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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Ermittlung der bruchmechanischen Beanspruchung mindestens eines Risses bei Belastung eines Bauteils, sowie eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens und ein Computerprogrammprodukt und die Verwendung des Verfahrens, des Computerprogrammprodukts und der Vorrichtung.
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Die Bruchmechanik untersucht das Versagen rissbehafteter Bauteile bzw. die Ausbreitung von Rissen unter statischen und zyklischen Beanspruchungen. Je nach Eigenschaften der untersuchten Werkstoffe werden verschiedene bruchmechanische Konzepte genutzt. Die linearelastische Bruchmechanik (LEBM) eignet sich besonders für spröde Werkstoffe. Die Fließbruchmechanik (FBM) hingegen wird vor allem bei duktilen Werkstoffen verwendet.
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Neben einer Unterscheidung der bruchmechanischen Konzepte erfolgt eine Unterscheidung nach der Beanspruchung. Einachsige Beanspruchungen von Bauteilen werden häufig an Prüfkörpern mit genormten Probendesigns untersucht. Die Auslegung und Bewertung mehrachsig beanspruchter Bauteile basiert häufig auf den Erkenntnissen der einachsigen Werkstoffprüfung. Bei mehrachsiger, zyklischer Beanspruchung wird zwischen mehrachsiger, phasengleicher und mehrachsiger, phasenverschobener Beanspruchung unterschieden, die zu abknickenden oder verzweigenden Risspfaden führen kann. Mittels der planar-biaxialen Ermüdungsprüfung können beispielsweise derartige Beanspruchungen untersucht werden. Hierbei ist nachteilig, dass kein genormtes Probendesign verfügbar ist, so dass keine risslängen- und startkerborientierungsabhängigen Geometriefaktoren bzw. keine risslängen- und startkerborientierungsabhängigen Geometriefunktionen zur Berechnung der Spannungsintensitätsfaktoren K bzw. deren Schwingbreite ΔK existieren. Daraus resultiert die Notwendigkeit, für jedes Material, für jeden Risspfad, bei jeder Probenabmessung und bei jedem Probendesign die Spannungsintensitätsfaktoren K und ΔK beispielsweise mittels der Methode der Finiten Elemente (FE) zu ermitteln. Dies ist zeitaufwändig und wird daher nicht immer durchgeführt.
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JP 2015 138 020 A offenbart eine Dehnungsmessstreifenanordnung zur Messung des Spannungsintensitätsfaktors und ein Verfahren zur Berechnung des Spannungsintensitätsfaktors. Die vier Dehnungsmessstreifen weisen jeweils eine bogenförmige Form auf und sind in zwei verschiedenen Abständen entlang des Radius, ausgehend von der Rissspitze, um die Rissspitze herum angeordnet. In einer Wheatstone'schen Brückenschaltung werden jeweils ein Dehnmessstreifen an einer Seite und drei feste Widerstände an den anderen drei Seiten integriert. Der Spannungsintensitätsfaktor K
II wird mit den aus der Wheatstone'schen Brückenschaltung ermittelten Dehnungen der Dehnmesstreifen, einer Materialkonstante J
1 und den Geometriefaktoren Q
1 und Q
2 berechnet. Nachteilig ist, dass eine Messung der Dehnungen bei abknickenden oder verzweigenden Risspfaden schwer möglich ist. Für jede Messstelle müssen hierfür die Dehnungsmessstreifen appliziert werden. Folglich müssen bei einem Rissfortschritt die Dehnungsmessstreifen jeweils entfernt und neu appliziert werden. Hierfür werden ebene Oberflächen im Bereich der Rissspitze benötigt.
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EP 1 088 213 B1 offenbart ein Verfahren zum Messen der Öffnung der Kanten eines Risses gleichzeitig mit seinem Wachstum. Dabei sind jeweils zwei durchgängige Öffnungen neben dem Riss vorgesehen, durch die Teile eines Lichtstrahls hindurchscheinen. Die Bewegungen der durchscheinenden Lichtstrahlen werden mittels planarer Photodetektoren aufgefangen und gemessen. Nachteilig ist hierbei, dass jeweils durchgängige Öffnungen neben einem zu untersuchenden Riss eingebracht werden müssen.
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CN111398057A offenbart ein Verfahren zur Bestimmung von Spannungsintensitätsfaktoren mittels digitaler Bildkorrelation (DIC) durch eine Auswertung von Verschiebungspfaden um die Rissspitze. Hierbei erfolgt eine Auswertung mittels J-Integrals. Nachteilig an diesem Verfahren ist, dass es lediglich für Standardproben unter einachsiger Beanspruchung angewendet werden kann und die Beanspruchung P bzw. σ bekannt sein muss.
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JP 2002 350 310 A offenbart ein Verfahren zur präzisen Berechnung von Spannungsintensitätsfaktoren durch eine Fehlerabschätzung von mittels FE-Rechnung bestimmten Spannungsintensitätsfaktoren. Hierfür erfolgt eine Auswertung des Verschiebungsfeldes um die Rissspitze. Nachteilig ist hier, dass die Spannungsintensitätsfaktoren hierfür bereits bekannt sein müssen und das Verfahren auf den Ergebnissen der FE-Rechnung basiert.
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Aufgabe der Erfindung ist es daher, ein Verfahren zur Ermittlung der bruchmechanischen Beanspruchung eines Risses in einem Bauteil anzugeben, welches die Nachteile aus dem Stand der Technik überwindet, indem es ohne zeitaufwändige FE-Berechnungen auskommt, eine in-situ-Ermittlung der bruchmechanischen Beanspruchung realer Bauteile und eine gemeinsame Charakterisierung von Mode I, Mode II, Mode III und Mixed Mode-Spannungsintensitätsfaktoren ermöglicht.
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Die Aufgabe wird gelöst mit einem Verfahren gemäß Anspruch 1. Weiterhin wird die Aufgabe gelöst durch ein Computerprogrammprodukt gemäß Anspruch 8 und eine Vorrichtung gemäß Anspruch 11. Vorteilhafte Ausgestaltungen geben jeweils die Unteransprüche an.
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Erfindungsgemäß umfasst ein Verfahren zur Ermittlung der bruchmechanischen Beanspruchung mindestens eines Risses bei Belastung eines Bauteils mindestens die folgenden Schritte:
- a) Bereitstellen des zu untersuchenden Bauteils, das mindestens einen Riss aufweist,
- b) Erfassung mindestens eines ersten Zustandes des Risses,
- c) Übermittlung des ersten Zustandes aus Schritt b) an eine Datenverarbeitungseinrichtung,
- d) Ermittlung der Rissspitze,
- e) Ermittlung der Ausbreitungsrichtung des Risses und Übermittlung an die Datenverarbeitungseinrichtung,
- f) Positionierung von virtuellen Messmarken auf einer Geraden, die senkrecht auf der Ausbreitungsrichtung des Risses steht und durch die Rissspitze verläuft, derart, dass die virtuellen Messmarken beidseits und in gleichem Abstand zur Ausbreitungsrichtung des Risses liegen und dass der Abstand der virtuellen Messmarken zueinander im Bereich von 1 µm bis 50 cm liegt,
- g) Aufbringen einer mechanischen Belastung auf das zu untersuchende Bauteil,
- h) Erfassung mindestens eines weiteren Zustandes des Risses,
- i) Übermittlung des in Schritt h) erfassten mindestens eines weiteren Zustandes an die Datenverarbeitungseinrichtung,
- j) Ermittlung der Verschiebungen der virtuellen Messmarken,
- k) Ermittlung der Spannungsintensitätsfaktoren aus den in Schritt j) ermittelten Verschiebungen,
- l) Ausgabe der in Schritt k) ermittelten Spannungsintensitätsfaktoren.
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Vorteilhaft ermöglicht ein derartiges Verfahren die einfache Ermittlung bruchmechanischer Beanspruchungen eines Risses ohne Kenntnis der einwirkenden Kräfte. Weiterhin vorteilhaft ist das erfindungsgemäße Verfahren für jegliche Bauteile unabhängig ihrer Geometrie und jegliche Beanspruchungsfälle anwendbar. Ebenfalls vorteilhaft ermöglicht das erfindungsgemäße Verfahren die Ermittlung der Spannungsintensitätsfaktoren ohne aufwändige FE-Berechnungen. Weiterhin vorteilhaft ermöglicht ein derartiges Verfahren die Berechnung der Mode I-, Mode II- und Mode III-Spannungsintensitätsfaktoren unabhängig voneinander als auch die Berechnung von Mixed-Mode-Vergleichsspannungsintensitätsfaktoren. Vorteilhaft ermöglicht das Verfahren auch die Ermittlung der bruchmechanischen Beanspruchung mehrerer Risse, insofern mehrere Risse in dem zu untersuchenden Bauteil vorhanden sind. Weiterhin vorteilhaft ermöglicht das erfindungsgemäße Verfahren die Untersuchung verschiedener Rissverläufe, wie bspw. abknickende oder verzweigende Rissverläufe, die bei phasenverschobener mehrachsiger zyklischer Belastung eines Bauteils auftreten können.
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Ein zu untersuchendes Bauteil im Sinne der Erfindung umfasst ein reales Bauteil und einen Probenkörper. Ein reales Bauteil kann dabei in Einbaulage an seinem Einsatzort oder separiert vorliegen. Ein separiert vorliegendes reales Bauteil kann bspw. eine Welle oder ein Flugzeug in einem Prüflabor und ein reales Bauteil in Einbaulage an seinem Einbauort kann bspw. eine Brücke sein. Ein Probenkörper meint jegliche für bruchmechanische Untersuchungen geeignete Probenkörper mit unterschiedlicher Geometrie, bspw. entsprechend ASTM E 399-17, ASTM E 561-08, ASTM E 647-15, ASTM E 813-89, ASTM E 1820-20, DIN EN ISO 12737, ISO 12108_2018-07 oder ISO 12135_2016.
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In Ausführungsformen weist das zu untersuchende Bauteil mehrere Risse auf. Dabei ist das erfindungsgemäße Verfahren jeweils für jeden, bruchmechanisch relevanten, Riss anzuwenden.
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In Ausführungsformen erfolgt die Erfassung des mindestens einen ersten Zustands des Risses und mindestens eines weiteren Zustands des Risses mittels mindestens eines optischen Messsystems. Ein optisches Messsystem zur Erfassung eines Zustandes eines Risses, umfassend mindestens einen ersten und mindestens einen weiteren Zustand, umfasst eine Kamera zur Aufzeichnung statischer und/oder bewegter Bilder. Dabei wird der Zustand des Risses jeweils in Form von Bild- und/oder Videodaten erfasst. Vorteilhaft können damit sowohl zwei- als auch dreidimensionale Verschiebungen ermittelt werden. Insbesondere für die Ermittlung dreidimensionaler Verschiebungen und damit die Ermittlung von Mode III-Spannungsintensitätsfaktoren ist es vorteilhaft, wenn die Erfassung der Zustände des mindestens einen Risses mittels mehrerer optischer Messsysteme erfolgt, bspw. mittels zweier optischer Messsysteme. Dabei ist es vorteilhaft, wenn die zwei optischen Messsysteme die Zustände des Risses aus verschiedenen Winkeln bezogen auf eine Oberfläche des zu untersuchenden Bauteils erfassen. Eine Oberfläche des Bauteils meint dabei eine das Bauteil gegenüber der Umgebung abgrenzende Fläche des Bauteils.
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Es kann aber auch vorteilhaft sein, die Zustände des mindestens einen Risses mittels mehr als zweier optischer Messsysteme zu erfassen.
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In weiteren Ausführungsformen ist das mindestens eine optische Messsystem Bestandteil eines digitalen Bildkorrelationssystems (DIC) oder eines Videoextensometers.
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In weiteren Ausführungsformen erfolgt die Erfassung des mindestens einen ersten Zustands und mindestens eines weiteren Zustands des Risses von mindestens einer Seite des zu untersuchenden Bauteils. Eine Seite des zu untersuchenden Bauteils meint dabei bspw. eine Vorderseite oder eine Rückseite des Bauteils.
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Ein erster Zustand des Risses im Sinne der Erfindung meint einen beliebigenZustand des Risses zu Beginn des Verfahrens, d.h. zu Beginn der Messung. Ein erster Zustand des Risses kann ein unbelasteter oder belasteter Zustand des Risses sein, wobei der unbelastete Zustand des Risses einem unbelasteten Zustand des zu untersuchenden Bauteils und der belastete Zustand des Risses einem belasteten Zustand des zu untersuchenden Bauteils entspricht.
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Ein weiterer Zustand des Risses meint einen weiteren Zustand des Risses, der sich vom ersten erfassten Zustand des Risses unterscheidet, wobei sich verschiedene weitere erfasste Zustände des Risses voneinander unterscheiden, bspw. durch den Zeitpunkt der Erfassung, die zum Zeitpunkt der Erfassung vorliegende mechanische Belastung des Risses, die Koordinaten der Rissspitze und der virtuellen Messmarken und die Verschiebung der Rissufer zueinander.
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In weiteren Ausführungsformen erfolgen die Schritte a) und b) sowie g) und h) simultan. Dadurch ist vorteilhaft eine in-situ-Ermittlung der bruchmechanischen Beanspruchung mindestens eines Risses bei Belastung eines Bauteils möglich.
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In weiteren Ausführungsformen erfolgt die Übermittlung der erfassten Zustände in Schritt c) und i) mittels einer Schnittstelle zur Datenübertragung. In weiteren Ausführungsformen erfolgt die Übermittlung in den Schritten c) und i) derart, dass eine Zwischenspeicherung der erfassten Zustände erfolgt, bspw. eine Zwischenspeicherung der in Form von Bild- oder Videodaten erfassten Zustände.
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In weiteren Ausführungsformen erfolgt die Ermittlung der Rissspitze in Schritt d) durch einen Anwender des erfindungsgemäßen Verfahrens oder automatisiert, bspw. durch ein Computerprogrammprodukt.
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In weiteren Ausführungsformen wird Schritt d) vor oder nach Schritt b) ausgeführt. Wird Schritt d) vor Schritt b) ausgeführt, erfolgt die Ermittlung der Rissspitze vorteilhaft durch den Anwender direkt an dem in Schritt a) bereitgestellten zu untersuchenden Bauteil, bspw. durch Definieren der Rissspitze mittels Stiften oder Klebemarkern. Dies ist vorteilhaft, wenn die Erfassung der Zustände des Risses mittels eines optischen Messsystems, welches Bestandteil eines Videoextensometers ist, erfolgt.
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Wird Schritt d) nach Schritt b) ausgeführt, so erfolgt die Ermittlung der Rissspitze vorteilhaft durch den Anwender an dem in Schritt b) erfassten ersten Zustand des Risses, bspw. an den mittels des optischen Messsystems erfassten Bild- oder Videodaten.
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In Ausführungsformen wird die Ausbreitungsrichtung des Risses in Schritt e) durch einen Anwender des erfindungsgemäßen Verfahrens direkt an dem zu untersuchenden Bauteil oder an dem in Schritt b) erfassten mindestens einen ersten Zustand des Risses ermittelt.
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In Ausführungsformen wird die Rissausbreitungsrichtung ermittelt, indem die Schritte b), c) und d) mehrmals wiederholt werden. In Ausführungsformen werden die Schritte b), c) und d) bspw. siebenmal wiederholt. Anschließend wird durch die in den Wiederholungen von Schritt d) ermittelten Rissspitzenkoordinaten eine Fitfunktion gelegt. Diese Funktion wird abgeleitet, so dass der Anstieg der abgeleiteten Funktionsgleichung die Rissausbreitungsrichtung angibt. Dadurch wird vorteilhaft die Genauigkeit der bestimmten Ausbreitungsrichtung des Risses erhöht. Vorteilhaft wird dadurch ermöglicht, dass die in Schritt f) positionierten Messmarken dem Rissverlauf folgen, eine in-situ Ermittlung der bruchmechanischen Beanspruchung möglich ist und die Messmarken immer auf einer Geraden senkrecht zur Ausbreitungsrichtung angeordnet sind.
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In Ausführungsformen werden die virtuellen Messmarken derart appliziert, dass diese einen Abstand zueinander im Bereich von 2 µm bis 10 cm, bevorzugt im Bereich von 2 µm bis 1 cm, besonders bevorzugt im Bereich von 2 µm bis 5 mm aufweisen. In weiteren Ausführungsformen werden zwei virtuelle Messmarken auf einer Geraden, die senkrecht auf der in Schritt e) ermittelten Ausbreitungsrichtung des Risses steht und durch die Rissspitze verläuft, derart positioniert, dass die zwei virtuellen Messmarken jeweils im gleichen Abstand zur Rissspitze liegen. D.h. die zwei virtuellen Messmarken sind symmetrisch zur Rissspitze auf der Geraden, die senkrecht zur Ausbreitungsrichtung des Risses durch die Rissspitze verläuft, angeordnet. Vorteilhaft wird dadurch eine einfache Ermittlung der bruchmechanischen Beanspruchung eines Risses ermöglicht, da sich einzelne Verschiebungen aufheben. Weiterhin vorteilhaft ist, dass durch das Aufheben einzelner Verschiebungsanteile direkt die Mode I, Mode II- und Mode III-Spannungsintensitätsfaktoren bestimmt werden können. Weiterhin vorteilhaft ist, dass durch eine mögliche Variation des symmetrischen Abstandes von der Rissspitze senkrecht zur Risswachstumsrichtung die an der Rissspitze ablaufenden lokalen Prozesse, wie die Plastifizierung der Prozesszone, welche das lokale Verschiebungsfeld beeinträchtigen kann, eliminiert werden können. Weiterhin vorteilhaft ist, dass die Messung der Verschiebungen dadurch in Abhängigkeit der Beanspruchung in Bereichen großer Verschiebungen erfolgen kann, so dass eine präzise Bestimmung der Spannungsintensitätsfaktoren erfolgen kann.
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Eine virtuelle Messmarke im Sinne der Erfindung umfasst eine durch einen Benutzer des erfindungsgemäßen Verfahrens an dem zu untersuchenden Bauteil definierte Messmarke, die geeignet ist, mittels des optischen Messsystems erfasst zu werden und durch einen Benutzer des erfindungsgemäßen Verfahrens oder eine durch ein Computerprogrammprodukt an den durch das optische Messsystem in Form von Bild- und/oder Videodaten erfassten ersten Zustand des Risses definierte Messmarke.
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In weiteren Ausführungsformen werden in Schritt j) zwei- und/oder dreidimensionale Verschiebungen ermittelt. Dadurch können vorteilhaft sowohl Mode I-, Mode II- und Mode III- und Mixed-Mode-Spannungsintensitätsfaktoren ermittelt werden.
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In Ausführungsformen werden die Schritte in der Reihenfolge a), b), c), d), e), f), g), h), i), j), k), l) durchgeführt. Diese Reihenfolge ist dann vorteilhaft, wenn die Erfassung der Zustände des Risses in Schritt b) und h) mittels eines optischen Messsystems welches Bestandteil eines digitalen Bildkorrelationssystems ist, erfolgt.
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In weiteren Ausführungsformen werden die Schritte in der Reihenfolge a), d), e), f), b), c), g), h), i), j), k), l) durchgeführt. Diese Reihenfolge ist dann vorteilhaft, wenn die Erfassung der Zustände des Risses in Schritt b) und h) mittels eines optischen Messsystems, welches Bestandteil eines Videoextensometers oder eines digitalen Bildkorrelationssystems ist, erfolgt.
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In Ausführungsformen erfolgt das Aufbringen einer mechanischen Belastung in Schritt g) derart, dass eine Änderung der mechanischen Belastung des Bauteils gegenüber dem in Schritt a) bereitgestellten zu untersuchenden Bauteil erfolgt. Im Falle eines in Schritt a) bereitgestellten Bauteils im unbelasteten Zustand wird erstmals eine mechanische Belastung auf das Bauteil aufgebracht. Wenn in Schritt a) das Bauteil bereits im belasteten Zustand bereitgestellt wird, erfolgt in Schritt g) das Aufbringen der mechanischen Belastung derart, dass sich mindestens ein weiterer belasteter Zustand einstellt, der sich von dem bereits belasteten Zustand in Schritt a) unterscheidet, bevorzugt ist der mindestens eine weitere belastete Zustand gegenüber dem belasteten Zustand in Schritt a) erhöht. Bei Wiederholungen von Schritt g) können mechanische Belastungen aufgebracht werden, die sich von der zuvor aufgebrachten mechanischen Belastung nicht unterscheiden, d.h. statische Belastungen, oder Belastungen, die geringfügig höher sind als die zuvor aufgebrachte Belastung, d.h. quasistatisch, oder die sich im zeitlichen Verlauf der Wiederholungen ändern, d.h. zyklische Belastungen. In Ausführungsformen erfolgt das Aufbringen einer mechanischen Belastung mittels einer Einrichtung zum Aufbringen einer mechanischen Belastung. In weiteren Ausführungsformen kann eine mechanische Belastung in Schritt g) durch externe Einwirkungen aufgebracht werden, wobei externe Einwirkungen bspw. meteorologische Einwirkungen in Form von Wind oder Sturm umfassen.
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In Ausführungsformen werden die Spannungsintensitätsfaktoren in Schritt k) anhand bekannter Formeln I, II ermittelt,
wobei K
I den Mode I-Spannungsintensitätsfaktor und K
II den Mode II-Spannungsintensitätsfaktor angeben mit u
x der in Schritt j) ermittelten Verschiebung in x-Richtung, u
y der in Schritt j) ermittelten Verschiebung in y-Richtung, E dem Elastizitätsmodul, v der Querkontraktionszahl, I dem Abstand der virtuellen Messmarken zueinander auf einer Gerade senkrecht zur Rissausbreitungsrichtung zu Beginn der Messung, d.h. im erfassten ersten Zustand des Risses, κ der elastischen Konstante und O dem Winkel zur Risswachstumsrichtung.
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In weiteren Ausführungsformen wird der Mode III-Spannungsintensitätsfaktor in Schritt k) anhand der bekannten Formel III ermittelt,
wobei K
III den Mode III-Spannungsintensitätsfaktor angibt mit u
z der in Schritt j) ermittelten Verschiebung in z-Richtung.
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Der Fachmann kennt entsprechende Formeln zur Ermittlung der Spannungsintensitätsfaktoren bspw. aus [1].
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In bevorzugten Ausführungsformen wird das zu untersuchende Bauteil in Schritt a) im unbelasteten oder belasteten Zustand bereitgestellt.
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Ein unbelasteter Zustand meint einen Zustand ohne auf das Bauteil einwirkende äußere mechanische Belastung, während ein belasteter Zustand einen Zustand mit auf das Bauteil einwirkender äußerer mechanischer Belastung meint. Bspw. kann ein Prüfkörper im unbelasteten Zustand und ein reales Bauteil im belasteten Zustand bereitgestellt werden oder umgekehrt. D.h. im belasteten Zustand wirken bzw. haben auf das Bauteil bereits äußere mechanische Belastungen eingewirkt.
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In bevorzugten Ausführungsformen wird in Schritt g) eine einachsige oder mehrachsige, statische, quasistatische, zyklische oder dynamische Belastung aufgebracht.
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Vorteilhaft ändert sich dadurch die mechanische Belastung des Bauteils, wodurch sich die Beanspruchung des mindestens einen Risses ändert und Verschiebungen der virtuellen Messmarken auftreten, die mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens in Schritt j) ermittelt werden. Weiterhin vorteilhaft kann dadurch die bruchmechanische Beanspruchung mindestens eines Risses bei jeglichen auftretenden mechanischen Belastungen ermittelt werden, so dass das erfindungsgemäße Verfahren universell einsetzbar ist.
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Eine einachsige Belastung meint eine Belastung aus einer konstanten Richtung, wobei diese einachsige Belastung statisch, d.h. durch eine konstante Kraft quasistatisch, d.h. durch eine stetig zunehmende Kraft; dynamisch, d.h. durch einen sprunghaften Anstieg der Kraft; oder zyklisch, d.h. durch eine sich zeitlich ändernde Kraft hervorgerufen sein kann.
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Eine mehrachsige Belastung meint eine Belastung aus mehreren Richtungen, wobei diese mehrachsige Beanspruchung statisch, d.h. durch eine konstante Kraft quasistatisch, d.h. durch eine stetig zunehmende Kraft; dynamisch, d.h. durch einen sprunghaften Anstieg der Kraft; oder zyklisch, d.h. durch eine sich zeitlich ändernde Kraft hervorgerufen sein kann. Eine mehrachsige zyklische Belastung kann weiterhin phasengleich oder phasenverschoben sein. Bei einer phasengleichen, mehrachsigen, zyklischen Belastung ist der zeitliche Verlauf der einwirkenden Kräfte gleich. Bei einer phasenverschobenen, mehrachsigen, zyklischen Belastung ist der zeitliche Verlauf der einwirkenden Kräfte zeitlich zueinander verschoben, bspw. mit einer Phasenverschiebung ϕ im Bereich von ϕ >0° bis ϕ = 180°. Auch kann sowohl eine phasengleiche mehrachsige zyklische Belastung auftreten, die im weiteren zeitlichen Verlauf zu einer phasenverschobenen mehrachsigen zyklischen Belastung wechselt, als auch umgekehrt. Diese kann insbesondere bei realen Bauteilen in Einbaulage an ihrem Einsatzort auftreten. Weiterhin kann sich die zeitliche Verschiebung einer phasenverschobenen mehrachsigen zyklischen Belastung über die Zeit ändern.
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In bevorzugten Ausführungsformen werden die Schritte g) bis i) mindestens einmal in Schritt m) wiederholt.
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Vorteilhaft können dadurch die Genauigkeit der im weiteren Verfahren ermittelten Spannungsintensitätsfaktoren erhöht werden.
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In Ausführungsformen wird Schritt m) 1 bis 100 mal, bevorzugt 1 bis 50 mal, besonders bevorzugt 1 bis 10 mal wiederholt.
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In weiteren Ausführungsformen erfolgt Schritt m) nach Schritt i) und vor Schritt j).
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In bevorzugten Ausführungsformen erfolgt die Erfassung eines Zustands des Risses anhand eines optischen Messsystems.
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Vorteilhaft erfolgt somit die Erfassung des Zustands des Risses berührungslos.
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Erfolgt die Erfassung eines Zustands des Risses mittels eines optischen Messsystems, welches Bestandteil eines digitalen Bildkorrelationssystems ist, so wird vorteilhaft mindestens Schritt j) mittels des digitalen Bildkorrelationssystems durchgeführt.
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In Ausführungsformen werden die Schritte b), c), h), i) und j) mittels des digitalen Bildkorrelationssystems durchgeführt, wenn die Erfassung eines Zustandes des Risses mittels eines optischen Messsystems, welches Bestandteil eines digitalen Bildkorrelationssystems oder eines Videoextensometers ist, erfolgt.
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In weiteren Ausführungsformen werden die Schritte b), c), d), e), f), h), i), j), k) und l) mittels des digitalen Bildkorrelationssystems durchgeführt, wenn die Erfassung eines Zustandes des Risses mittels eines optischen Messsystems, welches Bestandteil eines digtalen Bildkorrelationssystems oder eines Videoextensometers ist, erfolgt.
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In Ausführungsformen erfolgt die Erfassung mittels mindestens eines optischen Messsystems, bevorzugt einer Kamera, aufweisend eine Auflösung im Bereich von 1 µm/Pixel bis 0,5 mm/Pixel und eine Bildaufnahmefrequenz, die der Fachmann entsprechend der Art der in Schritt g) aufgebrachten mechanischen Belastung auswählt. Vorteilhaft wird dadurch eine Messung der Bewegung der Rissflanken zu verschiedenen Zeitpunkten t und eine genaue Bestimmung des Verschiebungsfeldes ermöglicht. Wird bspw. eine statische Belastung in Schritt g) aufgebracht, dann ist eine Aufnahmefrequenz im Bereich von 0,002 bis 1 Hz, bevorzugt 0,02 Hz günstig. Wird bspw. eine quasistatische Belastung in Schritt g) aufgebracht, dann ist eine Aufnahmefrequenz im Bereich von 0,015 bis 1 Hz, bevorzugt 0,05 Hz günstig. Wird bspw. eine zyklische Belastung mit einer Frequenz in einem Bereich von 1 bis 20 Hz in Schritt g) aufgebracht, dann ist eine Aufnahmefrequenz im Bereich von 0,5 bis 19 Hz, bevorzugt 0,9 Hz günstig. Wird bspw. eine dynamische Belastung in Schritt g) aufgebracht, dann ist eine Aufnahmefrequenz im Bereich von 10 bis 10.000 Hz, bevorzugt 1.000 Hz günstig.
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In bevorzugten Ausführungsformen wird vor Schritt j) ein Verschiebungsfeld in Schritt n) ermittelt. Vorteilhaft wird dadurch das Verschiebungsfeld an der Rissspitze ermittelt.
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In Ausführungsformen erfolgt die Ermittlung des Verschiebungsfeldes mittels eines bekannten digitalen Bildkorrelationssystems. Dabei werden die Verschiebungen aus den Koordinaten der Messpunkte des erfassten ersten und des erfassten mindestens einen weiteren Zustands bzw. zwischen verschiedenen erfassten weiteren Zuständen ermittelt.
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In Ausführungsformen werden die Schritte in der Reihenfolge a), b), c), d), e), f), g), h), i), n), j), k), l) durchgeführt. Vorteilhaft erfolgt dabei die Erfassung der Zustände des Risses in Schritt b) und h) mittels eines optischen Messsystems, bevorzugt mittels einer Kamera, und Schritt n) mittels DIC.
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In Ausführungsformen werden die Schritte in der Reihenfolge a), b), c), d), e), f), g), h), i), n), j), k), l) durchgeführt. Vorteilhaft erfolgt dabei die Erfassung der Zustände des Risses in Schritt b) und h) mittels eines optischen Messsystems, bevorzugt mittels einer Kamera, und Schritt j) und n) mittels DIC.
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In bevorzugten Ausführungsformen werden die Schritte j) bis l) wiederholt. Vorteilhaft wird dadurch eine Präzisierung der ermittelten Spannungsintensitätsfaktoren erreicht.
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In weiteren Ausführungsformen werden die Schritte j) bis l) beliebig oft wiederholt. in weiteren Ausführungsformen entspricht die Anzahl der Wiederholung der Schritte j) bis l) der Anzahl der Wiederholung der Schritte g) bis i). D.h. werden die Schritte g) bis i) bspw. fünfmal wiederholt, werden auch die Schritte j) bis l) fünfmal wiederholt. Dadurch werden für jeden in Schritt g) und den Wiederholungen von Schritt g) erfassten weiteren Zustand die Schritte j) bis l) ausgeführt. Aus den so ermittelten „scheinbaren“ Spannungsintensitätsfaktoren können durch eine Normierung die zyklischen Spannungsintensitätsfaktoren bestimmt werden.
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Ein weiterer Aspekt der Erfindung betrifft ein Computerprogrammprodukt mit einem Datenspeicher und darauf gespeicherten, computerlesbaren Anweisungen, die, wenn sie von der Datenverarbeitungseinrichtung gelesen und ausgeführt werden, diese dazu veranlasst, die Schritte k) und l) des erfindungsgemäßen Verfahrens auszuführen und einem Bediener die Eingabemöglichkeiten für die Schritte d), e) und f) zur Verfügung zu stellen, sowie die durch den Bediener gemachten Eingaben zu verarbeiten.
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Vorteilhaft ermöglicht ein derartiges Computerprogrammprodukt die einfache Ermittlung der bruchmechanischen Beanspruchung mindestens eines Risses bei Belastung eines beliebigen Bauteils unabhängig von der Geometrie des Bauteils und jegliche Beanspruchungsfälle. Weiterhin vorteilhaft ermöglicht ein derartiges Computerprogrammprodukt die Ermittlung der Spannungsintensitätsfaktoren ohne aufwändige FE-Berechnungen und die Ermittlung der Mode I-, Mode II- und Mode III-Spannungsintensitätsfaktoren unabhängig voneinander als auch die Berechnung von Mixed-Mode-Vergleichsspannungsintensitätsfaktoren. Vorteilhaft ermöglicht das Computerprogrammprodukt auch die Ermittlung der bruchmechanischen Beanspruchung mehrerer Risse, insofern mehrere Risse in dem zu untersuchenden Bauteil vorhanden sind. Weiterhin vorteilhaft ermöglicht das erfindungsgemäße Computerprogrammprodukt auch die Ermittlung der Spannungsintensitätsfaktoren bei verschiedenen Rissverläufen, wie bspw. bei abknickenden oder verzweigenden Rissverläufen. Außerdem vorteilhaft ermöglicht das erfindungsgemäße Computerprogrammprodukt auch die Ermittlung der Spannungsintensitätsfaktoren bei beliebiger Beanspruchung, d. h. sowohl einachsiger als auch mehrachsiger, phasengleicher und phasenverschobener Beanspruchung. Dadurch ist neben einer Bestimmung der Spannungsintensitätsfaktoren an Probekörpern auch eine Ermittlung von Spannungsintensitätsfaktoren bei Bauteilen am Einsatzort in Einbaulage möglich. Durch die Auswertung der Verschiebungen werden dabei realen Gegebenheiten am Riss berücksichtigt.
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Ein weiterer Aspekt der Erfindung betrifft ein Computerprogrammprodukt mit einem Datenspeicher und darauf gespeicherten, computerlesbaren Anweisungen, die, wenn sie von der Datenverarbeitungseinrichtung gelesen und ausgeführt werden, diese dazu veranlasst, die Schritte j), k) und l) des erfindungsgemäßen Verfahrens auszuführen und einem Bediener die Eingabemöglichkeiten für die Schritte d), e) und f) zur Verfügung zu stellen, sowie die durch den Bediener gemachten Eingaben zu verarbeiten.
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In Ausführungsformen ist das erfindungsgemäßes Computerprogrammprodukt zur Integration in weitere, bekannte Computerprogramme implementierbar ausgebildet, bspw. in bekannte DIC- oder Videoextensometer-Computerprogramme. Vorteilhaft können dann die Schritte b), c), d), e), f), h) und i), j), k) und l) mittels eines bekannten Videoextensometer- oder DIC-Computerprogramms mit implementiertem erfindungsgemäßen Computerprogrammprodukt ausgeführt werden.
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Ein weiterer Aspekt der Erfindung betrifft ein Computerprogrammprodukt mit einem Datenspeicher und darauf gespeicherten, computerlesbaren Anweisungen, die, wenn sie von der Datenverarbeitungseinrichtung gelesen und ausgeführt werden, diese dazu veranlasst, die Schritte d) bis f) und k) und l) des erfindungsgemäßen Verfahrens auszuführen.
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Vorteilhaft ermöglicht ein derartiges Computerprogrammprodukt zusätzlich sowohl die automatisierte Ermittlung der Rissspitze und Rissausbreitungsrichtung, als auch die Positionierung der virtuellen Messmarken. Damit wird die Ermittlung der Spannungsintensitätsfaktoren weiter vereinfacht und automatisiert und die Fehlbedienungen durch den Anwender reduziert.
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Ein weiterer Aspekt der Erfindung betrifft ein Computerprogrammprodukt mit einem Datenspeicher und darauf gespeicherten, computerlesbaren Anweisungen, die, wenn sie von der Datenverarbeitungseinrichtung gelesen und ausgeführt werden, diese dazu veranlasst, die Schritte d) bis f) und j), k) und l) des erfindungsgemäßen Verfahrens auszuführen.
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Ein weiterer Aspekt der Erfindung betrifft ein Computerprogrammprodukt mit einem Datenspeicher und darauf gespeicherten, computerlesbaren Anweisungen, die, wenn sie von der Datenverarbeitungseinrichtung gelesen und ausgeführt werden, diese dazu veranlasst, auch die Schritte b) und c) sowie h) und i) des erfindungsgemäßen Verfahrens auszuführen.
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Vorteilhaft ermöglicht ein derartiges Computerprogrammprodukt zusätzlich die automatisierte Erfassung von Zuständen des Risses und deren Übermittlung an eine Datenverarbeitungseinrichtung.
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Die Erfindung betrifft weiterhin eine Vorrichtung zur Durchführung eines erfindungsgemäßen Verfahrens mindestens aufweisend mindestens eine Einrichtung zur Erfassung mindestens eines ersten Zustandes mindestens eines Risses in einem zu untersuchenden Bauteil, und mindestens eine Datenverarbeitungseinrichtung, auf der mindestens ein Computerprogrammprodukt gespeichert ist.
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Vorteilhaft ermöglicht eine derartige Vorrichtung die in-situ Ermittlung der bruchmechanischen Beanspruchung mindestens eines Risses bei Belastung eines zu untersuchenden Bauteil. Weiterhin vorteilhaft ist eine derartige Vorrichtung universell einsetzbar und ermöglicht auch die Untersuchung von realen Bauteilen an ihrem Einsatzort in Einbaulage.
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Eine Einrichtung zur Erfassung mindestens eines ersten Zustandes des Risses umfasst ein optisches Messsystem. Vorteilhaft wird dadurch eine berührungslose Erfassung des mindestens einen ersten Zustands des Risses ermöglicht. Bekannte optische Messsysteme sind bspw. digitale Bildkorrelationssysteme als auch Videoextensometer.
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In Ausführungsformen ist das mindestens eine auf der Datenverarbeitungseinrichtung gespeicherte Computerprogrammproduktdas erfindungsgemäße Computerprogrammprodukt. in weiteren Ausführungsformen ist zusätzlich mindestens ein weiteres Computerprogrammprodukt auf der Datenverarbeitungseinrichtung gespeichert, wobei das mindestens eine weitere Computerprogrammprodukt ein bekanntes Computerprogrammprodukt, bspw. für DIC oder Videoextensometer, ist.
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In bevorzugten Ausführungsformen weist die Vorrichtung zur Durchführung eines erfindungsgemäßen Verfahrens eine Einrichtung zum Aufbringen einer mechanischen Belastung auf das zu untersuchende Bauteil auf.
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Eine Einrichtung zum Aufbringen einer mechanischen Belastung im Sinne der Erfindung meint jegliche Einrichtung, die geeignet ist, eine mechanische Belastung auf das zu untersuchende Bauteil aufzubringen. Derartige Einrichtungen sind bspw. Prüfmaschinen, wie uniaxiale oder planar-biaxiale Prüfmaschinen, zum Aufbringen einer mechanischen Belastung auf Bauteile, wie bspw. Prüfkörper. Eine derartige Einrichtung kann in Ausführungsformen aber auch jegliche Vorrichtung sein, die dazu geeignet ist, eine mechanische Belastung in einem zu untersuchenden Bauteil, wie einem realen Bauteil in Einbaulage, an seinem Einsatzort hervorzurufen, bspw. ein über ein zu untersuchendes Bauteil, wie eine Brücke, fahrendes Fahrzeug. Eine solche Einrichtung umfasst in weiteren Ausführungsformen auch externe Einflüsse, wie bspw. meteorologische Einflüsse, bspw. Winde, die eine Änderung der mechanischen Belastung hervorrufen können.
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Weiterhin zur Erfindung gehört die Verwendung des erfindungsgemäßen Verfahrens oder des erfindungsgemäßen Computerprogrammprodukts oder der erfindungsgemäßen Vorrichtung zur Ermittlung der bruchmechanischen Beanspruchung mindestens eines Risses bei einachsiger oder mehrachsiger Belastung eines Bauteils.
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Für die Realisierung der Erfindung ist es auch zweckmäßig, die vorbeschriebenen erfindungsgemäßen Ausgestaltungen, Ausführungsformen und Merkmale der Ansprüche miteinander zu kombinieren.
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Figurenliste
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Nachfolgend soll die Erfindung anhand eines Ausführungsbeispiels eingehender erläutert werden. Die Ausführungsbeispiele sollen dabei die Erfindung beschreiben ohne diese zu beschränken.
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Anhand von Zeichnungen wird die Erfindung näher erläutert. Dabei zeigen
- 1 ein Fließschema einer Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Verfahrens,
- 2 schematisch die Bestimmung der Koordinaten der virtuellen Messmarken und/oder der Rissspitze,
- 3 ein Fließschema einer weiteren Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Verfahrens.
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Beispiel 1: Verfahren zur Ermittlung der bruchmechanischen Beanspruchung eines Risses bei Belastung eines Bauteils unter Nutzung DIC
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In einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens entsprechend 1 wird in Schritt S1 ein zu untersuchendes Bauteil, aufweisend mindestens einen Riss, bereitgestellt (Schritt a)). Bei dem Bauteil handelt es sich um einen kreuzförmigen 45° Prüfkörper entsprechend [2] mit Innenriss im belasteten Zustand. Auf das Bauteil wurde bereits eine mechanische Belastung in Form einer phasenverschobenen, mehrachsigen, zyklischen Belastung aufgebracht, wobei mittels einer planar-biaxialen Prüfmaschine Instron 8800 N =497.000 Lastwechsel mit einer Amplitude von F=23,76 kN, einer mittleren Kraft in x- und y-Richtung von jeweils 29,14 kN (dabei verlaufen die x- und y-Richtung senkrecht zueinander) und einer Frequenz von 20 Hz aufgebracht wurde. Die Belastung wurde bei N=0 Lastwechsel beginnend als phasengleiche Belastung, d.h. mit gleichem zeitlichem Verlauf der Kräfte in x- und y-Richtung, aufgebracht. Anschließend erfolgte eine Änderung der Beanspruchung, d.h. aus einer phasengleichen Beanspruchung wurde eine phasenverschobene Beanspruchung mit einer definierten Änderung der Phasenverschiebung ϕ in Schritten von jeweils ϕ = 15°. Ab einer Lastwechselzahl von N = 480.500 Lastwechseln lag eine um ϕ = 75° phasenverschobene Beanspruchung vor. Hierbei erfolgte eine unterbrochene Versuchsführung, d.h. in Abständen von N=1.500 Lastwechseln wurde der Versuch bei Mittelkraft angehalten.
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Anschließend wurde in Schritt S2 ein erster Zustand des Risses beidseitig von zwei sich gegenüberliegenden Seiten des Bauteils mittels optischer Messsysteme erfasst (Schritt b)). Auf einer Seite wurde der erste Zustand des Risses mittels eines optischen Messsystems, einer Industriekamera mvBlue-COUGAR-XD104bg, in Form von Bilddaten erfasst. Auf der gegenüberliegenden Seite erfolgte die Erfassung mittels einer hochauflösenden Kamera Pentacon Scan 6000 ebenfalls in Form von Bilddaten. Die Aufnahme dieser Bilder erfolgte hierfür auch bei anderen Lastwechselzahlen N.
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In Schritt S3 wurde nachfolgend der in Form von Bilddaten erfasste erste Zustand des Risses an eine Datenverarbeitungseinrichtung übermittelt und zwischengespeichert (Schritt c)).
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Darauf folgt in Schritt S4 die Ermittlung der Rissspitze (Schritt d)). Dazu erfolgt die Markierung der Rissspitze in den zuvor erfassten Bilddaten des erfassten ersten Zustands durch den Anwender des Verfahrens. Dabei werden der Rissspitze x- und y-Koordinaten bezogen auf die Mitte des erfassten ersten Zustands in mm und bezogen auf die Auflösung des optischen Messsystems in Pixeln zugeordnet.
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Anschließend erfolgt in Schritt S5 die Ermittlung der Rissausbreitungsrichtung (Schritt e)) Hierfür kann bspw. durch einen Anwender des Verfahrens händisch der Rissverlauf mittels einer Gerade verlängert werden.
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Nachfolgend werden in Schritt S6 virtuelle Messmarken positioniert (Schritt f)). Dabei werden zwei virtuelle Messmarken auf einer Geraden positioniert, die senkrecht zur der in Schritt S5 ermittelten Rissausbreitungsrichtung und durch die in S4 ermittelte Rissspitze verläuft. Die positionierten Messmarken weisen dabei beidseitig der Rissspitze den gleichen Abstand, jeweils 2,5 mm, und einen Abstand zueinander von 5 mm auf. Der Fachmann kann den so positionierten virtuellen Messmarken x- und y-Koordinaten bzw. Pixelkoordinaten zuordnen.
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Im nachfolgenden Schritt S7 wird eine mechanische Belastung auf das Bauteil aufgebracht (Schritt g)). Diese wird mittels der Prüfmaschine als phasenverschobene, mehrachsige, zyklische Belastung aufgebracht, wobei die Kräfte in x- und y-Richtung um ϕ = 75° verschoben mit einem sinusförmigen Verlauf, einer Amplitude von 23,76 kN, einer mittleren Kraft von jeweils 29,14 kN und einer Frequenz von 20 Hz aufgebracht werden.
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Nachfolgend wird in Schritt S8 mindestens ein weiterer Zustand des Risses erfasst (Schritt h)). Die Erfassung erfolgt einseitig mittels der bereits erwähnten Industriekamera mit einer Aufnahmefrequenz von 0,9 Hz in Form von Bilddaten.
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In Schritt S9 erfolgt anschließend die Übermittlung des ermittelten mindestens einen weiteren Zustands des Risses an die Datenverarbeitungseinrichtung (Schritt i)). In Schritt S10 (Schritt m)) erfolgt eine beliebige Wiederholung der Schritte S7 (Schritt g)) bis S9 (Schritt i)), im vorliegenden Beispiel erfolgte die Wiederholung 50 mal.
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Anschließend wurde in Schritt S11 das Verschiebungsfeld bestimmt (Schritt n)). Dazu wurden die in Schritt S2 und S8 erfassten und an die Datenverarbeitungseinrichtung übermittelten und zwischengespeicherten Zustände in eine kommerzielle DIC-Software GOM ARAMIS v6.3.1 eingelesen. Mittels der DIC-Software erfolgt die Ermittlung des Verschiebungsfeldes.
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Nachfolgend werden in Schritt S12 die Verschiebungen der virtuellen Messmarken bestimmt (Schritt j)). Dazu werden die Koordinaten der virtuellen Messmarken und der Rissspitze im dem Fachmann bekannten Facettengitter der DIC-Software berechnet. Im Falle, dass die Koordinaten der virtuellen Messmarken und/oder der Rissspitze nicht auf den Facetten der DIC-Software liegen, sondern zwischen vier benachbarten Facetten, werden die Koordinaten anhand einer Wichtung ermittelt. Dazu werden im ersten Schritt die Abstände der Facetten zueinander berechnet und in einem zweiten Schritt Hilfspunkte (siehe Punkte E, F, G, H in 2), die auf Geraden liegen, die jeweils zwei benachbarte Facetten in x- (siehe Punkte A, B und C, D in 2) und y-Richtung (siehe Punkte A, D und B, C in 2) miteinander verbinden, eingeführt. Anschließend werden in einem dritten Schritt die Abstände der Hilfspunkte zu den Facetten bestimmt. In einem vierten Schritt werden die Gewichtungsfaktoren der Hilfspunkte berechnet. Die Gewichtungsfaktoren der Hilfspunkte werden als Quotient der Länge der zwei Teilstrecken zwischen Hilfspunkt und Facettenpunkt und jeweils der Länge der Strecke zwischen zwei Facettenpunkten berechnet, bspw. die Gewichtungsfaktoren des Hilfspunktes E aus (AE)/(AB) bzw. (BE)/(AB) entsprechend 2. Um die Gewichtungsfaktoren der Koordinaten der virtuellen Messmarken und/oder der Rissspitze (siehe Punkt P in 2) zu berechnen, werden der aufgeführte erste, dritte und vierte Schritt wiederholt, wobei anstelle der Facetten die Hilfspunkte und anstelle der Hilfspunkte die Koordinate der virtuellen Messmarken und/oder Rissspitze verwendet wird. Anhand der vorliegenden Gewichtungsfaktoren können nun die x- und y-Koordinaten der virtuellen Messmarken und/oder der Rissspitze im Koordinatensystem der DIC-Software sowohl für den ersten erfassten als auch die weiteren erfassten Zustände des Risses berechnet werden.
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Anschließend werden in Schritt S13 die Spannungsintensitätsfaktoren bestimmt (Schritt k)). Diese können für Mode I- und Mode II-Beanspruchungen aus den Formeln I und II mit Hilfe der in Schritt S12 ermittelten Verschiebungen berechnet werden. Da in Schritt S1 ein bereits belastetes Bauteil bereitgestellt wurde, können lediglich die Schwingbreiten der Spannungsintensitätsfaktoren ΔK nach Formel III bestimmt werden. Dazu werden die ermittelten Spannungsintensitätsfaktoren auf das Minimum der berechneten Spannungsintensitätsfaktoren bezogen und aus diesen normierten Spannungsintensitätsfaktoren K
I,
norm, K
II,
norm die Vergleichsspannungsintensitätsfaktoren K
eq nach Formel V und deren Schwingbreite nach Formel IV bestimmt.
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Abschließend erfolgt in Schritt S14 die Ausgabe der ermittelten Spannungsintensitätsfaktoren (Schritt I)).
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Beispiel 2: Verfahren zur Ermittlung der bruchmechanischen Beanspruchung eines Risses bei Belastung eines Bauteils unter Nutzung Videoextensometer
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In einer weiteren Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens wird in Schritt S1 ein zu untersuchendes Bauteil, aufweisend mindestens einen Riss bereitgestellt (Schritt a)). Hierbei entspricht das zu untersuchende Bauteil dem in Beispiel 1 beschriebenen Bauteil.
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Nachfolgend erfolgt in Schritt S2 die Ermittlung der Rissspitze (Schritt d)). Dazu erfolgt die Markierung der Rissspitze direkt an dem zu untersuchenden Bauteil durch den Anwender des Verfahrens.
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Im anschließenden Schritt S3 erfolgt die Ermittlung der Rissausbreitungsrichtung (Schritt e)). Hierfür erfolgt eine händische Ermittlung der Rissausbreitungsrichtung anhand des Risspfads im untersuchten Bauteil durch einen Anwender des Verfahrens. Hierfür wird ein Lineal auf die Probe gelegt. Das Lineal liegt dabei auf der Rissspitze und verläuft entlang des bisherigen Risspfades.
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Nachfolgend erfolgt in Schritt S4 die Positionierung virtueller Messmarken (Schritt f)). Dabei werden zwei virtuelle Messmarken auf einer Geraden positioniert, die senkrecht zur der in Schritt S3 ermittelten Rissausbreitungsrichtung und durch die in S2 ermittelte Rissspitze verläuft. Die positionierten Messmarken weisen dabei beidseitig der Rissspitze den gleichen Abstand, jeweils 2,5 mm, und einen Abstand zueinander von 5 mm auf.
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Im folgenden Schritt S5 erfolgt die Erfassung mindestens eines ersten Zustands des Risses (Schritt a)) mittels eines optischen Messsystems, welches Bestandteil eines Videoextensometers ist, in Form von Bild- bzw. Videodaten. Der so erfasste erste Zustand wird anschließend in Schritt S6 an eine Datenverarbeitungseinrichtung übermittelt (Schritt c)).
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Anschließend erfolgt in Schritt S7 das Aufbringen einer mechanischen Belastung (Schritt g)) entsprechend Beispiel 1 Schritt S7.
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Mittels der Software des Videoextensometers wird in Schritt S8 mindestens ein weiterer Zustand des Risses erfasst (Schritt h)). in Schritt S9 erfolgt die Übermittlung des erfassten weiteren Zustandes an die Datenverarbeitungseinrichtung (Schritt i)). Dieser weitere Zustand unterscheidet sich hinsichtlich der Position (Koordinaten) der virtuellen Messmarken von dem ersten erfassten Zustand. Die Erfassung weiterer Zustände des Risses erfolgt mit einer Frequenz von 0,9 Hz. Die Software des Videoextensometers bestimmt die Koordinaten der virtuellen Messmarken automatisiert in den erfassten Zuständen des Risses. Das Videoextensometer wiederholt in Schritt S10 fortlaufend die Schritte S8 und S9 simultan zur Wiederholung von S7 (Schritt m)).
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Nachfolgend werden in Schritt S11 die Verschiebungen der virtuellen Messmarken ermittelt (Schritt j)). Dazu wird die Differenz der Koordinaten der virtuellen Messmarken aus aufeinanderfolgend erfassten Zuständen des Risses ermittelt.
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In Schritt S12 werden Spannungsintensitätsfaktoren bestimmt (Schritt k)). Dies erfolgt analog zu den Ausführungen des Beispiels 1 mittels der in Schritt S11 ermittelten Verschiebungen.
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Abschließend erfolgt in Schritt S13 die Ausgabe der ermittelten Spannungsintensitätsfaktoren (Schritt I)).
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Zitierte Nichtpatentliteratur:
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- [1] M. Kuna. „Grundlagen der Bruchmechanik“. In: Numerische Beanspruchungsanalyse von Rissen. Vieweg+Teubner, 2010, S. 25-148.
- [2] C. Wolf et al, „Fatigue crack growth in austenitic stainless steel: Effects of Phase Shifted Loading and crack paths“; Adv. Eng. Mater. 2018, 1800861
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- JP 2015138020 A [0004]
- EP 1088213 B1 [0005]
- CN 111398057 A [0006]
- JP 2002350310 A [0007]