-
Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betrieb eines insbesondere längsführenden Fahrerassistenzsystems eines Ego-Fahrzeuges, insbesondere eines ACC-Systems oder ein System zur automatisierten Fahrzeugsteuerung, gemäß Anspruch 1 sowie ein (Fahrer-) Assistenzsystem, welches vorzugsweise anhand eines erfindungsgemäßen Verfahrens betrieben wird und ein Fahrzeug, welches ein entsprechendes Assistenzsystem aufweist.
-
Technologischer Hintergrund
-
Gattungsgemäße Fahrzeuge, wie z. B. Personenkraftfahrzeuge (PKW), Lastkraftwägen (LKW) oder Motorräder, werden zunehmend mit Fahrerassistenzsystemen ausgerüstet, welche mit Hilfe von Sensorsystemen die Umgebung erfassen, Verkehrssituationen erkennen und den Fahrer unterstützen können, z. B. durch einen Brems- oder Lenkeingriff oder durch die Ausgabe einer optischen, haptischen oder akustischen Warnung. Als Sensorsysteme zur Umgebungserfassung werden regelmäßig Radarsensoren, Lidarsensoren, Kamerasensoren, Ultraschallsensoren oder dergleichen eingesetzt. Aus den durch die Sensoren ermittelten Sensordaten können anschließend Rückschlüsse auf die Umgebung gezogen werden, womit z. B. auch ein sogenanntes Umfeldmodell erzeugt werden kann. Darauf basierend können anschließend Anweisungen zur Fahrerwarnung/- Information oder zum geregelten Lenken, Bremsen und Beschleunigen ausgegeben werden. Durch die Sensor- und Umfelddaten verarbeitenden Assistenzfunktionen können dadurch z. B. Unfälle mit anderen Verkehrsteilnehmern vermieden oder komplizierte Fahrmanöver erleichtert werden, indem die Fahraufgabe bzw. die Fahrzeugführung unterstützt oder sogar komplett übernommen wird (teil- oder vollautomatisiert). Beispielsweise kann das Fahrzeug z. B. mittels einem Notbremsassistenten (EBA, Emergency Brake Assist) eine autonome Notbremsung (AEB, Automatic Emergency Brake) oder einem Zeitlückenregeltempomaten bzw. Adaptive Cruise Control-Assistenten (ACC) eine Geschwindigkeits- und Folgefahrtregelung durchführen.
-
Bestehende ACC-Systeme oder Systeme zum (teil-) automatisierten Fahrens beruhen im Wesentlichen auf einer Regelstrategie, bei der unabhängig von der Fahrsituation der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug geregelt wird, damit ein vorgegebener Mindestabstand bzw. Zeitlücke erreicht wird, d. h. es wird durch den Fahrer eine Zeitlücke gewählt, bzw. der gewünschte Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug. Die (ACC-) Regelung hat dabei das Ziel die vorgegebene Zeitlücke zu erreichen. Eine derartige Regelung ist jedoch in Situationen, in denen z. B. mit einem Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs zu rechnen oder einem anderen Fahrmanöver ist, weder zeitnoch energieoptimal, da das eigene Fahrzeug (Ego-Fahrzeug) in der Regel mehr als notwendig abgebremst wird.
-
Druckschriftlicher Stand der Technik
-
Aus der
DE 10 2009 021 476 A1 ist ein Verfahren zur automatischen Längsführung eines Kraftfahrzeugs umfassend ein adaptives Längsführungssystem (ACC-System) bekannt, bei dem die Abstände zu mehreren vorausfahrenden Kraftfahrzeugen sowie deren jeweilige Geschwindigkeiten und Beschleunigung erfasst werden, so dass die Längsführung des Kraftfahrzeugs in Abhängigkeit dieser Informationen erfolgt. Das Verfahren bietet dabei die Möglichkeit, wesentlich mehr Informationen in die Regelstrategie des ACC-Systems einzubeziehen, was es wiederum ermöglicht, unmittelbar bevorstehende Situationen zu erfassen respektive abzuleiten, die wiederum ursächlich für einen komfortablen und energiesparenden Regelbetrieb des eigenen Fahrzeugs sind. Der Abstand zum unmittelbar davor befindlichen Fahrzeug wird somit nicht mehr gleichbleiben (d. h. die Durchschnittsgeschwindigkeit wird verringert), da z. B. auch das Verhalten von weiteren davor befindlichen Fahrzeugen (z. B. im Rahmen einer Kolonnenfahrt) eingeht, so dass insgesamt ein sanfter Regelverlauf ermöglicht wird, der Brems- und Beschleunigungsvorgänge zu anderen Zeitpunkten und in anderen Intensitäten ermöglicht.
-
Aufgabe der vorliegenden Erfindung
-
Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht nunmehr darin, ein gattungsgemäßes Verfahren bzw. ein entsprechendes Assistenzsystem zur Verfügung zu stellen, bei dem sowohl die Durchschnittsgeschwindigkeit als auch der Energieverbrauch in einfacher Weise verbessert werden.
-
Lösung der Aufgabe
-
Die vorstehende Aufgabe wird durch die gesamte Lehre des Anspruchs 1 sowie der nebengeordneten Ansprüche gelöst. Zweckmäßige Ausgestaltungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen beansprucht.
-
Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren zum Betrieb eines Assistenzsystems, insbesondere eines ACC-Systems oder eines Systems zur automatisierten Fahrzeugsteuerung, eines Ego-Fahrzeuges, ist mindestens ein Umfeldsensor zur Umfelderfassung vorgesehen, wobei eine Prädiktion des Freiwerdens der Fahrspur, auf der sich das Ego-Fahrzeug bewegt, anhand des erfassten Umfeldes erfolgt. Der Abstand zwischen dem Ego-Fahrzeug und einem vorausfahrenden Fahrzeug wird dabei durch das Assistenzsystem geregelt (Zeitlückenregelung bzw. ACC-Regelung), wobei ein Mindestabstand zwischen dem Ego-Fahrzeug und dem vorausfahrenden Fahrzeug vorgesehen ist, der nicht unterschritten werden darf bzw. im Falle eines Unterschreitens ein Bremsvorgang oder eine Beeinflussung des Motormanagements eingeleitet wird. Erfindungsgemäß wird die Prädiktion des Freiwerdens einer Fahrspur zur Abstandsregelung herangezogen, indem die Geschwindigkeit des Ego-Fahrzeuges auf einen Wert geregelt wird, bei dem sich der Abstand zwischen Ego-Fahrzeug und dem vorausfahrenden Fahrzeug zum prädizierten Zeitpunkt des Freiwerdens der Fahrspur (z. B. indem das vorausfahrende Fahrzeug einen Spurwechsel auf eine benachbarte Fahrspur vollzieht) hin verringert, wobei die Regelung derart erfolgt, dass der Abstand zwischen Ego-Fahrzeug und vorausfahrendem Fahrzeug erst zum Zeitpunkt des Freiwerdens der Spur den Mindestabstand erreicht, wobei die Geschwindigkeit des Ego-Fahrzeuges größer ist als die Geschwindigkeit des vorausfahrenden Fahrzeuges. Daraus resultiert der Vorteil, dass sowohl die Durchschnittsgeschwindigkeit als auch der Energieverbrauch verbessert werden kann. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass durch eine derartige Regelung das Fahrgefühl des Fahrers verbessert wird, da das frühzeitige Bremsen ein erhöhtes Vertrauensgefühl des Fahrers bewirkt.
-
Zweckmäßigerweise kann die Geschwindigkeit und/oder die Beschleunigung des Ego-Fahrzeuges bereits vor dem prädizierten Zeitpunkt des Freiwerdens der Fahrspur wieder erhöht werden. Dadurch wird das Ego Fahrzeug bereits beschleunigt bzw. dessen Geschwindigkeit/Beschleunigung erhöht, bevor der Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeuges vollzogen wird. Dementsprechend erfolgt eine antizipierende Lösung als Basis für eine zeitoptimale bzw. zeitsparende Regelung, bei der der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug bereits verringert wird, bevor der Spurwechsel erfolgt.
-
Alternativ oder zusätzlich kann auch die Geschwindigkeit des Ego-Fahrzeuges möglichst früh auf einen Wert reduziert werden, damit der Mindestabstand, insbesondere ohne weitere Geschwindigkeitsreduktion, zum prädizierten Zeitpunkt des Freiwerdens der Spur erreicht wird. Der Zeitpunkt möglichst früh wird dadurch definiert, wann durch die Umfelderfassung die Positionen und Geschwindigkeiten der vorausfahrenden Fahrzeuge in hinreichender Qualität erfasst sind, damit eine Prädiktion des Freiwerdens der Spur erfolgen kann. Da die Geschwindigkeit des Ego-Fahrzeugs bei dieser Vorgehensweise weniger reduziert wird, als wenn mit vorgegebener Beschleunigung auf die Geschwindigkeit des vorausfahrenden Fahrzeugs reduziert wird, eignet sich diese Ausgestaltung in besonderer Weise als Basis für eine energiesparende Regelung bzw. für energiesparendes Fahren.
-
Gemäß einer bevorzugten Ausgestaltung der Erfindung wird die Geschwindigkeit des Ego-Fahrzeuges bereits möglichst früh auf einen Wert reduziert wird, damit der Mindestabstand, insbesondere ohne weitere Geschwindigkeitsreduktion, zum prädizierten Zeitpunkt des Freiwerdens der Spur erreicht wird und die Geschwindigkeit des Ego-Fahrzeuges wird bereits vor dem prädizierten Zeitpunkt des Freiwerdens der Fahrspur wieder erhöht. Dadurch kann sowohl die Durchschnittsgeschwindigkeit als auch der Energieverbrauch in besonders vorteilhafter Weise verbessert werden.
-
Vorzugsweise ist als mindestens ein Umfeldsensor zur Umfelderfassung eine Kamera, ein Lidarsensor, ein Radarsensor und/oder ein Ultraschallsensor vorgesehen. Ferner können auch andere dem Stand der Technik bekannte Umfeldsensoren vorgesehen sein.
-
Zweckmäßigerweise kann im Rahmen der Umfelderfassung die Geschwindigkeit und/oder die Beschleunigung und/oder die Lateralbeschleunigung und/oder die Querbewegung und/oder die Gierrate und/oder eine Absichtsanzeige (z. B. Lichthupe oder Blinker) und/oder Warnsignale (z. B. Bremsleuchten, Sirene, Martinshorn oder dergleichen) anderer Verkehrsteilnehmer oder Informationen der Infrastruktur (z. B. Ampelsignale, Verkehrsschilder, Fahrbahnmarkierungen, Verkehrstafel, Warnmeldungen oder dergleichen) erfasst werden.
-
Ferner kann die Geschwindigkeit des Ego-Fahrzeuges derart geregelt werden, dass sich der Abstand zwischen Ego-Fahrzeug und dem vorausfahrenden Fahrzeug bis hin zum prädizierten Zeitpunkt des Freiwerdens der Fahrspur im Wesentlichen den Mindestabstand annähert, jedoch in bevorzugter Weise diesen nicht erreicht. In anderen Worten wird der Mindestabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht vor dem Zeitpunkt des Spurwechsels erreicht (wobei das Ziel vorzugsweise ist, bis hin zum Spurwechsel möglichst nah an das vorausfahrende Fahrzeug aufzuschließen und/oder den Mindestabstand nicht oder ggf. nur kurzzeitig zu erreichen) Dadurch kann in besonderem Maße die Regelung zeit- und energieoptimiert erfolgen.
-
Vorzugsweise ist eine Situationsanalyse vorgesehen, bei der die jeweilige Verkehrssituation im Fahrzeugumfeld erfasst und interpretiert wird und die Verkehrssituation zur Prädiktion des Freiwerdens der Fahrspur herangezogen wird. Das Freiwerden der Fahrspur kann damit auf Basis von Erfahrungswerten für gleiche oder ähnliche Fahrsituationen prädiziert werden. Zweckmäßigerweise können zusätzliche Ereignisse, wie das Setzen des Blinkers eines vorausfahrenden Fahrzeugs oder der Beginn einer Lateralbewegung eines vorausfahrenden Fahrzeuges, zur Prädiktion des Freiwerdens der Fahrspur herangezogen werden. Beispielsweise kann die Situationsanalyse dadurch erkennen, dass das vorausfahrende Fahrzeug die Spur unmittelbar verlässt und dadurch die Fahrspur frei wird.
-
Gemäß einer bevorzugten Ausgestaltung der vorliegenden Erfindung kann eine Kommunikationseinheit vorgesehen sein, mit der Informationen anderer Verkehrsteilnehmer und/oder der Infrastruktur empfangen werden können, wobei die Informationen insbesondere zur Situationsinterpretation und/oder zur Prädiktion herangezogen werden können. Eine geeignete Kommunikationseinheit bzw. Sende- und Empfangseinrichtung kann beispielsweise Teil der Steuereinrichtung sein oder eine eigenständige (Funk-) Einheit des Ego-Fahrzeuges, die Daten entweder drahtgebunden oder drahtlos (z. B. über WiFi, Funk oder Bluetooth) an die Steuereinheit übertragen und/oder von dieser empfangen kann.
-
Neben- oder untergeordnet beansprucht die vorliegende Erfindung ein Fahrerassistenzsystem, insbesondere ein ACC-System oder eines Systems zum automatisierten bzw. autonomen Fahrens, für ein Ego-Fahrzeug, das mindestens einen Sensor zur Umfelderfassung umfasst, der dazu hergerichtet ist, Sensordaten zu erzeugen. Bei dem Sensor kann es sich z. B. um einen Radar-, Lidar-, Kamera- oder Ultraschallsensor handeln. Darüber hinaus umfasst das Fahrerassistenzsystem eine Steuervorrichtung, die aus den Sensordaten einen Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug bestimmt und regelt. Die Steuereinrichtung ist dabei dazu hergerichtet, eine Prädiktion des Freiwerdens einer Fahrspur anhand des erfassten Umfeldes durchzuführen, und den Abstand zwischen dem Ego-Fahrzeug und einem vorausfahrenden Fahrzeug zu regeln, wobei ein Mindestabstand zwischen Ego-Fahrzeug und dem vorausfahrenden Fahrzeug vorgesehen ist, und die Prädiktion des Freiwerdens der Fahrspur zur Abstandsregelung herangezogen wird, indem die Geschwindigkeit des Ego-Fahrzeuges auf einen Wert geregelt wird, bei dem sich der Abstand zwischen Ego-Fahrzeug und dem vorausfahrenden Fahrzeug zum prädizierten Zeitpunkt des Freiwerdens der Fahrspur hin verringert und die Regelung derart erfolgt, dass der Abstand zwischen Ego-Fahrzeug und vorausfahrendem Fahrzeug größer ist als der Mindestabstand oder (kurzzeitig) den Mindestabstand erreicht (d. h. gleich dem Mindestabstand ist).
-
Ferner kann es sich bei dem Fahrerassistenzsystem um ein System handeln, welches neben einem Sensor zur Umfelderfassung einen Computer, Prozessor, Controller, Rechner oder dergleichen umfasst, um das erfindungsgemäße Verfahren durchzuführen. Dabei kann ein Computerprogramm mit Programmcode zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens vorgesehen sein, dass wenn das Computerprogramm auf einem Computer oder einem sonstigen aus dem Stand der Technik bekannten programmierbaren Rechner ausgeführt wird. Dementsprechend kann das Verfahren auch in bestehenden Systemen als computerimplementiertes Verfahren ausgeführt bzw. nachgerüstet werden. Der Begriff „computerimplementiertes Verfahren“ im Sinne der Erfindung beschreibt dabei die Ablaufplanung oder Vorgehensweise, welche anhand des Computers verwirklicht bzw. durchgeführt wird. Der Computer kann dabei mittels programmierbarer Rechenvorschriften die Daten verarbeiten. In Bezug auf das Verfahren können somit auch wesentliche Eigenschaften z. B. durch ein neues Programm, neue Programme, einen Algorithmus oder dergleichen nachträglich implementiert werden.
-
Darüber hinaus beansprucht die vorliegende Erfindung ein (Ego-) Fahrzeug, welches ein erfindungsgemäßes Fahrerassistenzsystem aufweist bzw. ein Assistenzsystem, welches mit dem erfindungsgemäßen Verfahren betrieben wird.
-
Beschreibung der Erfindung anhand von Ausführungsbeispielen
-
Im Folgenden wird die Erfindung anhand von zweckmäßigen Ausführungsbeispielen näher erläutert. Es zeigen:
- 1 eine vereinfachte Darstellung eines Verkehrsszenarios, bei dem ein (Ego-) Fahrzeug mit einer ACC-Regelung, gemäß einer Ausgestaltung nach dem Stand der Technik, auf einer Fahrspur fährt, auf die ein weiteres Fahrzeug im Zuge eines Überholvorganges ausschert;
- 2 eine vereinfachte Darstellung des Geschwindigkeits- und Abstandsverlaufs zwischen dem (Ego-) Fahrzeug und dem ausscherenden Fahrzeug aus 1, gemäß einer Ausgestaltung nach dem Stand der Technik;
- 3 eine vereinfachte schematische Darstellung einer Ausgestaltung eines erfindungsgemäßen (Ego-) Fahrzeuges;
- 4 eine vereinfachte Darstellung eines Verkehrsszenarios, bei dem ein (Ego-) Fahrzeug mit einer zeitoptimalen Regelung auf einer Fahrspur fährt, auf die ein weiteres Fahrzeug im Zuge eines Überholvorganges ausschert;
- 5 eine vereinfachte Darstellung des Geschwindigkeits- und Abstandsverlaufs zwischen dem (Ego-) Fahrzeug und dem ausscherenden Fahrzeug aus 4;
- 6 eine vereinfachte Darstellung eines Verkehrsszenarios, bei dem ein (Ego-) Fahrzeug mit einer energieoptimalen Regelung auf einer Fahrspur fährt, auf die ein weiteres Fahrzeug im Zuge eines Überholvorganges ausschert;
- 7 eine vereinfachte Darstellung des Geschwindigkeits- und Abstandsverlaufs zwischen dem (Ego-) Fahrzeug und dem ausscherenden Fahrzeug aus 6;
- 8 eine vereinfachte Darstellung des Geschwindigkeits- und Abstandsverlaufs zwischen einem (Ego-) Fahrzeug und einem ausscherenden Fahrzeug gemäß dem charakteristischen Geschwindigkeitsverlauf für ein reales Fahrzeug, sowie
- 9 eine vereinfachte Darstellung des Geschwindigkeits- und Abstandsverlaufs zwischen dem Ego-Fahrzeug und dem ausscherenden Fahrzeug bei kombinierter optimaler Fahrstrategie.
-
Aus dem Stand der Technik sind Lösungen bekannt welche einen eingestellten Mindestabstand eines Fahrzeugs 10 mit Längsregelung (ACC-Regelung) bei gegebener maximaler Verzögerung und Beschleunigung einhalten. Dabei fährt das Fahrzeug 10 mit einer gewählten Sollgeschwindigkeit (Setspeed oder v_set). Diese Geschwindigkeit soll das Fahrzeug 10 halten, es sei denn ein Hindernis ist im Weg. Typische Hindernisse sind vorausfahrende Fahrzeuge aber auch rote Ampeln können als Hindernisse mit einer Geschwindigkeit von 0 km/h angenommen werden. Bei Hindernissen soll die Geschwindigkeit angepasst werden, so dass ein Mindestabstand d_min eingehalten wird. Gemäß dem bisherigen Ansatz fährt das Fahrzeug 10 auf ein Hindernis auf, bis mit einer vorgegebenen Verzögerung gebremst und der Sollabstand eingeregelt wird. Dieser Sollabstand wird eingehalten, bis das Hindernis verschwindet, z. B. durch einen Spurwechsel oder Phasenwechsel einer Ampel auf Grün. Danach beschleunigt das Fahrzeug 10 wieder mit vorgegebener Beschleunigung auf die Sollgeschwindigkeit. Ein derartiges Verkehrsszenario ist in 1 und der zugehörige Geschwindigkeits- und Abstandsverlauf in 2 dargestellt (v = Geschwindigkeit von Fahrzeug 10; d = Abstand zwischen Fahrzeug 10 und Fahrzeug 11), wobei Fahrzeug 11, welches mit Geschwindigkeit v_target einen LKW 12 überholt, ein entsprechendes Hindernis darstellt und nach dem Überholvorgang auf die rechte Fahrspur einschert. Der Spurwechsel erfolgt zum Zeitpunkt t_LC.
-
Bezugsziffer 1 in 3 bezeichnet nunmehr ein erfindungsgemäßes (Ego-) Fahrzeug, welches eine Steuereinrichtung 2 (z. B. ECU, Electronic Control Unit oder ADCU, Assisted and Automated Driving Control Unit) verschiedene Aktoren (Lenkung 3, Motor 4, Bremse 5) sowie Sensoren zur Umfelderfassung bzw. Umfeldsensorik (Kamera 6, Lidarsensor 7, Radarsensor 8 sowie Ultraschallsensoren 9a-9d) aufweist. Das Fahrzeug 1 kann dabei (teil-) automatisiert gesteuert werden, indem die Steuereinrichtung 2 auf die Aktoren und die Sensoren bzw. deren Sensordaten zugreifen kann. Im Bereich des assistierten bzw. (teil-) automatisierten Fahrens können die Sensordaten zur Umfeld- und Objekterkennung genutzt werden, sodass verschiedene Assistenzfunktionen, wie z. B. Zeitlücken- oder Abstandsfolgeregelung (ACC, Adaptive Cruise Control), Notbremsassistent (EBA, Electronic Brake Assist), Spurhalteregelung bzw. ein Spurhalteassistent (LKA, Lane Keep Assist), Parkassistent oder dergleichen, über ein Assistenzsystem bzw. die Steuereinrichtung 2 und dem dort hinterlegten Algorithmus realisierbar sind. Die Steuereinrichtung 2 ist dabei dazu hergerichtet, das erfindungsgemäße Verfahren auszuführen, wobei eine zeitoptimierte und/oder energieoptimierte Fahrstrategie verwirklicht wird.
-
Bei einer zeitoptimierten (ACC-) Regelung ist das Ziel zum Zeitpunkt des Spurwechsels bereits wieder die Sollgeschwindigkeit zu erreichen und möglichst nah an dem vorausfahrenden Fahrzeug zu sein, mindestens aber vor dem Spurwechsel zu beschleunigen. Dazu wird früher verzögert und ein Abstand eingehalten, der eine Beschleunigung vor dem Spurwechsel ermöglicht, damit zum Zeitpunkt des Spurwechsels die Sollgeschwindigkeit bei Mindestabstand erreicht wird. 4 zeigt ein derartiges Verkehrsszenario einer zeitoptimalen Fahrstrategie von Fahrzeug 1 und 5 die dazugehörigen Verläufe von Geschwindigkeit v des Fahrzeuges 1 und Abstand d zwischen Fahrzeug 1 und vorausfahrenden Fahrzeug 11. Hierbei ist die zurückgelegte Strecke größer, bzw. das vorausfahrende Fahrzeug 11 wird früher überholt (Nulldurchgang der Abstandskurve) gegenüber der bisherigen Fahrstrategie. In anderen Worten wird hierbei z. B. der Mindestabstand d_min zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht vor dem Zeitpunkt t_LC des Spurwechsels erreicht, wobei das Ziel vorzugsweise ist, bis zum Spurwechsel bei t_LC möglichst nah an das vorausfahrende Fahrzeug aufzuschließen und den Mindestabstand zum Zeitpunkt des Spurwechsels zu erreichen, um eine zeitoptimierte Regelung darzustellen.
-
Bei einer energieoptimalen Fahrstrategie ist das Ziel zum Zeitpunkt des Spurwechsels t_LC möglichst wenig Geschwindigkeit abgebaut zu haben, um möglichst wenig Beschleunigungsarbeit zum Erreichen der Sollgeschwindigkeit leisten zu müssen. Dazu muss die Geschwindigkeit möglichst früh auf einen konstanten Wert reduziert werden, der so berechnet wird, damit zum Zeitpunkt des Spurwechsels des vorausfahrenden Fahrzeugs 11 gerade der Mindestabstand erreicht wird. 6 zeigt das Szenario der energieoptimalen Fahrstrategie und 7 die dazugehörigen Verläufe von Geschwindigkeit v des Fahrzeuges 1 und Abstand d zwischen Fahrzeug 1 und vorausfahrenden Fahrzeug 11. Hierbei ist die niedrigste Geschwindigkeit des Ego-Fahrzeugs deutlich höher als bei der bisherigen Fahrstrategie. Das in 7 Geschwindigkeit und Abstand bei energieoptimaler Fahrstrategie eines idealen Fahrzeugs gezeigte Geschwindigkeitsprofil trifft für ein ideales Fahrzeug ohne Reibung zu - im realen Fall wird die Phase der Annäherung mit konstanter Geschwindigkeit durch Rollen mit Schleppmoment ersetzt. Charakteristisch für die energieoptimale Fahrstrategie bleibt die frühe Verzögerung. In 8 ist hierzu die Geschwindigkeit und der Abstand bei energieoptimaler Fahrstrategie eines realen Fahrzeugs gezeigt.
-
Die beiden optimierten Fahrstrategien (zeit- und energieoptimiert) lassen sich nunmehr kombinieren, indem bei der zeitoptimierten Fahrstrategie noch Abstand zum prädiktiven Beschleunigen gelassen wird. Die kombinierte Fahrstrategie zeigt 9, bei der Geschwindigkeit v des Fahrzeuges 1 und Abstand d zwischen Fahrzeug 1 und vorausfahrenden Fahrzeug 11 bei kombinierter optimaler Fahrstrategie (Zeit und Energie) eines realen Fahrzeugs in einem Pareto-Optimum zwischen Energie und Zeit geregelt wird.
-
Eine besondere Voraussetzung zur Planung der beschriebenen zeit- und energieoptimalen Fahrstrategien ist die Prädiktion des Freiwerdens der Fahrspur. Dies kann z. B. ein Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs sein, ein eigener Spurwechsel des Ego-Fahrzeuges 1 oder das Umschalten der Ampel von Rot auf Grün oder ähnliche Verkehrssituationen. Für die Prädiktion stehen dabei mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Beispielsweise die Analyse der Verkehrssituation im fließenden Verkehr. Beispielsweise wird ein Fahrzeug, das ausgeschert ist, um ein anderes, langsameres Fahrzeug zu überholen mit hoher Wahrscheinlichkeit nach dem Überholvorgang wieder einscheren. Mittels Extrapolation der aktuellen Geschwindigkeiten und Annahme eines typischen Sicherheitsabstands kann eine wahrscheinliche Position des Einscherens prädiziert werden. Ereignisse wie Setzen des Blinkers des vorausfahrenden Fahrzeugs oder der Beginn einer Lateralbewegung (z. B. detektiert mittels Kamera) können zur Verbesserung der Prädiktion verwendet werden - sowohl für die Schätzung der Position selbst als auch für die Eintrittswahrscheinlichkeit des Spurwechsels.
-
Ferner kann für die Prädiktion eine Analyse der Verkehrssituation im stockenden Verkehr erfolgen. Beispielsweise ist es wahrscheinlich, dass auch das direkt vorausfahrende Fahrzeug losfahren wird, wenn im stehenden Verkehr (z. B. Stau oder eine Ampelsituation) Fahrzeuge weiter vorne bereits losfahren bzw. losgefahren sind. Die Geschwindigkeiten der Fahrtrajektorie können in diesem Fall gleich an die Geschwindigkeit des vorausfahrenden Verkehrs angepasst werden und nicht an die eigentliche Sollgeschwindigkeit.
-
Zweckmäßigerweise kann auch ein geplanter eigener Spurwechsel zur Prädiktion herangezogen werden, wenn z. B. bei einem geplanten Überholvorgang die Überholspur noch nicht frei ist, kann ebenfalls durch Analyse der Geschwindigkeiten (des Ego-Fahrzeuges und anderer Verkehrsteilnehmer, wie herannahende Fahrzeuge) prädiziert werden, wann der eigene Spurwechsel erfolgen kann und damit die eigene Fahrspur frei wird. In diesem Fall beeinflusst die eigene Geschwindigkeit den Zeitpunkt des Freiwerdens, was in der Gesamtoptimierung der Fahrtrajektorie berücksichtigt werden kann. Drüber hinaus können auch Informationen anderer Einheiten zur Prädiktion genutzt werden, wie z. B. von der Infrastruktur (V2X von Infrastruktur bzw. Car-to-X-Kommunikation), wobei z. B. Ampeln mittels Funkkommunikation ihre Ampelphasen an das Ego-Fahrzeug 1 übertragen können, wodurch der Zeitpunkt des Übergangs von Rot auf Grün mitgeteilt wird. Ferner können auch Informationen anderer Fahrzeuge zur Prädiktion genutzt werden (V2X von Fahrzeug bzw. Car-to-Car-Kommunikation). Hierzu sind die beteiligten Fahrzeuge mit Kommunikationseinheiten (Sende- und Empfangseinrichtungen) ausgestattet, so dass diese Informationen bzw. Fahrparameter übermitteln können (z. B. Quergeschwindigkeit, Lenkradbewegungen oder Blinkerbetätigungen, aber auch Daten aus den jeweiligen Umgebungsmodellen), die dazu verwendet werden z. B. den Zeitpunkt des Spurwechsels zu prädizieren. Wird das vorausfahrende Fahrzeug 11 von einem Assistenten mit kombinierter Längs- und Querregelung unterstützt (SAE L2) bzw. gefahren (SAE L3, L4, L5) können die Daten des Trajektorienplaners über eine entsprechende V2X-Einheit bzw. Sende- und Empfangseinrichtungen übertragen werden, womit der Zeitpunkt des Spurwechsels dem nachfolgenden Fahrzeug 1 bekannt wäre.
-
Zusammenfassend kann unter Anwendung der beschriebenen Methoden der Prädiktion des Freiwerdens der Fahrspur Fahrstrategien durch das erfindungsgemäße Verfahren berechnet werden, die eine Verbesserung bezüglich der benötigten Zeit und der benötigten Energie im Vergleich zur bisher üblichen Fahrstrategie bewirken. Hierbei kann für die vorgeschlagenen Fahrstrategien eine erheblich frühere Reduktion der eigenen Fahrgeschwindigkeit vorgesehen sein, wobei eine derartig frühe Reaktion das Vertrauen des Fahrers in das Assistenzsystem zusätzlich fördert und somit ein für den Fahrer natürlicheres Fahrgefühl erzeugt. Ferner kann das erfindungsgemäße Verfahren in allen Bereichen der Assistenzsysteme verwendet werden, wie z. B. der ACC-Regelung (SAE L1) sowie komplexeren Funktionen im Bereich des assistierten Fahrens bis hin zum automatisierten/autonomen Fahren (SAE L2-L5).
-
BEZUGSZEICHENLISTE
-
- 1
- Ego-Fahrzeug
- 2
- Steuereinrichtung
- 3
- Lenkung
- 4
- Motor
- 5
- Bremse
- 6
- Kamera
- 7
- Lidarsensor
- 8
- Radarsensor
- 9a-9d
- Ultraschallsensoren
- 10
- Fahrzeug
- 11
- Fahrzeug
- 12
- LKW
-
ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
-
Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
-
Zitierte Patentliteratur
-
- DE 102009021476 A1 [0004]