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Rost- und säurebeständige sowie gut kaltverarbeitbare Chrom- und Chrom-Nickel-Stähle
Obwohl es seit langem bekannt ist, daß der Stickstoff in Stahllegierungen die Kaltversprödung
begünstigt, hat man dennoch diesen Einfluß bei hochlegierten Stählen, beispielsweise
bei den rost-und säurebeständigen Chrom- und Chrom-Nickel-Stählen, für vernachlässigbar
gehalten. Es wurden sogar Stickstoffzusätze zu diesen Stählen wiederholt empfohlen,
z. B. zu den härt- und vergütbaren Stählen mit 12 bis 15 % Chrom und
0,3 bis o,4 % Kohlenstoff, um die Härte zu steigern, oder zu Stählen mit
16 bis i9 °/o Chrom und niedrigem Kohlenstoffgehalt zur Verbesserung der
Schweißarbeit und der Beständigkeit gegenüber Kornzerfall. Ferner wurde vorgeschlagen,
auch den austenitischen Chrom-Nickel-Stählen Stickstoff zuzusetzen, um die Warm-und
Dauerstandfestigkeit und die Beständigkeit des austenitischen Zustandes zu erhöhen.
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In Cbereinstimmung mit diesen Vorstellungen über die Wirkung des Stickstoffs
in rost- und säurebeständigen Chrom- und Chrom-Nickel-Stählen sind deren Stickstoffgehalte
sehr verschieden und schwanken zwischen etwa o,o5o und 0,25 %, wobei in Ausnahmefällen
als untere Grenze 0,035 % erreicht wird. Die beabsichtigten und die unbeabsichtigten
Stickstoffgehalte werden hierbei überwiegend durch die Legierungsmetalle und die
Ferrolegierungeh in die Stähle eingebracht.
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Irn Gegensatz zu diesen für unschädlich oder sogar für vorteilhaft
gehaltenen hohen Stickstoffgehalten der hochlegierten Stähle liegen die Stickstoffgehalte
der
schwachlegierten oder unlegierten Stähle bedeutend niedriger. Die Wirkung des Stickstoffs
in diesen Stählen ist durchaus ungünstig. Da beispielsweise beim elektrischen Lichtbogenschweißen
eine erhöhte Stickstoffaufnahme des Schweißgutes häufig nicht zu vermeiden ist,
wurde vorgeschlagen, dieses durch Zulegieren von Titan oder Zirkon zu denitrieren,
d. h. den Stickstoff an diese Elemente in Form von unlöslichen Nitriden zu binden
und ihn hierdurch in eine unschädliche Form überzuführen. Später wurde erkannt,
daß diese unlöslichen Nitride doch eine gewisse geringe Löslichkeit im Stahl haben
und dadurch sowohl in unlegierten als auch in legierten Stählen eine Erhöhung der
Warm- und Dauerstandfestigkeit herbeiführen. Schließlich wurde auch beobachtet,
daß bei einem Schneidstahl mit 1,5 % C und 12 0/0 Cr durch den Zusatz von 0,03 %
N und 0,o6 % Zr, also durch die Anwesenheit von Zirkonnitrid, erhebliche Verbesserungen
der Schnittleistungen erzielt werden. Bei austenitischen Stählen konnte bisher keine
Verbesserung der Warm- und Dauerstandfestigkeit durch Zusätze von Zirkon- oder Titannitrid
beobachtet werden.
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Man könnte nun vermuten, daß die bei der Kaltverarbeitung von rost-
und säurebeständigen Chrom-und Chrom-Nickel-Stählen häufig zu beobachtenden Versprödungserscheinungen
auf eine Wirkung des Stickstoffs ähnlich wie bei den schwachlegierten und unlegierten
Stählen zurückzuführen sind. Zur Erzielung einer guten Kaltverarbeitbarkeit bei
austenitischen Chrom-Nickel-Stählen wurde bereits vorgeschlagen, den Stickstoffgehalt
unter 0,035 0/0 und den Kohlenstoffgehalt gleichzeitig unter 0,07 °,/o zu
halten. Insbesondere diese letzte Forderung ist aber in der Praxis schwer zu erfüllen.
Versuche an zahlreichen verschiedenen Schmelzen haben ergeben, daß zwischen dem
analytisch ermittelten Stickstoffgehalt und der Versprödungsneigung der Schmelzen
bei der Kaltverarbeitung kein direkter Zusammenhang besteht. Weitere 1111tersuchungen
erbrachten schließlich die überraschende Tatsache, daß die Versprödungsneigung vier
rost- und säurebeständigen Chrom- und Chrom-Nickel-Stähle lediglich von der Form
beeinflußt wird, in welcher der Stickstoff vorliegt. Ist der Stickstoff an die Elemente
der 6. bis B. Gruppe des Periodischen Systems gebunden, z. B. *an Eisen,
Chrom, Mangan und Molybdän, werden nur dann hinsichtlich Kaltversprödung brauchbare
rost- und säurebeständige Chrom- und Chrom-Nickel-Stähle erhalten, wenn der Stickstoffgehalt
nicht mehr als höchstens 0,035 % beträgt. Bei höheren Stickstoffgehalten muß mit
störenden Versprödungserscheinungen bei der Kaltverarbeitung gerechnet werden. Dagegen
sind Stickstoffgehalte, die durch Nitride der Elemente der 3. bis 5. Gruppe des
Periodischen Systems verursacht werden, beispielsweise durch die Nitride der Elemente
Aluminium, Titan, Zirkon, Niob, Tantal, Vanadin, hinsichtlich Kaltversprödung vollkommen
unschädlich.
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Auf Grund dieser Erkenntnisse ist es möglich anzugeben, welche legierungstechnischen
Maßnahmen notwendig sind, um rost- und säurebeständige Chrom- und Chrom-Nickel-Stähle
mit guter Kaltverarbeitbarkeit und Kohlenstoffgehalten von mehr als 0,07 % bis höchstens
o,18 % zu erzeugen, wobei unter diesen Stählen sowohl nichtaustenitische Chromstähle
mit einem Mindestchromgehalt von 13 % als auch austenitische Chrom-Nickel-Stähle
zu verstehen sind. Wenn ein Stickstoffgehalt von höchstens 0,035 % beim Erschmelzen
dieser Stähle eingehalten yvird, kann auf besondere Maßnahmen legierungstechnischer
Art überhaupt verzichtet werden. So ergaben sich beispielsweise bei Stählen mit
höchstens o,12 % Kohlenstoff, 0,4 bis 0,7 % Silicium, 0,3 bis 0,5 % Mangan und 17,5
bis 18,5 % Chrom oder mit höchstens o,12 % Kohlenstoff, o,5 bis o,8 % Silicium,
0,7 bis 1,o % Mangan, 11,5 bis 12,5 % Chrom und 11,5 bis 12,5 % Nickel bei Stickstoffgehalten
zwischen 0,020 und 0,035 0/0 keine Schwierigkeiten bei der Kaltverarbeitung.
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Praktisch ist jedoch das Einhalten so niedriger Stickstoffgehalte
schwierig. Man wird daher häufig dafür sorgen müssen, zumindest den über
0,035 0/a liegenden Stickstoffgehalt durch Zulegieren von Elementen der 3.
bis 5. Gruppe des Periodischen Systems, z. B. von Aluminium, Titan, Zirkon, Niob,
Tantal, Vanadin, unschädlich zu machen. Um gegebenenfalls Schädigungen durch den
Zusatz der genannten Elemente zu vermeiden, wie Verschlechterungen der Warmverarbeitungseigenschaften
infolge Erhöhung der Rißanfälligkeit und Verschlechterungen der Oberflächenbeschaffenheit
bei der Kaltbearbeitung, wird man derartige Zusätze so niedrig wie möglich für den
Zweck gemäß vorliegender Erfindung halten. Im allgemeinen wird aus diesen Gründen
die obere Grenze dieser Zusätze bei 0,2 0/0 liegen. Wenn jedoch die genannten Schädigungen
infolge der Art und der geforderten Oberflächenbeschaffenheit der herzustellenden
Erzeugnisse sich nicht störend auswirken können, kann selbstverständlich auch der
gesamte Stickstoff in Form von Nitriden der Elemente der 3. his 5. Gruppe des Periodischen
Systems vorliegen, wohei dann die Höhe des Stickstoffgehaltes ohne Einfluß auf die
Kaltverarbeitungseigenschaften der Tost- und säurebeständigen Chrom- und Chrom-Nickel-Stähle
ist.
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Bei Beachtung der gemäß vorliegender Erfindung vorgeschlagenen Form
des Stickstoffs in rost- und säurebeständigen Chrom- und Chrom-Nickel-Stählen können
mit Sicherheit die störenden Versprödungserscheinungen dieser Stähle bei der Kaltverarbeitung
vermieden werden.