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Technisches Gebiet
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Die Erfindung betrifft Abgasnachbehandlungssysteme für Kraftfahrzeuge und insbesondere Verfahren zur Manipulationserkennung von Abgasnachbehandlungssystemen.
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Technischer Hintergrund
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Heutige SCR-Abgasnachbehandlungssysteme (SCR: Selective Catalytic Reduction) zur Denoxierung (Stickoxidreduktion durch Harnstoffeindüsung ins Abgas) verfügen über eine gesetzlich vorgeschriebene Überwachung der für einen fehlerfreien Betrieb relevanten Systemparameter (On-Board-Diagnose). Im Rahmen dieser On-Board-Diagnose wird durch das Steuergerät und dessen Software unter anderem eine Plausibilisierung der relevanten Systemparameter auf die Einhaltung von physikalisch sinnvollen Grenzwerten durchgeführt. So wird beispielsweise vermieden, dass ein unplausibler Abgastemperaturwert in die Berechnung der SCR-Betriebsstrategie eingeht.
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Für systeminhärente Parameter, deren Werte sich aus der Kombination verschiedener Stellgrößen der SCR-Regelung ergeben, wird darüber hinaus geprüft, ob sich nach einem Systemeingriff die erwartete Systemreaktion einstellt. So ist beispielsweise bei einer Erhöhung der Harnstoffdosiermenge unter definierten Bedingungen eine Senkung der Stickoxidemissionen, gemessen durch den Stickoxidsensor, zu erwarten. Falls die erwartete Reaktion nicht eintritt, können weitere Diagnosefunktionen zur Defekterkennung auf Komponentenebene starten.
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Technische Einrichtungen in Kraftfahrzeugen können in unerlaubter Weise manipuliert werden, um einen für den Fahrer vorteilhaften Betrieb zu erreichen. So kann eine Abgasnachbehandlungseinrichtung zur Leistungssteigerung des Motorsystems oder zur Reduzierung eines Materialverbrauchs, insbesondere von Harnstoff, manipuliert werden. Dies wird durch den Einsatz professionell hergestellter und bzgl. ihrer Funktion komplex agierender SCR-Emulatoren erreicht. Diese Emulatoren sind in der Lage, Sensor-/ Sollwerte, wie z.B. die Sensorgröße eines Systemdrucks in einem Fahrzeug, so zu verändern, dass das SCR-System nur eingeschränkt oder überhaupt nicht mehr aktiv ist. Dadurch lassen sich im Fahrzeugbetrieb der Wartungsaufwand reduzieren und Kosten für die Betankung von Harnstoff einsparen unter Inkaufnahme einer erhöhten Stickoxidemission. Die herkömmlichen Diagnosefunktionen werden mit den emulierten Sensorsignalen getäuscht, was eine Erkennung der Manipulation erschwert.
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In der Regel sind Verfahren zur Erkennung einer Manipulation regelbasiert. Regelbasierte Manipulationsüberwachungsverfahren haben den Nachteil, dass nur bekannte Manipulationsstrategien erkannt bzw. bekannte Manipulationen abgefangen werden können. Somit ist eine solche Verteidigungsstrategie blind für neuartige Manipulationen. Zudem ist es aufwendig, ein komplexes technisches System mit seinen Abhängigkeiten in einem Regelsystem zu erfassen und entsprechende Regeln für das Erkennen einer Manipulation zu erstellen.
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Beispielsweise sind für eine Abgasnachbehandlungseinrichtung aufgrund deren dynamischen Verhaltens die Betriebszustände vielfältig und können ggfs. insbesondere bei selten auftretenden Systemzuständen nicht zweifelsfrei dem Vorliegen einer Manipulation zugeordnet werden.
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Offenbarung der Erfindung
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Erfindungsgemäß sind ein Verfahren zum Betreiben einer Abgasnachbehandlungseinrichtung gemäß Anspruch 1, sowie ein Verfahren zum Trainieren eines Manipulationserkennungsmodells und eine Vorrichtung zum Betreiben einer Abgasnachbehandlungseinrichtung gemäß den nebengeordneten Ansprüchen vorgesehen.
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Weitere Ausgestaltungen sind in den abhängigen Ansprüchen angegeben.
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Gemäß einem ersten Aspekt ist ein Verfahren zum Betreiben einer Abgasnachbehandlungseinrichtung eines Motorsystems mit einem Verbrennungsmotor vorgesehen, mit folgenden Schritten:
- - Bereitstellen eines Verlaufs von Eingangsvektoren E aus Systemgrößen G und einer oder mehrerer Stellgrößen S innerhalb eines vorgegebenen zeitlichen Auswertungsintervalls;
- - Zuordnen einer Änderungspunktangabe zu dem Verlauf jedes Elements der Eingangsvektoren, sodass für jedes Element des Eingangsvektors und für jeden Zeitschritt des Auswertungsintervalls angegeben wird, ob ein Änderungspunkt vorliegt, der einen Zeitpunkt einer Änderung eines Betriebsverhaltens der Abgasnachbehandlungseinrichtung anzeigt,
- - Zuordnen einer Manipulationsangabe abhängig von der Änderungspunktangabe des betreffenden Auswertungsintervalls mithilfe eines datenbasierten Analysemodells, das trainiert ist, um abhängig von der Änderungspunktangabe für jedes Element des Eingangsvektors eine Manipulationsangabe bereitzustellen, die angibt, ob der Verlauf der Eingangsvektoren auf eine mögliche Manipulation zurückgeht;
- - Feststellen einer Manipulation abhängig von Manipulationsangaben eines oder mehrerer Auswertungsintervalle.
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Gemäß dem obigen Verfahren wird vorgeschlagen, ein Machine-Learning-Verfahren zu nutzen, um eine Manipulationserkennung einer Abgasnachbehandlungseinrichtung in einem Kraftfahrzeug vorzunehmen. Mithilfe eines datenbasierten Analysemodells wird ein Normalverhalten der zugrunde liegenden Abgasnachbehandlungseinrichtung erlernt und eine Abweichung von ihrem Normalverhalten als Folge einer Manipulation betrachtet.
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Mit Hilfe von Deep-Learning-Verfahren können selbstständig Abhängigkeiten und Eigenschaften der Abgasnachbehandlungseinrichtung, die für die zugrunde liegende Manipulationserkennung wichtig sind, erkannt werden.
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Weiterhin können die Systemgrößen eine oder mehrere der folgenden Größen umfassen: eine stromaufwärtige und stromabwärtige Abgastemperatur, eine stromaufwärtige und stromabwärtige NOx-Konzentration, ein momentanes Motormoment, eine momentane Luftfüllung des Verbrennungsmotors, eine Drehzahl des Verbrennungsmotors, eine eingespritzte Kraftstoffmenge des Verbrennungsmotors, einen Druck im Abgassystem, eine NH3-Konzentration, eine Sauerstoffkonzentration im Verbrennungsabgas, eine DeNOX-Effizienz, eine Motortemperatur, ein Fahrerwunschmoment, eine Fahrzeuggeschwindigkeit, einen Umgebungsdruck, eine Umgebungstemperatur, eine gewählte Fahrstufe, ein Fahrzeuggewicht, eine Stellung eines Abgasrückführungsventils, und eine Rußmenge im Verbrennungsabgas, und/oder wobei die eine oder die mehreren Stellgrößen eine Stellgröße für das Eindüssystem für Harnstoff umfasst.
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Es kann vorgesehen sein, dass der Verlauf des Eingangsvektors mithilfe eines datenbasierten Klassifikationsmodells verarbeitet wird, um eine Änderungspunktmatrix zu erhalten, die für jedes Element des Eingangsvektors einen Klassifikationsvektor beinhaltet, der für jeden Zeitschritt des Verlaufs des Eingangsvektors eine entsprechende Änderungspunktangabe bereitstellt, wobei ein Indexwert der Änderungspunktangabe einen Zeitpunkt eines Änderungspunkts und die Höhe des Elements des Indexwerts eine Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Änderungspunkts zu dem betreffenden Zeitpunkt angibt.
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Gemäß einer Ausführungsform kann der Verlauf des Eingangsvektors mithilfe eines datenbasierten Klassifikationsmodells verarbeitet werden, um eine Änderungspunktmatrix zu erhalten.
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Eine Manipulation der Abgasnachbehandlungseinrichtung kann abhängig von der Häufigkeit von Auswertungsintervallen, denen eine Manipulationsangabe zugeordnet wird, die angibt, ob der Verlauf der Eingangsvektoren auf eine mögliche Manipulation zurückgeht, bezüglich der gesamten ausgewerteten Auswertungsintervalle festgestellt werden.
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Es kann eine Änderungspunktangabe zu dem Verlauf jedes Elements durch Feststellen einer sprunghaften Änderung eines Werts des entsprechenden Elements bzw. eines Gradienten der Zeitreihe des entsprechenden Elements, eines Nulldurchgangs des Werteverlaufs des entsprechenden Elements, eines Erreichens oder Über- oder Unterschreiten eines Schwellenwerts durch das entsprechende Element bestimmt werden.
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Gemäß einem weiteren Aspekt ist ein Verfahren zum Trainieren eines Manipulationserkennungsmodells vorgesehen, mit folgenden Schritten:
- - Vermessen einer Abgasnachbehandlungseinrichtung, um mehrere Systemgrößen und eine oder mehrere Stellgrößen zu bestimmen, die einen Eingangsvektor bilden, wobei ein Verlauf des Eingangsvektors innerhalb eines vorgegebenen Auswertungsintervalls bestimmt wird;
- - Zuordnen einer Manipulationsangabe als Label zu dem Verlauf des Eingangsvektors;
- - Ermitteln einer Änderungspunktangabe, die für jedes Element und für jeden Zeitschritt des Auswertungsintervalls angibt, ob ein Änderungspunkt vorliegt, abhängig von der Änderungspunktangabe;
- - Trainieren des datenbasierten Analysemodells abhängig von der Änderungspunktangabe und der der Änderungspunktangabe zugrunde liegenden zugeordneten Manipulationsangabe.
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Gemäß einer Ausführungsform kann der Verlauf der Eingangsvektoren durch ein Datenaugmentierungsverfahren oder durch ein Bucket-Sampling aus einem Verlauf von höherfrequent erfassten Abtastvektoren ermittelt werden.
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Zur Ermittlung der Änderungspunktangabe kann ein datenbasiertes Klassifikationsmodell mit Trainingsdatensätzen trainiert werden, wobei jeder der Trainingsdatensätze den Verlauf des Eingangsvektors einer vorgegebenen Änderungspunktangabe als Label zuordnen, wobei das Trainieren des Klassifikationsmodells insbesondere einen Loss berücksichtigt, der von dem Abstand zwischen der durch das Klassifikationsmodell angegebenen Klasse zur Klasse des tatsächlichen Änderungspunkts abhängt.
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Das Trainieren des datenbasierten Analysemodells kann abhängig von einer aus dem Verlauf des Eingangsvektors bestimmten Änderungspunktangabe und einer dem Verlauf der Eingangsvektoren zugeordneten Manipulationsangabe durchgeführt werden.
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Gemäß einer Ausführungsform kann das Trainieren des datenbasierten Analysemodells mithilfe von echten Trainingsdatensätzen, die jeweils einen Verlauf eines Eingangsvektors einer Manipulationsangabe für das betreffende Auswertungsintervall zuordnen, und mithilfe von künstlich erzeugten Trainingsdatensätzen, die jeweils einen künstlich erzeugten Verlauf des Eingangsvektors einer Manipulationsangabe zuordnen, die angibt, dass eine Änderung des Betriebsverhaltens vorliegt, durchgeführt werden, wobei das Training entsprechend einem adversarialem Ansatz durchgeführt wird.
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Figurenliste
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Ausführungsformen werden nachfolgend anhand der beigefügten Zeichnungen näher erläutert. Es zeigen:
- 1 eine schematische Darstellung einer Abgasnachbehandlungseinrichtung eines Verbrennungsmotors;
- 2 eine Blockdarstellung einer Manipulationserkennungsfunktion zur Durchführung in einem Steuergerät für die Abgasnachbehandlungseinrichtung der 1;
- 3 ein Flussdiagramm zur Veranschaulichung eines Verfahrens zur Manipulationserkennung der Abgasnachbehandlungseinrichtung der 1;
- 4 ein Flussdiagramm zur Veranschaulichung eines Verfahrens zum Trainieren eines Manipulationserkennungsmodells für eine Abgasnachbehandlungseinrichtung; und
- 5 ein Diagramm zur Veranschaulichung eines Bucket-Sampling zum Generieren von Trainingsdatensätzen.
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Beschreibung von Ausführungsformen
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1 zeigt eine schematische Darstellung einer Abgasnachbehandlungseinrichtung 2 für ein Motorsystem 1 mit einem Verbrennungsmotor 3. Die Abgasnachbehandlungseinrichtung 2 ist zur Abgasnachbehandlung von Verbrennungsabgasen des Verbrennungsmotors 3 ausgelegt. Der Verbrennungsmotor 3 kann als Dieselmotor ausgebildet sein.
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Die Abgasnachbehandlungseinrichtung 2 weist einen Partikelfilter 21 und einen SCR-Katalysator 22 auf. Stromaufwärts des Partikelfilters 21, stromabwärts des Partikelfilters 21 und stromabwärts des SCR-Katalysators 22 wird die Abgastemperatur mit einem jeweiligen Temperatursensor 23, 24, 25 und stromaufwärts und stromabwärts des SCR-Katalysators 22 der NOx-Gehalt mit einem jeweiligen NOx-Sensor 26, 27 gemessen und in einer Steuereinheit 4 verarbeitet. Die Sensorsignale werden als Systemgrößen G bzw. als Teil der Systemgrößen G der Steuereinheit 4 bereitgestellt.
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Es sind ein Harnstoffreservoir 51, eine Harnstoffpumpe 52 und ein steuerbares Eindüssystem 53 für den Harnstoff vorgesehen. Das Eindüssystem 53 ermöglicht es, gesteuert durch die Steuereinheit 4 mithilfe einer Stellgröße S Harnstoff in vorbestimmter Menge stromaufwärts des SCR-Katalysators 22 in das Verbrennungsabgas zuzuführen.
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Die Steuereinheit 4 steuert nach bekannten Verfahren die Zufuhr von Harnstoff stromaufwärts des SCR-Katalysators 22 durch Vorgabe einer Stellgröße für das Eindüssystem 53, um eine bestmögliche Katalysation des Verbrennungsabgases zu erreichen, sodass der Stickoxidgehalt möglichst reduziert wird.
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Herkömmliche Manipulationsvorrichtungen manipulieren Sensorsignale, die als Systemgrößen G in der Steuereinheit 4 berücksichtigt werden, und/oder Stellsignale S, um den Verbrauch von Harnstoff zu reduzieren oder vollständig zu stoppen.
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Zwar können derartige Manipulationen durch regelbasiertes Überwachen von Betriebszuständen der Abgasnachbehandlungseinrichtung 2 erkannt werden, jedoch können nicht alle entsprechenden unerlaubten Betriebszustände auf diese Weise überprüft werden. Daher wird ein Manipulationserkennungsverfahren basierend auf einem Manipulationserkennungsmodell vorgeschlagen. Dies kann regelmäßig, kontinuierlich oder zu vorbestimmten Zeitpunkten in der Steuereinheit 4 ausgeführt werden. Das Verfahren kann in der Steuereinheit 4 als Software und/oder Hardware implementiert sein.
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Das Verfahren zur Manipulationserkennung wird nachfolgend in Verbindung mit dem Blockdiagramm der 2 und dem Flussdiagramm der 3 näher beschrieben.
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In Schritt S1 werden Zeitreihen von Eingangsvektoren E aus Systemgrößen G und einer oder mehrerer Stellgrößen S, insbesondere der Stellgröße für das Eindüssystem 53 für den Harnstoff, erfasst. Dies erfolgt mithilfe von Sensoren, wie z.B. einer oder mehrere der Temperatursensoren 23, 24, 25 und einen oder mehrere der NOx-Sensoren 26, 27, und Ausgaben der Steuereinheit 4. Die Erfassung der Systemgröße G und der Stellgröße S erfolgt mit einer entsprechenden Erfassungseinheit 41. Die Erfassungseinheit 41 generiert eine Zeitreihe von Eingangsvektoren E, die jeweils aus Systemgrößen G und der Stellgröße S gebildet sind.
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Die Systemgrößen S können eine oder mehrere der folgenden Größen umfassen: die obigen Abgastemperaturen, die obigen NOx-Konzentrationen, ein momentanes Motormoment, eine momentane Luftfüllung des Verbrennungsmotors 3, eine Drehzahl des Verbrennungsmotors 3, eine eingespritzte Kraftstoffmenge des Verbrennungsmotors 3, einen Druck im Abgassystem, eine NH3 Konzentration, eine Sauerstoffkonzentration im Verbrennungsabgas, eine DeNOX-Effizienz (DeNOx Effizenz wird anhand der NOx Konzentrationen vor und nach dem SCR Katalysator ermittelt), eine Motortemperatur, ein Fahrerwunschmoment, z. B. vorgegeben durch eine Fahrpedalstellung, eine Fahrzeuggeschwindigkeit, einen Umgebungsdruck, eine Umgebungstemperatur, eine gewählte Fahrstufe der Gangschaltung, ein Fahrzeuggewicht, eine Stellung eines Abgasrückführungsventils, und eine Rußmenge im Verbrennungsabgas.
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Mithilfe des Manipulationserkennungsmodells wird die Zeitreihe der Eingangsvektoren E (gebildet aus Systemgrößen G und der Stellgröße S) jeweils in einem Auswertungsintervall ausgewertet, um eine Anomalie des Verhaltens der Abgasnachbehandlungseinrichtung 2 in dem Auswertungsintervall zu erkennen.
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Die Erfassung der Systemgrößen G und der Stellgrößen S der Eingangsvektoren E erfolgt in Schritt S2 gemäß einer Abtastrate von z. B. zwischen 0,1 und 5 Mikrosekunden, wobei in Schritt S3 nachfolgend in einem Downsamplingblock 42 daraus die Zeitreihe der Eingangsvektoren E' generiert wird mit einer geringeren Samplingrate von beispielsweise von 4 und 100 Mikrosekunden. Das Downsampling kann beispielsweise durch Mittelwertbildung der jeweiligen Systemgrößen G oder Stellgröße S in aufeinanderfolgenden Zeitfenstern erfolgen. Auch andere Möglichkeiten die Sampling-Rate für die Eingangsvektoren E' zu reduzieren, sind aus dem Stand der Technik bekannt und werden hierin nicht näher erläutert.
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Nachfolgend werden in Schritt S4 die downgesampelten Eingangsvektoren E' einem Manipulationserkennungsmodell 43 zugeführt. Das Manipulationserkennungsmodell 43 umfasst ein Klassifikationsmodell 44, das eine Matrix aus den Eingangsvektoren E', d.h. die Systemgrößen G und die Stellgrößen S, für die Anzahl von Zeitschritten innerhalb des betrachteten Auswertungsintervalls, eingangsseitig erhält und verarbeitet, um sogenannte Änderungspunkte innerhalb des betrachteten Auswertungsintervalls zu erkennen. Das Klassifikationsmodell 44 stellt ausgangsseitig für jeden Zeitschritt einen Klassifikationsvektor K bereit, die angibt, ob in dem betreffenden Zeitschritt ein Änderungspunkt aufgetreten ist. Somit entspricht jeder Zeitschritt einer Klasse. Es wird somit für jedes Element des Klassifikationsvektors K in dem betrachteten Auswertungsintervall eine Angabe bereitgestellt, die einer Wahrscheinlichkeit entspricht bzw. diese angibt, mit der ein Änderungspunkt an dem betreffenden Zeitschritt in dem Auswertungsintervall vorliegt. Somit entsprechen die Elemente des Klassifikationsvektors K einem zeitlichen Verlauf einer Wahrscheinlichkeit des Vorliegens eines Änderungspunkts basierend auf dem zeitlichen Verlauf der Eingangsvektoren E' aus Systemgrößen G und Stellgrößen S.
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Die entsprechenden Klassifikationsvektoren K von aufeinanderfolgenden Auswertungsintervallen werden nun in Schritt S5 in einem datenbasierten, trainierten Analysemodell 45 ausgewertet. Das Analysemodell 45 ist ausgebildet, um jedem Klassifikationsvektor A eine Manipulationsangabe M zuzuordnen.
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In einem Manipulationserkennungsblock 46 werden in Schritt S6 die Manipulationsangaben M aus aufeinanderfolgenden Auswertungsintervallen gesammelt. Eine Manipulation kann entsprechend einer Häufigkeit von Auswertungsintervallen, in denen eine Manipulation erkannt worden ist, erkannt werden. Übersteigt der Anteil der Auswertungsintervalle mit einer erkannten Manipulation bezogen auf die Gesamtanzahl von Auswertungsintervallen zum Beispiel während eines Fahrzyklus einen vorgegebenen Schwellenwert, so kann auf eine Manipulation geschlossen werden.
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Somit kann durch einen Schwellwertvergleich eines vorgegebenen Anteils von erkannten Manipulationen mit einem Anteilsschwellenwert in Schritt S7 festgestellt werden, in welchem zeitlichen Anteil der Betriebszeit seit Betriebsbeginn bzw. seit Beginn eines Fahrzyklus mögliche Manipulationen erkannt wurde. Überschreitet dieser Wert des Anteils den vorgegebenen Anteilsschwellenwert (Alternative: ja) kann auf einen Manipulationsversuch geschlossen werden und dieses entsprechend in Schritt S8 signalisiert werden. Die Signalisierung kann optisch oder akustisch erfolgen. Alternativ können nachgeordnete Funktionen bei Erkennung einer Manipulation aktiviert werden.
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Andernfalls (Alternative: nein) wird das Verfahren mit Schritt S1 fortgesetzt.
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In Verbindung mit dem Flussdiagramm der 4 wird nachfolgend ein mögliches Verfahren zum Trainieren des Manipulationserkennungsmodells näher beschrieben. Das Verfahren nutzt eine Vermessung des Abgasnachbehandlungssystems auf einem Prüfstand. Das Verfahren zum Trainieren wird des Weiteren in Verbindung mit dem Diagramm der 5 beschrieben.
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Dazu werden in Schritt S11 zunächst Verläufe einer oder mehrerer Systemgrößen G und einer oder mehrerer Stellgrößen S mit einer hohen Abtastrate in einem Abtastblock 51 erfasst und als Abtastvektoren A bereitgestellt. Die Erfassung der Systemgrößen G und der einen oder mehreren Stellgrößen S erfolgt durch Abtastung, wobei die Abtastfrequenz zwischen 0,5 und 5 MHz betragen kann. Die Abtastung erfolgt während eines vorgegebenen Auswertungsintervalls I, das ausreichend groß ist, wie beispielsweise 1 bis 30 Sekunden, d. h. während eines Zeitraums, in dem grundsätzlich das Vorliegen eines Manipulationsversuchs erkannt werden kann.
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Die so erfassten Zeitreihen von Abtastvektoren A (Systemgrößen G und Stellgrößen S) in dem vorgegebenen Auswertungsintervall I können für Auswertungsintervalle I mit einer Manipulation und ohne Manipulation bereitgestellt werden, sodass diesen jeweils eine Manipulationsangabe als Label bereitgestellt werden. Mit anderen Worten kann für jeden Verlauf der Abtastvektoren A in einem Auswertungsintervall I eine Manipulationsangabe bereitgestellt werden, die angibt, ob der betreffende Verlauf des Abtastvektors A für eine manipulierte oder nicht manipulierte Abgasnachbehandlungseinrichtung erfasst worden ist. D.h. die Label können angeben, ob die Abgasnachbehandlungseinrichtung auf dem Prüfstand manipuliert worden ist oder nicht. Insbesondere kann das Einsetzen einer Manipulation während des Vermessens innerhalb eines Auswertungsintervalls erfolgen, um einen entsprechenden Änderungspunkt in den zeitlichen Verläufen der Systemgrößen G und der Stellgröße S zu generieren.
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Zur Bestimmung von gelabelten Trainingsdatensätzen aus so ermittelten Zeitreihen werden die Abtastvektoren A in Schritt S12 in einer Verarbeitungseinheit eines Prüfstands in zeitlich gleichmäßig beabstandete Zeitfenster F unterteilt. Die Zeitfenster F weisen eine zeitliche Länge auf, die größer ist als die Abtastzykluszeiten Z entsprechend der Abtastfrequenz der Abtastvektoren A. Die Zeitfenster F weisen im Mittel eine zeitliche Abfolge auf, die der Rate der downgesampleten Abtastvektoren (Zeitreihenzykluszeit) entspricht. Die Dauer der Zeitfenster F kann zwischen 40 und 100 Mikrosekunden betragen, so dass in jedem Zeitfenster F zwischen 20 und 2000 Abgaswerte enthalten sein können. Die Zeitfenster F können unmittelbar aneinander angrenzen oder zeitlich voneinander beabstandet sein. Die Zeitfenster F sind ausreichend groß gewählt, so dass stets mehrere Abtastzeitpunkte der Abtastvektoren V umfasst werden.
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Wie in dem Diagramm der 5 veranschaulicht, werden zum Ermitteln von Trainingsdatensätzen in Schritt S13 aus den Abtastvektoren A für jedes Zeitfenster ein Eingangsvektor durch ein Datenaugmentierungsverfahren ermittelt. Die Abtastvektoren A können dazu in geeigneter Weise aggregiert werden.
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In einer Ausführungsform können die Eingangsvektoren E auch durch Bucket-Sampling bestimmt werden. Dazu werden aus den einem jeweiligen Zeitfenster F zugeordneten Abtastvektoren A innerhalb des Auswertungsintervalls I zufällig jeweils ein Abtastvektor V ausgewählt, sodass sich für die aufeinander folgenden Zeitfenster F innerhalb des Auswertungsintervalls I eine Zeitreihe von Eingangsvektoren als Trainingsdatenpunkte ergeben.
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Die zufällige Auswahl der Abtastvektoren A innerhalb der Zeitfenster F kann entsprechend einer Gleichverteilung über die in den Zeitfenstern F enthaltenen Abtastvektoren A oder gemäß einer Gauß-Verteilung oder einer anderen Verteilung vorgenommen werden, d. h., die zufällige Auswahl erfolgt basierend auf Wahrscheinlichkeiten einer Verteilung der Abtastvektoren A innerhalb der Zeitfenster F, die einer Gleichverteilung, einer Gauß-Verteilung oder einer anderen Verteilung entsprechen kann. Bei einer Gleichverteilung bedeutet dies, dass jeder Abtastvektor innerhalb des Zeitfensters F mit gleicher Wahrscheinlichkeit ausgewählt wird. Bei einer Gaußverteilung werden die in der Mitte des Zeitfensters F liegenden Abtastvektoren A mit höherer Wahrscheinlichkeit ausgewählt, als die am Rande des Zeitfensters F liegenden Abtastvektoren A.
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Somit können mit einer auf einem Prüfstand vermessenden Abgasnachbehandlungseinrichtung durch mehrfaches Durchführen des Bucket-Samplings eine große Anzahl von Trainingsdaten generiert werden, ohne wiederholt Vermessungen ausführen zu müssen. Das Verfahren kann mit in unterschiedlicher Weise manipulierten Abgasnachbehandlungseinrichtungen und ordnungsgemäßen Abgasnachbehandlungseinrichtungen durchgeführt werden, um entsprechende Trainingsdaten zu erhalten.
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In Schritt S14 können die erhaltenen Zeitreihen aus aufeinanderfolgenden Eingangsvektoren E, die sich aus den Abtastvektoren A desselben Auswertungsintervalls I ergeben, mit den Auswertungsintervallen I zugeordneten Änderungspunkt-Labeln versehen werden, um Trainingsdatensätze für das Klassifikationsmodell zu bilden. Den entsprechenden Zeitreihen sind weiterhin jeweils eine Manipulationsangabe bezüglich des zugrunde liegenden Verlaufs von Abtastvektoren A zugeordnet, die angeben, ob die entsprechenden Zeitreihen für ein manipulierte Abgasnachbehandlungseinrichtung oder eine nicht-manipulierte Abgasnachbehandlungseinrichtung ermittelt wurden.
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Das Änderungspunkt-Label für jede der so erhaltenen Zeitreihen aus aufeinanderfolgenden Eingangsvektoren E in Auswertungsintervallen entspricht einem Klassifikationsvektor, dessen Elemente den jeweiligen Zeitschritten des aus den Zeitfenstern F ausgewählten Abtastvektors A entsprechen. Die Indexwerte des Klassifikationsvektors entsprechen den Indexwerten der Reihenfolge der Zeitfenster in dem betrachteten Auswertungsintervall. Jedes Element gibt an, ob in dem betreffenden Zeitschritt (Zeitfenster) ein Änderungspunkt, d. h. eine Verhaltensänderung abweichend von einem Normalverhalten, aufgetreten ist. Somit entspricht jeder Zeitschritt einer Klasse. Ein Element des Klassifikationsvektors gibt somit an, ob in dem Zeitschritt, der dem Indexwert des Elements des Klassifikationsvektors zugeordnet ist, ein Änderungspunkt aufgetreten ist und ggfs. welcher Art der Änderungspunkt ist.
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Zum Bestimmen der Änderungspunkte werden die Zeitreihen der Eingangsvektoren elementweise analysiert. Änderungspunkte können durch beispielsweise sprunghafte Änderungen eines Werts bzw. eines Gradienten der Zeitreihe eines entsprechenden Elements, eines Nulldurchgangs des Werteverlaufs des entsprechenden Elements, eines Erreichens oder Über- oder Unterschreiten eines Schwellenwerts durch das entsprechende Element oder dergleichen angegeben werden. Je nach Art des Änderungspunkts kann für die Zeitreihe des betreffenden Elements des Eingangsvektors eine oder mehrere Arten von Änderungspunkten einem bestimmten Auswertezeitpunkt und einem unterschiedlichen Änderungspunkt-Label-Wert zugeordnet sein.
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Der Klassifikationsvektoren werden für jedes der Elemente des Eingangsvektors bestimmt, sodass eine Matrix aus den Klassifikationsvektoren für jedes Element des Eingangsvektors gebildet werden kann. Die Matrix weist eine Größe auf, die der Anzahl der Zeitschritte (Zeitfenster) pro Auswertungsintervall x Anzahl der Elemente des Eingangsvektors entspricht.
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Die Matrix der Klassifikationsvektoren wird in Schritt S15 dem datenbasierten Analysemodell 45 zugeführt, das trainiert wird, um der Matrix der Klassifikationsvektoren die Manipulationsangabe M zuzuordnen.
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Das Klassifikationsmodell 44 und das Analysemodell 45 des Manipulationserkennungsmodells 43 können jeweils als tiefes neuronales Netz, als Gaußprozessmodell oder als vergleichbares datenbasiertes und trainierbares Modell ausgebildet sein. Das Training des Manipulationserkennungsmodells 43 mit dem Klassifikationsmodell 44 und dem Analysemodell 45 kann durch separates Training des Klassifikationsmodells 44 und des Analysemodells 45 nacheinander in herkömmlicher Weise basierend auf den Trainingsdatensätzen vorgenommen werden.
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Dabei kann es für das Training des Klassifikationsmodells 44 vorteilhaft sein, den Abstand zwischen der durch die Prädiktion angegebenen Klasse zur Klasse des tatsächlichen Änderungspunkts in die Verlustfunktion hinzuzufügen. Damit werden Fehler der Prädiktion abhängig von dem zeitlichen Abstand des Zeitschritts des prädizierten Änderungspunkts und des Zeitschritts des tatsächlichen Änderungspunkts bewertet.
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In einer alternativen Ausführungsform kann das Analysemodell 45 auch mit einem generativen adversarialen Ansatz (GAN) trainiert werden. Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn nicht ausreichend Trainingsdatensätze vorhanden sind, die einen Änderungspunkt anzeigen.
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Dazu wird das Analysemodell 45 wechselweise mit echten Trainingsdatensätzen, zu denen auf dem Prüfstand eine Erfassung von Abtastvektoren A für manipulierte und nicht-manipulierte Abgasnachbehandlungseinrichtungen stattgefunden hat, und künstlich erzeugten Trainingsdatensätzen durchgeführt. Den echten Trainingsdatensätzen ist jeweils als Label die entsprechende Manipulationsangabe, wie oben beschrieben, zugeordnet.
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Den künstlich erzeugten Trainingsdatensätzen kann eine Manipulationsangabe zugeordnet werden, die eine manipulierte Abgasnachbehandlungseinrichtung anzeigt. Alternativ können die künstlich erzeugten Trainingsdatensätze nur dann verwendet werden, wenn diese durch das vortrainierte Manipulationserkennungsmodell als künstlich erkannt worden sind, d. h. die Zeitreihe des Eingangsvektors des künstlich erzeugten Trainingsdatensatzes wird mit dem Label einer Manipulationsangabe versehen, die eine Manipulation angibt.
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Die Zeitreihen der Eingangsvektoren der künstlich erzeugten Trainingsdatensätze können durch zufälliges zeitliches Verschieben der Zeitreihen der Elemente des Eingangsvektors bzw. durch zeitliches Verschieben der Zeitreihen der Klassifikationsvektoren Änderungspunkte in der Änderungspunkt-Matrix untereinander gebildet werden. Stimmt das?
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Zu allen Trainingsdatensätzen kann die Änderungspunkt-Matrix durch das Klassifikationsmodell erzeugt werden.
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Entsprechend dem adversarialen Ansatz wird nun das Analysemodell wechselweise mit echten Trainingsdatensätzen und künstliche erzeugten Trainingsdatensätzen trainiert.
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Dies ermöglicht es, dass das Analysemodell 45 besonders gut zwischen Änderungspunkt-Matrixen differenzieren kann, die einer ordnungsgemäßen Abgasnachbehandlungseinrichtung mit einer manipulierten Abgasnachbehandlungseinrichtung zugeordnet sind.
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Damit kann das Manipulationserkennungsmodell mit einer vergrößerten Trainingsdatenmenge trainiert werden.