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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Bestimmung mindestens einer chemischen und/oder physikalischen Prozessgröße eines Mediums mittels eines Feldgeräts, wobei das Feldgerät eine Sensoreinheit aufweist, welche dazu ausgestaltet ist, mindestens eine Messgröße des Mediums zu ermitteln, wobei das Feldgerät eine Elektronikeinheit aufweist, welche dazu ausgestaltet ist, anhand der mindestens einen Messgröße die mindestens eine Prozessgröße zu ermitteln.
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Feldgeräte in der Prozess- und Automatisierungstechnik dienen der Überwachung und/oder Bestimmung mindestens einer, beispielsweise chemischen und/oder physikalischen, Prozessgröße eines Mediums. Im Rahmen der vorliegenden Anmeldung werden im Prinzip alle Messgeräte als Feldgerät bezeichnet, die prozessnah eingesetzt werden und die prozessrelevante Informationen liefern oder verarbeiten. Eine Vielzahl solcher Feldgeräte wird von Firmen der Endress + Hauser-Gruppe hergestellt und vertrieben.
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Bei der von dem Feldgerät zu bestimmenden Prozessgröße kann es sich um den Füllstand, den Durchfluss, den Druck, die Temperatur, den pH-Wert, ein Redoxpotential, oder die Leitfähigkeit des jeweiligen Mediums handeln. Die der Bestimmung der Prozessgröße zugrundeliegenden unterschiedlichen, möglichen Messprinzipien sind aus dem Stand der Technik bekannt und werden hier nicht weiter erläutert. Feldgeräte zur Messung des Füllstands sind insbesondere als Mikrowellen-Füllstandsmessgeräte, Ultraschall-Füllstandsmessgeräte, zeitbereichsreflektometrische Füllstandsmessgeräte (TDR), radiometrische Füllstandsmessgeräte, kapazitive Füllstandsmessgeräte, konduktive Füllstandsmessgeräte und vibronische Füllstandsmessgeräte ausgestaltet. Feldgeräte zur Messung des Durchflusses dagegen arbeiten beispielsweise nach dem Coriolis-, Ultraschall-, Vortex-, thermischen und/oder magnetisch induktiven Messprinzip. Bei Druckmessgeräten handelt es sich bevorzugt um sogenannte Absolut-, Relativ- oder Differenzdruckgeräte.
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Ein Feldgerät umfasst typischerweise eine zumindest teilweise und/oder zumindest zeitweise mit dem Prozess in Berührung kommende Sensoreinheit und eine Elektronikeinheit, welche beispielsweise der Signalerfassung, Signalauswertung und/oder Signalspeisung dient. Die Elektronikeinheit des Feldgeräts ist typischerweise in einem Gehäuse angeordnet und verfügt zusätzlich über mindestens ein Anschlusselement zum Anschluss der Elektronikeinheit an die Sensoreinheit und/oder eine externe Einheit. Das Anschlusselement kann eine beliebige Verbindung sein, auch eine drahtlose Verbindung ist einsetzbar. Die Elektronikeinheit und die Sensoreinheit des Feldgeräts können in Form separater Einheiten mit getrennten Gehäusen oder als eine Einheit mit einem gemeinsamen Gehäuse ausgestaltet sein.
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In der Regel bestimmt und/oder überwacht die Sensoreinheit die mindestens eine Prozessgröße nicht direkt, sondern bestimmt und/oder überwacht stattdessen mindestens eine Messgröße, aus der die mindestens eine Prozessgröße mittels der Elektronikeinheit berechnet werden kann. Der mathematische Zusammenhang zwischen der mindestens einen Prozessgröße und der mindestens einen Messgröße wird dabei herstellerseitig im Rahmen einer sogenannten Kompensation überprüft, um herstellungsbedingte Abweichungen vom erwarteten mathematischen Zusammenhang aufzudecken und zu berücksichtigen. Dabei werden die Umgebungsbedingungen in der Umgebung des Feldgeräts eingestellt und die mindestens eine Messgröße in Abhängigkeit der Umgebungsbedingungen bestimmt. Die Umgebungsbedingungen sind beispielsweise Druck, Temperatur und/oder pH-Wert und umfassen in jedem Fall die mindestens eine Prozessgröße. Aus der Abhängigkeit der mindestens einen Messgröße von den Umgebungsbedingungen wird anschließend eine Kennlinie im Falle einer einzelnen Messgröße oder ein Kennlinienfeld im Falle von mindestens zwei Messgrößen ermittelt. Dabei dienen die bestimmten Messwerte als Stützstellen der Kennlinie bzw. des Kennlinienfeldes. Mittels einer an die Kennlinie oder das Kennlinienfeld angepassten Modellfunktion wird dann die Prozessgröße unter Prozessbedingungen bestimmt.
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Typischerweise werden nur einige definierte Umgebungsbedingungen für das Erstellen der Kennlinie oder des Kennlinienfelds eingestellt. Dies führt dazu, dass die Modellfunktion insbesondere außerhalb des Bereichs der Stützstellen teilweise stark fehlerbehaftet ist und falsche Werte für die mindestens eine Prozessgröße ausgibt. Beispielsweise kann die Modellfunktion entgegen der Erwartung ein nicht-monotones Verhalten außerhalb der Kennlinie oder des Kennlinienfeldes aufweisen.
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Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es daher, ein Verfahren anzugeben, welches eine korrekte, also fehlerfreie, Bestimmung der mindestens einen Prozessgröße mittels der Kennlinie oder des Kennlinienfeldes auf einfache Weise ermöglicht.
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Erfindungsgemäß wird die vorliegende Aufgabe gelöst durch ein Verfahren zur Bestimmung mindestens einer chemischen und/oder physikalischen Prozessgröße eines Mediums mittels eines Feldgeräts, wobei das Feldgerät eine Sensoreinheit aufweist, welche dazu ausgestaltet ist, mindestens eine Messgröße des Mediums zu ermitteln, wobei das Feldgerät eine Elektronikeinheit aufweist, welche dazu ausgestaltet ist, anhand der mindestens einen Messgröße die mindestens eine Prozessgröße zu ermitteln, wobei das Verfahren zumindest folgende Schritte vorsieht:
- - Bestimmen einer Vielzahl von Messwerten der mindestens einen Messgröße bei definierten Einstellungen der mindestens einen Prozessgröße,
- - Bilden einer Kennlinie oder eines Kennlinienfeldes aus den bestimmten Messwerten, welche als Stützstellen für die Kennlinie oder das Kennlinienfeld dienen,
- - Ermitteln mindestens einer weiteren Stützstelle außerhalb oder innerhalb der Kennlinie oder des Kennlinienfeldes durch Extrapolation oder Interpolation der bestimmten Messwerte,
- - Anpassen einer Modellfunktion an alle Stützstellen, und
- - Bestimmen der mindestens einen Prozessgröße anhand der Modellfunktion.
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Erfindungsgemäß wird die Kennlinie oder das Kennlinienfeld durch mindestens eine weitere Stützstelle erweitert, welche nicht experimentell bestimmt, sondern durch Extrapolation oder Interpolation der bestimmten Messwerte erhalten wird. Die Modellfunktion kann somit auf einfache Weise auf Anforderungen des Kunden und seiner Prozesse angepasst werden.
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Vor dem Einsatz eines Feldgeräts beim Kunden erfolgt in der Regel eine Kalibration des Feldgeräts. Benötigt der Kunde beispielsweise eine Kalibration auf einen Messwert, der 5-10% oberhalb der Spezifikation des Feldgeräts liegt, so ist die Bestimmung der Prozessgröße mittels des Feldgeräts in der Regel möglich, aber bisher meist fehlerbehaftet aufgrund der häufig auftretenden Abweichung der Modellfunktion vom erwarteten monotonen Verhalten. Durch Extrapolation der bestimmten Messwerte kann nun mindestens eine weitere Stützstelle gemäß den Kundenanforderungen ermittelt werden, so dass das Feldgerät wie vom Kunden gewünscht kalibriert werden kann.
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In ähnlicher Weise kann eine Kalibration des Kunden gefordert sein, bei der die Erwartungswerte der Prozessgröße zwischen entfernt voneinander liegenden Stützstellen liegt. Hier wird in dem erfindungsgemäße Verfahren mindestens eine weitere Stützstelle durch Interpolation ermittelt. Eine aufwändige, experimentelle Bestimmung eines zusätzlichen Messwerts entfällt.
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Darüber hinaus sind beim Einsatz des erfindungsgemäßen Verfahrens weniger bestimmte Messwerte für das Bilden der Kennlinie oder des Kennlinienfelds nötig als üblich, da weitere Stützstellen durch Extrapolation oder Interpolation der bestimmten Messwerte ergänzt werden können. Das erfindungsgemäße Verfahren ermöglicht somit eine Zeitersparnis gegenüber experimentellen Methoden zur Bestimmung von zusätzlichen Messwerten.
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In einer Weiterbildung des Verfahrens ist das Feldgerät ein Druckmessgerät, wobei als mindestens eine Prozessgröße ein Druck des Mediums und als mindestens eine Messgröße ein Widerstand und/oder eine Kapazität bestimmt werden. Der Druck des Mediums wird anhand eines Drucksensors bestimmt, welcher beispielsweise resistiv oder kapazitiv ausgestaltet ist. Da die vom Drucksensor bestimmten Messwerte temperaturabhängig sind, wird zusätzlich ein Messwert für die Temperatur mittels eines Temperatursensors, beispielsweise einem Widerstandsthermometer, bestimmt.
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Vorteilhafterweise beschreibt die Modellfunktion die Kennlinie oder das Kennlinienfeld durch ein Polynom.
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In einer weiteren Ausgestaltung entspricht die mindestens eine weitere Stützstelle einer Anforderung eines Kunden an das Feldgerät.
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Vorteilhafterweise wird die mindestens eine weitere Stützstelle mittels Modellbildung, Algorithmen oder einer Methode der künstlichen Intelligenz ermittelt. Dazu werden beispielsweise eine Vielzahl von Kennlinien oder Kennlinienfeldern von mehreren Feldgeräten ermittelt und als Grundlage für den Lernprozess der Methode der künstlichen Intelligenz oder die Modellbildung oder den Algorithmen verwendet. Hinsichtlich der Methode der künstlichen Intelligenz kann es sich sowohl um einen überwachten (engl. supervised) als auch um einen nicht-überwachten (engl. unsupervised) Lernprozess handeln.
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Bevorzugterweise erhält die mindestens eine weitere Stützstelle beim Anpassen der Modellfunktion eine andere Gewichtung als die durch die bestimmten Messwerte erhaltenen Stützstellen. Insbesondere wird die mindestens eine weitere Stützstelle geringer gewichtet als die durch die bestimmten Messwerte erhaltenen Stützstellen, da die mindestens eine weitere Stützstelle in Abhängigkeit von den bestimmten Messwerten ermittelt worden ist.
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Im Folgenden soll die Erfindung anhand der Figuren 1- 2 näher erläutert werden. Sie zeigen:
- 1: eine schematische Darstellung eines Feldgeräts, bei welchem das erfindungsgemäße Verfahren einsetzbar ist.
- 2: ein Schema eines Kennlinienfeldes zur Bestimmung des Drucks eines Mediums.
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Das erfindungsgemäße Verfahren zur Bestimmung mindestens einer chemischen und/oder physikalischen Prozessgröße eines Mediums ist bei allen Arten von Feldgeräten einsetzbar. Eine beispielhafte, nichtbeschränkende Auswahl an Feldgeräten wurde in der Einleitung aufgezählt.
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1 zeigt schematisch ein Feldgerät 2, welches mindestens eine chemische und/oder physikalische Eigenschaft eines Mediums 1 bestimmt. Das Medium 1 ist beispielsweise in einem Behälter 5 angeordnet. Das Feldgerät 2 weist eine Sensoreinheit 3 und eine Elektronikeinheit 4 auf. Im Beispiel der 1 sind die Sensoreinheit 3 und die Elektronikeinheit 4 in einem gemeinsamen Gehäuse angeordnet. Alternativ können getrennte Gehäuse für die Sensoreinheit 3 und die Elektronikeinheit 4 vorgesehen sein, oder die beiden Einheiten können räumlich getrennt voneinander angeordnet sein. Die Sensoreinheit 3 ist dazu ausgestaltet, mindestens eine Messgröße des Mediums 1 zu ermitteln, und die Elektronikeinheit 4 ist dazu ausgestaltet, die mindestens eine Prozessgröße anhand der mindestens einen Messgröße zu ermitteln. Beispielsweise ist das Feldgerät 2 ein Druckmessgerät. Die Prozessgröße ist demzufolge der Druck des Mediums 1 und als mindestens eine Messgröße wird ein Widerstand und/oder eine Kapazität bestimmt.
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In 2 ist ein beispielhaftes Kennlinienfeld zur Bestimmung des Drucks eines Mediums 1 dargestellt. Die x- und y-Achsen entsprechen den beiden Messgrößen Kapazität und Widerstand, welche jeweils von einem im Druckmessgerät angeordneten Drucksensor und einem Temperatursensor stammen. Auf der z-Achse ist der Druck des Mediums 1 als Prozessgröße aufgetragen. Die gepunkteten Linien zeigen die Projektion der Messwerte Sij in der xy-Ebene an.
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Im erfindungsgemäßen Verfahren wird zunächst eine Vielzahl an Messwerten Sij der mindestens einen Messgröße bei definierten Einstellungen der mindestens einen Prozessgröße bestimmt, welche anschließend als Stützstellen eine Kennlinie oder ein Kennlinienfeld bilden. Durch Extrapolation oder Interpolation der bestimmten Messwerte Sij wird in einem nächsten Schritt mindestens eine weitere Stützstelle Eij, Iij ermittelt. Beispielsweise sind die Stützstellen E01, E02, E03 und E04 durch Extrapolation ermittelt worden. Als durch Interpolation ermittelte Stützstellen sind beispielsweise I11 und I31 gezeigt, welche jeweils zwischen mindestens zwei bestimmten Messwerten Sij angeordnet sind. Optional entspricht die mindestens eine weitere Stützstelle Eij, Iij einer Anforderung eines Kunden an das Feldgerät 2. Beispielsweise wird die mindestens eine weitere Stützstelle Eij, Iij mittels Modellbildung, Algorithmen oder einer Methode der künstlichen Intelligenz ermittelt. Danach wird an alle Stützstellen Sij, Eij, Iij eine Modellfunktion angepasst, anhand welcher schließlich die Prozessgröße bestimmt wird. Die Modellfunktion beschreibt die Kennlinie oder das Kennlinienfeld beispielsweise durch ein Polynom. Optional erhält die mindestens eine weitere Stützstelle Eij, Iij beim Errechnen der Korrekturfunktion eine andere Gewichtung als die durch die bestimmten Messwerte erhaltenen Stützstellen Sij. Durch die unterschiedlichen Gewichtungen lassen sich die Stützstellen in Relation zueinander bewerten und beispielsweise ein Fehler der bestimmten Messwerte oder der mindestens einen Stützstelle berücksichtigen.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Medium
- 2
- Feldgerät
- 3
- Sensoreinheit
- 4
- Elektronikeinheit
- 5
- Behälter
- Sij
- Stützstelle (bestimmter Messwert)
- Eij
- durch Extrapolation ermittelte Stützstelle
- Iij
- durch Interpolation ermittelte Stützstelle