Verfahren zur Stabilisierung von Proteinen bei optischen Tests
B e s c h r e i b u n g
Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Kon¬ stanthaltung der Empfindlichkeit bei optischen Tests in pro- teinhaltigen Lösungen, bei dem Störungen durch eine geringe Stabilität von in der Testlösung vorhandenen Proteinkomponen¬ ten auftreten können.
Der in prokaryontischen Organismen vorkommende GroE-Komplex, bestehend aus den Proteinen GroEL und GroES, ist sowohl in vitro als auch in vivo bei der Rekonstitution und Assoziie¬ rung von Proteinen beteiligt (Goloubinoff et al., Nature 337 (1989), 44-47; Goloubinoff et al., Nature 342 (1989), 884-889 und Viitanen et al., Bioche istry 29 (1990), 5665-5671). GroEL gehört zu der Gruppe der "Chaperonin 60"-Proteine, während GroES der "Chaperonin 10"-Gruppe zugeordnet wird. Beide Proteingruppen werden der in jüngster Zeit beschriebe¬ nen, meist ATP-abhängigen Proteinfamilie der "Chaperone" zugeordnet, welche aktiv bei Faltungs-, Assoziierungs- und Translokationsprozessen in der Zelle beteiligt sind (Landry und Gierasch, TIBS 16 (1991), 159-163, Ellis und van der Vies, Ann.Rev.Biochem. 60 (1991), 321-347). Diesen Artikeln zufolge besteht der GroEL-Komplex aus 14 Untereinheiten und. unterstützt die Translokation und Faltung von Proteinen. Weitere mit GroEL verwandte Heatshock-Proteine sind aus Mito- chondrien (Mc ullin und Hallberg (1988), Molec.Cell.Biol. 8, 371-380), Chloroplasten (Hemmingsen et al. (1988), Nature 333, 330-334) und verschiedenen Bakterienarten (Vodkin und Williams (1988), J.Bact. 170, 1227-1234; Mehra et al. (1986), Proc.Natl.Acad.Sci. USA 83, 7013-7017 und Torres-Ruiz und
McFadden (1989), Arch.Biochem. Biophys. 261, 196-204) be¬ kannt.
Die Wechselwirkung von Chaperonen mit neu synthetisierten oder denaturierten Proteinen zur Erhöhung der Ausbeute an aktivem Protein bei Renaturierung in vitro bzw. bei Coexpres- sion in vivo ist bereits bekannt und wurde in mehreren Publi¬ kationen beschrieben. Am Beispiel der in vitro Renaturierung von Citratsynthase konnte durch Lichtstreuungsmessung gezeigt werden, daß der GroE-Komplex bzw. das GroEL-Protein das Ent¬ stehen der bei Renaturierung auftretenden Aggregationsprozes¬ se verhindern kann (Buchner et al., Biochemistry 30 (1991), 1586-1591). Ferner ist bekannt, daß das DnaK-Protein aus E.coli, ein weiteres Chaperon, die RNA-Polymerase vor Inak- tivierung durch Hitze schützt und eine bereits durch Hitze inaktivierte RNA-Polymerase ATP-abhängig renaturieren kann (Skowyra et al., Cell 62 (1990), 939-944). Zu diesem Zweck ist jedoch ein sehr großer Überschuß an DnaK-Protein gegen¬ über der RNA-Polymerase erforderlich.
Die Genauigkeit optischer Tests, insbesondere enzymatischer Tests hängt oft von ihrer Empfindlichkeit ab. Diese Empfind¬ lichkeit verringert sich oft bei längerer Lagerungsdauer, wenn instabile bzw. labile Proteinkomponenten in den Testlö¬ sungen vorhanden sind. So wurde beispielsweise bei Untersu¬ chungen zur Stabilität von α-Glucosidase aus Bäckerhefe gefunden, daß dieses Protein sehr temperatursensitiv ist. Oberhalb von 40°C erfolgt Entfaltung des Proteins, gefolgt von Aggregation. Die so gebildeten Präzipitate, die auch mit geringerer Geschwindigkeit bei 37°C auftreten können, behin¬ dern den Einsatz dieses Proteins in photometrischen Testsy¬ stemen, z.B. bei der Bestimmung von α-Amylase.
Es sind bereits Möglichkeiten bekannt, die Empfindlichkeit bei optischen Tests über einen gewissen Zeitraum konstant zu
halten, indem man die Stabilität von labilen Proteinkomponen¬ ten erhöht. So kann man beispielsweise der Testlösung Rinder¬ serumalbumin oder bestimmte Detergenzien in geringer Konzen¬ tration zusetzen. Ein Nachteil von bekannten Verfahren ist jedoch, daß die Stabilisierung oft nicht ausreichend ist und daß störende Wechselwirkungen des Stabilisators mit anderen Komponenten des Testsystems auftreten können.
Aufgabe der vorliegenden Erfindung war es somit, ein Verfah¬ ren zur Erhöhung der Stabilität von labilen Proteinkompo¬ nenten bei optischen Tests, insbesondere enzymatischen Tests, bereitzustellen, bei dem die Nachteile des Standes der Tech¬ nik mindestens teilweise beseitigt sind.
Die erfindungsgemäße Aufgabe wird gelöst durch ein Verfahren zur Konstanthaltung der Empfindlichkeit bei optischen Tests in proteinhaltigen Lösungen, bei dem Störungen durch eine geringe Stabilität von in der Testlösung vorhandenen Protein¬ komponenten auftreten können, welches dadurch gekennzeichnet ist, daß man dem Testreagenz oder/und der Testlösung ein oder mehrere Proteine aus der Substanzklasse der "Chaperonin 60"- Proteine zusetzt.
Es wurde überraschenderweise festgestellt, daß die Aggrega¬ tion der α-Glucosidase aus Bäckerhefe bei thermischer Bela¬ stung durch Anwesenheit von GroEL-Protein aus E.coli voll¬ ständig unterdrückt werden kann. Ein weiterer Zusatz von g-^ ATP, GroES-Protein und Kaliumionen zu einer α-Glucosidase und GroEL-Protein enthaltenden Lösung bewirkt bei höheren Tempe¬ raturen eine Präzipitation, bei niedrigen Temperaturen eine Reaktivierung der α-Glucosidase.
Die Gewinnung von GroEL-Protein wird in dem Artikel von Georgopoulos, Mol.Gen.Genet. (1986), 202 beschrieben. Die
Aufreinigung von GroEL-Protein ist in dem Artikel von Buchner et al. (Biochemistry 30 (1991), 1586-1591) beschrieben.
Neben GroEL-Protein aus E.coli sind für das erfindungsgemäße Verfahren weitere Mitglieder der Familie der "Chaperonin 60"- Proteine geeignet, z.B. zu GroEL homologe Proteine aus ande¬ ren Bakterienarten oder "cpn 60"-Proteine aus Eukaryonten wie etwa das in Mitochondrien vorkommende hsp 60-Protein, das "Rubisco Subunit binding-Protein" aus Chloroplasten oder/und analoge cytosolische Proteine, die ubiguitär in eukaryonti- schen Organismen vorkommen. Auflistungen von "cpn 60"-Protei¬ nen finden sich z.B. bei Hallberg (1990), Semin.Cell Biol. 1, 37-45 und Hemmingsen (1990), Semin.Cell.Biol. 1, 47-54. Be¬ sonders bevorzugt wird für das erfindungsgemäße Verfahren GroEL-Protein aus E.coli verwendet.
Das molare Verhältnis zwischen dem zugesetzten "Chaperonin 60"-Protein und der zu stabilisierenden Proteinkomponente beträgt bei dem erfindungsgemäßen Verfahren vorzugsweise 0,0001 : 1 bis 20 : 1. Dieses molare Verhältnis bezieht sich dabei auf den 14 Untereinheiten aufweisenden "Chaperonin 60"- Komplex. Besonders bevorzugt wird das "Chaperonin 60"-Protein in einem molaren Verhältnis von 0,001 : 1 bis 10 : 1 bezüg¬ lich der zu stabilisierenden Proteinkomponenten und am mei¬ sten bevorzugt in einem molaren Verhältnis von 0,1 : 1 bis 5 : 1 bezüglich der zu stabilisierenden Proteinkomponenten zugesetzt.
In Fällen, bei denen nur ein geringer Teil der zu stabilisie¬ renden Proteinkomponente zur Aggregation neigt, reicht es aus, das "Chaperonin 60"-Protein in molarem Unterschuß zuzu¬ geben, da jeweils nur eine relativ geringe Proteinmenge der Auf altung unterliegt. Dies ist jedoch in solchen Fällen anders, bei denen durch äußere Umstände, insbesondere durch thermische Belastung damit zu rechnen ist, daß der größte
Teil der zu stabilisierenden Proteinkomponente einer Entfal¬ tung und damit letztlich einer Aggregation unterliegen wird. In diesem Fall muß das Chaperon wenigstens in äquimolarer Menge, besser noch im Überschuß zugesetzt werden.
Das erfindungsgemäße Verfahren kann in jedem optischen Test angewandt werden, bei dem Störungen durch eine geringe Stabi¬ lität von in der Testlösung vorhandenen Proteinkomponenten auftreten können. Üblicherweise beinhalten solche Testverfah¬ ren eine enzymatische Reaktion. Ein "optischer Test" im Sinne der vorliegenden Erfindung ist eine Bestimmung, bei der eine optische Größe oder die Änderung einer optischen Größe, z.B. Absorption, Transmission, Streulicht etc. gemessen wird.
Durch den erfindungsgemäßen Zusatz eines oder mehrerer "Cha¬ peronin 60"-Proteine wird die Stabilität der Proteinkom¬ ponenten in einer Testlösung erhöht, so daß das Auftreten einer Trübung in der Lösung verhindert wird. Dies führt zu einer erheblichen Verbesserung in der Konstanthaltung der Empfindlichkeit, die sich in geringen Leerwerten des Tests äußert. Ein weiterer Vorteil des erfindungsgemäßen Verfahrens ist, daß durch die Verhinderung einer Aggregation Meßfehler verhindert werden, die durch Verschleppung von Proteinaggre¬ gaten auftreten.
Ein bevorzugtes Beispiel für eine mit "Chaperonin 60"-Protei¬ nen, z.B. mit GroEL zu stabilisierende Proteinkomponente ist die α-Glucosidase PI aus Bäckerhefe. Das erfindungsgemäße Verfahren ist jedoch nicht auf dieses Protein beschränkt.
Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren wird üblicherweise kein "Chaperonin 10" bzw. GroES-Protein zugesetzt, da das "Chape¬ ronin 60"-Protein bereits alleine durch Verhinderung von Aggregatbildung eine Stabilisierung der labilen Proteinkompo¬ nente bewirkt. Der Zusatz von "Chaperonin 10"-Proteinen, d.h.
von Proteinen, die zusammen mit "Chaperonin 60"-Proteinen und Mg-ATP einen Komplex bilden, ist nur erforderlich, wenn eine Reaktivierung von denaturierten Proteinkomponenten erfolgen soll. Vorzugsweise verwendet man in diesem Fall als "Chapero¬ nin 10"-Protein das GroES-Protein aus E.coli.
Ein weiterer Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist auch ein Reagenz für einen optischen Test, das fest oder flüssig sein kann und ein oder mehrere Proteine aus der Substanzklas¬ se der "Chaperonin 60"-Proteine, insbesondere das GroEL-Pro¬ tein aus E.coli, das hsp 60-Protein aus Mitochondrien, das "Rubisco Subunit binding-Protein" aus Chloroplasten oder/und ein analoges Protein aus dem Cytosol prokaryontischer oder eukaryontischer Zellen enthält. Ein erfindungsgemäßes Reagenz kann beispielsweise das "Chaperonin 60"-Protein in gelöster Form oder/und als Lyophilisat enthalten. Vorzugsweise ist das "Chaperonin 60"-Protein das GroEL-Protein aus E.coli.
Die vorliegende Erfindung betrifft schließlich auch die Ver¬ wendung von "Chaperonin 60"-Proteinen, insbesondere GroEL- Protein zur Stabilisierung von Proteinkomponenten für einen optischen Test.
Die Erfindung soll weiterhin durch die folgenden Beispiele in Verbindung mit der Zeichnung erläutert werden. Es zeigt:
Abb. 1: die Aggregation von α-Glucosidase bei 46,3°C in
Abwesenheit bzw. in Gegenwart von 1,5-fach molarem Überschuß an GroEL-Protein,
Abb. 2 die Aggregation von α-Glucosidase in Gegenwart unterschiedlicher Mengen GroEL-Protein,
Abb. 3 die Dissoziation des α-Glucosidase-GroEL-Komplexes durch Zugabe von ATP, MgCl2 , K+ und GroES-Protein, und
Abb. 4 die Reaktivierung von α-Glucosidase bei Raumtempe¬ ratur nach thermischer Denaturierung in Anwesenheit von GroEL-Protein durch Zugabe von ATP, MgCl2 , K+ und GroES-Protein.
Beispiele
Materialien: α-Glucosidase PI wurde in Hefe (Stamm ABYSMAL81, transfor¬ miert mit dem Plasmid YEp/5c6b3) exprimiert (Kopetzki et al. (1989), EP 0 323 838, Kopetzki et al., Yeast 5 (1989), 11-24) und mit den üblichen Methoden der Ionenaustausch- und hydro¬ phoben Interaktionschromatographie gereinigt.
GroEL und GroES wurden aus einem überexprimierenden E.coli- Stamm (Fayet et al., Mol.Gen.Genet. 202 (1986), 435-445) mittels Molekularsieb- und Ionenaustauschchromatographie gereinigt (Buchner et al., Biochem. 30 (1991), 1587-1591). Adenosintriphosphat (ATP) und p-Nitrophenyl-α-D-glucopyrano- sid (pNPG) stammten von Boehringer Mannheim GmbH.
Beispiel 1
Unterdrückung der Aggregation von α-Glucosidase PI bei ther¬ mischer Belastung durch GroEL
Eine Küvette mit 0,1 mol/1 Tris-Puffer, pH 7,6 wird 15 Minu¬ ten im Küvettenhalter des Fluoreszenzspektrophotometers auf ca. 46,5°C temperiert. Die Temperatur in der Küvette wird mit einem Thermofühler kontrolliert.' α-Glucosidase PI wird zuge¬ geben (Endkonzentration 10 μg/ml = 0,146 μmol/1); die Aggre¬ gation des Enzyms wird durch Lichtstreuungsmessung in einem
Hitachi Fluoreszenzspektrophotometer F 4000 bei folgender Geräteeinstellung verfolgt:
Time Scan
Excitationswellenlänge: 360 n
Emissionswellenlänge: 360 nm
Spaltbreite Excitation: 5 nm
Spaltbreite Emission: 5 nm Das Fluorimeter hat einen temperierbaren Küvettenhalter mit Magnetrührer. Bei den Experimenten zur Aggregationsunter¬ drückung wird zuerst GroEL mit dem Puffer vermischt und an¬ schließend die α-Glucosidase zugegeben.
α-Glucosidase ist ein sehr temperatursensitives Enzym. Bei einer Temperatur von 46°C und in Abwesenheit von GroEL-Pro¬ tein (O) ist bereits innerhalb von 10 Minuten sehr starke Aggregation (LichtStreuung) zu erkennen (Abb. 1).
Wird α-Glucosidase jedoch in Gegenwart eines 1,5-fachen mola¬ ren Überschusses an GroEL-Protein (#) bezogen auf den GroEL- Komplex mit 14 Untereinheiten bei 46°C thermisch belastet, so kann die Aggregatbildung vollständig unterdrückt werden (Abb. I. ¬
Versuche, bei denen das Verhältnis α-Glucosidase : GroEL variiert wird (α-Glucosidase : GroEL = 1 : 0,25 (Q) , 1 : 0,5 (1) , 1 : 1 (O) . : 1.5 (#) bzw. 1 : 2 «>) bei einer α-Gluco- sidase-Konzentration von 10 μg/ml = 0,146 μmol/1) , zeigen, daß bereits geringe Mengen an GroEL die Aggregatbildung ver¬ langsamen; ein Überschuß an GroEL unterdrückt die Aggregation vollständig (Abb. 2).
Beispiel 2
Dissoziation des α-Glucosidase-GroEL-Komplexes durch Zugabe von ATP, GroES und K+
α-Glucosidase (10 μg/ml, 0,146 μmol/1) wird mit 1,5-fachem Überschuß an GroEL (0,219 μmol/1 bezogen auf 14-mer) in 0,1 mol/1 Tris, 10 mmol/1 KCl, pH 7,6 wie oben beschrieben bei 46°C inkubiert. Nach 20 Minuten werden 2 mmol/1 ATP, 10 mmol/1 MgCl2 sowie 0,146 μmol/1 GroES zugegeben.
Bei gleichzeitiger Zugabe von ATP/MgCl2 und GroES (o) wird die Bindung zwischen GroEL und der α-Glucosidase gelöst, die freigesetzten Enzymmoleküle aggregieren (Abb. 3). 2 mmol/1 ATP und 10 mmol/1 MgCl2 (ohne GroES) führen eben¬ falls zu einer Dissoziation des α-Glucosidase-GroEL-Komple- xes; allerdings zeigt die Lichtstreuung einen flacheren Anstieg als im vorherigen Versuch; die nachträgliche Zugabe von GroES (φ) führt zu rascher vollständiger Dissoziation des Komplexes bzw. Aggregation der freigesetzten α-Glucosidase.
Beispiel 3
Reaktivierung thermisch denaturierter α-Glucosidase PI
α-Glucosidase (10 μg/ml) wird in Gegenwart von 1,5-fachem GroEL-Überschuß 60 Minuten bei 47°C in 0,1 mol/1 Tris-Puffer, pH 7,6 inkubiert. Nachdem das Proteingemisch auf 25°C abge¬ kühlt ist, gibt man 2 mmol/1 ATP, 10 mmol/1 MgCl2 , 10 mmol/1 KCl sowie 0,146 μmol/1 GroES zu (D) • Bei der Kontrolle (■) erfolgen keine Zusätze. Die Reaktivierung der α-Glucosidase wird anhand eines Aktivitätstests mit p-Nitrophenol-α-D-glu- copyranosid als α-Glucosidase-Substrat verfolgt (Abb. 4).