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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Antriebsschlupfregelung sowie eine entsprechende Antriebsschlupfregelung gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 bzw. 5.
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Beim Beschleunigen eines Kraftfahrzeuges auf einer Fahrbahn mit unterschiedlichen Haftreibungswerten zwischen linker und rechter Fahrzeugseite (μ-split), und insbesondere beim Anfahren am Berg, können durch das Durchdrehen der Antriebsräder kritische Fahrsituationen entstehen. Die Antriebsschlupfregelung (ASR) versucht, durch Verringern des Motormoments und ggf. auch durch Bremseneingriff, das Fahrzeug in einem stabilen Bereich zu halten und die Traktion zu verbessern.
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Aus der Druckschrift
DE 44 18 773 C1 ist ein Verfahren zur Erhöhung des Antriebsmoments eines Fahrzeugs bekannt, welches an jeder angetriebenen Achse ein Differential zum Ausgleich einer Drehzahldifferenz zwischen Rädern auf gegenüberliegenden Seiten des Fahrzeugs aufweist. Gemäß dem bekannten Verfahren werden Raddrehzahlen an den angetriebenen Rädern erfasst, und wenn die Drehzahldifferenz der Räder einer angetriebenen Achse einen Schwellenwert überschreitet, wird ein Bremsmoment auf der Fahrzeugseite mit dem Rad mit einer größeren Raddrehzahl erzeugt.
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Aus der Druckschrift
DE 198 37 523 A1 ist ein Verfahren zur Antriebsschlupfregelung bekannt, nach dem beim Auftreten einer bestimmten Betriebssituation während der Antriebsschlupfregelung das gegenwärtig erreichte Bremskraftniveau gespeichert wird, und der Bremskraftaufbau während des Antriebsschlupfzyklus auf den gespeicherten Wert begrenzt wird.
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Aus der Druckschrift
DE 40 17 845 A1 ist ein weiteres verfahren zur Antriebsschlupfregelung durch Bremseingriffe bekannt. Nach diesem Verfahren wird eine Regelschwelle aus einer fest vorgegebenen Grundschwelle und einem von der Radschlupfbeschleunigung abgeleiteten Anteil gebildet, anschließend wird eine Differenz zwischen dem Radschlupf und der Regelschwelle ermittelt, und der Bremsdruckverlauf während einer Antriebsschlupfregelung wird in Abhängigkeit von dieser Differenz gesteuert.
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Bekannte Antischlupf-Regelungen sind üblicherweise derart eingestellt, dass das Fahrzeug auch beim Anfahren am Berg auf einer Fahrbahn mit unterschiedlichen Haftreibungswerten zwischen linker und rechter Fahrzeugseite (μ-split) möglichst nicht zurückrollt, selbst wenn der Fahrer zu wenig Gas gibt. Das von der ASR in der Anfangsphase eines Anfahrvorgangs vorgegebene Motormoment, der sogenannte Motormoment-Vorsteuerwert, ist in der Regel auf eine Steigung von 15% und mehr ausgelegt und dementsprechend hoch. Um diesen hohen Motormoment-Vorsteuerwert aufbringen zu können, ist eine relativ hohe Motordrehzahl und eine entsprechend hohe Schlupfschwelle für das low-μ-Rad (angetriebenes Rad mit niedrigem Haftreibungswert) erforderlich. Wird das durchdrehende low-μ-Rad zu stark abgebremst, erreicht der Motor nicht die Drehzahlen, bei denen das erforderliche Moment erzeugt werden kann.
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Motordrehzahl und Reifenschlupf sind durch die vorgenommene Regleranpassung nur für die zugrunde liegende Extremsituation, z. B. einen 15%-Hügel, optimal eingestellt. Bei geringerer Steigung und insbesondere auf der Ebene wird dagegen stets mehr Motormoment erzeugt, als eigentlich notwendig wäre, um das Fahrzeug angemessen zu beschleunigen. Wegen der unnötig hohen Motordrehzahlen und dem zu starken Durchdrehen des low-μ-Rades leidet natürlich der Fahrkomfort. Bei höherer Steigung (mehr als 15%) wird dagegen zu wenig Motormoment aufgebracht, so daß das Fahrzeug kurzfristig zurück rollen kann.
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Es ist daher die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, eine Antriebsschlupfregelung sowie ein entsprechendes Verfahren zu schaffen, bei dem die während eines Anfahrvorgangs eingestellte Motordrehzahl an die aktuelle Steigung angepasst wird.
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Gelöst wird diese Aufgabe gemäß der Erfindung durch die im Patentanspruch 1 bzw. 5 angegebenen Merkmale. Weitere Ausgestaltungen der Erfindung sind Gegenstand von Unteransprüchen.
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Der wesentliche Gedanke der Erfindung besteht darin, eine zum Anfahren des Fahrzeugs tatsächlich benötigte Motordrehzahl zu bestimmen, die bei einem tatsächlich zum Anfahren benötigten Motormoment vorliegt (das tatsächlich benötigte Motormoment ist dasjenige Moment, das zum Zeitpunkt des Losfahrens oder bei Überschreiten einer niedrigen Geschwindigkeitsschwelle ausgeübt wird). Aus der tatsächlich benötigten Motordrehzahl wird dann ein neuer Sollschlupfwert für das low-μ-Rad berechnet. Der Sollschlupf wird schließlich sprungartig vom vorgegebenen Sollschlupf-Vorsteuerwert auf den neu berechneten Sollschlupfwert abgesenkt bzw. erhöht.
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Durch die Auswertung der tatsächlich benötigten Motordrehzahl ergibt sich die Möglichkeit, den Sollschlupf optimal an den aktuellen Bedarf anzupassen und dadurch den Fahrkomfort wesentlich zu erhöhen. Beim Anfahren auf Steigungen von weniger als 15 kann insbesondere ein zu starkes Aufheulen des Motors verhindert werden. Andererseits kann die Motordrehzahl bei größeren Steigungen natürlich auch nach oben korrigiert werden, um auch bei größeren Steigungen eine ausreichende Beschleunigung zu erhalten.
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Die Ermittlung des tatsächlich benötigten Motormoments kann ab dem Zeitpunkt erfolgen, ab dem sich das Fahrzeug in Bewegung setzt oder eine vorgegebene Geschwindigkeitsschwelle überschreitet.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung wird die tatsächlich benötigte Motordrehzahl aus einer Schar von Drehzahl/Momenten-Kennlinien ausgelesen, die im System hinterlegt sind.
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Nach der sprungartigen Absenkung bzw. Erhöhung des Sollschlupfes wird der Sollschlupf für das low-μ-Rad vorzugsweise linear weiter gesenkt.
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Neben der Bremsmomentenregelung greift die ASR vorzugsweise auch über eine Motormomentenregelung in den Fahrbetrieb ein.
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Die Erfindung wird nachstehend anhand der beigefügten Zeichnungen beispielhaft näher erläutert. Es zeigen:
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1 den Verlauf von Radschlupf und Motormoment M während einer ASR-Regelung;
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2 mehrere Motormomenten/Drehzahl-Kennlinien bei unterschiedlichen Drosselklappenwinkeln;
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3 zeigt ein Flussdiagramm zur Erläuterung des ASR-Verfahrens, bei dem der Sollschlupf-Vorsteuerwert an den tatsächlichen Bedarf angepasst wird; und
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4 eine schematische Darstellung eines ASR-Systems.
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1 zeigt den Verlauf von Radschlupf und Motormoment M beim Anfahren eines Fahrzeugs auf einer Fahrbahn mit unterschiedlichen Haftreibungswerten zwischen linker und rechter Fahrzeugseite (μ-Split). Dabei bezeichnet das Bezugszeichen 2 den Verlauf der Geschwindigkeit des low-μ-Rades Van_low und das Bezugszeichen 7 den Verlauf des Motorsollmoments über der Zeit. Die Bezugszeichen 1, 3, 4 bezeichnen verschiedene Sollschlupfkurven, auf die die Geschwindigkeit 2 des low-μ-Rades Van_low bei unterschiedlichen Regelverfahren eingeregelt wird.
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Der Anfahrvorgang beginnt zum Zeitpunkt t0, an dem der Fahrer durch Gas geben versucht, das Fahrzeug in Bewegung zu setzen. Die Fahrervorgabe ist als Kennlinie 6 dargestellt.
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Bereits ab dem Zeitpunkt t1 beginnt das Rad mit dem niedrigeren Haftreibungswert (low-μ-Rad) sich durchzudrehen. Die ASR erkennt dies und berechnet sowohl für den zulässigen Radschlupf als auch für das Motormoment M einen Vorsteuerwert lambdavor bzw. Mvor, die so hoch gewählt sind, daß das Fahrzeug auch beim Anfahren auf einem Hügel mit z. B. bis zu 15% Steigung nicht zurückrollt. Die Vorsteuerwerte können z. B. auch für eine Steigung von 20% ausgelegt sein.
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Die Berechnung des Sollschlupf-Vorsteuerwerts lambdavor und des Motormoment-Vorsteuerwerts Mvor wird im folgenden kurz erläutert: Das benötigte Antriebsmoment Mantrieb, um das Fahrzeug am 15%-Hügel im Gleichgewicht zu halten, berechnet sich aus dem Hangabtriebsmoment Mhang und dem aufgebrachten Bremsmoment Mbrems auf der low-μ-Seite des Fahrzeuges. Dabei gilt: Mantrieb = μlow·Mhang + Mbrems, mit Mhang = m·g·r·sinα. m: Fahrzeugmasse
g: Erdbeschleunigung
r: effektiver Radradius
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Unter der Annahme eines Reibwertes auf der low-μ-Seite von z. B. μlow = 0,1 und auf der High-μ-Seite von μhigh = 1, sowie einer Steigung von 15%, kann daraus das benötigte Antriebsmoment Mantrieb und das erforderliche Bremsmoment Mbrems berechnet werden. Das zugehörige Motormoment M läßt sich direkt aus dem berechneten Antriebsmoment Mantrieb ableiten.
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Bei diesem Ergebnis handelt es sich um das Motormoment Mber, das erforderlich ist, um das Fahrzeug unter den gegebenen Bedingungen im Gleichgewicht zu halten (vgl. 2). Auf dieses Motormoment Mber ist eine gewisse Zugabe aufzuschlagen, um eine Beschleunigung des Fahrzeugs am Steigungshügel zu gewährleisten. Die Erhöhung ist in 2 durch das Bezugszeichen x dargestellt. Das resultierende Moment ist der Motormoment-Vorsteuerwert Mvor.
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Zur Berechnung des Sollschlupf-Vorsteuerwertes lambdavor wird zunächst die Motordrehzahl nMot ermittelt, die für die Erzeugung des berechneten Motormoments Mber erforderlich ist. Dies kann beispielsweise anhand von Motormomenten/Drehzahl-Kennlinien erfolgen, wie sie in 2 dargestellt sind.
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Für den 15%-Hügel ergibt sich aus der Berechnung beispielsweise ein Motormoment Mber, wie es an der oberen der beiden Kurven eingezeichnet ist. Dieses Moment wird bei einer Umdrehungszahl von z. B. 2.200 U/min. erreicht.
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Das Motormoment-Vorsteuerwert Mvor wird bei einer Solldrehzahl von 2.400 U/min erreicht. Diese dient, zu einer Geschwindigkeit umgerechnet, als Sollgeschwindigkeit für das zu regelnde Rad. Die Berechnung der Radgeschwindigkeit des low-μ-Rades v
an_low aus der Motordrehzahl nMot kann beispielsweise über folgende Gleichung erfolgen:
V
an_low: Geschwindigkeit des angetriebenen low-μ-Rades.
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Zurück in 1 wird die Geschwindigkeit 2 des low-μ-Rades van_low ab dem Zeitpunkt t1, bei noch stillstehendem Fahrzeug, auf den berechneten Sollschlupf-Vorsteuerwert lambdavor geregelt.
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Zwischen den Zeitpunkten t1 und t2 wird der Schlupf des low-μ-Rades 2 durch pulsweises Erhöhen des Bremsdrucks und gleichzeitig durch Absenken des Motor-Sollmoments 7 begrenzt, bis der Schlupf zum Zeitpunkt t2 einen Umkehrpunkt erreicht hat.
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Das Motor-Sollmoment 7 wird solange reduziert, bis der Schlupf 2 des low-μ-Rades zum Zeitpunkt t3 den Sollschlupf-Vorsteuerwert lambdavor wieder unterschritten hat. Danach wird das Motor-Sollmoment 7 wieder stufenartig erhöht. Der Schlupf 2 des low-μ-Rades wird weiterhin auf den Sollschlupf-Vorsteuerwert lambdavor eingeregelt, bis das Fahrzeug zum Zeitpunkt t4 beginnt, sich in Bewegung zu setzen.
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In dem Moment, in dem sich das Fahrzeug in Bewegung setzt, können neue Erkenntnisse über die Anfahrbedingungen gewonnen werden, die unter anderem zur Berechnung einer neuen, korrigierten Motor-Solldrehzahl bzw. zur Ermittlung eines neuen Sollschlupfwertes lambdakorr für das low-μ-Rad genutzt werden können. Das im Moment des Anfahrens (Zeitpunkt t4) vom Motor bereitgestellte Moment entspricht nämlich dem tatsächlich zum Anfahren benötigten Moment Mben.
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Im dargestellten Beispiel von 1 ist dieses Moment Mben kleiner als der vorgegebene Motormoment-Vorsteuerwert Mvor. Die Motordrehzahl nMot kann somit auf einen kleineren Wert eingestellt werden, bei dem der Fahrzeugmotor nur das zum Anfahren tatsächlich benötigte Motormoment Mben erzeugt.
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Zur Ermittlung der neuen, korrigierten Motor-Solldrehzahl nMot wertet die ASR wiederum die in 1 gezeigten Motormoment/Drehzahl-Kennlinien am Punkt des tatsächlich benötigten Moments Mben aus. Im Beispiel von 2 beträgt die neue Motordrehzahl 1.844 U/min. Anhand der bereits angegebenen Umrechnungsformel kann die neue Motordrehzahl nMot wiederum auf einen Radschlupf umgerechnet werden.
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Dieser neue Radschlupf ist gleich dem korrigierten Sollschlupf lambdakorr, auf den die Bremsmomentenregelung die Geschwindigkeit 2 des low-μ-Rades nun einregelt. In 1 ist die Absenkung des Sollschlupfes 1 (und damit der Motordrehzahl) zum Zeitpunkt t4 als Sprung 5 zu erkennen.
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Durch die Auswertung des tatsächlich benötigten Motormoments M ergibt sich die Möglichkeit, den Sollschlupf 1 optimal an den aktuellen Bedarf anzupassen und dadurch den Fahrkomfort wesentlich zu erhöhen. Beim Anfahren auf Steigungen von weniger als 15% kann insbesondere ein zu starkes Aufheulen des Motors verhindert werden. Andererseits kann die Motordrehzahl nMot bei größeren Steigungen natürlich auch nach oben korrigiert werden, um auch bei größeren Steigungen eine ausreichende Beschleunigung zu erhalten.
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Nach dem Anfahren des Fahrzeuges (der Verlauf der Fahrzeuggeschwindigkeit ist mit dem Bezugszeichen 8 gekennzeichnet) zum Zeitpunkt t4 kann der korrigierte Sollschlupfwert entweder beibehalten (Linie 3) oder weiter linear abgesenkt werden (Linie 4).
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3 zeigt nochmals die wesentlichen Verfahrensschritte bei der Anpassung des Sollschlupfes 1 an den aktuellen Bedarf in Form eines Flussdiagramms. In Schritt 10 wird zunächst überprüft, ob sich das Fahrzeug bei einem Anfahrvorgang auf einer Fahrbahn mit unterschiedlichen Haftreibungswerten bereits in Bewegung gesetzt und eine vorgegebene Geschwindigkeitsschwelle sw überschritten hat. Ist dies der Fall (v > sw), wird zunächst die aktuelle Motordrehzahl nMot ermittelt und daraus ein neuer korrigierter Sollschlupfwert lambdakorr berechnet (Schritte 11, 12). Der Sollschlupf 1 wird schließlich in Schritt 13 auf den neu berechneten Sollschlupfwert lambdakorr eingestellt.
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4 zeigt ein Antriebsschlupfregelsystem mit einer zentralen Regeleinheit 15, die mit mehreren Radbremsen 14 zur Einstellung eines Sollschlupfes 1 und einer Drosselklappe 16 zur Einstellung eines Motormoments M zusammenwirkt. Das ASR System umfaßt ferner eine Sensorik 17, 18 zur Ermittlung der Motordrehzahl nMot sowie zur Ermittlung der Fahrzeuggeschwindigkeit v. Die ASR 15 ist derart eingerichtet, daß sie das vorstehend bezüglich 3 beschriebene Verfahren durchführt, um den Sollschlupf 1 an den aktuellen Bedarf anzupassen.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Sollschlupf des low-μ-Rades
- 2
- Radgeschwindigkeit
- 3
- Sollschlupfverlauf
- 4
- Sollschlupfverlauf
- 5
- Sollschlupf-Sprung
- 6
- Momentenvorgabe des Fahrers
- 7
- Motor-Sollmoment
- 8
- Fahrzeuggeschwindigkeit
- 10–13
- Verfahrensschritte
- 14
- Bremsen
- 15
- Regeleinheit
- 16
- Drosselklappe
- 17
- Drehzahlsensor
- 18
- Geschwindigkeitssensor
- lambdavor
- Sollschlupf-Vorsteuerwert
- lambdakorr
- korrigierter Sollschlupfwert
- Mvor
- Motormoment-Vorsteuerwert
- Mber
- berechnetes Motormoment
- Mben
- tatsächlich benötigtes Motormoment
- nMot
- Motordrehzahl
- t1–t4
- Zeitpunkte
- v
- Fahrzeuggeschwindigkeit
- Van_low
- Geschwindigkeit des low-μ-Rades
- M
- Motormoment
- sw
- Schwellenwert