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Die handelsüblichen Verbundsicherheitsscheiben bestehen aus zwei etwa
2 bis 4 mm, vorzugsweise etwa 3 mm dicken Glasplatten, die durch eine etwa 0,05
bis 1,0 mm, vorzugsweise etwa 0,1 bis 0,5 mm dicke Schicht aus einem elastischen
Klebemittel, in der Regel weichmacherhaltigem Polyvinylbutyral, miteinander verkittet
sind.
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Diese Verbundscheiben halten bei Raumtemperatur im allgemeinen Stößen
mit einer Energie bis zu etwa 1,5 mkp stand. Bei stärkeren Belastungen werden sie
durchstoßen. In einem solchen Fall ist es der Vorteil dieser Scheiben, daß die Hauptmenge
der dabei entstehenden Glassplitter nicht abspringt, sondern von der Klebeschicht
festgehalten wird und der Rest energielos herunterfällt. Erfolgt der Durchstoß aber
durch einen menschlichen Körperteil, z. B. den Kopf, etwa bei einer Automobil-Windschutzscheibe,
so besteht für diesen Körperteil dennoch die Gefahr gefährlicher Schnittverletzungen,
nämlich durch Bildung der sogenannten »Halskrause«.
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Gegenstand der Erfindung sind neuartige Verbundsicherheitsscheiben,
die gegenüber diesen bekannten Scheiben Vorteile bieten. Sie bestehen ebenfalls
aus zwei durch eine etwa 0,05 bis 1,0 mm, vorzugsweise etwa 0,5 bis 1,0 mm dicke
Schicht aus einem elastischen Klebemittel miteinander verkitteten Platten und sind
dadurch gekennzeichnet, daß die eine Platte wiederum aus einer etwa 2 bis 4 mm,
vorzugsweise etwa 3 mm dicken Glasplatte, die zweite Platte aber aus einer etwa
0,5 bis 2,0 mm, vorzugsweise etwa 1,0 bis 1,5 mm dicken Platte aus hochmolekularem,
thermoplastischem Polycarbonat aromatischer Dihydroxy verbindungen, insbesondere
Bisphenylolalkanen, besteht.
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Zur Erhöhung der Kratzfestigkeit kann die Außenseite der Palycarbonatplatte
gegebenenfalls mit einer kratzfesten Schicht, z. B. mit einer in an sich bekannter
Weise im Vakuum aufgedampften Si0x-Schicht, versehen sein, wobei x eine Zahl von
1 bis 2 bedeutet.
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Diese neuen Scheiben zeichnen sich gegenüber den bekannten, aus zwei
etwa gleich dicken, miteinander verkitteten Glasplatten bestehenden zunächst durch
eine geringere Masse pro Flächeneinheit aus, da die Dicke der Polycarbonatplatte
nur einen Bruchteil derjenigen der Glasplatte ausmacht und außerdem das spezifische
Gewicht des Polycarbonats erheblich geringer ist als dasjenige des Glases. Das bedeutet
nicht nur eine Gewichtsersparnis, sondern ist für die Verwendung der Verbundscheiben,
z. B. als Windschutzscheiben in Automobilen, auch deshalb von Bedeutung, weil nach
neueren unfallmedizinischen Erkenntnissen die Gefahr von z. B. lebensgefährlichen
Kopfverletzungen mit zunehmender Masse pro Flächeneinheit der Scheibe, gegen die
der Anprall erfolgt, stark ansteigt.
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Durch den obenerwähnten, erfindungsgemäßen Aufbau der neuen Verbundscheiben
wird aber vor allem erreicht, daß die Scheiben bei stärkerer Stoßbelastung nicht
durchstoßen werden, also z. B. eine »Halskrause« nicht entstehen kann, ohne daß
aber andererseits die sehr gefährliche Rückfederung, der sogenannte Gummitucheffekt,
auftritt, die sonst erfolgt, wenn eine Scheibe von einem Stoß getroffen wird und
nicht zu Bruch geht, und die, falls der Kopf gegen die Scheibe prallt, zu dem sogenannten
Pendeltrauma führt.
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Diese besondere Eigenschaft der neuen Verbundscheiben ist auf die
erfindungsgemäße Kombination einer Glasplatte mit einer Polycarbonatplatte und die
erwähnte Abstimmung der Dicken dieser Platten aufeinander zurückzuführen und dürfte
auf nachstehende Weise ihre Erklärung finden: Ein wesentlicher Teil der Stoßernergie
wird durch die zunächst erfolgende Durchbiegung der Verbundscheibe und den dabei
eintretenden Bruch der Glasplatte verbraucht, wobei, wie bei den bekannten Verbundscheiben
nur aus Glas, nur ein sehr geringer Teil der Glasbruchstücke abspringt und danach,
bei einem Stoß auf die Polycarbonatplatte, zudem nur in Stoßrichtung, nahezu energielos
abfällt und daher vollkommen ungefährlich ist. Die Restenergie wird dann von der
Polycarbonatplatte aufgenommen, indem diese an der Aufprallstelle eine bleibende
Deformation erfährt, so daß für eine Rückfederung praktisch keine Energie mehr zur
Verfügung steht.
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Wäre die Glasplatte oder/und die Polycarbonatplatte zu dünn, so würde
durch den Bruch der Glasplatte und die Deformation der Polycarbonatplatte nicht
alle Energie verbraucht, die Scheibe würde durchstoßen und sich damit ähnlich verhalten
wie die bekannten Verbundscheiben. Wäre die Glasplatte zu dick, so würde sie nicht
springen, und es träte die erwähnte Rückfederung auf. Wäre andererseits die Polycarbonatplatte
zu dick, so käme es nicht zu deren Deformation und daher wiederum zur Rückfederung.
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Erfindungsgemäß sind also die Dicke der Glasplatte und die Dicke der
Polycarbonatplatte so ausgewählt, daß die durch die Verkittung daraus entstandene
Verbundscheibe geringfügigeren Stößen unverändert standhält, daß sie jedoch höhere
Stoßenergien vernichtet unter Ausschluß der Gefahr von Schnittverletzungen und des
Pendeltraumas. Innerhalb der erfindungsgemäßen Dickengrenzen kann man die Stoßgrenze,
bis zu der die Scheibe unbeschädigt bleibt, bis zu einem gewissen Grad nach Belieben
einstellen, je nachdem, ob man eine dünnere oder dickere Glas-und/oder Polycarbonatplatte
wählt. Meist ist es günstig, eine dünnere Glasplatte mit einer dickeren Polycarbonatplatte
zu kombinieren oder umgekehrt oder beide Platten mitteldick zu nehmen.
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Hervorzuheben ist, daß die erwähnte bleibende Deformation der Polycarbonatplatte
durch die besondere Eigenschaft gerade der Polycarbonate bedingt ist, daß sie einerseits
unterhalb der Einfriertemperatur, die durchweg sehr hoch und z. B. beim Polycarbonat
aus Bisphenol A(2,2-Bis-(phenylol)-propan)beietwa140°C liegt, sehr steif sind, keinen
kalten Fluß zeigen und damit auch nicht im eigentlichen Sinn plastisch verformbar
sind - anderenfalls wären die Platten auf die Dauer nicht formbeständig -, andererseits
in diesem Temperaturbereich aber verstreckbar sind. Die bleibende Deformation ist
hier also eine Folge eines erhebliche Energien aufnehmenden Streckvorgangs.
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Die Kombination dieser Eigenschaften, zugleich verbunden mit völliger
optischer Klarheit, d. h. nahezu ungehinderter Durchlässigkeit des sichtbaren Lichts,
aber hohem Absorptionsvermögen für ultraviolette und infrarote Strahlen, ist bei
keinem anderen, bis jetzt bekannten Kunststoff anzutreffen. Erwähnt sei schließlich
auch noch, daß sich auch die vergleichsweise geringe Wärmeleitfähigkeit der Polycarbonate
günstig auswirkt, in dem die Neigung, bei Temperaturunterschieden zu beschlagen,
dadurch stark vermindert ist. Deshalb eignen sich gerade die erwähnten Polycarbonate
in Kombinationen mit Glas
so besonders gut für die Verwendung von
Verbundsicherheitsscheiben.
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Aus »Glas-Email-Keramo-Technik« (1960), S.449 links, 3. Absatz, ist
es zwar bereits bekannt, bei Doppelglasscheiben, bei denen zwei Glasplatten in einem
gewissen Abstand parallel zueinander montiert sind und die besser wärmeisolierend
als Einglasscheiben und deshalb hauptsächlich zur Verglasung von Bauwerken dienen,
eine der beiden Glasscheiben oder beide Glasscheiben auf ihrer Innenseite mit einer
durchsichtigen organischen Folie hoher Zerreißfestigkeit, vorzugsweise einer etwa
20 bis 50 #t dicken Polyterephthalsäureglykolester-Folie, zu verbinden, um die Gefahr
von Verletzungen durch Glassplitter beim Bruch der Scheiben herabzusetzen. Eine
solche Einzelscheibe, die jedoch stets ein Teil einer Doppelglasscheibe ist, stellt
also eine Art Verbundscheibe dar. Da die Kunststoffolie jedoch sehr viel dünner
ist als die Polycarbonatplatte, die bei den Verbundsicherheitsscheiben gemäß der
vorliegenden Erfindung verwendet wird - diese aufgeklebte Folie soll eben nur das
Abspringen von Glassplittern verhindern -, und da außerdem die Polyterephthalatfolien
nicht die oben geschilderten besonderen Eigenschaften besitzen, die die Polycarbonatfolien
in dem besonderen, die Erfindung kennzeichnenden Dickenbereich auszeichnen, sind
weder diese bekannten »Verbundeinzelscheiben« noch die daraus hergestellten Doppelglasscheiben
Sicherheitsscheiben im Sinne der vorliegenden Erfindung und daher mit diesen nicht
vergleichbar.
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Die Herstellung der hochmolekularen thermoplastischen Polycarbonate
aromatischer Dihydroxyverbindungen, insbesondere Bisphenylolalkanen, ist bekannt
und z. B. in den Patentschriften 1011178, 971777 und 971790 beschrieben. Aus diesen
Polycarbonaten können die etwa 0,5 bis 2 mm dicken Platten in bekannter Weise aus
der Schmelze durch Breitschlitzdüsen gegossen werden. Um diesen Platten praktisch
vollständige plane Oberflächen und eine gleichmäßige Dicke und damit optische Isometrie
zu verleihen, ist es im allgemeinen zweckmäßig, sie, wiederum in bekannter Weise,
in einer Plattenpresse oder einem Kalander nachzubehandeln.
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Als Klebemittel zum Verkitten der Glasplatte mit der Polycarbonatplatte
eignet sich das, wie erwähnt, für Verbundscheiben nur aus Glas bisher bevorzugt
verwendete, weichmacherhaltige Polyvinylbutyral zwar nicht, weil Weichmacher auf
Polycarbonat quellend wirken. Geeignet hierfür sind hingegen z. B. Silikonkautschuk,
weich eingestellte Epoxidharze und weich eingestellte styrolisierte Polyesterharze.
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Das Verkitten der beiden Scheiben erfolgt in aus der Verbundscheibenherstellung
her bekannten Weise. Die neuen Verbundsicherheitsscheiben können überall da verwendet
werden, wo es erwünscht ist, daß die Scheiben auch durch heftige Schläge nicht durchstoßen
werden und die Gefahr von Schnittverletzungen ausgeschlossen sein soll. Wegen der
oben genauer beschriebenen besonderen Eigenschaften der neuen Scheiben sollen sie
insbesondere als Sicherheitsscheiben in Fahrzeugen aller Art, namentlich als Windschutzscheiben
in Straßenfahrzeugen, verwendet werden, wobei die Scheiben so angebracht werden,
daß die Glasplatte nach außen und die Polycarbonatplatte nach innen zu liegen kommt.
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Beispiel Eine 3 mm dicke Glasplatte, wie sie zur Herstellung von Verbundsicherheitsscheiben
üblich ist, in den Abmessungen 50 - 100 cm wird mit einem weichen, aminhärtenden
Epoxidharz in einer Schichtdicke von 0,5 mm bestrichen. Eine gleich große, 1,0 mm
dicke Platte aus Bisphenol A-Polycarbonat (relative Viskosität 1,30, gemessen an
einer 0,5°/oigen Methylenchloridlösung bei 25°C) wird auf die bestrichene Glasplatte
aufgelegt. Nach dem Aushärten des Epoxidharzes bei etwa 25°C über 36 Stunden weist
das Epoxidharz eine Shore-Härte, Skala A, von etwa 60 auf. Die beiden Platten sind
fest miteinander verkittet.
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Die so entstandene Verbundscheibe wird elastisch mittels Gummizwischenlagen
in einen Metallrahmen allseitig eingespannt. Sodann wird die Verbundscheibe in der
Mitte mit einem stumpfen Körper von 20 cm Durchmesser und 25 kp Gewicht aus 1 nm
Höhe (25 mkp) stoßartig belastet, und zwar in der Weise, daß der Stoß auf die Polycarbonatplatte
erfolgt. Nach dem Stoß ist die Glasplatte spinnenwebartig zerbrochen. Etwa 1 Gewichtsprozent
der Glasplatte ist in Form kleiner Splitter in Stoßrichtung abgefallen. Die Polycarbonatplatte
ist weder gerissen noch durchstoßen. An der Aufprallstelle des Stoßkörpers ist eine
bleibende Deformation eingetreten.