-
Stand der Technik
-
Die Fahrwerke oder Drehgestelle der heute üblichen Schienenfahrzeuge
besitzen starre und parallelgeführte Radsa'tze, woraus das bekannte Lä-ngs-und Quergleiten
der Räder im Gleisbogen resultiert. Wie eins.chlägige Labor- und Streckenversuche
in jüngster Zeit ergeben haben, wird das - bei Stadtverkehrs-Schienenfahrzeugen
- als besonders lästig empfundene Kurvenquietschen eindeutig durch die Quergleitkomponenten
in- den Radaufstandspunkten hervorgerufen. Hierbei tritt ein sogenannter Stick-Sli-p-Effekt
zwischen Rad und Schiene auf, woraus sich letztlich eine selbsterregte Schwingung
in der Eigenfrequenz des Systems und damit das Kurvenquietschen ergibt.
-
Dieses Kurvenquietschen läßt sich mit Radschutzkästen und Schallschürzen
kaum merklich verringern, auch die neu entwickelten Schall- oder Schwingungsabsorber,
die an der Radscheibe montiert werden, erzielen keine vollständige Beseitigung.
Verschiedene Maßnahmen zur Unterdrückung des Stick-Slip-Effektes, wie Verwendung
von Pendelrollenlager as Radsatzlager, biegeweiche Radscheiben oder werkstoffseitige
Verbesserung der Rad- und Schienenlaufflächen, führten ebenfalls nur zu Teilerfolgep.
-
Letztlich wurden die Quergleitkomponenten und damit auch das Kurvenquietschen
lediglich durch die erzwungene Radialeinstell-ung der Radsätze im Gleisbogen entsprechend
Fig. I vollständig beseitigt. Bei dem - erstmals von Liechty und dem Reichsbahn-Versuchsamt
Berlin-Grunewald - angewandten Hebelprinzip dient die Winkelauslenkung des Drehgestells
gegenüber dem Wagenkasten als Stellgröße für die Radialeinstellung der- Radsätze.
Abgesehen von den außerordentlich hohen Stell kräften und dem damit verbundenen
Verschleiß in den Gelenkpunkten des Hebelsystems, haften dieser Einrichtung folgende
gravierende Nachteile an: 1 Die Radialeinstellung der Radsätze ist nur dann korrekt,
wenn sich das ganze Fahrzeug im Gleisbogen befindet. Bei der .Kurvenein- und -ausfahrt
treten die in Fig. II dargestellten geometrisch bedingten Fehlsteuerungseffekte
verbunden mit den Quietschgeräuschen auf.
-
2 Beim. Sinuslauf in der Geraden wird die Verdrehung des Drehgestells
gegenüber dem Wagenkasten dazu führen, daß sich die Radsätze radial zur Sinuskurve
einstellen und damit eane-Verstärkung dieses Schlingereffektes bis zur Entgleisungsgrenze
eintreten kann.
-
3 Das Ausdrehen der Radsatzwellen kann nur bewerkstelligt werden,
indem man die Radaufstandsflächen längs auf der Schiene verschiebt. Dies führt besonders
bei kurvenreichen Strecken und häufigem Lenken zu einem starken Radreifenverschleiß.
-
4 Die engen Gleisbogenhalbmesser der Stadtbahnbetriebe bedingen Radsatzwinkelauslenkungen
bis zu 4,5°, woraus sich erhebliche konstruktive Schwierigkeiten für die Lagerung
und Vertikalabfederung der Radsätze ergeben, welche bislang nicht zufriedenstellend
gelöst werden konnten.
-
5 Alle auf dem inländischen Markt angebotenen Einzelachs- und Zweiachslängsantriebe
beinhalten derzeit keine ausreichenden Bewegungsfreiheitsgrade für die erzwungene
Radsatzradialeinstelung, so daß diese, wenn überhaupt, nur mit gravierenden Konstruktionsänderungen
- bei entsprechend hohen Umstellungskosten in Produktion und Lagerhaltung - zu bewerkstelligen
sind.
-
Die Nachteile 1 und 2 ließen sich bei einer anderen Art der Lenksteuerung
als das Liechty-Hebelsystem vermeiden. Dies scheint aber bei den hohen Lenk- und
Stell kräften und bei den aus andauernden einwirkenden Stößen in Fahrzeuglängsrichtung
resultierenden Momenten nur unter sehr hohem konstruktivem Aufwand möglich, Eine
solche Konstruktion wäre sicherlich zu aufwendig und zu anfällig.
-
Erfindung Die vorgenannten Schwierigkeiten können durch die im Anspruch
1 angegebene Erfindung umgangen werden.-Nicht nur die Stellkräfte werden dadurch
erheblich reduziert, sondern es können auch die heute üblichen Radsatzführungs-,
Antriebs- und Bremseinrichtungen und Geräte nahezu unverändert erhalten bleiben.
Auch lassen sich die in Fig. II dargestellten Fehler in der Lenkhebel geometrie
mit Hilfe der leichtgängigen Lenk- oder Spurstangenlösung dadurch eliminieren, daß
anstelle der Wagenkastenzwangsanlenkung selbständige elektrische oder pneumatische
Stellgeräte treten, die den tatsächlichen Erfordernissen entsprechend von einem
zentralen Kleincomputer gesteuert werden.
-
Vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen
beschrieben. Dabei wurde die vorliegende Erfindung mit dem Ziel erarbeitet, eine
möglichst einfache und für Stadtverkehrs-Schienenfahrzeuge besonders geeignetç Radsatzkonstruktion
mit lenkbaren Einzelrädern in. kinematisch exakter Form zu bewerkstelligen. Dies
wurde dadurch erreicht, daß die Lenkachslinie
senkrecht zur Fahrbahn-steht
und mit dem RadaufstaSi'ds7p'nkt' v sammenfällt. Insofern bestehen keine Shnlichkeiten
zu den lenkbaren Einzelrädern der Kraftfahrzeuge, wo die wesentlich größeren Auslenkwinkel
ein-e derartige Lösung verbieten.
-
Erfindungsbeschreibung Ausführungsbeispiele der Erfindung sind anhand
von Skizzen - unter Weglassung aller für das Verständnis unwesentlicher Einzelteile
- erlautert.
-
Es zeigen: Fig. III : Situationsskizze eines Drehgestells mit lenkbaren
Einzelrädern im Gleisbogen, Fig. IV : Prinzipskizze eines erfindungsgemäßen Radsatzes,
Fig. V : Längsschnitt des Ausführungsbeispiels 1 des lenkbaren Eisenbahnrades, Fig.
VI : Schnitt A - B aus Fig. V, Fig. VII : Längsschnitt des Ausführungsbeispiels
2 des lenkbaren Eisenbahnrades und Fig. VIII : Schnitt A - A und B - B aus Fig.
VII.
-
Funktionsbeschreibung zu Fig. IV Auf einer feststehenden Radsatzachse
(2) sind links-und rechts ringförmige Aufnehmer (5) für Radnabenzwischenringe (3)
angebracht. Diese Aufnehmer (5) sind so konstruiert, daß sie lediglich eine Schwenkbewegung
der Radnabenzwischenringe (3) um die Vertikale zulassen. Die Lenkachslinien stehen
dabei senkrecht zur Fahrbahn und fallen mit dem jeweiligen- Radaufstandspunkt zusammen.
Auf dem schwenkbaren Radnabenzwischenring (3) ist das Rad (1) mittels Wälzlager
(10) gelagert, mit welchem die normale Radumdrehung bewerkstelligt wird. Die Lenkhebel
(7) sind am äußeren Ende des jeweiligen Radnabenzwischenringes (3) fest angebracht
und erzwingen durch einen zentralen Computer oder ähnlichem gesteuert-und von mechanischen,
elektrischen oder pneumatischen Stellgliedern gelenkt, die tangentiale Einstellung
des Rades (1-) zur Schienenlängskante.
-
Die Obertragung der Antriebs- und Bremskräfte zwischen Radsatzachse
(2-) und Drehgestellrahmen (.13) kann mit den- herkömmlichen Führungs- und Federungssystemen
erfol-gen, wobei lediglich die sogenannten Radsatzschenkellager entfallen. Die zur
Obertragung der Antriebs- und Bremsmomente erforderliche
Kupplung
(14) bzw. Bremsscheibe (15) konventioneller Bauart ist auf einer Hohlwelle (16)
befestigt, welche das Bindeglied zwischen dem linken und rechten Rad (1) darstellt.
Der zusätzliche Bewegungsfreiheitsgrad zwischen der rotierenden Hohlwelle (16) und
den winkeleinstellbaren Einzelrädern (1) wird durch die Gummigelenkkupplungen (14)
geschaffen, wie sie bei Schienenfahrzeugantrieben seit langer Zeit üblich sind.
Die Zentrierung der Hohlwelle (t6) gegenüber der stehenden Radsatzachse (2) wird
mit den Wälzlagern (17) bewerkstelligt.
-
Da zwischen Radsatzhohlwelle (16) und Antriebs- bzw. Bremsaggregaten
keine Winkelauslenkungen stattfinden, können letztere nunmehr in bisheriger Form
eingesetzt werden. Hinzu kommt der Vorteil, daß die stehende Radsatzachse (2) lediglich
einer Biegeschwellbeanspruchung unterworfen ist, wogegen die konventionelle rotierende
Radsatzwelle durch eine Biegewechselbeanspruchung belastet ist, die zudem durch
die Torsionsbeanspruchung des Antriebs und der Bremse überlagert wird.
-
Konstruktionsbeschreibung des Ausführungsbeispiels 1 siehe Fig. V
und VI Der Zapfenring (5) ist fest auf die stehende Radsatzachse (2) aufgeschoben
und mit einer Paßfeder gegen das Verdrehen gesichert. Die Sicherung gegen das Verschieben
erfolgt mit Stirnschrauben, welche das Achslager (9), die Distanzhülse (8) und den
Zapfenring (5) gegen den Bund der Achse (2) drücken. Der Radnabenzwischenring (3
und 3') ist im Hinblick auf die Montage geteilt und wird mit acht M 12 Schrauben
am Umfang in Form einer Flanschverbindung zusammengehalten. Auf Grund der hohen
Vertikal- und Horizontalbeanspruchung der beiden Lenkzapfenlager (11) sind diese
als Kegelrollenlager T7 FC 0501 ausgeführt. Der als gemeinsame Fettraum dienende
Hohl körper ist gegenüber der Radsatzachse (2) mit zwei Gummimanschetten (12) abgedichtet,
wobei lediglich die Winkelauslenkungen des Rades (1) gegenüber der stehenden Radsatzachse
(2) aufzunehmen sind. Die Abdichtung des sich drehenden Radkörpers (1) gegenüber
dem stehenden Radnabenzwischenring (3 und 3') erfolgt über die beiden Lagerdeckellabyrinthe
(6). Der Spurstangenhebel (7) stellt eine Verlängerung des linken Lagerdeckels (6)
dar und ist im Hinblick auf die hohen Biegemomente durch die U-förmige Querschnittsprofilierung
hinreichend verstärkt.
-
Konstruktionsbeschreibung des Ausführungsbeispiels 2 siehe Fig. VII
und VIII Das Gleitgelenklager (5) ist umfassend auf die feststehende Radsattachse
(2) aufgeschoben. Die axiale Sicherung gegen das Verschieben des Gleitlagerinnenrings
erfolgt mit Stirnschrauben, welche das Achslager (9), die Distanzhüle (8) und den
Gleitlagerinnenring gegen den Bund der Radsatzachse (2) pressen. Auf den Gleitlageraußenring
sitzt der Radnabenzwischenring (3 und 3'), der aus Montagegründen geteilt ist und
mit-acht M 12 Schrauben am Umfang in Form einer Flanschverbindung zusammengehalten
wird.
-
Am äußeren Ende des Radnabenzwischenrings (3) wird mit dem Radlagerdeckel
(6'.) eine Gleitmuffe befestigt, die sich auf der feststehenden Distanzhülse (8)
in der Horizontalen verschieben läßt, womit das seitliche Wegkippen des Rades verhindert
wird. Die Gleitmuffe (6') dient gleichzeitig als Lenkkopf. Die Radlagerung und Dichtung,
der An- und Abtrieb und die Achsaufhängung entsprechen der Lösungsvariante 1.
-
Vorteile der Erfindung 1. Durch das tangentiale Einstellen der Räder
im Gleisbogen.wird das Kurvenrütteln und -quietschen-verhindert Das bedeutet neben
dem Gewinn an Fahrkomfort auch eine Beseitigung des Lärmproblems für Anlieger.
-
2. Außer der Verbesserung des Lärmverhaltens ist eine Minderung des
Rad/Schiene-Verschleißes zu erwarten,- da das Quergleiten im Gleisbogen nicht mehr
auftritt.
-
3. Auf die Spurerweiterung im Gleisbogen kann verzichtet werden. Auch
die Belastung des ganzen Oberbau. wird geringer.
-
4. Des weiteren ergibt sich die Möglichkeit einer schwächeren Dimensionierung
der Radsatzachse, we71 biese nicht wie bei der herkömmlic,hen Radsatzwelle durch
Umlaufbiegung und Torsion beansprucht ist, sondern nur durch eine Biegeschwellbelastung,
woraus auch eine Gewichtsminimierung der ungefederten Massen resultiert.
-
5. Die Primärbeeinflussung der Stick-Slip-Schwlngungen und der damit
verbundenen lästigen Bogenlaufgeräusche känn ohne die kostspieligen Konstruktionsänderungen
an den.Antr-iebs- und Bremseinrichtungen bewerkstelligt werden.