Glasschneiderädchen
Die Erfindung betrifft ein Glasschneiderädchen aus gesintertem Hartmetall, insbesondere zur Verwendung in einem Schneidkopf einer Glasschneidemaschine. Die Erfindung betrifft zudem ein Verfahren zur Herstellung des Glasschneiderädchens.
Glasschneiderädchen aus gesintertem Hartmetall, z. B. aus Wolframcarbid, sind ringförmig und weisen eine zentrale Bohrung sowie Seitenflächen außerhalb neben der Bohrung und eine umlaufende Schneide mit sich von den Seitenflächen keilförmig zu einer Schneidenkante hin erstreckenden Schneidenflächen beziehungsweise Schneidenflanken auf. Die Dicke der Schneiderädchen; der Durchmesser der Bohrung und der Keilwinkel der Schneide sind auf die jeweilige Verwendung des Schnei erädchens abgestimmt.
Wesentlich für hohe Schneidqualität ist die Konzentrizität zwischen dem Innen- und Außendurchmesser des Ringes des Glasschneiderädchens. Dies wird z. B. durch Feinstschleifen der Bohrung erreicht. Zudem kann Rauheit der Oberfläche des' Schneiderädchens die Schneidqualität beeinträchtigen; deshalb werden qualitativ hochwertige Schneiderädchen an den Seitenflächen und gegebenenfalls auch an den Schneidenflächen geschliffen, wobei der Grad der Rauhtiefe auf die zu erwartende Beanspruchung abgestellt wird. Bei einem derartigen Schleifen wird in der Regel eine Rauhtiefe von 1,0 μm erreicht. Der Feinstschliff der Bohrung kann dagegen Rauhtiefen unter 1,0 μm erhalten.
Trotz der bereits hohen Härte des Werkstoffs des Schneiderädchens führt deren Beanspruchung beim Scheiden von Glas, insbesondere im Schneidenbereich, zu relativ schnellem Verschleiß, woraus eine drastische Minderung der Schneidqualität resultiert. Das Glasschneiderädchen uss frühzeitig ausgetauscht werden, will man unnötigen Glasbruch oder unbrauchbare Brechkanten des Glases vermeiden. Der Austausch verursacht Stillstand der Glasschneidemaschine und nicht unerhebliche Umrüstzeiten.
Ein besonderer Nachteil der bekannten Glasschneiderädchen ist werkstoffbedingt . Trotz der Härte des Werkstoffs kann ein Schneiderädchen bestimmter Raumform, z. B. bezüglich Ringdicke, Schneidenwinkel, Schliff- bzw. Polierrauhigkeit generell nicht universell zum Schneiden vieler unterschiedlicher Glassorten oder Glasdicken eingesetzt werden. Es müssen vielmehr sehr viele unterschiedliche Schneiderädchentypen mit z. B. unterschiedlichen Raumformen, Durchmessern und Dicken vorgehalten werden, die jeweils für die Verwendung für bestimmte Glassorten, wie Floatglas, Verbundssicherheitsglas, beschichtetes Glas oder dergleichen, raumformmäßig konzipiert sind. Das Auswechseln von Schneiderädchen beim Wechsel der Glassorte verursacht den gleichen Aufwand wie das Auswechseln aufgrund des Verschleißes .
Aufgabe der Erfindung ist, ein Glasschneiderädchen zu schaffen, das bei vorgegebener identischer Raumform universeller bezüglich unterschiedlicher Glassorten verwendbar ist sowie erheblich höhere Standzeiten gewährleistet bzw. erheblich geringeren Verschleiß beim Schneiden erfährt und zudem eine deutlich bessere Brechkantenqualität erzeugt.
Diese Aufgabe wird durch die Merkmale des Anspruchs 1 und des Anspruchs 16 gelöst. Vorteilhafte Weiterbildungen der
Erfindung werden in den von diesen Ansprüchen abhängigen Ansprüchen gekennzeichnet.
Die Erfindung sieht vor, dass das Glasschneiderädchen zumindest auf der Schneidenoberfläche mit sogenannten nanostrukturierten Hartwerkstoffen mittels
Dünnschichtverfahren beschichtet ist. Hierunter versteht man Werkstoffe, deren charakteristische Strukturen in der Größenordnung von einigen Nanometern, im allgemeinen bei 1 nm bis 10 nm liegen. Verwendbar für die Zwecke der Erfindung sind das Verfahren physikalischer Dampfabscheidung (PVD - "Physical Vapour Deposition") und das plasmagestützte CVD-Verfahren (PACVD - „Plasma Assisted Chemical Vapour Deposition"), die bei relativ niedrigen Temperaturen durchgeführt werden.
Die Beschichtungstechnik für Metallwerkzeuge mittels PVD- und PACVD-Verfahren ist bekannt.
Beispielsweise wird über diese Verfahren, insbesondere über das PACVD-Verfahren in K.-T.Rei, A. Gebauer, J. Wohle, Vakuum in der Praxis Nr. 4 (1994), S. 259 - 265 berichtet, wobei Einzelschicht- und Mehrschichtverfahren erwähnt werden.
In der WO 00/56946A1 werden Einzelschicht-, Einzelschichtmehrkomponenten- und Gradientenschichtbeschich-tungen von Metallwerkzeugen beschrieben. U. a. wird eine Ti-B-N- Gradientenschichtbeschichtung mit einer substratseitigen TiN- Beschichtung angegeben, wobei die Ti-Konzentration nach außen hin abnimmt und die B-Konzentration und gegebenenfalls auch die N-Konzentration zunimmt.
Aus der DE-OS 1959690 ist bekannt, die Oberfläche von zu beschichtenden Hartmetallteilen für die spanende und spanlose Formgebung durch Schleifen, Bürsten oder Scheuern von der Sinterhaut zu befreien.
-Glasschneiderädchen sind bekanntlich Werkzeuge mit geringen Abmessungen, z. B. mit Durchmessern von 3 - 12 mm und Dicken von 1 - 4 mm. Im Rahmen der Aufgabenstellung der vorliegenden Erfindung hat sich herausgestellt, dass eine Dünnschichtbeschichtung sowohl ungeschliffener als auch in üblicher Weise geschliffener bzw. polierter auf dem Markt befindlicher Glasschneiderädchen die Schneidqualität drastische verschlechtert, zu unbrauchbaren Brechkanten und zu erheblich höherem Glasbruch führt. Diese Tatsache ist wohl auch der Grund dafür, dass, obwohl die
Dünnschichtbeschichtungsverfahren seit langem z. b. zumindest seit 1971 (DE-OS 1959690) bekannt sind, dünnschichtbeschichtete Glasschneiderädchen nicht auf dem Markt sind.
Die vorliegende Erfindung hat nun einen verblüffend einfachen Weg gefunden, dünnschichtbeschichtete Glasschneiderädchen herzustellen, die eine sprunghafte Qualitätssteigerung beinhalten, indem sie universeller einsetzbar sind und sehr viel bessere Brechkantenqualitäten erzeugen, wobei zudem der Verschleiß der Glasschneiderädchen erheblich vermindert ist.
Die Erfindung hat herausgefunden, dass es nicht auf die Rauhtiefe von Schleif- oder Polierrillen, sondern auf die Breite der Rillen ankommt und dass die Dünnschichtbeschichtung nur dann wirksam ist, wenn Sie auf eine polierte oder feinstgeschliffene Schneide, die aus der Schneidenkante und Schneidenflanken gebildet wird, aufgebracht wird. Dabei konnte in überraschender Weise gefunden werden, dass ein brauchbares positives Ergebnis erst dann erzielt werden kann, wenn die Rillenbreite der Schleifrillen bzw. der Polierrillen im Mittelwert auf unter 1,0 μm reduziert wird. Vorzugsweise wird die Rillenbreite im Mittel unter 0,5 μm und insbesondere zwischen 0,3 μm und 0,1 μm reduziert. Derartige Rillenbreiten
führen mit einer PVD- oder PACVD-Dünnstrukturbeschichtung zu den gewünschten Eigenschaften. Unbeschichtete Glasschneiderädchen gleicher Rillenbreiten führen dagegen nicht zu bemerkenswerten Schnittqualitätsverbesserungen.
Nach einer besonderen Ausführungsform der Erfindung wird die Erzeugung der polierten Schneide mit den erfindungsgemäß geringeren Rillenbreiten vor dem Beschichten dadurch erzeugt, dass mit dem unbeschichteten Schneiderädchen Glas, insbesondere in einer Glasschneidemaschine geschnitten wird, bis die Oberfläche der Schneide bezüglich der Rillenbreiten optimal vorbehandelt ist. Wie lange und mit welcher Glassorte sowie mit welcher Druckbelastung und welcher Fahrgeschwindigkeit dieses vorläufige Glasschneiden bzw. Einlaufen durchzuführen ist, ist auf einfache Weise empirisch zu ermitteln.
Bei dieser Art des Polierens unter relativ hohem Druck in einer Glasschneidemaschine werden offenbar die Rillenkanten etwas abgerundet und entgratet und zudem über die Oberfläche überstehende Grate und Erhebungen abgeplattet bis eingeebnet . Eine solche Oberfläche ist besonders gut präpariert für den Auftrag einer dünnen HartwerkstoffSchicht' mit den erfindungsgemäß ausgewählten Verfahren.
Zweckmäßigerweise liegen die auf das Glasschneiderädchen ausgeübten Belastungskräfte beim vorläufigen Einlaufen zwischen 10 kg und 30 kg, vorzugsweise zwischen 15 kg und 25 kg.
Sofern das Polieren zum Vorbereiten der Schneidenflanken für den Dünnschichtauftrag nicht durch Glasschneiden erfolgt, ist es vorteilhaft, Polierverfahren anzuwenden, die mit gleichhohen Drucken bzw. Belastungen betrieben werden können.
Der Fachmann kennt Verfahren und Vorrichtungen zur Ermittlung des Mittelwerts der Rauhtiefe von Rillen. Gebräuchlich sind mechanische und optische Tastverfahren sowie Bildauswerteverfahren mikroskopischer Aufnahmen, z. B. die Auswertung von rasterelektronenmikroskopischen Aufnahmen (REM- Aufnahmen) .
Am einfachsten gelingt die Feststellung ausreichend geringer Rillenbreiten für die Zwecke der Erfindung mittels optischer Vergleichsverfahren mit Breitennormalien vorbestimmter Oberflächen von Schneiden von Glasschneiderädchen, die nach empirischen Ermittlungen optimierte Eigenschaften gewährleisten.
Bild 1 zeigt eine polierte Schneide eines auf dem Markt befindlichen unbeschichteten Glasschneiderädchens und Bild 2 die Schneide eines erfindungsgemäß durch Einlaufen vorbehandelten unbeschichteten Glasschneiderädchens . Die Bilder 1 und 2 stellen REM-Aufnahmen mit 3000facher Vergrößerung dar. Bild 1 lässt deutlich mehr und breitere, im Bild diagonal verlaufende Rillen, und dunkle Fehlstellen im Vergleich zum Bild 2 erkennen.
Im Bild 2 wird mit Pfeilen 1, 2 und 3 auf Rillen jeweils gleicher Breite gezeigt, die zur Auswertung der Rillenbreite und Ermitteln eines Mittelwerts der Rillenbreiten verwendbar sind.
Die Verwendung der unbeschichteten Rädchen gemäß den Bildern 1 und 2 führt zu vergleichbaren Schnittqualitäten, obwohl das Rädchen nach Bild 2 deutlich geringere Rauhheiten aufweist. Erst die Beschichtung mit einem Hartmetallwerkstoff, aufgebracht nach einem PVD- oder PACVD-Verfahren erbringt die Lösung der aufgezeigten Probleme.
Nach einer Ausführungsform der Erfindung wird mittels PACVD- Verfahren zumindest auf die Schneide des Glasschneiderädchens ein Schichtsystem einer HartstoffSchicht eines Übergangsmetalls, insbesondere der IV.- und V. -Gruppe des Periodensystems aufgebracht. Vorzugsweise werden Beschichtungen einer Dicke von 1 μm - 4 μm, insbesondere von 1,5 μm bis 3 μm erzeugt. Dabei sind bevorzugte Schichtsysteme Nitride, Boride und Carbide dieser Metalle, z. B. MN; MBN; oder MB2-SchichtSysteme, wobei M bevorzugt die Metalle Ti, Zr, Hf, Nb, Ta sind.
Die Beschichtung kann eine Einzelschichtbeschichtung mit nur einem Schichtsystem, z. B. MB2 oder ein Mehrschichtsystem, z. B. TiN - TiCN - TiC; TiN-TiCN-TiN; TiN-TiBN-TiB2 sein.
Eine besonders effektive nach dem PACVD-Verfahren aufgebrachte Beschichtung ist eine Gradientenbeschichtung, insbesondere der Zusammensetzung MN-MBN-MB2 der genannten Übergangsmetalle, wobei besonders bevorzugt eine Gradientenbeschichtung gewählt wird, die eine schneidenflächenseitige TiN-Zone aufweist, die ohne deutliche Grenzfläche in eine TiBN-Zone und diese wiederum ohne deutliche Grenzfläche in eine im Wesentlichen aus der stabilen Phase TiB2 bestehende Zone übergeht. Dabei beträgt die TiN-Zone z. B. 180 nm - 220 nm, vorzugsweise 180 nm bis 200 nm, die Zwischenzone TiBN 45 nm bis 55 nm, vorzugsweise 48 nm bis 52 nm, und die außenliegende TiB-Zone 1 μm bis 3 μm, insbesondere 1,5 μm bis 2,5 μm.
Für die Durchführung des Verfahrens werden als Precursor bzw. Spendermedien vorzugsweise verwendet:
Metall-Precursor: MC14 (M = Ti, Zr, Hf) , MC15, (M = Ta, Nb) Bor-Precursor: BC13, B2H6, B3N3H6, BF3 Titan-Precursor: Ti(NR2)4, (R = CH3, C2H5)
Das PACVD-Verfahren wird zur Beschichtung der Schneiden der Glasschneiderädchen zweckmäßigerweise bei Temperaturen zwischen 450°C und 700°C, insbesondere zwischen 500°C und 680°C durchgeführt. Bevorzugt wird das sogenannte DC- Verfahren, d. h. das mit Gleichspannung bzw. mit Gleichstromplasma betriebene PACVD-Verfahren verwendet, das zweckmäßigerweise mit gepulstem Gleichstromplasma, z. B. unipolar, vorzugsweise aber bipolar durchgeführt wird.
Bei Verwendung des PVD-Verfahrens werden insbesondere die Einzelschichtsysteme, z. B. in einer Dicke von 1 μm bis 3μm, z. B. aus TiN; TiBN; TiB ; TiAlN oder CrN aufgebracht. Dabei werden bevorzugt auch Gradientenbeschichtungen erzeugt und zweckmäßigerweise die gleichen Precursor verwendet wie beim PACVD-Verfahren. Desgleichen ist zweckmäßig,
Mehrschichtsysteme aufzubringen, die vorzugsweise die gleichen Schichtfolgen aufweisen wie sie für das PACVD-Verfahren als zweckmäßig im Rahmen der Beschreibung des PACVD-Verfahrens angegeben sind.
Als PVD-Verfahren wird vorzugsweise das Sputter-Verfahren verwendet, das vorzugsweise zwischen 180°C und 300 °C, insbesondere zwischen 200°C und 220°C durchgeführt wird.
Figur 1 zeigt ein Beispiel einer Zusammensetzung einer bevorzugten Gradientenschicht, wobei auf der Ordinate die Atomprozentzahl und auf der Abszisse die Schichttiefe in nm aufgeführt sind. Man erkennt, dass bei 0 nm Tiefe bzw. an der Beschichtungsaußenoberflache lediglich Titan und Bor vorhanden sind, was das Vorhandensein im Wesentlichen der Phase TiB2 bedeutet, deren Anteil nach einer etwa 50 nm dicken Zone deutlich abnimmt. Im Bereich einer Zone zwischen 50 nm und 120 nm Tiefe ist der Stickstoff vorhanden, was auf die wesentliche Anwesenheit der Phase TiBN hinweist. Schließlich befindet sich im Oberflächenbereich der Schneide lediglich
noch eine sehr dünne TiN-Zone. Die TiN-Zone gewährleistet eine überraschend hohe Haftfestigkeit auf der polierten Hartmetall- Oberfläche des Glasschneiderädchens im Vergleich zu anderen verwendbaren Hartwerkstoffen, weshalb insbesondere Schichtsysteme im Rahmen der Erfindung verwendet werden, die schneiderädchenseitig TiN aufweisen, wobei besonders fest das Gradientenzonensystem mit der schneiderädchenseitigen TiN-Zone auf der Schneide haftet und die Gradientenschicht mit der äußeren Titan-Borid-Zone besonders geringen Verschleiß, hohe Schnittqualität und relativ vielseitige Verwendbarkeit des Schneiderädchens bezüglich unterschiedlicher Glassorten und Glasdicken gewährleistet.