesetzt. Der Tubus stellt einerseits per se ein Hindernis für Bronchialsekret dar, und er verhindert andererseits den für die Expektoration wichtigen
Trachealkollaps . Zudem fehlt vielen künstlich beatmeten Patienten durch den Einfluss von Medikamenten der Hustenstoß. Durch eine gezielte, z.B. biphasische Manipulation des Ausatem-
flusses könnte in dieser Situation der Sekrettransport und die Bronchialtoilette erheblich verbessert werden.
Patienten, die künstlich beatmet werden müssen, haben einen hohen Bedarf an sedierenden Medikamenten. Es ist nachgewiesen, daß die Überlebenswahrscheinlichkeit beatmeter Patienten um so größer ist, je weniger Sedierung notwendig ist. Ein großer Teil der sedierenden Medikation ist deshalb notwendig, weil von den Patienten die Beatmung als sehr unangenehm empfunden wird. Es ist bekannt, dass das Atemmuster in der Inspiration Einfluß auf den subjektiven Atemkomfort des Patienten nimmt. Da - völlig anders als bei künstlicher Beatmung - bei Spontanatmung die Atemmuskeln durch ihre nachlassende Aktivität das Atemmuster vorgeben, steht zu erwarten, daös die Imitierung eines normalen Ausatemmusters auch bei künstlicher Beatmung (durch gezielte Vorgabe des Ausatemmusters) den Patientenkomfort erheblich verbessern kann.
Die schwerkranke Lunge ist durch mechanische Inhomogenität und Nichtlinearität' ihrer Volumen-Druck-Funktion charakterisiert.
Es steht zu erwarten, dass durch gezielte Beeinflussung des
Ausatemmusters eine sehr viel homogenere Ventilation der kranken Lunge erreicht werden kann, als dies bisher der Fall
'war. Letzteres schließt die von Atemzug zu Atemzug unterschiedliche Beeinflussung des Ausatemmusters im Sinne der „fraktalen" oder „polymorphen" Beatmung grundsätzlich mit ein.
Figur 3 zeigt ein Schema für den therapeutischen Einsatz der aktiven Exspirationskontrolle. Im dargestellten Beispiel entsprechen die gestrichelten Kurven dem natürlichen Verlauf der passiven Exspiration. Dieser Kurvenverlauf kommt dadurch zustande, dass sich zu Beginn der passiven Exspiration die Druckdifferenz zwischen den Lungenbläschen (Alveolen) und der
Atmosphäre instantan abbaut . Dadurch kommt es zu Beginn der Exspiration zu einem raschen Abfall des Druckes, der die Ursache für den hohen Spitzenfluss zu Beginn der passiven Exspiration (A) ist. In dieser frühen Exspirationsphase besteht wegen der erhöhten Druckdifferenz über den Wänden der Alveolen eine besonders starke Kollapsgefahr für die Alveolen 9 (Fig.4). Durch diese Atelektasenbildung ist die schwerkranke Lunge hochgradig gefährdet. Durch atemzyklisches Kollabieren und Wiederaufreissen der Alveolen 9 und der damit einhergehenden Scherkräfte kommt es zu irreversiblen mechanischen Schäden des Lungengewebes. In Fig.5 sind die Alveolen 9 in nativem Zustand gezeigt .
Durch die aktive Exspirationskontrolle (Fig.3: durchgezogene Linie) wird in der ersten Hälfte der Ausatmung ein größeres Luftvolumen in der Lunge zurückgehalten als bei passiver Ausatmung (gestrichelte Linie) . Dadurch wird eine Mechanosta- bilisierung des Lungengewebes erreicht und der schädliche Alveolarkollaps wird im Vergleich zu passiver Ausatmung reduziert. Zu Beginn der Exspiration wird der Fluss stark gebremst (A) . Da in dieser Zeit im Vergleich zu passiver Exspiration weniger Luft ausgeatmet wird, ist das Gasvolumen in der Lunge mit Exspirationskontrolle deutlich höher (B) . Durch Anhebung des Ausatemstroms gegenüber der passiven Exspiration am Ende der Ausatmung (C) kann dieses Volumen trotzdem in der gleichen Zeit ganz ausgeatmet werden. Es kommt dadurch nicht zum Alveolarkollaps, da in der zweiten Hälfte der Exspiration der Druckgradient über der Alveolarwand im Vergleich zur ersten Hälfte der Exspiration bereits deutlich abgenommen hat. Am Ende der Ausatmung wird in beiden Fällen das gleiche Volumen erreicht (D) .
Wie die schematische Darstellung zeigt, wird eine zweiphasige Veränderung des Flusses erreicht ohne den voreingestellten positiven end-exspiratorischen Druck (PEEP) zu unterschreiten.
Ansprüche