DE19945049A1 - Durch Korrosion abbaubare medizinische Implantate aus Wolframlegierungen - Google Patents

Durch Korrosion abbaubare medizinische Implantate aus Wolframlegierungen

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Abstract

Die Erfindung betrifft ein in vivo abbaubares medizinisches Implantat aus der Gruppe, die folgendes umfaßt: Stents (Koronarstents, Peripheriestents, Trachealstents, Gallengangstents, Ösophagusstents), chirurgische Clips, Osteosynthesematerial, biologische Matrix (Schaum), Metallgeflecht, Metallfäden, Wirkstoffdepots, aus einem metallischen Werkstoff, wobei der Werkstoff als Hauptlegierungsbestandteil ein Metall aus der Gruppe Wolfram, Rhenium, Osmium, Cer, Gadolinium Molybdän enthält. Mit diesem Material wird in biologischen Systemen erreicht, daß der korrosive Abbau durch Änderung des pH-Werts beeinflußt werden kann.

Description

Die vorliegende Erfindung betrifft ein in vivo abbaubares medizinisches Implantat aus einem metallischen Werkstoff aus der Gruppe der Implantate gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1.
Ein derartiges Implantat ist aus der DE 197 31 021 bekannt. Bei diesen Implantaten wird praktisch mit der Implantati­ on ein Korrosionsvorgang in Gang gesetzt, der nach eini­ ger Zeit dazu führt, daß das Implantat zunächst mecha­ nisch instabil und dann komplett abgebaut wird. Bei die­ sen Implantaten soll das Material so gewählt werden, daß die Korrosion zur Aufrechterhaltung der mechanischen Sta­ bilität im erforderlichen Umfang langsam abläuft. Dies bedingt auch einen entsprechend langsamen Abbau des Im­ plantatmaterials, nachdem dieses Implantat seine Aufgabe erfüllt hat. Der vollständige Abbau wird in der Praxis ein mehrfachen der Zeit benötigen, für die die mechani­ sche Funktion aufrecht erhalten bleiben soll.
Weiter ist bekannt, sogenannte Coils als Gefäßverschluß­ systeme aus einer Wolframlegierung zu fertigen, die kor­ rodieren können. Gerade bei Gefäßverschlußsystemen ist der Abbau des Implantats nicht erwünscht, insbesondere dann nicht, wenn die Implantation nicht zu dem angestreb­ ten Gefäßverschluß geführt hat.
Es ist deshalb Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Implantat aus der im Oberbegriff des Anspruchs 1 genann­ ten Gruppe dahingehend zu verbessern, daß die mechanische Stabilität des Implantats so lange wie nötig aufrechter­ halten bleibt und die Korrosion nach erfüllter mechani­ scher Funktion einen beschleunigten Abbau des Implantats ermöglicht. Weiter ist es Aufgabe der vorliegenden Erfin­ dung, ein Wirkstoffdepot zu schaffen, das eine gezielt steuerbare Wirkstofffreisetzung ermöglicht.
Diese Aufgabe wird von einer Erfindung mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst. Weiter ist es Aufgabe der vorlie­ genden Erfindung, ein Verfahren zum Abbau eines metalli­ schen Implantats zu schaffen, das gezielt die Geschwin­ digkeit des korrosiven Abbaus des Implantats steuerbar macht. Diese Aufgabe wird von einem Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 7 gelöst.
Weil bei dem erfindungsgemäßen Implantat vorgesehen ist, daß der Werkstoff als Hauptlegierungsbestandteil Wolfram oder ein Metall aus der Gruppe Rhenium, Osmium, Molybdän enthält, wird das Implantat in der biologischen Umgebung, für deren Einsatz es vorgesehen ist, ein pH-Wert­ abhängiges Korrosionsverhalten zeigen, wobei der Übergang von einem nicht korrodierenden Zustand in einen korrodie­ renden Zustand bei einem für das jeweilige biologische System tolerierbaren pH-Wert liegt. Insbesondere wird der Übergang zum korrodierenden Zustand durch einen den pH- Wert im biologischen System steuernden Vorgang beein­ flußt.
Im Falle des Wirkstoffdepots wird die Freisetzung des Wirkstoffs durch die Änderung des pH-Werts vom korrosi­ onsinhibierenden Zustand in den korrosionsfördernden Zu­ stand verstärkt.
Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren wird der Abbau des metallischen Implantats induziert, indem der pH-Wert des Biosystems zumindest am Ort des Implantats von einem die Korrosion inhibierenden Wert auf einen die Korrosion för­ dernden Wert geändert wird.
Nebenbestandteile können dabei eine Vielzahl von Elemen­ ten sein, die auch ohne Einfluß auf das Korrosionsverhal­ ten sein können. Bei dem Implantat ist jedoch von Vor­ teil, wenn der Werkstoff als Nebenbestandteil ein oder mehrere Elemente aus der Gruppe der Lanthanoide, insbe­ sondere Cer, der Actinoide, Eisen, Osmium, Tantal, Rheni­ um, Gadolinium, Yttrium oder Scandium enthält. Mit diesen Legierungszusätzen kann ein gutes Korrosionsverhalten für den angestrebten Verwendungszweck erreicht werden. Dabei sind typische Zusammensetzungen so gestaltet, daß der Hauptlegierungsbestandteil in dem Werkstoff zu mehr als 75%, insbesondere 95% bis 99,5% enthalten ist und der Rest an 100% von dem wenigstens einen Nebenbestandteil gebildet ist. Eine besonders schnelle Zersetzung in einem bestimmten pH-Bereich ist möglich, wenn der Werkstoff ei­ ne kristalline Struktur mit Korngrößen von 0,5 µm bis 30 µm, insbesondere 0,5 µm bis 5 µm aufweist. Dann findet eine flächenhafte Korrosion statt. Jedoch kann bei Korn­ größen von 10 µm oder mehr auch eine interkristalline Korrosion stattfinden, die zu einer Bildung von Partikeln führt, wobei diese Partikel vom Körper ausgeschieden wer­ den können.
Vorteilhaft ist außerdem, wenn das Implantat außer dem Legierungswerkstoff metallische oder nichtmetallische Einschlüsse nach Art von Sintermetall enthält, die aus einem im wesentlichen reinen Alkali- oder Erdalkalimetall bestehen. Diese Einschlüsse können sowohl die gezielte Korrosion hinsichtlich des Beginns als auch hinsichtlich der Korrosionsgeschwindigkeit fördern. Außerdem können die dann bei der Korrosion freigesetzten Alkali- oder Er­ dalkaliionen physiologisch vorteilhaft wirksam werden. Eine hinsichtlich der mechanischen Stabilität bei gutem Korrosionsverhalten vorteilhafte Ausführungsform ergibt sich, wenn das Implantat einen im wesentlichen rohrförmi­ gen Grundkörper aufweist.
Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren wird die Aufgabe da­ durch gelöst, daß der pH-Wert des Biosystems zumindest am Ort des Implantats von einem die Korrosion inhibierenden Wert auf einen die Korrosion fördernden Wert geändert wird. Hierdurch kann, nachdem das Implantat seine mecha­ nische Aufgabe erfüllt hat, die schnelle Korrosion ge­ zielt beeinflußt werden.
Dabei kann vorteilhaft der pH-Wert des Biosystems im Be­ reich des Herz-Kreislauf-Systems auf einen pH-Wert von 7,4 oder höher angehoben werden, vorzugsweise auf einen pH-Wert von mehr als 7,5 und insbesondere mehr als 7,6. Ebenso kann von Vorteil sein, wenn der pH-Wert des Biosy­ stems im Bereich des Harnsystems oder des Gallensystems geändert wird, wobei im Harnsystem beispielsweise der pH- Wert auf über 9 angehoben oder auf Werte unter 7 abge­ senkt werden kann.
Die Änderung des pH-Wertes zur Förderung der Korrosion wird vorteilhaft erreicht, indem dem Biosystem alkalisie­ rende oder säuernde Substanzen zugeführt oder entzogen werden, insbesondere Ascorbinsäure, Natriumbicarbonat, Citrate und/oder Diuretika (z. B. Furosemid, Thiazide, Carboanhydrasehemmer).
Eine vorteilhafte Ausgestaltung des vorliegenden Verfah­ rens sieht vor, daß der pH-Wert des Biosystems durch Zu­ fuhr oder Entzug von das Biosystem alkalisierenden Medi­ kamenten, insbesondere von Schleifendiuretika, geändert wird.
Im folgenden wird ein Ausführungsbeispiel der vorliegen­ den Erfindung beschrieben.
Ein kardiovaskulärer Stent wird aus einem rohrförmigen Grundkörper aus Wolfram oder einer Wolframlegierung in an sich bekannter Weise gefertigt. Der Stent wird in ein verengtes Blutgefäß eingeführt und im Bereich der Ge­ fäßverengung dilatiert. Dort verbleibt der Stent, bis das Gefäß erneut ausreichende Eigenstabilität gewonnen hat. Bis zu diesem Zustand wird der pH-Wert im Blut des Pati­ enten durch regelmäßige Gabe von Ascorbinsäure auf einem Wert von < pH 7,4 gehalten. Sobald entschieden ist, daß die Stützfunktion des Stents nicht länger benötigt wird, wird die Gabe von Ascorbinsäure abgesetzt und das Blut des Patienten auf einen pH-Wert oberhalb von 7,4 alkali­ siert, was durch Gabe von Diuretika erfolgt. In dem geän­ derten Milieu wird der Stent relativ schnell korrodieren. Es ergibt sich eine relativ schnelle Auflösung des Mate­ rials, wobei die Anordnung des Materials in dem Blutgefäß für eine schnelle Abfuhr der entstehenden Wolframpartikel oder Wolframionen führt und so verhindert, daß eine lokal toxische Konzentration entstehen kann.
Als Werkstoff wird in diesem Ausführungsbeispiel eine Le­ gierung von 99,2% W und 0,8% Ce mit einer Korngröße von etwa 1 µm verwendet. Im menschlichen Blutstrom ergibt sich dabei eine flächenhafte Korrosion, deren Abbauge­ schwindigkeit bei einem pH. Wert von 7,2 20 µm pro Jahr beträgt. Durch Anhebung des pH-Wertes auf 7,4 wird die Abbaugeschwindigkeit auf 50 µm/a gesteigert.
Bei einem zweiten Ausführungsbeispiel wird ein Wirkstoff­ depot aus einer Wolframlegierung gefertigt, wobei in das Legierungsmaterial nach Art von Sintermetall Wirkstoffe mit therapeutisch wirksamen Eigenschaften eingebracht sind (Metallionen, Medikamente, mRNA, Vektoren). Das Im­ plantat wird an einer zu behandelnden Position des Biosy­ stems außerhalb des Blutstroms angeordnet.
Wie im vorherigen Ausführungsbeispiel wird das Biosystem durch Gabe von Ascorbinsäure oder ähnlichen Wirkstoffen zunächst auf einem relativ niedrigen pH-Wert gehalten. Sobald die Wirkstoffe benötigt werden, wird eine alkali­ sierende Substanz zugeführt, so daß der pH-Wert ansteigt. Die einsetzende Korrosion setzt das therapeutisch wirksa­ me Material frei und führt, da es außerhalb des Bluts­ troms angeordnet ist, zu einer hohen lokalen Wirk­ stoffkonzentration, die therapeutisch wirksam ist, ohne das übrige Biosystem zu beeinträchtigen. Auf diese Weise können Tumore, Gefäßeinengungen durch Intimaproliferati­ on, andere Gefäßreaktionen wie Fibrosen, aber auch Infek­ tionen oder dergleichen durch gezielt wählbare lokale und systemische Wirkstoffdosierungen bekämpft werden.
Ähnliches gilt für Implantate in den Harnwegen oder den Gallenwegen, wobei für die Steuerung der Wirkstofffrei­ setzung bei diesen Anwendungsfällen ein breiteres pH- Spektrum zur Verfügung steht. Hier ist nach einem weite­ ren Ausführungsbeispiel vorgesehen, daß ein Harnwegsstent aus einer Legierung von 98,5% Mo mit 1,5% Tantal gefer­ tigt ist. Dieser Stent ist bei einem pH-Wert von mehr als 2 stabil, während durch eine Änderung des pH-Wertes auf unter 2 der korrosive Abbau beschleunigt wird. Außer Tan­ tal kommen hier Platin und Gold als Nebenbestandteile in Betracht.
Wie im ersten Ausführungsbeispiel können auch chirurgi­ sche Clips, metallisches Nahtmaterial oder dergleichen so lange stabil an ihrem Ort gehalten haben, bis sie ihre Funktion erfüllt haben. Danach kann durch gezielte Ände­ rung des pH-Werts die Korrosion und damit die Auflösung des Materials induziert werden.

Claims (11)

1. In vivo abbaubares medizinisches Implantat aus der Gruppe, die folgendes umfaßt:
Stents (Koronarstents, Peripheriestents, Tracheal­ stents, Gallengangsstents, Ösophagusstents), chirur­ gische Clips, Osteosynthesematerial, biologische Ma­ trix (Schaum), Metallgeflecht, Metallfäden, Wirk­ stoffdepots, aus einem metallischen Werkstoff, dadurch gekennzeichnet, daß der Werkstoff als Hauptlegierungsbestandteil Wolfram oder ein Metall aus der Gruppe Rhenium, Osmium, Molybdän enthält.
2. Medizinisches Implantat nach Anspruch 1, da­ durch gekennzeichnet, daß der Werkstoff als Nebenbestandteil ein oder mehrere Ele­ mente aus der Gruppe enthält, die folgendes umfaßt:
Lanthanoide, insbesondere Cer, Actinoide, Eisen, Os­ mium, Tantal, Platin, Gold, Rhenium, Gadolinium, Yt­ trium, Scandium.
3. Medizinisches Implantat nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeich­ net, daß der Hauptlegierungsbestandteil in dem Werkstoff zu mehr als 75%, insbesondere 95% bis 99,5% enthalten ist der Rest an 100% von dem wenigstens ei­ nen Nebenbestandteil gebildet ist.
4. Medizinisches Implantat nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeich­ net, daß der Werkstoff eine kristalline Struktur mit Korngrößen von 0,5 µm bis 30 µm, insbesondere 0,5 µm bis 5 µm aufweist.
5. Medizinisches Implantat nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeich­ net, daß das Implantat außer dem Werkstoff metal­ lische oder nichtmetallische Einschlüsse enthält, die aus einem im wesentlichen reinen Alkali- oder Erdal­ kalimetall, einem Medikament, mRNA oder einem Vektor bestehen.
6. Medizinisches Implantat nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeich­ net, daß das Implantat einen im wesentlichen rohrförmigen Grundkörper aufweist.
7. Verfahren zum Abbau eines metallischen Implantats nach einem der vorhergehenden Ansprüche mittels Kor­ rosion in einem Biosystem, dadurch ge­ kennzeichnet, daß der ph-Wert des Biosy­ stems zumindest am Ort des Implantats von einem die Korrosion inhibierenden Wert auf einen die Korrosion fördernden Wert geändert wird.
8. Verfahren nach Anspruch 7, dadurch ge­ kennzeichnet, daß der pH-Wert des Biosy­ stems im Bereich des Herz-Kreislaufsystems auf einen pH-Wert von 7,4 oder höher geändert wird, vorzugswei­ se auf einen pH-Wert von höher als 7,5 und insbeson­ dere höher als 7,6.
9. Verfahren nach Anspruch 7, dadurch ge­ kennzeichnet, daß der pH-Wert des Biosy­ stems im Bereich des Harnsystems oder des Gallensy­ stems von einem niedrigeren Wert auf einen höheren pH-Wert geändert wird.
10. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Änderung des pH-Werts des Biosystems durch Zufuhr oder Entzug alkalisierender oder säuernder Substanzen erfolgt, insbesondere von Ascorbinsäure, Natrium­ bikarbonat, Citraten und/oder Diuretika.
11. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß der pH-Wert des Biosystems durch Zufuhr oder Entzug von das Biosystem alkalisierenden Medikamenten, ins­ besondere von Schleifendiuretika geändert wird.
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