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Technisches Gebiet
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Die vorliegende Offenbarung betrifft ein Normkinematik-Bewertungssystem für eine Erfassung, Normierung und Bewertung von biomechanischen Kinematikdaten eines (ausgewählten) Gelenks eines Patienten mit: zumindest einer Erfassungsvorrichtung, die dafür angepasst ist, mittels Sensorik eine biomechanische Kinematik des Gelenks des Patienten zu erfassen (, aufzuzeichnen) und computerlesbar bereitzustellen; und einer visuellen Darstellungsvorrichtung, insbesondere einen OP-Monitor, für eine visuelle Ausgabe an einen Nutzer. Daneben betrifft die vorliegende Offenbarung ein Normierungsverfahren und ein computerlesbares Speichermedium gemäß den Oberbegriffen der nebengeordneten Ansprüche.
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Hintergrund der Offenbarung
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Bei einer kinematischen Analyse von sich bewegenden Körpern bzw. Segmenten hat die Lage/ Pose, also die Ausrichtung und Position, insbesondere aber bereits die Ausrichtung selbst, des zugrundeliegenden Bezugssystems jedes beteiligten Segments einen erheblichen Einfluss auf die Größe und die Eigenschaften der resultierenden (Kinematik-)Kurve, insbesondere Wellenformen, von drei gemessenen Drehungen, die einem bestimmten Gelenk entsprechen, das diese Segmente verbindet, und ggf. ferner gemessenen Translationen in drei Raumrichtungen. Dies wurde früher auf Übersprechungseffekte /Crosstalk-Effekte zurückgeführt.
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Crosstalk resultiert aus einer falschen Ausrichtung und ferner vorzugsweise einer falschen Positionierung der Achsen des Koordinatensystems, so dass einer Drehung in einer Ebene teilweise als Drehung in anderen Ebenen wahrgenommen wird.
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Methoden zur Minimierung von Crosstalk-Effekten versuchen dies in der Regel durch Minimierung einer oder mehrerer ausgewählter Zielfunktionen für eine bestimmte Aktivität, ein Messsystem, ein biomechanisches Modell zu erreichen. Eine solche Minimierung ist etwa in Baker et al. 1999 - A new approach to determine the hip rotation profile from clinical gait analysis data, Rivest 2005 - A correction for axis misalignment in the joint angle curves representing knee movement in gait analysis, Baudet et al. 2014 - Cross-Talk Correction Method for Knee Kinematics in Gait Analysis Using Principal Component Analysis (PCA): A New Proposal, beschrieben.
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Diese Methoden haben dahingehend einen entscheidenden Nachteil, wenn für mindestens eine der zu vergleichenden Datenquellen eine Ausrichtung, und ferner vorzugsweise eine Positionierung, der zugrundeliegenden Referenzrahmen relativ zu den Segmenten, die sie darstellen, unbekannt ist.
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Das Gleiche gilt für Methoden, die versuchen zu vergleichen, inwieweit Daten aus verschiedenen Quellen (etwa verschiedene biomechanische Modelle, verschiedene Labore, verschiedene Markersätze und ähnlichen) von Crosstalk-Effekten betroffen sind. Bei diesen Ansätzen wurde bisher der Crosstalk/ das Übersprechen mit mindestens einem repräsentativen Parameter (beispielsweise einem Maß einer Bestimmung zwischen Flexion/ Extension und Abduktion/ Adduktion) quantifiziert und dann der Schluss gezogen, dass ein niedrigerer Wert eines solchen Parameters als Zeichen für geringere Übersprecheffekte interpretiert werden könnte (Kainz et al. 2016 - Joint kinematic calculation based on clinical direct kinematic versus inverse kinematic gait models).
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Jedoch müssen vor der Durchführung eines solchen Vergleichs alle Datensätze unbedingt vergleichbar gemacht und gewissermaßen normiert werden. Der Grund dafür ist, dass jeder Vergleich von Daten zu einem gewissen Grad ungültig ist, da unklar ist, ob die angezeigten kinematischen Unterschiede tatsächlich unterschiedliche Bewegungsmuster widerspiegeln oder lediglich ein Ergebnis unterschiedlicher Achslagen, insbesondere Ausrichtung, sind.
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Ein Großteil der vorhandenen Literatur, die sich mit der Verwendung von Methoden zur Minimierung des Übersprechens bei der rotationskinematischen Analyse befasst, versucht, die entsprechende Wahl der zu optimierenden (oder minimierenden) Parameter zu rechtfertigen, indem sie sich auf frühere Forschungen zu so genannten „physiologischen“ Merkmalen der Bewegung bezieht.
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Eine solche Argumentationslogik könnte als fehlerhaft angesehen werden, da jedes Experiment, bei dem etwa der „physiologische“ Rotationsbereich eines Kniegelenks in der transversalen und frontalen Ebene während der Beugung gemessen werden soll (um zu wissen, auf welche Werte diese Rotationen in einem Algorithmus zur Minimierung des Übersprechens hin optimiert werden sollten), zwangsläufig die Definition eines bestimmten Referenzrahmens in einer bestimmten Ausrichtung erfordert. Die genaue Definition eines solchen Rahmens (insbesondere seine Ausrichtung) beeinflusst unweigerlich die Größe der gemessenen Drehungen. Daher kann das erfasste „physiologische“ Profil, das oft als Beleg dafür angeführt wird, warum eine gewählte Zielfunktion (oder die gewählten Zielfunktionen) gültig ist (sind), in Wirklichkeit nicht sinnvoll als gültige Bestätigung verwendet werden, da es selbst weitgehend von den Rahmendefinitionen abhängig ist.
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Bei der Betrachtung von zwei oder mehr Datensätzen können sich Unterschiede in der Ausrichtung der entsprechenden Gelenkachsen ergeben, unter anderem aufgrund der Durchsetzung unterschiedlicher kinematischer Beschränkungen, der Berücksichtigung unterschiedlicher zugrundeliegender Annahmen und unterschiedlicher Modalitätsalgorithmen für die Achsendefinition (beispielsweise landmarkenbasiert vs. funktionsbasiert). Infolgedessen kann die genaue Ausrichtung eines Gelenkreferenzrahmens relativ zu den verbundenen starren Segmenten von Versuch zu Versuch variieren. Betrachtet man beispielsweise zwei verschiedene Versuche, die beide dasselbe optische Bewegungserfassungssystem für die Datenerfassung verwenden, mit demselben Probanden, der dieselbe Aktivität ausführt, und bei denen die Achsen auf der Grundlage der manuellen Identifizierung der Positionen von knöchernen Orientierungspunkten mit einem speziellen Zeiger definiert werden, so ist es angesichts der Möglichkeit, dass einer der erforderlichen Orientierungspunkte zwischen diesen Versuchen in einer geringfügig anderen Position identifiziert wird (und sei es nur um wenige Millimeter), durchaus denkbar, dass die in jedem Fall definierten Achsensätze nicht perfekt ausgerichtet sind. Wenn man dieses Szenario auf den Vergleich von Daten aus verschiedenen Studien ausweitet, können Unterschiede in der Ausrichtung durch eine Reihe dieser Faktoren in unterschiedlichem Ausmaß entstehen. Ohne die Implementierung eines Protokolls, das diese Unterschiede in der Ausrichtung harmonisiert, sind Schlussfolgerungen über das Vorhandensein signifikanter Unterschiede zwischen den Gruppen äußerst fragwürdig.
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Es gibt zwar Methoden, um die Auswirkungen des Übersprechens zu minimieren, aber diese versuchen dies durch Minimierung einer oder mehrerer ausgewählter Zielfunktionen zu erreichen. Wie bereits erwähnt, haben diese Methoden einen entscheidenden Nachteil, wenn Forscher die Qualität der resultierenden Werte mit einem anderen Datensatz vergleichen wollen, für den entweder keine Übersprechminimierung oder eine andere Implementierung einer solchen durchgeführt wurde.
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Die Analyse von Kinematikdaten eines Patientengelenks insbesondere des Knies aus verschiedenen Quellen setzt die Verwendung standardisierter Definitionen und Berechnungskonventionen voraus. Während für verschiedene zugrundeliegende mathematische Definitionen exakte Umrechnungen existieren, ist die Normierung bzw. Standardisierung der Koordinatensysteme und deren exakte Ausrichtung noch immer herausfordernd.
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Zusammenfassung der vorliegenden Offenbarung
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Es sind daher die Aufgaben und Ziele der vorliegenden Offenbarung, die Nachteile aus dem Stand der Technik zu vermeiden und insbesondere ein Standardisierungssystem bzw. Normierungssystem und ein Standardisierungsverfahren bzw. Normierungsverfahren für eine Standardisierung oder Normierung von biomechanischen Kinematikdaten bereitzustellen. Eine Teilaufgabe kann darin gesehen werden, ausgehend von den normierten biomechanischen Kinematikdaten Rückschlüsse für einen medizinischen Eingriff, insbesondere auf Parameter eines medizinischen Implantats und dessen Relation zu dem Patienten, zu ziehen.
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Insbesondere ist eine Aufgabe der Erfindung die Bereitstellung einer Vorrichtung und eines Verfahrens zur Standardisierung oder Normierung einer Achsausrichtung von biomechanischen Kinematikdaten, insbesondere Rotationskinematikdaten und/oder Translationskinematikdaten, bezüglich eines Körpergelenks eines Patienten. Die Kinematikdaten umfassen also die Translationskinematikdaten und/oder die Rotationskinematikdaten zwischen zwei beweglichen Körpern bzw. Segmenten.
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Die Aufgaben werden hinsichtlich eines gattungsgemäßen Normierungssystems erfindungsgemäß durch die Merkmale des Anspruchs 1 gelöst, hinsichtlich eines gattungsgemäßen Normierungsverfahren erfindungsgemäß durch die Merkmale des Anspruchs 11 gelöst und hinsichtlich eines computerlesbaren Speichermediums erfindungsgemäß durch die Merkmale des Anspruchs 14 gelöst.
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Ein Grundgedanke hierbei ist, ein Normierungssystem und Normierungsverfahren zum Vergleich von kinematischen Mustern bereitzustellen, das keine vorherige Kenntnis der Lage/ Pose, also der Orientierung und Position, insbesondere der Orientierung/ Ausrichtung, der ursprünglichen zugrundeliegenden Referenzrahmen erfordert, sondern die Ausrichtung und/oder Positionierung der beiden Rahmen für den Vergleich durch Optimierung des Wertes eines gewählten Kriteriums ermöglicht. Mit anderen Worten, umfasst die vorliegende Offenbarung einen Normierungs- bzw. Standardisierungsverfahren oder speziell angepasste Steuereinheiten (ähnlich eines Algorithmus), mit dem kinematische Daten aus zwei oder mehr Quellen (etwa unterschiedliche Versuche, unterschiedliche Probanden, unterschiedliche Bewegungserfassungstechnologien, unterschiedliche Labors und ähnlichem) vergleichbar gemacht werden, indem die zugrunde liegenden Kinematikdaten so verarbeitet werden, dass zumindest ein ausgewählter Parameter optimiert wird. Durch die Verarbeitung der zumindest zwei Datensätze (mit einer spezifischen Implementierung der Optimierung) wird ein gültiger Vergleich der resultierenden Rotationsdaten bzw. Translationsdaten ermöglicht, da Unterschiede aufgrund von Achsfehlstellungen bzw. Achsfehlpositionierung bei den zumindest zwei Datensätzen gleichwertig korrigiert wurden bzw. werden können.
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Mit anderen Worten wird in der vorliegenden Offenbarung eine Optimierung der Ausrichtung und/oder Positionierung, also insbesondere der Lage, von Koordinatensystemen zur Standardisierung von Kinematikdaten vorgeschlagen. Das vorgeschlagene Normierungssystem und Normierungsverfahren beruhen auf dem grundlegenden Verständnis, dass Methoden zur Minimierung des Übersprechens eine Entscheidung darüber erfordern, wie die „korrekten“ Orientierungen und/oder die „korrekte“ Positionierung des Referenzrahmens definiert werden sollen. Diese Entscheidungen, die auch als zugrundeliegende Annahmen betrachtet werden können, spiegeln sich in der Wahl der zu optimierenden (oder zu minimierenden) Zielfunktion(en) wider.
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Vorliegend wird ein Ansatz vorgeschlagen, der dieses Problem löst, indem eine Methode oder angepasste Steuereinheit bereitgestellt wird, bei der ein oder mehrere spezifische (Optimierungs-)Parameter oder eine Zielfunktion gewählt werden und dann jeder Datensatz (an Kinematikdaten) entsprechend verarbeitet wird, um die Rotationen und/oder Translationen zu erhalten, die sich aus der Durchführung der beschriebenen Optimierung ergeben. Konkret bedeutet diese Verarbeitung die Verwendung von (mathematischen) Optimierungsalgorithmen zur Bestimmung der Orientierungen und/oder Positionen der Segmentbezugsrahmen, die eine zuvor definierte Zielfunktion optimieren. Diese resultierenden Winkelkurven (Verläufe normierter Kinematik-Winkel) und/oder Translationskurven (Verläufe normierter Kinematik-Translationen) werden dann zum Vergleich herangezogen und können zu diesem Zweck aufgezeichnet werden. Die Aussagekraft des resultierenden Vergleichs hängt nicht von der genauen Wahl der zu optimierenden Parameter oder der Zielfunktion(en) ab. Man kann eine Reihe von Parametern oder Zielfunktionen bevorzugen, die beispielsweise Wellenformen ergeben, die klinisch leicht zu interpretieren sind, jedoch verliert der Vergleich nicht an Gültigkeit, wenn dies nicht so sein sollte.
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Insbesondere wird eine Vorrichtung als Normierungssystem zur Standardisierung einer Achsausrichtung von Rotations-Kinematikdaten und/oder einer Achsposition von Translations-Kinematikdaten, insbesondere einer Achslage/Achspose, bezüglich eines Körpergelenks eines Patienten vorgeschlagen, mit: einer Anzahl von Sensoren zur Erfassung und/oder Aufzeichnung von Kinematikdatensätzen und mit einem Rechner, an welchem die Sensoren datenübertragungstechnisch angeschlossen oder anschließbar sind, wobei der Rechner dafür angepasst und ausgebildet ist, aus den aufgezeichneten Kinematikdatensätzen resultierenden Rotationsdaten die Orientierung und/oder aus den resultierenden Translationsdaten die Position der tibialen und femuralen Koordinatensysteme mithilfe eines mathematischen Optimierungsverfahrens zu standardisieren.
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Insbesondere wird ein (Normierungs-)Verfahren zur Standardisierung einer Achsausrichtung und/oder einer Achsposition von Kinematikdaten, insbesondere von Rotations-Kinematikdaten und/oder Translations-Kinematikdaten, bezüglich eines Körpergelenks eines Patienten mittels einer Vorrichtung, vorzugsweise eines Normierungssystems gemäß der vorliegenden Offenbarung, mit den folgenden Verfahrensschritten vorgeschlagen: Erfassen von Kinematikdatensätzen bezüglich eines Körpergelenks eines Patienten mittels einer Anzahl von Sensoren; Übertragung an einen Rechner; Bereitstellen von Rotationsdaten und/oder Translationsdaten resultierend aus den Kinematikdatensätzen und Standardisieren der Orientierung und/oder Position von tibialen und femuralen Koordinatensystemen für die bereitgestellten Rotationsdaten mithilfe eines mathematischen Optimierungsverfahrens.
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Mit anderen Worten betrifft die vorliegende Offenbarung eine Vorrichtung und ein Verfahren, wonach der Einfluss der Achsenausrichtung auf Kinematikdaten (bezüglich eines Patientengelenks insbesondere Kniegelenks) sowie Auswirkungen bestimmbar/reduzierbar ist/sind und ein Ansatz zur Normierung oder Standardisierung bereitgestellt wird.
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Mit noch ganz anderen Worten betrifft die vorliegende Offenbarung ein Normkinematik-Bewertungssystem für eine Erfassung, Normierung und Bewertung von biomechanischen Kinematikdaten eines (ausgewählten) Gelenks eines Patienten mit: zumindest einer Erfassungsvorrichtung, die dafür angepasst ist, mittels Sensorik eine biomechanischen Kinematik des Gelenks des Patienten zu erfassen (insbesondere Kinematik-Rotationen und Kinematik-Translationen), aufzuzeichnen und computerlesbar bereitzustellen; und einer visuellen Darstellungsvorrichtung, insbesondere einen OP-Monitor, für eine visuelle Ausgabe an einen Nutzer. Ferner weist das Normkinematik-Bewertungssystem eine Steuereinheit auf, die speziell dafür angepasst ist: die bereitgestellte erfasste Kinematik des Patienten zu verarbeiten und hieraus zumindest einen Verlauf von, insbesondere drei, Kinematik-Winkel (als Rotationswinkel-graphen) und/oder von, insbesondere drei, Translationen des (betrachteten) Gelenks gegenüber eines ersten Gelenk-Elements mit einem ersten Gelenk-Koordinatensystem und gegenüber eines zweiten Gelenk-Elements mit einem zweiten Gelenk-Koordinatensystem zu bestimmen, über eine Normierungseinheit, die dafür angepasst und ausgebildet ist, über eine vorbestimmte Ziel-Optimierung einen Rotationsvektor oder eine Rotationsmatrix für eine Anpassung einer Orientierung des ersten Gelenk-Koordinatensystems und/oder über eine vorbestimmte Ziel-Optimierung einen Translationsvektor für eine Anpassung einer Position des ersten Gelenk-Koordinatensystems zu bestimmen, und einen Rotationsvektor oder eine Rotationsmatrix für eine Anpassung einer Orientierung des zweiten Gelenk-Koordinatensystems und/oder über eine vorbestimmte Ziel-Optimierung einen Translationsvektor für eine Anpassung einer Position des zweiten Gelenk-Koordinatensystems zu bestimmen, um eine Normierung durchzuführen, und über eine Bewertungseinheit, welche dafür angepasst ist, auf Basis der normierten Kinematik-Winkel und/oder der normierten Kinematik-Translationen als Bewegungsdaten eine Bewertung hinsichtlich des Gelenks für zumindest einen vordefinierten Bewertungs-Parameter durchzuführen, und die Bewertung über die Darstellungsvorrichtung auszugeben.
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Es wird insbesondere ein Verfahren zur Standardisierung von Referenzrahmenorientierungen und/oder Referenzrahmentranslationen in der biomechanischen kinematischen Analyse unter Verwendung spezifischer mathematischer Kriterien zur Verfügung gestellt.
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Sehr kleine Änderungen der Ausrichtung bzw. Positionen der zugrundeliegenden (Referenz-)Koordinatensysteme können große Unterschiede in den Kinematikdaten hervorrufen. Dieser Effekt kann offenbarungsgemäß beim Herausarbeiten von Unterschieden zwischen Gangmustern berücksichtigt werden, um auszuschließen, dass gefundene Differenzen auf solchen Ausrichtungsfehlern der Achsen beruhen.
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Beispiele für Szenarien der Normierung sind die Nachbearbeitung von Ganglabor-Daten (zu Standardisierungszwecken) sowie die Vorbearbeitung bekannter kinematischer Gangmuster zum Vergleich (zu Harmonisierungszwecken).
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Vorteilhafte Ausführungsformen sind in den Unteransprüchen beansprucht und werden insbesondere nachfolgend erläutert.
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Gemäß einer Ausführungsform kann die zumindest eine Erfassungsvorrichtung zumindest einen Beschleunigungssensor und/oder einen Gyrosensor, insbesondere eine inertiale Messeinheit (IMU), als Sensor aufweisen, und die Erfassungsvorrichtung dafür angepasst sein, etwa an einer Extremität des Patienten, im Bereich des Gelenks am Patienten angebracht zu werden, insbesondere an dem ersten Gelenk-Element und/oder dem zweiten Gelenk-Element.
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Gemäß einer weiteren bevorzugten Ausführungsform kann die zumindest eine Erfassungsvorrichtung zumindest eine optische Aufnahmeeinheit als Sensorik aufweist, insbesondere eine 3D-Aufnahmeeinheit, vorzugsweise eine Stereokamera, die eine biomechanische Kinematik des Gelenks des Patienten erfasst, vorzugsweise über optische Markern, insbesondere über passive Infrarot-Marker, die im Bereich des Gelenks an dem Patienten angebracht sind, bevorzugt an dem ersten Gelenk-Element und/oder dem zweiten Gelenk-Element.
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Vorzugsweise kann als die vorbestimmte Ziel-Optimierung eine Minimierung einer Varianz, einer Standardabweichung, eines quadratischen Fehlers und/oder eines statistischen Fehlers der Regression eines oder mehrerer Kinematik-Parameter, insbesondere eines oder mehrerer Kinematik-Winkel und/oder eines oder mehrerer Kinematik-Translationen, bestimmt sein. Es können also von insbesondere drei Kinematik-Winkel, vorzugsweise zwei Kinematik-Winkel bestimmt werden, bei denen, insbesondere über genau einen Zyklus einer Gelenksbewegung, insbesondere eines Schrittzyklus, eine Minimierung einer Varianz oder eines quadratischen Fehlers als Zielfunktion bestimmt wird und eine Änderung einer Orientierung des ersten Gelenk-Koordinatensystems und des zweiten Gelenk-Koordinatensystems als zu bestimmendes Ziel bzw. Ergebnis definiert wird. Die Steuereinheit berechnet also eine Verdrehung/Neu-Orientierung des ersten lokalen Gelenk-Koordinatensystems um seinen Ursprung und eine Verdrehung/ Neu-Orientierung des zweiten lokalen Gelenk-Koordinatensystems um entsprechend seinen Ursprung, bei dem ein, zwei oder drei von drei Kinematik-Winkel betrachtet werden und bei diesen beispielsweise eine Fläche des Graphen des entsprechenden Kinematik-Winkels etwa um seine Nulllinie minimiert wird. Mit anderen Worten kann insbesondere als ausgewählter Parameter eine Varianz, eine Standardabweichung, ein quadratischer Fehler oder ein statistischer Fehler der Regression eines oder mehrerer kinematischer Winkel sein. - Modell, das die Varianz, die Standardabweichung, den mittleren quadratischen Fehler, den Wurzel-Mittelwert-Fehler oder den statistischen Fehler der Regression eines oder mehrerer kinematischer Winkel als Kriterien für die Minimierung des Übersprechens verwendet.
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Insbesondere kann das Normkinematik-Bewertungssystem dafür angepasst sein, ein Kniegelenk mit einem Tibia-Koordinatensystem als erstes Gelenk-Koordinatensystem (tibiales KOS) und ein Femur-Koordinatensystem (femurales KOS) als zweites Gelenk-Koordinatensystem zu erfassen und (mittels einer Ganganalyse) einen Verlauf der drei Kinematik-Winkel einer Flexion, einer Adduktion und einer internen Rotation, und/oder einen Verlauf der drei Kinematik-Translationen, insbesondere bei genau einem einzigen Schrittzyklus, zu bestimmen und die Steuereinheit insbesondere dafür angepasst sein, als Bewertung eine Bestimmung eines Gangtyps und/oder eine Auswahl einer Größe einer Knie-Endoprothese (/Knieimplantats) und/oder einer Orientierung einer Knie-Endoprothese als Bewertungs-Parameter auszugeben.
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Vorzugsweise kann als die vorbestimmte Ziel-Optimierung eine Minimierung eines Root-Mean-Square-Error (RMSE) (von dem Graph) des Kinematik-Winkels der Adduktion und/oder (dem Graph) des Kinematik-Winkels der internen Rotation definiert werden. Eine Minimierung eines Root-Mean-Square-Error (RMSE) ist eine besonders geeignete Ziel-Optimierung, da auf diese Weise einzelne Ausschläge weniger stark gewichtet werden und etwaige Fehler minimiert werden können.
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Insbesondere kann als Optimierung ein RMSE (Root Mean Square Error) als Maß für die Abweichungen der Kurven von Varus/Valgus und interne/externe Rotation gewählt werden. Insbesondere können sich diese von 0.79 ± 0.30° auf 0.29 ± 0.30° durch Rotation der Koordinatensysteme um 3.32 ± 1.24° um die zugehörige Schraubenachse reduzieren.
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Vorzugsweise kann als die vorbestimmte Ziel-Optimierung eine Minimierung einer Varianz (von dem Graph) des Kinematik-Winkels der Adduktion und/oder (dem Graph) des Kinematik-Winkels der internen Rotation definiert werden. Bei einer Minimierung einer Varianz kann der Graph des entsprechenden Kinematik-Winkels gegenüber der Nulllinie einen Offset aufweisen, jedoch soll der Graph möglichst geschmeidig, also flach gegenüber der gewissermaßen „neuen, versetzten Nulllinie“ verlaufen.
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Gemäß einer Ausführungsform kann die Steuereinheit eine Speichereinheit eine Datenbank mit einer Zuordnung von normierten Kinematik-Winkel und/oder normierten Kinematik-Translationen zu Bewertungs-Parameter aufweisen, insbesondere einer Zuordnung der normierten Kinematik-Winkel zu einer Größe und Ausrichtung einer Knie-Endoprothese. Auf diese Weise lässt sich, abhängig von dem gewählten Bewertungs-Parameter (gewissermaßen aus auszuwählende Spalte auf Seiten der Bewertung), ein optimales Matching von normierten Kinematik-Winkeln zu dem entsprechenden Bewertungsparameter finden.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform kann die Steuereinheit mittels eines Trainingsdatensatzes mit normierten Kinematik-Winkeln und/oder Kinematik-Translationen als Eingabe und einer Ausgabe zu einer Endoprothese des Gelenks des Patienten als künstliches Intelligenzsystem angelernt sein, so dass die Steuereinheit dafür angepasst ist, bei Erfassung einer neuer biomechanischen Kinematik eines Patienten über normierte Kinematik-Winkel und/oder normierte Kinematik-Translationen mittels einer Methode der künstlichen Intelligenz eine Bewertung zu einer Endoprothese, insbesondere einer Größe und einer Ausrichtung, auszugeben. Wenn man durch die vorliegende Offenbarung normierte Kinematikdaten in Form der normierten Kinematik-Winkel für Patienten im Allgemeinen vorliegen hat, so lässt sich durch diese Normierung mittels künstlicher Intelligenz bzw. eines trainierten Systems eine Bewertung durchführen. Dies unterscheidet sich zum Stand der Technik, bei dem mögliche kleine Fehler zu unverhältnismäßig großen Abweichungen führen und daher eine Bewertung nicht mehr möglich machen.
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Insbesondere kann die Steuereinheit dafür angepasst sein, anhand der erfassten biomechanischen Kinematik des Patienten die Kinematik-Winkel zu bestimmen, insbesondere bei Einsatz einer inertialen Messeinheit (IMU) als Sensor auf Basis der Beschleunigungen und Winkelgeschwindigkeiten drei Kinematik-Winkel zu berechnen. Eine IMU weist im allgemeinen einen Beschleunigungssensor für die Erfassung einer Beschleunigung in drei Richtungen auf sowie ferner ein Gyroskop, um hierüber Winkelgeschwindigkeiten zu bestimmen.
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Insbesondere können Kinematikdatensätze für ebenes Gehen auf einem (etablierten) Kniegelenkssimulator (VIVO, AMTI, Watertown, MA) in dem Normkinematik-Bewertungssystem vorliegen oder eingegeben werden und zeitgleich mit einer Anzahl von Sensoren, vorzugsweise Beschleunigungssensoren und/oder optischen Sensoren, insbesondere zumindest einer initialen Messeinheit, aufgezeichnet werden.
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Insbesondere können die Sensoren der Erfassungsvorrichtung vorzugsweise in/an einer Kniemanschette angeordnet sein und können somit beispielsweise nach Art einer Bandage am Knie temporär angebracht und positioniert werden.
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Die Sensoren sind ferner bevorzugt an die Steuereinheit (etwa einem speziell angepassten Computersystem) angeschlossen oder mit diesem datenübertragungstechnisch gekoppelt. Für die daraus resultierenden Kinematik-Winkel/ Rotationsdaten werden anschließend die Orientierung der tibialen und femuralen Koordinatensysteme mithilfe der Optimierung (eines mathematischen Optimierungsverfahrens) normiert bzw. standardisiert.
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Die Aufgaben der vorliegenden Offenbarung werden hinsichtlich eines Normkinematik-Bewertungsverfahren für eine Erfassung, Normierung und Bewertung von biomechanischen Kinematikdaten eines (ausgewählten) Gelenks eines Patienten, insbesondere bei einem Normkinematik-Bewertungssystem gemäß der vorliegenden Offenbarung dadurch gelöst, indem dieses die Schritte aufweist: Erfassen einer biomechanischen Kinematik eines Patienten mittels Sensorik einer Erfassungsvorrichtung; Bestimmen, durch eine Steuereinheit auf Basis der bereitgestellten Kinematik des Patienten, eines Verlaufs von Kinematik-Winkeln und/oder Kinematik-Translationen des Gelenks gegenüber eines ersten Gelenk-Elements mit einem ersten Gelenk-Koordinatensystem und eines zweiten Gelenk-Elements mit einem zweiten Gelenk-Koordinatensystem; Bestimmen, durch eine Normierungseinheit der Steuereinheit, über eine vorbestimmte Ziel-Optimierung, eines Rotationsvektors oder einer Rotationsmatrix für eine Anpassung einer Orientierung des ersten Gelenk-Koordinatensystems und/oder eines Rotationsvektors oder einer Rotationsmatrix für eine Anpassung einer Orientierung des zweiten Gelenk-Koordinatensystems und/oder, über eine vorbestimmte Ziel-Optimierung, eines Translationsvektors für eine Anpassung einer Position des ersten Gelenk-Koordinatensystems und/ eines Translationsvektors für eine Anpassung einer Position des zweiten Gelenk-Koordinatensystems; Normieren des Verlaufs der Kinematik-Winkel durch Anpassung des ersten und zweiten Gelenk-Koordinatensystems durch die entsprechend bestimmten Rotationsvektoren oder Rotationsmatrizen und/oder des Verlaufs der Kinematik-Translationen durch Anpassung des ersten und zweiten Gelenk-Koordinatensystems durch die entsprechend bestimmten Translationsvektoren; Durchführen einer Bewertung des Gelenk hinsichtlich eines vordefinierten Bewertungs-Parameters auf Basis der normierten Kinematik-Winkel und/oder normierten Kinematik-Translationen; und Ausgeben der Bewertung durch eine Darstellungsvorrichtung.
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Insbesondere kann das Normkinematik-Bewertungsverfahren bzw. die Steuereinheit des Normkinematik-Bewertungssystems dafür angepasst sein, als Ziel-Optimierung ein Crosstalk-Minimierungsverfahren (zu) verwenden.
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Vorzugsweise kann das Normkinematik-Bewertungsverfahren bzw. die Steuereinheit des Normkinematik-Bewertungssystems dafür angepasst sein, eine Optimierung einer Referenzrahmenorientierung (Referenz-Koordinatensystem) in der Kniekinematik durchzuführen.
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Vorzugsweise kann das Normkinematik-Bewertungsverfahren bzw. die Steuereinheit des Normkinematik-Bewertungssystems dafür angepasst sein, eine Normierung (oder Standardisierung) von Bewegungsmesssystemen bereitzustellen. Insbesondere gehören hierzu Systeme auf Basis optischer Marker und Systeme auf Basis inertialer Messeinheiten (IMU).
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Insbesondere kann das Normkinematik-Bewertungsverfahren ein Kniegelenk eines Patienten als Gelenk erfassen, normieren und bewerten, wobei als vorbestimmte Ziel-Optimierung eine Minimierung eines Root-Mean-Square-Error (RMSE) (von dem Graph) des Kinematik-Winkels der Adduktion und/oder (dem Graph) des Kinematik-Winkels der internen Rotation definiert ist.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform des Normkinematik-Bewertungsverfahrens kann ein Kniegelenk eines Patienten als Gelenk erfasst, normiert und bewertet werden, wobei als vorbestimmte Ziel-Optimierung eine Minimierung einer Varianz des Kinematik-Winkels der Adduktion und/oder des Kinematik-Winkels der internen Rotation definiert ist.
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Hinsichtlich eines Computerlesbaren Speichermediums werden die Aufgaben dadurch erfüllt, dass dieses Befehle umfasst, die bei einer Ausführung durch einen Computer diesen veranlassen, die Verfahrensschritte des Norm-Bewertungsverfahrens gemäß einem der vorliegenden Ansprüche auszuführen.
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Kurzbeschreibung der Figuren
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Die Erfindung wird nachfolgend anhand bevorzugter Ausführungsformen mit Hilfe von Figuren näher erläutert. Es zeigen:
- 1 eine perspektivische Ansicht eines Kniegelenks mit einem femuralen Koordinatensystem zur Veranschaulichung eines Fehlers beim Stand der Technik hinsichtlich einer Analyse und Bewertung, welcher bei einer Abweichung einer Orientierung auftreten kann;
- 2 eine schematische Ansicht eines Normkinematik-Bewertungssystems gemäß einer ersten bevorzugten Ausführungsform der vorliegenden Offenbarung;
- 3 und 4eine schematische Ansicht zur Erläuterung der drei Kinematik-Winkel des Kniegelenks des Patienten mit entsprechender Normierung,
- 5 einen Ablauf eines Normkinematik-Bewertungsverfahrens gemäß einer ersten bevorzugten Ausführungsform der vorliegenden Offenbarung;
- 6 einen Vergleich von verschiedenen Quellen als Eingabe an das Normkinematik-Bewertungssystem oder ein Normkinematik-Bewertungsverfahren;
- 6a bis 6c Eine schematische Darstellung zur Veranschaulichung einer Normierung von Kinematikdaten eines Patienten mit Vergleich zu einer Kinematik-Simulation bei denen sich durch die Neuorientierung der Gelenk-Koordinatensystem als Referenzsysteme sowohl die Amplitude als auch die Charakteristik der Kurven a bis d grundlegend verändern.
- 7 eine Übersichtsdarstellung von verschiedenen Erfassungen von Kinematikdaten von Patienten, die gemäß dem Normkinematik-Bewertungssystem bzw. des Normkinematik-Bewertungsverfahrens der vorliegenden Offenbarung über Neuorientierungen der Gelenk-Koordinatensystem normiert wurden
- 8 ein Flussdiagramm eines Normkinematik-Bewertungsverfahrens gemäß einer bevorzugten Ausführungsform.
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Die Figuren sind schematischer Natur und sollen nur dem Verständnis der Erfindung dienen. Gleiche Elemente sind mit denselben Bezugszeichen versehen. Die Merkmale der verschiedenen Ausführungsbeispiele können untereinander ausgetauscht werden.
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Beschreibung bevorzugter Ausführungsformen
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Ein Beispiel für eine Veranschaulichung einer einhergehenden Abweichung durch eine 3° Drehung der sogenannten Flexionsachse bei einem Kniegelenk ist in 1 gezeigt. Bei einem Oberschenkelknochen mit einem Abstand von 10 cm zwischen dem medialen und dem lateralen Epikondylus führen bereits 5 mm (Gesamt-)AP- oder PD-Fehler bei der Erfassung der Landmarken des Knochens zu einer Drehung des Referenzsystems, also des femularen Koordinatensystems (KOS), um 3° um die Z- oder Z-Achse. Die maximale Breite der Korridore in Adduktion und Innenrotation für ±3° der Rotationen Ry und Rz in der Orientierung des tibialen und femuralen Koordinantesystems beträgt bereits 14,5°. Wie einleitend in der vorliegenden Offenbarung beschrieben, resultiert ein Crosstalk mit entsprechenden Crosstalk-Effekten aus einer falschen Ausrichtung der Achsen des Gelenk-Koordinatensystems, so dass beispielsweise eine Rotation/ Drehung in einer Ebene teilweise als Rotation in anderen Ebenen wahrgenommen wird. Eine Drehung des femuralen Koordinatensystems um eine Achse bewirkt daher nicht nur eine Änderung eines einzelnen Kinematik-Winkels, sondern hat auch Einfluss auf die beiden anderen Kinematik-Winkel.
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2 zeigt in einer schematischen Ansicht ein Normkinematik-Bewertungssystem 1 gemäß einer ersten bevorzugten Ausführungsform der vorliegenden Offenbarung. Das Normkinematik-Bewertungssystem 1 dient einer Erfassung, Normierung und (einer aufgrund der Normierung möglichen vergleichenden) Bewertung von biomechanischen Kinematikdaten eines Kniegelenks G eines Patienten (P), wie nachstehend erläutert.
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Das Normkinematik-Bewertungssystem 1 weist zur Erfassung einer biomechanischen Kinematik des Kniegelenks G des Patienten P zumindest eine Erfassungsvorrichtung 2 auf, die über eine optische Sensorik 4 diese erfasst und einer Steuereinheit 8 computerlesbar bereitstellt. Ferner weist das Normkinematik-Bewertungssystem 1 für eine Darstellung von Daten zu einem vorzunehmenden chirurgischen Eingriff an dem Patienten P und einer Ausgabe der Bewertungsergebnisse eine Darstellungsvorrichtung, beispielsweise in Form eines OP-Monitors, auf.
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Gemäß der vorliegenden Offenbarung ist die Steuereinheit 8 speziell dafür angepasst, die von der Erfassungsvorrichtung 2 bereitgestellte erfasste Kinematik des Patienten P zu verarbeiten und anhand der Kinematikdaten einen Verlauf von drei Kinematik-Winkel 14, 16, 18, als Rotationswinkel-graphen, (und/oder drei Kinematik-Translationen) des Kniegelenks G gegenüber eines ersten Gelenk-Elements G1 mit einem ersten Gelenk-Koordinatensystem 20 und gegenüber eines zweiten Gelenk-Elements G2 mit einem zweiten Gelenk-Koordinatensystem 22 zu bestimmen. Mit anderen Worten werden für genau einen Schrittzyklus des Patienten die drei Kinematik-Winkel 14, 16, 18 (und/oder drei Kinematik-Translationen) eines Modell-Gelenks aus der Fülle an Kinematikdaten extrahiert.
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Speziell ist also das Normkinematik-Bewertungssystem 1 dafür angepasst, ein Kniegelenk G mit einem Tibia-Koordinatensystem (tibiales KOS) als erstes Gelenk-Koordinatensystem 20 und ein Femur-Koordinatensystem (femurales KOS) als zweites Gelenk-Koordinatensystem 22 zu erfassen und einen Verlauf der drei Kinematik-Winkel 14, 16, 18, nämlich einer Flexion 14, einer Adduktion 16 und einer internen Rotation 18, bei genau einem einzigen Schrittzyklus zu bestimmen.
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Um nun einen möglichst guten Vergleich von Kinematik-Analysen von verschiedenen Patienten (als auch Simulationen) erstellen zu können oder auch von verschiedenen Erfassungen (beispielsweise zeitlich versetzt oder auch über unterschiedliche Erfassungsmethoden, etwa optische Sensorik gegenüber angebrachten Sensoren) eines einzelnen Patienten eine möglichst standardisierte Analyse und damit einhergehende Bewertung erstellen zu können, müssen die Daten der Kinematik-Winkel nach bestimmen Kriterien normiert werden, um ein einheitliches, normiertes Datenerfassungssystem bzw. eine normierte Datengrundlage bereitzustellen.
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Hierfür wird über eine Normierungseinheit 10, die dafür angepasst und ausgebildet ist, über eine vorbestimmte Ziel-Optimierung einen Rotationsvektor 24 für eine Anpassung einer Orientierung des ersten Gelenk-Koordinatensystems 20 zu bestimmen, und einen Rotationsvektor 26 für eine Anpassung einer Orientierung des zweiten Gelenk-Koordinatensystems zu bestimmen, eine Normierung durchgeführt.
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Das Normkinematik-Bewertungssystem 1 verfügt über eine Bewertungseinheit 12, welche dafür angepasst ist, auf Basis der normierten Kinematik-Winkel 14', 16', 18` als Bewegungsdaten eine Bewertung hinsichtlich des Gelenks G für zumindest einen vordefinierten Bewertungs-Parameter durchzuführen. In der vorliegenden Ausführungsform wird als Bewertung eine Auswahl einer Größe einer Knie-Endoprothese und einer Orientierung einer Knie-Endoprothese für den chirurgischen Eingriff als Bewertungs-Parameter ausgegeben. Die visuelle Ausgabe der Bewertung erfolgt dabei durch die Darstellungsvorrichtung 6, insbesondere durch eine Anzeige von präoperativen CT-Daten des Patienten P, in denen die simulierte Knie-Endoprothese mit entsprechender Größe und Ausrichtung eingeblendet ist.
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Durch das vorliegende Normkinematik-Bewertungssystem 1 lassen sich robuste und sichere Bewertungen durchführen, da ein Fehler minimiert wird. Ein Operateur wird noch besser für eine Vorbereitung des chirurgischen Eingriffs und der Implantierung der Knie-Endoprothese unterstützt und eine Sicherheit des Patienten weiter erhöht.
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Für die Aufnahme der Kinematik des Patienten hat die zumindest eine Erfassungsvorrichtung 2 mehrere inertiale Messeinheit 28 (nachstehend IMU genannt) als Sensoren, die an zwei (lösbaren) Knie-Manschetten 36 an dem Patienten P an dem Ober- und Unterschenkel befestigt sind.
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Zusätzlich zu den IMU's verfügt das Normkinematik-Bewertungssystem 1 über eine weitere Erfassungsvorrichtung 2, die eine optische Aufnahmeeinheit 30 in Form einer Stereokamera 32 aufweist, die von oben her schräg auf einen Bodenbereich ausgerichtet ist, um extern eine biomechanische Kinematik des Gelenks G des Patienten P zu erfassen. Dafür sind neben den IMUs 28 an den Knie-Manschetten 36 Infrarotmarker angeordnet.
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In 3 und 4 sind zur Erläuterung schematisch eine Visualisierung der drei Kinematik-Winkel 14, 16, 18 und die Gelenk-Koordinatensysteme 20, 22 des Normkinematik-Bewertungssystems 1 dargestellt. Ziel der Optimierung ist in dieser Ausführungsform, eine Minimierung eines Root-Mean-Square-Error (RMSE) bei Variation einer Orientierung der Gelenk-Koordinatensysteme 20, 22 zu erreichen. Es soll also eine solcher erster Rotationsvektor 24 und zweiter Rotationsvektor 26 gefunden werde, bei denen ein Root-Mean-Square-Error (RMSE) von sowohl dem Adduktions-Kinematik Winkel 16 minimiert wird als auch ein Root-Mean-Square-Error (RMSE) von dem internen Rotationswinkel 18 minimiert wird. In diesem Beispiel beträgt der erste femurale Rotationsvektor 24 (Rx, Ry, Rz) (-0,055; 2,106; 2,44) und der zweite tibiale Rotationsvektor 26 (Rx, Ry, Rz) (0,051; 2,157; -0,295). Dabei erfolgen die Rotationen kardanisch, also zuerst die Rotation um die X-Achse, dann die Rotation um die Y-Achse und zuletzt die Rotation um die Z-Achse (bei gleichbleibendem Ursprung).
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5 zeigt einen Ablauf einer Ermittlung einer Orientierung/ Ausrichtung der tibialen und femuralen Koordinatensysteme (Referenzrahmen) durch Minimierung des RMSE von Adduktion und Innenrotation für eine Normierung. Insbesondere kann dabei eine Adduktion/Innenrotation von Null während des gesamten Zyklus angenommen werden. Zunächst werden also Kinematikdaten des Patienten erfasst und damit auch Kinematikdaten zu einem interessierenden Gelenk des Patienten. In einem nächsten Schritt werden aus der Fülle der Kinematikdaten drei Kinematik-Winkel 14, 16, 18 für einen Schrittzyklus extrahiert, wobei diese Kinematik-Winkel 14, 16, 18 noch fehleranfällig sind und eine geringe Abweichung einer Ausrichtung des tibialen oder femuralen Koordinatensystems 20, 22 große Einflüsse auf den Verlauf der Kinematik-Winkel hat.
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Es erfolgt der Schritt der Ziel-Optimierung hinsichtlich einer Minimierung eines Root-Mean-Square-Error (RMSE) von dem Adduktionswinkel und dem internen Rotationswinkel, also von zwei der drei Kinematik-Winkel, der Berechnung der Rotationsvektoren, der Anwendung auf die Koordinatensysteme, wobei die neu orientierten Koordinatensystem nun die Referenzsysteme für den Femur und die Tibia bilden, und hierdurch die Normierung der Kinematik-Winkel 14', 16' 18' bzw. dessen Verläufe, welche sich durch die Neuorientierung der Koordinatensysteme 20, 22 entsprechend verändert haben.
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6 zeigt eine Standardisierung der Orientierungen des Bezugssystems bei der Messung der Kniekinematik mit einem Vergleichsdatensatz einer Kinematik eines weiteren Patienten, insbesondere von sechs Patienten. Durch die Normierung können nun Daten aus unterschiedlichen Datensätzen, unterschiedlichen Erfassungsmethoden und weiter miteinander verglichen werden. Erst durch die Normierung kann etwa erkannt werden, dass lediglich ein Fehler in der Ausrichtung nicht vergleichbare Kinematikdaten verursacht und der Fehler durch die Normierung entsprechend behoben werden. Mit dem Normkinematik-Bewertungssystems 1 erfolgen Normierungen von Referenzrahmenorientierungen aus Messungen mit unterschiedlichen Datenquellen, um diese dann vergleichbar zu machen.
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6a bis 6c zeigen eine schematische Ansicht mehrere Aufzeichnungen von Kinematik-Winkel der Flexion 14, der Adduktion 16 und der internen Rotation 18 durch zwei unterschiedliche Erfassungsvorrichtungen, optisch und IMU. Man kann sofort erkennen, dass durch die Normierung die zuvor unterschiedlichen Kinematik-Winkel 14, 16, 18 nun angeglichen sind und normierte Kinematik-Winkel 14', 16' und 18' darstellen, welche nun von dem Normkinematik-Bewertungssystems 1 für eine Bewertung herangezogen werden können. Dies ist auch einleuchtend, da der Patient P einen einzigen Schrittzyklus hat, der durch verschiedene Erfassungsmethoden dennoch gleich nachgebildet werden muss.
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7 zeigt eine schematische Ansicht verschiedener Reihen von erfassten Kinematiken, ohne und mit entsprechender Normierung durch das Normkinematik-Bewertungssystem 1. Auch hier kann man erkennen, dass bei Adaption die Kurven nach Normierung noch besser übereinanderliegen.
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8 zeigt ein Flussdiagramm eines Normkinematik-Bewertungsverfahrens gemäß einer bevorzugten Ausführungsform der vorliegenden Offenbarung. Das Normkinematik-Bewertungsverfahren für eine Erfassung, Normierung und Bewertung von biomechanischen Kinematikdaten eines Kniegelenks G eines Patienten P, weist die folgenden Schritte auf.
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In einem ersten Schritt S1 erfolgt ein Erfassen einer biomechanischen Kinematik eines Patienten P mittels Sensorik 4 einer Erfassungsvorrichtung 2. Insbesondere kann dies über eine Stereokamera und an dem Patienten angebrachten optischen Markern oder Sensoren erfolgen.
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In einem darauffolgenden zweiten Schritt S2 erfolgt ein Bestimmen, durch eine Steuereinheit 8 auf Basis der bereitgestellten Kinematik des Patienten P, eines Verlaufs von drei Kinematik-Winkeln 14, 16, 18 des Kniegelenks G gegenüber eines ersten Gelenk-Elements G1 (Femur) mit einem ersten Gelenk-Koordinatensystem 20 und eines zweiten Gelenk-Elements G2 (Tibia) mit einem zweiten Gelenk-Koordinatensystem 22.
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Es folgt der Schritt S3 Bestimmen, durch eine Normierungseinheit 10 der Steuereinheit 8, über eine vorbestimmte Ziel-Optimierung, eines Rotationsvektors 24 für eine Anpassung einer Orientierung des ersten Gelenk-Koordinatensystems 20 und eines Rotationsvektors 26 für eine Anpassung einer Orientierung des zweiten Gelenk-Koordinatensystems 22;
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Nachdem die beiden Rotationsvektoren 24, 26 gefunden sind, erfolgt der Schritt S4 des Normierens des Verlaufs der Kinematik-Winkel 14,` 16', 18' durch Anpassung des ersten und zweiten Gelenk-Koordinatensystems 20, 22 durch die entsprechend bestimmten Rotationsvektoren 24, 26. Es werden also die Koordinatensysteme entsprechend der Rotationsvektoren gedreht und deren Orientierung so angepasst, (und/oder der Translationsvektoren verschoben und deren Positionen so angepasst). Die Verläufe der ursprünglichen Kinematik-Winkel 14, 16, 18 (und/oder Kinematik-Translationen) passen sich ebenso an und werden zu normierten Verläufen der Kinematik-Winkel 14', 16' und 18' (und/oder Kinematik-Translationen).
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In einem letzten Schritt S5 erfolgt eine Durchführung einer Bewertung des Kniegelenks hinsichtlich eines vordefinierten Bewertungs-Parameters auf Basis der normierten Kinematik-Winkel. Insbesondere wird eine Klassifizierung einer Gangart als Bewertungs-Parameter bestimmt und in einem letzten Schritt S6 durch eine Darstellungsvorrichtung 4 ausgegeben.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Normkinematik-Bewertungssystem
- 2
- Erfassungsvorrichtung
- 4
- Sensorik
- 6
- Darstellungsvorrichtung
- 8
- Steuereinheit
- 10
- Normierungseinheit
- 12
- Bewertungseinheit
- 14
- Flexions-Kinematik-Winkel
- 14'
- normierter Flexions-Kinematik-Winkel
- 16
- Adduktions-Kinematik-Winkel
- 16'
- normierter Adduktions-Kinematik-Winkel
- 18
- Internerotation-Kinematik-Winkel
- 18'
- normierter Internerotation-Kinematik-Winkel
- 20
- erstes Gelenk-Koordinatensystem
- 22
- zweites Gelenk-Koordinatensystem
- 24
- erster Rotationsvektor
- 26
- zweiter Rotationsvektor
- 28
- Inertiale Messeinheit (IMU)
- 30
- optische Aufnahmeeinheit
- 32
- Stereokamera
- 34
- Speichereinheit
- 36
- Kniemanschette
- G
- Gelenk
- G1
- erstes Gelenkelement
- G2
- zweites Gelenkelement
- P
- Patient
- S1
- Schritt Erfassen biomechanische Kinematik durch Erfassungsvorrichtung
- S2
- Schritt Bestimmen eines Verlaufs von Kinematik-Winkeln
- S3
- Schritt Bestimmen Anpassung Orientierung
- S4
- Schritt Normieren Verlauf der Kinematik-Winkel
- S5
- Schritt Bewertung Gelenk
- S6
- Schritt Ausgeben Bewertung