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Gebiet der Erfindung
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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Ansteuern eines Antriebsmotors eines Motorrads. Des Weiteren betrifft die Erfindung ein Steuergerät, ein Computerprogramm und ein computerlesbares Medium zum Ausführen eines solchen Verfahrens.
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Stand der Technik
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Ein modernes Motorrad kann mit einem Fahrerassistenzsystem ausgestattet sein, das Sensordaten eines oder mehrerer Fahrdynamiksensoren des Motorrads, beispielsweise eines Raddrehzahl-, Beschleunigungs- oder Drehratensensors, auswertet und in Abhängigkeit davon Antriebs- und/oder Bremskomponenten des Motorrads ansteuert. Beispielsweise kann das Fahrerassistenzsystem konfiguriert sein, um ein Motormoment und/oder einen Bremsdruck des Motorrads zu korrigieren.
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Die Ansteuerung kann unter Berücksichtigung eines Neigungswinkels des Motorrads erfolgen, der üblicherweise mittels eines geeigneten Sensors aktiv gemessen wird. Möglich ist auch die Einbeziehung eines Lenkwinkels des Motorrads.
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DE 10 2016 202 466 A1 beschreibt ein Verfahren zum Ermitteln eines Lenkwinkels eines Motorrads anhand von Beschleunigungs- und Drehratendaten verschiedener Sensoren des Motorrads.
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DE 10 2012 222 961 A1 beschreibt ein Verfahren zur automatisierten Blinkerrückstellung für ein Motorrad basierend auf einem Lenkwinkelwert.
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Offenbarung der Erfindung
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Vor diesem Hintergrund werden mit dem hier vorgestellten Ansatz ein Verfahren zum Ansteuern eines Antriebsmotors eines Motorrads, ein entsprechendes Steuergerät, ein entsprechendes Computerprogramm und ein entsprechendes computerlesbares Medium gemäß den unabhängigen Ansprüchen vorgestellt. Vorteilhafte Weiterbildungen und Verbesserungen des hier vorgestellten Ansatzes ergeben sich aus der Beschreibung und sind in den abhängigen Ansprüchen beschrieben.
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Vorteile der Erfindung
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Ausführungsformen der vorliegenden Erfindung ermöglichen eine neigungs- und/oder lenkwinkelabhängige Ansteuerung eines Antriebsmotors eines Motorrads, ohne dass spezielle Sensoren zur Messung des Neigungs- und/oder Lenkwinkels erforderlich sind, beispielsweise in Form einer inertialen Messeinheit.
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Ein erster Aspekt der Erfindung betrifft ein computerimplementiertes Verfahren zum Ansteuern eines Antriebsmotors eines Motorrads. Das Verfahren umfasst zumindest die folgenden Schritte: Empfangen eines ersten Geschwindigkeitswerts, der eine aktuelle Radgeschwindigkeit eines ersten Rads des Motorrads anzeigt, eines Drehmomentistwerts, der ein aktuelles Drehmoment des Antriebsmotors anzeigt, und eines Drehmomentsollwerts, der ein gewünschtes Drehmoment des Antriebsmotors anzeigt; Bestimmen mindestens eines weiteren Geschwindigkeitswerts aus dem ersten Geschwindigkeitswert und dem Drehmomentistwert; Bestimmen eines Neigungswinkelwerts, der einen aktuellen Neigungswinkel des Motorrads relativ zu dessen Fahrbahn anzeigt, und/oder eines Lenkwinkelwerts, der einen aktuellen Lenkwinkel des Motorrads anzeigt, aus dem ersten Geschwindigkeitswert und dem mindestens einen weiteren Geschwindigkeitswert; Korrigieren des Drehmomentsollwerts unter Verwendung des Neigungswinkelwerts und/oder des Lenkwinkelwerts, um einen korrigierten Drehmomentsollwert zu erhalten; und Erzeugen eines Steuerbefehls zum Ansteuern des Antriebsmotors unter Verwendung des korrigierten Drehmomentsollwerts. Das Verfahren kann automatisch durch einen Prozessor, etwa eines Steuergeräts des Motorrads, ausgeführt werden.
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Unter „Motorrad“ kann allgemein ein einspuriges Fahrzeug oder Zweirad mit einem Antriebsmotor in Form eines Verbrennungsmotors, eines Elektromotors oder einer Kombination aus einem Verbrennungs- und einem Elektromotor verstanden werden. Das Motorrad kann aber auch ein motorradähnliches zweispuriges Fahrzeug mit mehr als zwei Rädern (Quad) oder ein Wassermotorrad (Jetski) sein. Unter „Motorrad“ kann auch ein Roller oder ein Fahrrad, insbesondere in Form eines Elektrorollers oder eines Elektrofahrrads, verstanden werden.
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Der erste Geschwindigkeitswert kann eine aktuelle Umfangs- und/oder Drehgeschwindigkeit des ersten Rads anzeigen. Der erste Geschwindigkeitswert kann beispielsweise mittels eines Radgeschwindigkeitssensors zum Messen der aktuellen Radgeschwindigkeit des ersten Rads bereitgestellt worden sein. Sofern es sich bei dem ersten Rad um ein angetriebenes Rad des Motorrads handelt, kann der erste Geschwindigkeitswert auch ohne Zuhilfenahme eines solchen Radgeschwindigkeitssensors bestimmt worden sein, beispielsweise aus einer aktuellen Drehzahl des Antriebsmotors oder, speziell im Fall eines Elektromotors, aus einem Rotorwinkel eines Rotors des Elektromotors. Hierzu kann der Rotorwinkel beispielsweise mittels eines Absolutwert- oder Inkrementalgebers, etwa in Form eines Hall-Sensors, in mehreren aufeinanderfolgenden Zeitschritten gemessen werden. Möglich ist auch, dass der Rotorwinkel spannungs- und/oder strombasiert ohne Zuhilfenahme eines solchen Rotorwinkelsensors ermittelt wird.
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Handelt es sich bei dem Antriebsmotor um einen Elektromotor, so kann der Drehmomentistwert beispielsweise durch Auswerten eines oder mehrerer Phasenströme, einer oder mehrerer Phasenspannungen oder einer Kombination einer oder mehrerer Phasenströme mit einer oder mehreren Phasenspannungen mithilfe eines geeigneten Motormodells bestimmt worden sein. Alternativ kann der Drehmomentistwert mittels eines Drehmomentsensors bereitgestellt worden sein. Der Drehmomentistwert kann positiv oder auch negativ sein, d. h. ein aktuelles Antriebsmoment oder auch ein aktuelles Bremsmoment anzeigen.
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Beispielsweise können mehrere erste Geschwindigkeitswerte und/oder mehrere Drehmomentistwerte in mehreren aufeinanderfolgenden Zeitschritten empfangen werden. Dabei kann der weitere Geschwindigkeitswert oder können die weiteren Geschwindigkeitswerte in jedem Zeitschritt aus den ersten Geschwindigkeitswerten und/oder den Drehmomentistwerten mehrerer Zeitschritte bestimmt werden. Anders ausgedrückt kann der weitere Geschwindigkeitswert oder können die weiteren Geschwindigkeitswerte unter Berücksichtigung eines zeitlichen Verlaufs der aktuellen Radgeschwindigkeit und/oder eines zeitlichen Verlaufs des aktuellen Drehmoments bestimmt werden. Dadurch kann die Genauigkeit des Verfahrens weiter verbessert werden.
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Bei dem Drehmomentsollwert kann es sich um einen durch einen Fahrer des Motorrads vorgegebenen Drehmomentwunsch handeln. Der Drehmomentsollwert kann positiv oder auch negativ sein, d. h. ein gewünschtes Antriebsmoment oder auch ein gewünschtes Bremsmoment anzeigen.
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Der weitere Geschwindigkeitswert oder die weiteren Geschwindigkeitswerte können als Schätzwerte aufgefasst werden, die abhängig vom Drehmomentistwert vom ersten Geschwindigkeitswert abweichen oder auch damit identisch sein können. Zeigt der Drehmomentistwert beispielsweise ein aktuelles Drehmoment an, das sehr klein oder null ist, so kann der weitere Geschwindigkeitswert oder können die weiteren Geschwindigkeitswerte die gleiche Geschwindigkeit wie der erste Geschwindigkeitswert anzeigen.
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Unter „Neigungswinkel“ kann ein Winkel verstanden werden, der eine Drehung des Motorrads um dessen Längsachse anzeigt. Der Neigungswinkel kann beispielsweise als Winkel zwischen einer Hochachse des Motorrads und einer gedachten Senkrechten definiert sein. Der Neigungswinkel kann auch als Rollwinkel bezeichnet werden.
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Unter „Lenkwinkel“ kann ein Winkel verstanden, der eine Schrägstellung des Vorderrads des Motorrads relativ zu dessen Längsachse oder Fahrtrichtung anzeigt.
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Es ist möglich, dass der Neigungswinkelwert in einem aktuellen Zeitschritt unter Berücksichtigung des Neigungswinkelwerts mindestens eines früheren Zeitschritts, der dem aktuellen Zeitschritt vorangeht, bestimmt wird. Ebenso ist es möglich, dass der Lenkwinkelwert in einem aktuellen Zeitschritt unter Berücksichtigung des Lenkwinkelwerts mindestens eines früheren Zeitschritts, der dem aktuellen Zeitschritt vorangeht, bestimmt wird. Dadurch können unplausible Neigungs- bzw. Lenkwinkelwerte vermieden werden.
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Der korrigierte Drehmomentsollwert kann beispielsweise ein im Vergleich zum (nicht korrigierten) Drehmomentsollwert betragsmäßig geringeres oder auch betragsmäßig größeres Drehmoment anzeigen. Zusätzlich kann der korrigierte Drehmomentsollwert mit einem anderen Vorzeichen als der (nicht korrigierte) Drehmomentsollwert behaftet sein. Der korrigierte Drehmomentsollwert kann zusätzlich unter Berücksichtigung einer aktuellen Geschwindigkeit des Motorrads bestimmt werden. Anders ausgedrückt kann der Drehmomentsollwert für unterschiedliche Geschwindigkeiten des Motorrads in unterschiedlicher Weise korrigiert werden.
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Kurz zusammengefasst ermöglicht das Verfahren, wie es hier und nachstehend beschrieben wird, eine Verbesserung der Sicherheit bei Kurvenmanövern ohne zusätzliche Sensorik, etwa in engen Kurven bei niedriger Geschwindigkeit. Das Verfahren bietet insbesondere im Zusammenhang mit elektrifizierten Zweirädern Vorteile, da solche Zweiräder in der Regel nicht mit der gleichen Sensorik wie Motorräder mit Verbrennungsmotor ausgestattet sind.
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Mit zunehmender Geschwindigkeit gewinnt der Neigungswinkel gegenüber dem (variablen) Lenkwinkel immer mehr an Wichtigkeit und umgekehrt. Zudem stellen niedrige Geschwindigkeiten einen recht kritischen Betriebsbereich für Zweiräder dar, da hier die Eigenstabilisierung durch Kreiselkräfte deutlich schwächer ist.
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Das hier und nachstehend beschriebene Verfahren ermöglicht nun die Berechnung eines Absolutwerts des Neigungswinkels und/oder, zum Beispiel im Fall eines Motorrads mit Frontantrieb, eines Absolutwerts des Lenkwinkels. Ferner umfasst das Verfahren eine Motorsteuerung, die das Motordrehmoment basierend auf diesem Signal moduliert.
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Gemäß einer besonders vorteilhaften Ausführungsform können zur Ansteuerung des Antriebsmotors ausschließlich motorinterne Signale verarbeitet werden, die in der Regel ohnehin vorhanden sind.
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Durch eine derartige Drehmomentmodulation können insbesondere ungeübte Fahrer wirkungsvoll unterstützt werden, indem eine weniger aggressive Drehmomentcharakteristik bei Kurvenmanövern bereitgestellt wird.
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Das Verfahren macht sich zum einen den Effekt zunutze, den die Reifenbreite auf die Radgeschwindigkeit hat (siehe auch 2). In Kurven liegt der Kontaktpunkt zwischen Straße und Reifen nicht in der Symmetrieebene des Reifens. Da der Reifen in der Regel eine torusartige Form hat, führt dies dazu, dass sich der effektive Rollradius vom Radradius unterscheidet. Bei gegebener Fahrzeuggeschwindigkeit bewirkt eine Verringerung des effektiven Rollradius eine Erhöhung der Drehgeschwindigkeit des Rads. Zwar ist der Effekt stark von der Reifenbreite und dem Reifendurchmesser abhängig, es konnte jedoch gezeigt werden, dass der Effekt bei üblichen Reifengeometrien von Motorrädern, Kick-Scootern und Fahrrädern groß genug ist, um sinnvoll genutzt werden zu können.
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Zum anderen beruht das Verfahren auf der Erkenntnis, dass sich das Vorderrad in einer mit niedriger Geschwindigkeit gefahrenen Kurve, d. h. bei vernachlässigbarem Neigungswinkel und vernachlässigbarem Seitenschlupfwinkel, auf einem größeren Kurvenradius bewegt als das Hinterrad (siehe auch 3). Daher ist die Vorderradgeschwindigkeit größer als die Hinterradgeschwindigkeit.
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Hierbei ist es wichtig, dass die vorgenannten Effekte in zuverlässiger Weise von einer tatsächlichen Änderung der Fahrzeuggeschwindigkeit unterschieden werden.
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Bei Motorrädern, Rollern oder Fahrrädern mit Elektromotor, etwa einem Naben- oder Mittelmotor, ist die Raddrehzahl in der Regel proportional zur Motordrehzahl. Der Elektromotor enthält häufig einen Sensor zur Messung des Rotorwinkels gegenüber dem Stator, der für den grundsätzlichen Betrieb des Elektromotors erforderlich ist. Der Rotorwinkel kann zur Berechnung der Rotordrehzahl oder auch der Raddrehzahl verwendet werden. Ein Anstieg dieses Drehzahlsignals kann dann ein Indiz für ein Kurvenmanöver oder eine Erhöhung des Lenkwinkels sein.
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Alternativ kann zur Bestimmung der Raddrehzahl ein gesonderter Raddrehzahlsensor verwendet werden.
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Ein zweiter Aspekt der Erfindung betrifft ein Steuergerät. Das Steuergerät umfasst einen Prozessor, der konfiguriert ist, um das Verfahren gemäß einer Ausführungsform des ersten Aspekts der Erfindung auszuführen. Merkmale des Verfahrens gemäß einer Ausführungsform des ersten Aspekts der Erfindung können auch Merkmale des Steuergeräts sein und umgekehrt.
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Das Steuergerät kann Hardware- und/oder Softwaremodule umfassen. Zusätzlich zum Prozessor kann das Steuergerät einen Speicher und Datenkommunikationsschnittstellen zur Datenkommunikation mit Peripheriegeräten umfassen.
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Ein dritter Aspekt der Erfindung betrifft ein Computerprogramm. Das Computerprogramm umfasst Befehle, die einen Prozessor bei Ausführung des Computerprogramms durch den Prozessor veranlassen, das Verfahren gemäß einer Ausführungsform des ersten Aspekts der Erfindung auszuführen.
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Ein vierter Aspekt der Erfindung betrifft ein computerlesbares Medium, auf dem das Computerprogramm gemäß einer Ausführungsform des dritten Aspekts der Erfindung gespeichert ist. Das computerlesbare Medium kann ein flüchtiger oder nicht flüchtiger Datenspeicher sein. Beispielsweise kann das computerlesbare Medium eine Festplatte, ein USB-Speichergerät, ein RAM, ROM, EPROM oder Flash-Speicher sein. Das computerlesbare Medium kann auch ein einen Download eines Programmcodes ermöglichendes Datenkommunikationsnetzwerk wie etwa das Internet oder eine Datenwolke (Cloud) sein.
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Merkmale des Verfahrens gemäß einer Ausführungsform des ersten Aspekts der Erfindung können auch Merkmale des Computerprogramms und/oder des computerlesbaren Mediums sein und umgekehrt.
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Ideen zu Ausführungsformen der vorliegenden Erfindung können unter anderem als auf den nachfolgend beschriebenen Gedanken und Erkenntnissen beruhend angesehen werden.
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Gemäß einer Ausführungsform kann ein zweiter Geschwindigkeitswert, der eine aktuelle Längsgeschwindigkeit des Motorrads anzeigt, aus dem ersten Geschwindigkeitswert und dem Drehmomentistwert bestimmt werden. Dabei kann der Neigungswinkelwert aus dem ersten Geschwindigkeitswert und dem zweiten Geschwindigkeitswert bestimmt werden. In diesem Kontext kann der erste Geschwindigkeitswert beispielsweise eine aktuelle Drehgeschwindigkeit des ersten Rads anzeigen. Aus der aktuellen Längsgeschwindigkeit und der aktuellen Drehgeschwindigkeit kann dann beispielsweise ein effektiver Rollradius berechnet werden. Dieser kann bei Kurvenfahrten deutlich kleiner als bei der Geradeausfahrt sein. Unter Ausnutzung dieser Tatsache kann der Neigungswinkelwert besonders effizient berechnet werden.
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Gemäß einer Ausführungsform kann der Neigungswinkelwert gemäß der folgenden Formel bestimmt werden:
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Dabei steht ϕ für den Neigungswinkelwert, ωr für den ersten Geschwindigkeitswert, vx für den zweiten Geschwindigkeitswert, rw, für einen vorgegebenen Radradius und tc für eine vorgegebene Radbreite. Der Quotient vx/ωr kann auch als effektiver Rollradius bezeichnet werden. Bei dem vorgegebenen Radradius rw kann es sich um einen auf eine Reifenmitte bezogenen Radius des ersten und/oder zweiten Rads handeln. Ebenso kann die vorgegebene Radbreite tc auf die Reifenmitte bezogen sein und beispielsweise einer halben vorgegebenen Reifenbreite entsprechen. Diese Ausführungsform ermöglicht eine Berechnung des Neigungswinkels in Abhängigkeit von geometrischen Eigenschaften eines oder beider Räder oder Reifen des Motorrads. Damit kann der Neigungswinkel besonders genau bestimmt werden.
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Gemäß einer Ausführungsform kann ein dritter Geschwindigkeitswert, der eine aktuelle Radgeschwindigkeit eines zweiten Rads des Motorrads anzeigt, aus dem ersten Geschwindigkeitswert und dem Drehmomentistwert bestimmt werden. Dabei kann der Lenkwinkelwert aus dem ersten Geschwindigkeitswert und dem dritten Geschwindigkeitswert bestimmt werden. Beispielsweise kann der erste Geschwindigkeitswert die aktuelle Radgeschwindigkeit eines angetriebenen (und lenkbaren) Vorderrads des Motorrads und der dritte Geschwindigkeitswert die aktuelle Radgeschwindigkeit eines nicht angetriebenen (und nicht lenkbaren) Hinterrads des Motorrads anzeigen. Möglich sind aber auch andere Konstellationen. Bei den aktuellen Radgeschwindigkeiten kann es sich hier beispielsweise um aktuelle Umfangsgeschwindigkeiten handeln. Auf diese Weise kann der Lenkwinkelwert besonders effizient bestimmt werden.
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Gemäß einer Ausführungsform kann der Lenkwinkelwert gemäß der folgenden Formel bestimmt werden:
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Dabei steht δ für den Lenkwinkelwert, vƒ für den ersten Geschwindigkeitswert und vr für den dritten Geschwindigkeitswert. Auf diese Weise kann der Rechenaufwand zum Ausführen des Verfahrens weiter reduziert werden.
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Gemäß einer Ausführungsform kann das Bestimmen des Neigungswinkelwerts und/oder des Lenkwinkelwerts nur dann erfolgen, wenn der erste Geschwindigkeitswert größer als der mindestens eine weitere Geschwindigkeitswert ist. Auf diese Weise kann die Bestimmung unplausibler Neigungs- und/oder Lenkwinkelwerte vermieden werden.
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Gemäß einer Ausführungsform kann ferner eine Bremsinformation, die eine Betätigung einer Bremsanlage des Motorrads anzeigt, empfangen werden. Dabei kann zum Bestimmen des mindestens einen weiteren Geschwindigkeitswerts ferner die Bremsinformation ausgewertet werden. Auf diese Weise kann die Bestimmung des Neigungs- und/oder Lenkwinkelwerts bei Bremsvorgängen verbessert werden. Die Bremsinformation kann beispielsweise einen hydraulischen Bremsdruck umfassen. Zusätzlich oder alternativ kann die Bremsinformation anzeigen, ob das Bremslicht des Motorrads eingeschaltet ist. Die Bremsinformation kann beispielsweise zusammen mit einem Gewicht des Motorrads und charakteristischen Parametern der Bremsanlage ausgewertet werden.
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Gemäß einer Ausführungsform kann ferner eine Fahrbahnneigungsinformation, die eine aktuelle Neigung einer Fahrbahn des Motorrads anzeigt, empfangen werden. Dabei kann zum Bestimmen des mindestens einen weiteren Geschwindigkeitswerts ferner die Fahrbahnneigungsinformation ausgewertet werden. Die Fahrbahnneigungsinformation kann beispielsweise durch Auswerten einer aktuellen Geschwindigkeit des Motorrads zusammen mit dem aktuellen Drehmoment des Antriebsmotors bestimmt worden sein. Auf diese Weise kann die Bestimmung des Neigungs- und/oder Lenkwinkelwerts weiter verbessert werden, insbesondere bei starken Änderungen der Neigung der Fahrbahn.
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Gemäß einer Ausführungsform kann ferner ein Beschleunigungswert, der eine aktuelle Beschleunigung des Motorrads anzeigt, empfangen werden. Dabei kann der mindestens eine weitere Geschwindigkeitswert ferner aus dem Beschleunigungswert bestimmt werden. Dadurch kann die Genauigkeit des Verfahrens weiter verbessert werden. Der Beschleunigungswert kann mittels eines Beschleunigungssensors zum Messen der Beschleunigung des Motorrads bereitgestellt worden sein. Der Beschleunigungswert kann die Beschleunigung des Motorrads in nur einer Raumrichtung, beispielsweise in dessen Fahrtrichtung, anzeigen. Dies hat den Vorteil, dass zur Bereitstellung des Beschleunigungswerts ein sehr einfacher und entsprechend kostengünstiger Beschleunigungssensor verwendet werden kann.
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Gemäß einer Ausführungsform kann das Verfahren ferner umfassen: Empfangen von Rotorpositionswerten, die eine aktuelle Position eines Rotors des Antriebsmotors anzeigen, in mehreren aufeinanderfolgenden Zeitschritten; Bestimmen des ersten Geschwindigkeitswerts aus dem Rotorpositionswert eines aktuellen Zeitschritts und dem Rotorpositionswert mindestens eines früheren Zeitschritts. Dadurch kann, sofern das Motorrad beispielsweise als Elektromotorrad, Elektroroller oder Elektrofahrrad ausgeführt ist, auf den Einsatz eines gesonderten Radgeschwindigkeitssensors verzichtet werden.
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Figurenliste
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Nachfolgend werden Ausführungsformen der Erfindung unter Bezugnahme auf die beigefügten Zeichnungen beschrieben, wobei weder die Zeichnungen noch die Beschreibung als die Erfindung einschränkend auszulegen sind.
- 1 zeigt ein Motorrad.
- 2 veranschaulicht verschiedene geometrische Größen eines Reifens des Motorrads aus 1.
- 3 veranschaulicht einen Lenkwinkel des Motorrads aus 1.
- 4 zeigt ein Steuergerät gemäß einem Ausführungsbeispiel der Erfindung.
- 5 zeigt ein Flussdiagramm zur Veranschaulichung eines Verfahrens gemäß einem Ausführungsbeispiel der Erfindung.
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Die Figuren sind lediglich schematisch und nicht maßstabsgetreu. Gleiche Bezugszeichen bezeichnen in den Figuren gleiche oder gleichwirkende Merkmale.
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Ausführungsformen der Erfindung
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1 zeigt ein Motorrad 1 mit einem Antriebsmotor 2 und einem Steuergerät 3 zum Ansteuern des Antriebsmotors 2. Der Antriebsmotor 2 kann ein erstes Rad 4 oder ein zweites Rad 5 des Motorrads 1 antreiben. Nachstehend wird unter dem ersten Rad 4 das Vorderrad und unter dem zweiten Rad 5 das Hinterrad verstanden. Eine Fahrbahn 6, auf der das Motorrad 1 fährt, ist mit einer horizontalen Linie angedeutet.
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2 zeigt eine Vorderansicht eines Reifens 8 des Motorrads 1 bei einer Kurvenfahrt. Eingezeichnet sind ein Neigungswinkel ϕ, ein vorgegebener Radradius rw, ein effektiver Rollradius reff und eine vorgegebene Reifenbreite tc.
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3 zeigt eine Draufsicht der beiden Räder 4, 5 bei einer Kurvenfahrt. Eingezeichnet sind ein Lenkwinkel δ relativ zu einer Längsachse 9, ein Vorderradkurvenradius Rƒ, ein Hinterradkurvenradius Rr sowie Richtungen einer Vorderradumfangsgeschwindigkeit vƒ und einer Hinterradumfangsgeschwindigkeit vr.
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Im Folgenden wird beispielhaft ein Verfahren beschrieben, das vom Steuergerät 3 ausgeführt werden kann, um den Antriebsmotor 2 in Abhängigkeit vom Neigungswinkel ϕ und/oder vom Lenkwinkel δ anzusteuern. Die nachstehend beschriebenen Verfahrensschritte sind in 5 in Form eines Flussdiagramms veranschaulicht.
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Die nachstehend beschriebenen Module des Steuergeräts 3 können in Software und/oder Hardware realisiert sein.
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Wie in 4 zu sehen, empfängt das Steuergerät 3 in einem Schritt S10 in einem Geschwindigkeitsbestimmungsmodul 10 einen ersten Geschwindigkeitswert 11 und einen Drehmomentistwert 12. Der erste Geschwindigkeitswert 11 zeigt eine aktuelle Radgeschwindigkeit eines der beiden Räder 4, 5 des Motorrads 1 an.
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Beispielsweise kann der erste Geschwindigkeitswert 11 eine aktuelle Hinterraddrehgeschwindigkeit ωr oder eine aktuelle Vorderradumfangsgeschwindigkeit vƒ anzeigen.
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Der Drehmomentistwert 12 zeigt ein aktuelles Drehmoment MIst an, das aktuell vom Antriebsmotor 2 erzeugt wird. Es ist möglich, dass der Drehmomentistwert 12 durch Auswerten eines aktuell durch den (elektrischen) Antriebsmotor 2 fließenden elektrischen Stroms in einem vereinfachten Motormodell bestimmt wird.
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In einem Schritt S20 bestimmt das Geschwindigkeitsbestimmungsmodul 10 durch Verarbeiten des ersten Geschwindigkeitswerts 11 und des Drehmomentistwerts 12 mindestens einen weiteren, geschätzten Geschwindigkeitswert.
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Beispielsweise wird hierbei ein zweiter Geschwindigkeitswert 13 bestimmt, der eine aktuelle Längsgeschwindigkeit vx des Motorrads 1, d. h. dessen aktuelle Geschwindigkeit in Richtung der Längsachse 9, anzeigt.
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Zusätzlich oder alternativ zum zweiten Geschwindigkeitswert 13 kann hierbei ein dritter Geschwindigkeitswert 14 bestimmt werden, der eine aktuelle Hinterradumfangsgeschwindigkeit vr am Hinterradaufstandspunkt anzeigt.
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Die Längsgeschwindigkeit vx bzw. die Hinterradumfangsgeschwindigkeit vr kann beispielsweise mithilfe eines Fahrzeugmodells geschätzt werden. Im einfachsten Fall kann das Fahrzeugmodell konfiguriert sein, um anhand des Drehmomentistwerts 12 zu überprüfen, ob ein Motormoment vorhanden ist oder nicht. Ist kein Motormoment vorhanden, so können beispielsweise gleiche Werte für die jeweils gemessene und jeweils geschätzte Geschwindigkeit angenommen werden.
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In einem Schritt S30 wird der zweite Geschwindigkeitswert 13 oder der dritte Geschwindigkeitswert 14 oder werden beide Geschwindigkeitswerte 13, 14 zusammen mit dem ersten Geschwindigkeitswert 11 in einem Winkelbestimmungsmodul 15 verarbeitet.
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Dabei bestimmt das Winkelbestimmungsmodul 15 aus dem ersten Geschwindigkeitswert 11 und dem zweiten Geschwindigkeitswert 13 einen Neigungswinkelwert 16, der den aktuellen Neigungswinkel ϕ anzeigt, bzw. aus dem ersten Geschwindigkeitswert 11 und dem dritten Geschwindigkeitswert 14 einen Lenkwinkelwert 17, der den aktuellen Lenkwinkel δ anzeigt.
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Der Neigungswinkelwert 16 kann beispielsweise mithilfe eines Reifenmodells berechnet werden. Dabei kann zunächst der effektive Rollradius r
eff berechnet werden mit:
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Der Zusammenhang zwischen dem Neigungswinkel ϕ und dem effektiven Rollradius r
eff ist gegeben durch:
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Damit kann nun der Absolutwert des Neigungswinkels ϕ berechnet werden.
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Die Berechnung des Neigungswinkels ϕ sollte nur dann erfolgen, wenn
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Der Lenkwinkel δ kann hingegen unter Verwendung der folgenden geometrischen Beziehung berechnet werden:
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Dies liefert zwar nur den Absolutwert des Lenkwinkels δ, was aber für die meisten Anwendungen aufgrund der Symmetrie ausreichend sein dürfte.
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An dieser Stelle sollte eine erste Plausibilitätsprüfung durchgeführt werden, indem der Lenkwinkel δ nur dann berechnet wird, wenn vƒ > vr.
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In einem Schritt S40 wird der Neigungswinkelwert 16 oder der Lenkwinkelwert 17 oder werden beide Winkelwerte 16, 17 zusammen mit einem Drehmomentsollwert 18, der ein vom Fahrer des Motorrads 1 vorgegebenes Drehmoment MSoll anzeigt, das vom Antriebsmotor 2 erzeugt werden soll, in einem Drehmomentkorrekturmodul 19 verarbeitet, das als Ergebnis dieser Verarbeitung einen korrigierten Drehmomentsollwert 20 ausgibt, der je nach Neigungswinkel ϕ bzw. je nach Lenkwinkel δ größer oder kleiner als der Drehmomentsollwert 18 sein kann.
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Schließlich wird der korrigierte Drehmomentsollwert 20 in einem Schritt S50 in einem Steuerbefehlerzeugungsmodul 21 in einen entsprechenden Steuerbefehl 22 zum Ansteuern des Antriebsmotors 2 umgesetzt.
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Durch eine derartige neigungs- bzw. lenkwinkelbasierte automatische Korrektur einer Drehmomentvorgabe für den Antriebsmotor 2 kann insbesondere bei Kurvenfahrten die fahrdynamische Stabilität des Motorrads 1 deutlich verbessert werden und damit das Unfallrisiko deutlich gesenkt werden.
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Zur Berücksichtigung von Geschwindigkeitsänderungen ohne vorhandenes Motormoment, etwa beim Bremsen, kann zusätzlich eine Bremsinformation 23 im Geschwindigkeitsbestimmungsmodul 10 verarbeitet werden, die beispielsweise einen aktuellen hydraulischen Bremsdruck anzeigen kann. Dieser Bremsdruck kann, bei gegebener Fahrzeugmasse und gegebenen Eigenschaften der Bremsanlage, wie etwa den hydraulischen Übersetzungsverhältnissen oder der Bremsbelagreibung, zur Berechnung einer zu erwartenden Geschwindigkeitsänderung herangezogen werden. Auf diese Weise kann der Neigungswinkel ϕ bzw. der Lenkwinkel δ auch beim Bremsen zuverlässig bestimmt werden.
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Alternativ oder zusätzlich kann die Bremsinformation 23 den Schaltzustand eines Bremslichtschalters anzeigen. Es kann dann beispielsweise ein heuristischer Wert für die wahrscheinlichste Bremskraft zur Schätzung der jeweiligen Geschwindigkeit(en) verwendet werden.
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Zusätzlich können Geschwindigkeitsänderungen aufgrund von Änderungen der Neigung der Fahrbahn 6 berücksichtigt werden. Hierzu kann eine entsprechende Fahrbahnneigungsinformation 24 im Geschwindigkeitsbestimmungsmodul 10 verarbeitet werden. Die Fahrbahnneigungsinformation 24 kann beispielsweise als Ergebnis einer Auswertung von Motormoment- und Geschwindigkeitssignalen bereitgestellt werden.
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Die Geschwindigkeitsschätzung kann weiter verbessert werden, indem zusätzlich ein Beschleunigungswert 25, beispielsweise bereitgestellt von einem einzelnen Beschleunigungssensor zum Messen einer Beschleunigung in Fahrtrichtung des Motorrads 1, im Geschwindigkeitsbestimmungsmodul 10 verarbeitet wird.
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Abhängig vom Neigungswinkelwert 16 bzw. vom Lenkwinkelwert 17 kann im Steuerbefehlerzeugungsmodul 21 beispielsweise eine Drehmomentamplitude des gewünschten Drehmoments MSoll reduziert werden, etwa unter Verwendung einer Lookup-Tabelle mit entsprechenden Werten.
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Zusätzlich oder alternativ kann der Neigungswinkelwert 16 bzw. der Lenkwinkelwert 17 zur dynamischen Anpassung eines Filters zum Filtern des gewünschten Drehmoments MSoll oder eines dynamischen Ratenbegrenzers verwendet werden. Damit können abrupte Änderungen des gewünschten Drehmoments MSoll kompensiert werden.
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Die Werte der Lookup-Tabelle und/oder die Parameter des Filters bzw. des dynamischen Ratenbegrenzers können beispielsweise abhängig von einer aktuellen Geschwindigkeit des Motorrads 1 variiert werden.
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Die vorstehend beschriebene Drehmomentmodulation kann optional unter Berücksichtigung eines aktuellen Rekuperationsmoments ausgeführt werden.
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Abschließend wird darauf hingewiesen, dass Begriffe wie „aufweisend“, „umfassend“ etc. keine anderen Elemente oder Schritte ausschließen und Begriffe wie „eine“ oder „ein“ keine Vielzahl ausschließen. Bezugszeichen in den Ansprüchen sind nicht als Einschränkung anzusehen.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102016202466 A1 [0004]
- DE 102012222961 A1 [0005]