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BEREICH DER ERFINDUNG
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Diese Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Inaktivierung eines umhüllten und eines nicht umhüllten Virus unter Verwendung einer Glutaraldehyd enthaltenden Zusammensetzung.
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HINTERGRUND DER ERFINDUNG
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Die biozide Wirkung von Aldehyden beruht auf der Reaktivität der Aldehydgruppe und ihrer Fähigkeit, Alkylierungsreaktionen einzugehen. Formaldehyd und Glutaraldehyd werden seit langem zur Sterilisation und Desinfektion von Medizinprodukten verwendet. Formaldehyd ist ein ausgezeichnetes Biozid, aber seine hohe Toxizität schränkt seine Verwendung ein. Glutaraldehyd wird in großem Umfang für die Routinedesinfektion von Medizinprodukten verwendet, z. B. für flexible faseroptische Endoskope und hitzeempfindliche Medizinprodukte. Ortho-Phthalaldehyd (OPA) ist ein hochwirksames Desinfektionsmittel.
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Vor allem Glutaraldehyd ist als Desinfektions- und Sterilisationsmittel bekannt. Dieser Aldehyd hat sich als starkes externes bakterizides, fungizides und virizides Mittel erwiesen. Es interagiert mit Stickstoffeinheiten von Membranproteinen und beeinträchtigt die Zellfunktionen durch die Störung von DNA und RNA. Um optimal wirksam zu sein, muss der pH-Wert der Glutaraldehydlösung jedoch bei oder über 8 liegen. Es ist schwierig, Glutaraldehydlösungen bei diesem pH-Wert zu halten, da sie instabil sind.
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In einer Studie aus dem Jahr 1997 wurde nachgewiesen, dass Glutaraldehyd eine virenabtötende Wirkung gegen die inzwischen weit verbreitete aktuelle SARS-CoV-Virusfamilie und insbesondere gegen SARS-CoV (Hanoi-Stamm) und SARS-CoV (Isolat FFM-1) hat. Bei einer Konzentration von 2,5 % bzw. 0,5 % inaktivierte Glutaraldehyd die entsprechenden Viren in 5 bzw. 2 Minuten. Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten hat in einem im Februar 2020 veröffentlichten Interimsdokument berichtet, dass 2 % Glutaraldehyd gegen HCoV-229E wirksam ist. Somit ist die virustötende Wirkung von Glutaraldehyd bei SARS-CoV-Stämmen, die umhüllte Viren sind, nachgewiesen, aber seine Wirkung auf SARS-CoV-2 ist nicht so gut bekannt.
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Obwohl Glutaraldehyd ein bekanntes virenabtötendes Mittel ist, ist es mit dem Aufkommen der aktuellen Pandemie und der Entwicklung hochgradig übertragbarer Varianten von SARS-CoV-2 zwingend erforderlich geworden, dass ein virenabtötendes Mittel das Virus nicht nur inaktiviert, sondern dies auch schnell auf sauberen und mit Biofilm kontaminierten Oberflächen tut, so dass das Risiko, dass Viruspartikel in einer Umgebung andere Menschen in dieser Umgebung infizieren, nicht besteht.
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Es ist ein Ziel der vorliegenden Erfindung, das vorgenannte Problem zumindest teilweise zu lösen.
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ZUSAMMENFASSUNG DER ERFINDUNG
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Im Folgenden bezieht sich der Begriff „stabil“ im Zusammenhang mit der Erfindung auf eine wässrige Glutaraldehydlösung, die mindestens 12 Monate lang gelagert werden kann, ohne dass der pH-Wert unter 5 fällt oder die Moleküle polymerisieren, wodurch das Produkt virizid unwirksam wird.
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Im Folgenden bezieht sich der Begriff „komplex“ auf ein Verfahren, bei dem die betreffenden Reagenzien chemisch interagieren oder eine Bindung eingehen, und „komplexiert“ hat eine entsprechende Bedeutung.
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Im Folgenden bezieht sich der Begriff „Inaktivierung“ auf einen Verlust der Viruslast im Laufe der Zeit aufgrund der Zerstörung von Hüllproteinen oder des Abbaus von Nukleinsäure, der mit einer geeigneten Methode, wie z. B. der Median Tissue Culture Infectious Dose (TCID50) Methode, quantifiziert oder überprüft wird, und „inaktivieren“ hat eine entsprechende Bedeutung.
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Im Folgenden bezieht sich der Begriff „virizid“ auf die Fähigkeit einer erfindungsgemäßen Zusammensetzung, ein umhülltes oder nivht-umhülltes Virus durch eine Reduktion um mindestens 4-Log10 zu inaktivieren.
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Im Folgenden bezieht sich der Begriff „Konzentration“ auf die aktive Konzentration, d. h. auf die Konzentration des virizid wirksamen Glutaraldehyds in einer Lösung.
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Gemäß einem ersten Aspekt der Erfindung wird ein Verfahren zur Inaktivierung eines Virus durch eine Reduktion um mindestens 4-log10 bereitgestellt, das den Schritt des Aufbringens einer stabilen wässrigen Glutaraldehyd enthaltenden Lösung auf eine das Virus enthaltende Umgebung umfasst:
- (a) Glutaraldehyd (OCH(CH2)3 CHO);
- (b) ein nichtionisches Alkoholethoxylat als Tensid,
- (c) ein pH-Modifikator;
- (d) einen Puffer, der mindestens Natriumacetat-Trihydrat (NaC2H3O2) enthält.
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Bei der Umgebung kann es sich um ein geschlossenes oder teilweise geschlossenes Volumen (Hohlraum) handeln, wie z. B. einen Raum, einen Container oder ein Fahrzeuginnere.
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Die Lösung kann auf das Volumen aufgebracht werden, indem eine aerosolisierte Form der Lösung (ein Dispersionsmittel) in das Volumen gesprüht wird.
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Bei der Ausbringung des Dispergiermittels durch Sprühen können die Tröpfchen des Dispergiermittels Glutaraldehyd in einer Konzentration von unter 0,5 % enthalten. Vorzugsweise enthalten die Tröpfchen des Dispergiermittels Glutaraldehyd in einer Konzentration von mindestens 0,2 %, alternativ mindestens 0,4 %.
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Die Lösung kann Glutaraldehyd in einer Konzentration von 2 % bis 20 % enthalten, und bei der Anwendung kann die Lösung innerhalb des Volumens verdünnt werden, um die Konzentration des Glutaraldehyds innerhalb des Volumens auf unter 0,5 % zu bringen. Vorzugsweise beträgt die Konzentration des Glutaraldehyds innerhalb des Volumens mindestens 0,2 %, alternativ mindestens 0,4 %.
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Alternativ kann die Umgebung auch eine Oberfläche sein.
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Die Lösung kann als Flächendesinfektionsmittel durch direktes Auftragen oder durch Sprühen auf die Oberfläche aufgebracht werden.
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Die Lösung des Flächendesinfektionsmittels kann Glutaraldehyd in einer Konzentration unter 0,5 % enthalten. Vorzugsweise enthält die Lösung Glutaraldehyd in einer Konzentration von mindestens 0,2 %, alternativ 0,4 %.
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Alternativ kann es sich bei der Lösung um ein Konzentrat handeln, das Glutaraldehyd in einer Konzentration von 2 % bis 20 % enthält, und die Lösung kann vor der Anwendung mit sterilem Wasser oder Trinkwasser verdünnt werden, um die Konzentration des Glutaraldehyds auf unter 0,5 % zu bringen.
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Vorzugsweise wird die Lösung verdünnt, um die Konzentration des Glutaraldehyds auf mindestens 0,2 %, alternativ 0,4 % zu senken.
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Das umhüllte Virus kann innerhalb von 2 Minuten durch eine Reduktion um mindestens 4-log10 inaktiviert werden. Vorzugsweise kann das nicht umhüllte Virus innerhalb von 1 Minute durch eine Reduktion um mindestens 4-log10 inaktiviert werden.
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Das nicht-umhüllte Virus kann innerhalb von 17 Minuten durch eine Reduktion um mindestens 4-log10 inaktiviert werden. Vorzugsweise kann das nicht-umhüllte Virus innerhalb von 16 Minuten durch eine Reduktion um mindestens 4 log10 inaktiviert werden. Vorzugsweise kann das nicht-umhüllte Virus innerhalb von 15 Minuten durch eine Reduktion um mindestens 4-log10 inaktiviert werden.
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In einem zweiten Aspekt stellt die Erfindung eine virenabtötende Zusammensetzung bereit, die eine stabile wässrige Glutaraldehyd enthaltende Lösung enthält:
- (a) Glutaraldehyd (OCH(CH2)3CHO);
- (b) ein nichtionisches Alkoholethoxylat als Tensid,
- (c) einen pH-Modifikator;
- (d) einen Puffer, der mindestens Natriumacetattrihydrat (NaC2H3O2) enthält;
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Die Lösung kann Glutaraldehyd in einer Konzentration unter 0,5 % enthalten. Vorzugsweise enthält die Lösung Glutaraldehyd in einer Konzentration von mindestens 0,2 %, alternativ 0,4 %.
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Alternativ kann es sich bei der Lösung um ein Konzentrat handeln, das Glutaraldehyd in einer Konzentration von 2 % bis 20 % enthält, und die Lösung kann vor der Verwendung mit sterilem oder trinkbarem Wasser verdünnt werden, um die Konzentration des Glutaraldehyds auf unter 0,5 % zu bringen.
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Vorzugsweise wird die Lösung so verdünnt, dass die Konzentration des Glutaraldehyds mindestens 0,2 %, alternativ 0,4 % beträgt.
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In einem dritten Aspekt sieht die Erfindung die Verwendung einer stabilen wässrigen Glutaraldehyd-haltigen Lösung vor, um ein Virus durch eine Reduktion von mindestens 4-log10 zu inaktivieren, wobei die Lösung enthält:
- (a) Glutaraldehyd (OCH(CH2)3CHO);
- (b) ein nichtionisches Alkoholethoxylat als Tensid,
- (c) einen pH-Modifikator;
- (d) einen Puffer, der mindestens Natriumacetat-Trihydrat (NaC2H3O2) enthält,
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Die Lösung kann Glutaraldehyd in einer Konzentration unter 0,5 % enthalten. Vorzugsweise enthält die Lösung Glutaraldehyd in einer Konzentration von mindestens 0,2 %, alternativ 0,4 %.
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Alternativ kann es sich bei der Lösung um ein Konzentrat handeln, das Glutaraldehyd in einer Konzentration von 2 % bis 20 % enthält, und die Lösung kann vor der Verwendung mit sterilem oder trinkbarem Wasser verdünnt werden, um die Konzentration des Glutaraldehyds auf unter 0,5 % zu senken.
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Vorzugsweise wird die Lösung verdünnt, um die Konzentration des Glutaraldehyds auf mindestens 0,2 %, alternativ 0,4 % zu reduzieren.
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Die stabile wässrige glutaraldehydhaltige Lösung, die als Virizid zur Inaktivierung von umhüllten und nicht-umhüllten Viren verwendet wird, wobei die Konzentration des Glutaraldehyds in der Lösung verdünnt ist und unter 0,5 % liegt, kann in dispergierbaren Produkten wie z. B. Sprühlösungen, Aerosolverneblern, Nasensprays und Verneblern zur Unterstützung der Behandlung von Atemwegsinfektionen (verursacht durch umhüllte Viren) enthalten sein.
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Alternativ kann die stabile wässrige glutaraldehydhaltige Lösung, die als Virizid verwendet wird, wobei die Konzentration des Glutaraldehyds in der Lösung verdünnt ist und unter 0,5 % liegt, in Kontaktreinigungsprodukten wie z. B. Reinigern für Lebensmittelgeräte, Küchen- und Badezimmeroberflächenreinigern, hochwirksamen Desinfektionsmitteln für medizinische Geräte, Handdesinfektionsmitteln, Handseifen und -tüchern enthalten sein.
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Das umhüllte Virus kann innerhalb von 2 Minuten durch eine Reduktion um mindestens 4-log10 inaktiviert werden. Vorzugsweise kann das nicht umhüllte Virus innerhalb von 1 Minute durch eine Reduktion um mindestens 4-log10 inaktiviert werden.
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Das nicht-umhüllte Virus kann innerhalb von 17 Minuten durch eine Reduktion um mindestens 4-log10 inaktiviert werden. Vorzugsweise kann das nicht-umhüllte Virus innerhalb von 16 Minuten durch eine Reduktion um mindestens 4-log10 inaktiviert werden. Vorzugsweise kann das nicht-umhüllte Virus innerhalb von 15 Minuten durch eine Reduktion um mindestens 4-log10 inaktiviert werden.
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In Bezug auf jeden Aspekt der Erfindung kann das Virus ein umhülltes Virus oder ein nicht-umhülltes Virus sein.
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In Bezug auf jeden Aspekt der Erfindung kann das umhüllte Virus ein Mitglied der Filoviridae, Flaviviridae, Herpesviridae, Coronviridae, Orthomyxoviridae, Paramyxoviridae oder Poxviridae sein.
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Insbesondere kann es sich bei dem umhüllten Virus um eines der folgenden handeln: Hepatitis-B-Virus (HBV), Hepatitis-Delta-Virus (HDV), Humanes Immundefizienz-Virus (HIV), Humanes T-Zell-Leukämie-Virus (HTLV), Tollwut-Virus, Röteln-Virus, HSV-1, HSV-2, Varizella-Zoster-Virus, Hepatitis-C-Virus (HCV), Masern-Virus, Pocken-Virus, humane Influenza-Viren, MERS-CoV, SARS-CoV-1 und SARS-CoV-2 und Ebola-Virus.
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In Bezug auf jeden Aspekt der Erfindung kann das nicht-umhüllte Virus ein Mitglied der Adenoviridae oder Picornaviridae sein.
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Im Einzelnen kann es sich bei dem nicht-umhüllten Virus um das Poliovirus Typ 1, das Murine Norovirus (MNV) und das Adenovirus Typ 5 handeln.
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In Bezug auf jeden Aspekt der Erfindung weist das nichtionische Alkoholethoxylat-Tensid vorzugsweise zwischen 3 und 9 Ethoxylatgruppen auf.
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In Bezug auf jeden Aspekt der Erfindung kann der pH-Modifikator eine Base sein, wie z. B. eine verdünnte wässrige Lösung von Natriumhydroxid, Kaliumhydroxid oder Natriumbicarbonat.
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Bei jedem Aspekt der Erfindung wird der pH-Modifikator in einer ausreichenden Menge zugesetzt, um den pH-Wert der Lösung in einen Bereich von 7 bis 9 zu bringen.
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KURZBESCHREIBUNG DER FIGUREN
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Die Erfindung wird anhand von Beispielen unter Bezugnahme auf die beigefügten Abbildungen beschrieben, worin:
- 1 Diagramm mit den Ergebnissen eines Tests zur Bestimmung der viriziden Wirksamkeit einer stabilen wässrigen Glutaraldehyd-haltigen Lösung gemäß der Erfindung gegen das modifizierte Vaccinia-Virus Ankara (MVA) ist;
- 2 ein Diagramm mit den Ergebnissen eines Tests zur Bestimmung der virentötenden Wirkung einer Formaldehydlösung gegen MVA ist;
- 3 ein Diagramm mit den Ergebnissen eines Tests zur Bestimmung der viriziden Wirksamkeit der stabilen wässrigen glutaraldehydhaltigen Lösung gegen das Poliovirus Typ 1 ist;
- 4 ein Diagramm mit den Ergebnissen eines Tests zur Bestimmung der viriziden Wirksamkeit einer Formaldehydlösung gegen Poliovirus Typ 1 ist;
- 5 ein Diagramm mit den Ergebnissen eines Tests zur Bestimmung der viriziden Wirksamkeit der stabilen wässrigen glutaraldehydhaltigen Lösung gegen MNV ist;
- 6 ein Diagramm mit den Ergebnissen eines Tests zur Bestimmung der virentötenden Wirkung einer Formaldehydlösung gegen MNV ist;
- 7 ein Diagramm ist, das die Ergebnisse eines Tests zur Bestimmung der viriziden Wirksamkeit der stabilen wässrigen glutaraldehydhaltigen Lösung gegen Adenovirus Typ 5 zeigt; und
- 8 ein Diagramm mit den Ergebnissen eines Tests zur Bestimmung der viriziden Wirksamkeit einer Formaldehydlösung gegen Adenovirus Typ 5 ist.
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BESCHREIBUNG DER AUSFÜHRUNGSFORMEN DER ERFINDUNG
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Der Antragsteller hat eine stabile wässrige glutaraldehydhaltige Lösung zur Behandlung, Inaktivierung und/oder Zerstörung von umhüllten und nicht-umhüllten Viren entwickelt.
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Die Lösung enthält ein nichttoxisches Tensid, nämlich ein nichtionisches Alkoholethoxylat-Tensid. Die Lösung enthält auch Natriumacetat-Trihydrat und eine ausreichende Menge eines pH-Modifikators, um den anfänglichen pH-Wert der Lösung bei der Herstellung der Lösung in einen Bereich von 7,0 bis 9,0 zu bringen.
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Die erfindungsgemäße glutaraldehydhaltige Lösung wird zweckmäßigerweise als Konzentrat formuliert, das 2 % bis 20 % Glutaraldehyd und so viel Natriumacetat-Trihydrat enthält, wie zur Pufferung des pH-Wertes der Lösung erforderlich ist, damit der pH-Wert der Lösung innerhalb ihrer stabilen Haltbarkeit nicht unter 5,0 fällt. In der Regel beträgt die erforderliche Konzentration an Natriumacetat-Trihydrat 0,05 bis 1,5 % m/v.
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Methodik zur Herstellung der Lösung
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Bei der Herstellung des Konzentrats wird das Alkoholethoxylat-Tensid, z. B. Tergitol® 15.S9, zu einer bestimmten Menge Wasser gegeben. Die Mischung wird dann auf eine Temperatur zwischen 40°C und 50°C erhitzt. Dann wird das Glutaraldehyd innerhalb dieses Temperaturbereichs für einen Zeitraum von 30 bis 60 Minuten zugegeben. Diese Zeit wird als ausreichend angesehen, damit der Glutaraldehyd mit dem Alkoholethoxylat einen Komplex bilden kann. Das Ergebnis ist eine mit Glutaraldehyd und Tensid komplexierte Lösung.
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Das nichtionische Tensid Alkoholethoxylat macht normalerweise 0,3 bis 20 % der Lösung aus.
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Danach wird der Glutaraldehyd-Tensid-Komplexlösung zusätzliches Wasser bei Raumtemperatur zugesetzt, um die Temperatur der Lösung auf unter 30°C zu senken. Diese Temperatursenkung bewirkt, dass die Komplexbildungsreaktion des Alkoholethoxylats mit dem Aldehyd gestoppt wird.
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Anschließend wird ein pH-Modifikator, z. B. eine 1-molare Natrium- oder Kaliumhydroxidlösung, in einer ausreichenden Menge zugegeben, um den pH-Wert der Glutaraldehyd-Tensid-Komplexlösung auf einen Wert zwischen 7,0 und 9,0 anzuheben.
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Bei diesem pH-Wert wird die Glutaraldehyd-Tensid-Komplexlösung mit Natriumacetat-Trihydrat gepuffert, das als Puffer fungiert, um den pH-Wert der Lösung innerhalb ihrer stabilen Haltbarkeit zu halten, damit er nicht unter 5,0 fällt, um das Konzentrat der stabilen wässrigen glutaraldehydhaltigen Lösung herzustellen.
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Der Antragsteller schlägt vor, dass das Tensid chemisch an das Glutaraldehyd gebunden werden kann und einen Komplex bildet, in dem die Glutaraldehydmoleküle in einer virizid wirksamen linearen Konfiguration gehalten werden.
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Darüber hinaus wird angenommen, dass die Tensidkomponente der Lösung einen zusätzlichen Effekt hat, indem sie Biofilme und ölige Oberflächen aufbricht und es der Lösung ermöglicht, den Biofilm oder die ölige Barriere zu durchdringen und dabei die chemisch gebundene virizide Komponente, nämlich Glutaraldehyd, mitzunehmen. Die Lösung hat also ein „eingebautes“ Benetzungsmittel.
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Der Antragsteller ist der Ansicht, dass das Tensid in der stabilen wässrigen glutaraldehydhaltigen Lösung eine erste Angriffslinie auf umhüllte und nicht umhüllte Viren darstellt, analog zur Zelllyse und Proteinextraktion, bei der ein Tensid oder Detergenzmonomer Membranproteine durch Partitionierung in die Membrandoppelschicht auflöst. Dadurch werden die Wechselwirkungen zwischen Membranlipiden und -proteinen unterbrochen, die dann durch Wechselwirkungen zwischen Tensiden und Proteinen ausgetauscht werden.
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Bei umhüllten und nicht umhüllten Viren ist das Nukleokapsid von einer Lipiddoppelschicht umgeben, die eine Hülle aus viruscodierten membranassoziierten Proteinen eng umschließt. Der Antragsteller geht davon aus, dass das Tensid in der Lösung die Lipiddoppelschicht des Virus auflöst und dadurch das virale Protein des Nukleus der Zerstörung durch Glutaraldehyd-Fixierung aussetzt. Da Glutaraldehyd und Tensid somit einen Komplex bilden, haben sie eine stärkere desinfizierende Wirkung und reinigen und desinfizieren gleichzeitig.
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In den folgenden Beispielen enthält das erfindungsgemäße Konzentrat 10 % m/v Glutaraldehyd. Das Konzentrat kann jedoch auch andere Konzentrationen von Glutaraldehyd enthalten, abhängig von der Anwendung des Konzentrats.
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Protokoll zum Virustest
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Zum Nachweis der viriziden Wirksamkeit der erfindungsgemäßen stabilen wässrigen glutaraldehydhaltigen Lösung wurde eine Reihe von Tests mit Viruskandidaten nach der strengen europäischen Virustestnorm EN14476 Version A2 von 2019 („die Norm“) durchgeführt. Angetrieben durch die SARS-CoV-2-Pandemie hat diese Norm die Einbeziehung nicht-umhüllter Viren eingeführt, die in der Regel resistenter gegen Veränderungen von Temperatur, pH-Wert und Desinfektionsmitteln sind.
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Der Viruskandidat wurde als repräsentativ für ein breites Spektrum von Viren ausgewählt, wobei davon ausgegangen wird, dass, wenn die getestete Desinfektionsmittelformulierung virizide Eigenschaften gegen diese „schwerer abzutötenden“ Viren aufweist, die Formulierung auch virizide Eigenschaften gegen andere Viren der jeweiligen umhüllten/nicht umhüllten Kategorien aufweist.
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Die Kandidaten für nicht-umhüllte Viren waren das Adenovirus Typ 5, das Nora-Virus (MNV) und das Poliovirus Typ 1. Der einzige Kandidat für ein umhülltes Virus war das modifizierte Vaccinia-Virus Ankara (MVA).
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Die Ergebnisse der Tests werden mit einer 0,7 %igen aktiven Formaldehydlösung verglichen, einem weit verbreiteten Desinfektionsmittel auf hohem Niveau.
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In Anlehnung an die Norm wurden die virusinaktivierenden Eigenschaften der stabilen wässrigen glutaraldehydhaltigen Lösung gegen jeden Viruskandidaten unter Verwendung eines quantitativen Suspensionsprotokolls gemäß der Norm und unter sauberen Bedingungen getestet. Die Ergebnisse der einzelnen Tests sind im Folgenden aufgeführt.
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Nach der Norm gilt eine Lösung in einer bestimmten Konzentration als virusinaktivierend (virizid), wenn innerhalb der empfohlenen Expositionszeit der Virustiter um ≥ 4 log10 reduziert wird, d. h. ≥99,99 % der Viren inaktiviert werden.
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Als Ausgangslösung für diese Tests dient ein 10%iges Konzentrat einer stabilen wässrigen glutaraldehydhaltigen Lösung (im Folgenden als G-cide 10% bezeichnet). Die Bestandteile dieser konzentrierten Lösung sind:
- 200Kg bis 226Kg Ucarcide® 250, das 50 Gew.-% Glutaraldehyd enthält;
- 6Kg bis 22Kg Tergitol® 15.S9;
- 2,5Kg bis 10Kg Natriumacetat-Trihydrat und
- Natriumhydroxid in einer ausreichenden Menge, um den pH-Wert der Lösung auf 7,5 zu bringen.
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Die Zutaten wurden nach der oben beschriebenen Methode kombiniert.
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Für die Herstellung der Testvirussuspension wurden BHK 21-Zellen kultiviert, um die Testvirussuspension herzustellen. Die Zellen wurden mit dem jeweiligen viralen Kandidaten infiziert. Nachdem die Zellen einen zytopathischen Effekt gezeigt hatten, wurden sie einem Gefrier-/Auftauverfahren unterzogen, gefolgt von einer Zentrifugation mit niedriger Geschwindigkeit, um Zelltrümmer abzuscheiden. Nach der Aliquotierung wurde die Testvirussuspension bei - 80 °C gelagert.
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Für die Zubereitung des Desinfektionsmittels wurden zwei Konzentrationen von G-cide 10% hergestellt und den Tests unterzogen, nämlich eine 4,0%ige und eine 2,0%ige Lösung unter reinen Bedingungen (0,4% bzw. 0,2% aktive Konzentrationen).
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Die Testvirussuspension und das Desinfektionsmittel wurden unmittelbar vor jedem Inaktivierungstest zubereitet.
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Die Infektiosität wurde als Endpunkt-Titration gemäß EN 5.5 bestimmt. Die Berechnung der infektiösen Dosis TCID50 /ml erfolgte nach der Methode von Spearman und Karber.
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Die virenabtötende Wirkung des Testdesinfektionsmittels wurde durch Berechnung der Titerabnahme im Vergleich zur Kontrolltitration ohne Desinfektionsmittel bewertet. Die Differenz wird als Reduktionsfaktor (RF) angegeben. Wie bereits erwähnt, gilt ein Desinfektionsmittel oder eine Desinfektionsmittellösung in einer bestimmten Konzentration als vireninaktivierend, wenn der Titer innerhalb der empfohlenen Einwirkungszeit um mindestens 4 log10 Schritte reduziert wird.
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Um die mögliche zytotoxische Wirkung des Testprodukts zu eliminieren, wurde eine großvolumige Ausplattierungsmethode (EN 5.5.4.3) verwendet.
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Zur Kontrolle der Empfindlichkeit der Zellen gegenüber dem Viruskandidaten wurden zwei Volumenteile Wasser mit acht Volumenteilen der niedrigsten offensichtlich nicht zytotoxischen Verdünnung des Testprodukts gemischt. Diese Mischungen und eine PBS-Kontrolle wurden zu einem Volumen der doppelt konzentrierten Zellsuspension gegeben. Nach einer Stunde bei 37 °C wurden die Zellen zentrifugiert und in Zellkulturmedium resuspendiert (DE 5.5.4.2b). Schließlich wurde eine vergleichende Titration der Testvirussuspension an den vorbehandelten (Desinfektionsmittel) und nicht vorbehandelten (PBS) Zellen durchgeführt.
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Die Tests wurden bei 20°C durchgeführt, mit Expositionszeiten von 1 Minute, 3 Minuten und 15 Minuten.
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Beispiel 1 - modifiziertes Vaccinia-Virus Ankara (MVA)
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Die virusinaktivierenden Eigenschaften der Glutaraldehydlösung gegen das modifizierte Vaccinia-Virus Ankara (MVA) wurden anhand des oben beschriebenen Protokolls untersucht.
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Die Ergebnisse des Tests sind in grafisch dargestellt.
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Die Tests ergaben, dass zur Erzielung einer 4 log10 Reduktion unter reinen Bedingungen gemäß der Norm eine Konzentration von 2,0% eines 10%igen Konzentrats und eine Einwirkungszeit von 1 Minute erforderlich ist. Mit dieser Bewertung kann der Glutaraldehyd-Lösung eine virizide Aktivität (virusinaktivierende Eigenschaften) gegen alle umhüllten Viren bei einem Wirkstoffgehalt von 0,2% zugesprochen werden.
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Diese Ergebnisse sind im Vergleich zu den virusinaktivierenden Eigenschaften von Formaldehyd äußerst günstig (siehe ).
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Beispiel 2 - Poliovirus
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Die virusinaktivierenden Eigenschaften der stabilen wässrigen glutaraldehydhaltigen Lösung (Lösung) gegen das Poliovirus Typ 1 wurden anhand des oben beschriebenen Protokolls untersucht.
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Die Ergebnisse des Tests sind in grafisch dargestellt.
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Die Tests ergaben, dass zur Erzielung einer 4 log10 Reduktion unter reinen Bedingungen gemäß der Norm eine Konzentration von 4,0% eines 10%igen Konzentrats und eine Einwirkungszeit von 15 Minuten erforderlich ist. Mit dieser Bewertung kann der Lösung eine virizide Aktivität (virusinaktivierende Eigenschaften) gegen diese Art von nicht-umhüllten Viren bei einem Wirkstoffgehalt von 0,4 % bescheinigt werden.
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Diese Ergebnisse sind äußerst günstig, wenn man sie mit den virusinaktivierenden Eigenschaften von Formaldehyd vergleicht (siehe ), das niemals eine 4 log10 Reduktion erreicht.
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Beispiel 3 - MNV
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Die virusinaktivierenden Eigenschaften der Lösung gegen MNV wurden unter Anwendung des oben beschriebenen Protokolls untersucht.
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Die Ergebnisse des Tests sind in grafisch dargestellt.
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Die Tests ergaben, dass zur Erzielung einer 4 log10 Reduktion unter reinen Bedingungen gemäß der Norm eine Konzentration von 4,0 % eines 10 %igen Konzentrats und eine Expositionszeit von +/- 15 Minuten erforderlich ist. Mit dieser Bewertung kann der Lösung eine virizide Aktivität (virusinaktivierende Eigenschaften) gegen diese Art von nicht-umhüllten Viren bei einem Wirkstoffgehalt von 0,4 % bescheinigt werden.
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Diese Ergebnisse sind äußerst vorteilhaft im Vergleich zu den virusinaktivierenden Eigenschaften von Formaldehyd (siehe ), das auch hier nie eine 4 log10 Reduktion erreicht.
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Beispiel 4 - Adenovirus
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Schließlich wurden die virusinaktivierenden Eigenschaften der Glutaraldehydlösung gegen das Adenovirus Typ 5 unter Anwendung des oben beschriebenen Protokolls untersucht.
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Die Ergebnisse des Tests sind in grafisch dargestellt.
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Die Tests ergaben, dass zur Erzielung einer 4 log10 Reduktion unter reinen Bedingungen gemäß der Norm eine Konzentration von 2,0% eines 10%igen Konzentrats und eine Einwirkungszeit von 15 Minuten erforderlich ist. Mit dieser Bewertung kann der Glutaraldehyd-Lösung eine virizide Aktivität (virusinaktivierende Eigenschaften) gegen diese Art von nicht-umhüllten Viren bei einem Wirkstoffgehalt von 0,2 % bescheinigt werden.
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Diese Ergebnisse sind äußerst vorteilhaft im Vergleich zu den virusinaktivierenden Eigenschaften von Formaldehyd (siehe ), das eine Reduktion von 4 log10 erreicht, allerdings erst nach 30 Minuten bei einer höheren relativen Konzentration.
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Zusammenfassung
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Aufgrund der offenkundig hohen viriziden Wirksamkeit der stabilen wässrigen glutaraldehydhaltigen Lösung kann die Lösung in einer Reihe kommerzieller, medizinischer oder häuslicher Produkte für eine Vielzahl von Anwendungsmethoden, wie z. B. Oberflächenreinigung, Besprühen, Vernebeln und Ausräuchern, zur Inaktivierung umhüllter oder nicht umhüllter Viren verwendet werden.