-
Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren, ein Computerprogramm mit Instruktionen und eine Vorrichtung zum Steuern des Betriebszustands einer Antriebseinheit, insbesondere zum Steuern des Betriebszustands einer Antriebseinheit eines Fortbewegungsmittels. Die Erfindung betrifft weiterhin ein Fortbewegungsmittel, in dem ein erfindungsgemäßes Verfahren oder eine erfindungsgemäße Vorrichtung eingesetzt wird.
-
Um den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen von Fortbewegungsmitteln zu reduzieren, wurden Verfahren zum automatischen Abschalten eines Motors entwickelt, die üblicherweise als Start-Stopp-Funktion bezeichnet werden. Bei Verwendung der Start-Stopp-Funktion wird der Motor während Haltephasen, z.B. an einer Ampel oder einem Zebrastreifen, vorübergehend abgeschaltet. Bedingung für das Abschalten des Motors ist dabei beispielsweise, dass die Geschwindigkeit des Fortbewegungsmittels für eine bestimmte Zeit unterhalb eines definierten Grenzwertes liegen muss.
-
Der Motorstopp erfolgt allerdings unabhängig von der tatsächlichen Länge der Haltephase, da das Fortbewegungsmittel keine Kenntnis von der Länge der Haltephase hat. Bei kurzen Haltephasen, beispielsweise weniger als zwei Sekunden, empfindet der Nutzer das Abschalten des Motors oftmals als störend. Dies kann dazu führen, dass die Start-Stopp-Funktion durch den Nutzer dauerhaft abgeschaltet wird. Zudem ist ein Kurzstopp unterhalb einer gewissen Zeitdauer auch energetisch ungünstig, da die Energie für den erneuten Start des Motors größer ist als die durch das Abschalten des Motors eingesparte Energie.
-
Vor diesem Hintergrund beschreibt
DE 10 2010 041 104 A1 ein Verfahren zum automatischen Abschalten einer Brennkraftmaschine in einem Kraftfahrzeug mittels einer Start-Stopp-Einrichtung, die die Brennkraftmaschine automatisch abschaltet, sobald die dafür vorgegebenen Betriebsbedingungen erfüllt sind. Bei dem Verfahren wird das automatische Abschalten der Brennkraftmaschine verhindert, wenn eine vorgegebene Anzahl von Zyklen bestehend aus einer Halte-Phase und einer daran anschließenden Weiterfahrt-Phase erkannt wird und wenn die Gesamtzeit dieser Zyklen unterhalb einer ersten applizierbaren Dauer liegt und/oder wenn die zeitliche Summe der Halte-Phasen dieser Zyklen unterhalb einer zweiten applizierbaren Dauer liegt.
-
WO 2015/005015 A1 beschreibt ein Steuergerät zum Steuern einer Start-Stopp-Automatik. Das Steuergerät umfasst ein Mittel zur Erfassung des Fahrverlaufs, ein Mittel zur automatischen Stoppbestimmung und ein Motorsteuermittel. Das Mittel zur Erfassung des Fahrverlaufs erfasst den Fahrstatus eines fahrenden Fahrzeugs als Fahrverlauf. Das Mittel zur automatischen Stoppbestimmung bestimmt auf der Grundlage des während einer vorgegebenen Zeitspanne vor dem Anhalten erfassten Fahrverlaufs, ob ein automatisches Abschalten des Motors durch die Start-Stopp-Automatik zugelassen oder verboten ist. Dazu wird prädiziert, ob mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Kurzstopp zu erwarten ist. Wenn das automatische Abschalten des Motors erlaubt ist, schaltet das Motorsteuermittel den Motor automatisch ab, wenn die Bedingungen für das automatische Abschalten erfüllt sind. Wenn das automatische Abschalten des Motors verboten ist, wird die Steuerung so durchgeführt, dass der Betrieb des Motors beibehalten wird, unabhängig davon, ob die Bedingungen für das automatische Abstellen erfüllt sind.
-
Eine weitere Möglichkeit, Kurzstopps zu vermeiden, besteht darin, Vorhersagen basierend auf Zeit- und Geodaten zu treffen. Bei georeferenzierten Ansätzen funktioniert die Vorhersage allerdings nur an Orten, für die bereits Erfahrungen gesammelt wurden. Die erforderlichen Erfahrungswerte können dabei vom Fortbewegungsmittel gesammelt werden, aber auch von einem Dienstleister bereitgestellt werden.
-
Ein anderer Ansatz nutzt verfügbare Umfelddaten. Beispielsweise können von einer Ampel Informationen über die verbleibende Dauer einer Rotphase bereitgestellt werden. Dies kann unter Verwendung von Car2x-Kommunikation erfolgen, einer Technik, bei der Fahrzeuge untereinander und mit ihrer Umwelt kommunizieren können. Voraussetzung für die Verwendung von Umfelddaten ist, dass diese grundsätzlich und zudem in ausreichender Qualität verfügbar sind.
-
Zusätzlich zur Start-Stopp-Funktion für Haltephasen kann eine weitere Energieeinsparung durch das sogenannte Start-Stopp-Segeln erzielt werden. Mit dem Begriff des Segelns wird dabei das das antriebsfreie Rollen ohne das bremsende Schleppmoment des Motors bezeichnet. Beim Start-Stopp-Segeln wird der Motor während Fahrt abgeschaltet oder zumindest vom Antriebsstrang abgekoppelt, sobald das Fortbewegungsmittel durch bloßes Rollen seine Geschwindigkeit halten kann. Dies ist beispielsweise bei einem leichten Gefälle der Fall.
-
Es ist eine Aufgabe der Erfindung, verbesserte Lösungen zum Steuern des Betriebszustands einer Antriebseinheit eines Fortbewegungsmittels bereitzustellen.
-
Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1, durch ein Computerprogramm mit Instruktionen gemäß Anspruch 12 sowie durch eine Vorrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 13 gelöst. Bevorzugte Ausgestaltungen der Erfindung sind Gegenstand der abhängigen Ansprüche.
-
Gemäß einem ersten Aspekt der Erfindung umfasst ein Verfahren zum Steuern des Betriebszustands einer Antriebseinheit eines Fortbewegungsmittels die Schritte:
- - Erfassen von Daten zu Fahrsituationen des Fortbewegungsmittels, in denen ein Energiesparzustand der Antriebseinheit aktiviert werden kann;
- - Anlernen einer Entscheidungslogik durch Clustern der erfassten Daten;
- - Auswerten von Daten zu einer aktuellen Fahrsituation durch die Entscheidungslogik; und
- - Steuern des Betriebszustands der Antriebseinheit in Abhängigkeit von einer Ausgabe der Entscheidungslogik.
-
Gemäß einem weiteren Aspekt der Erfindung umfasst ein Computerprogramm Instruktionen, die bei Ausführung durch einen Computer den Computer zur Ausführung der folgenden Schritte zum Steuern des Betriebszustands einer Antriebseinheit eines Fortbewegungsmittels veranlassen:
- - Erfassen von Daten zu Fahrsituationen des Fortbewegungsmittels, in denen ein Energiesparzustand der Antriebseinheit aktiviert werden kann;
- - Anlernen einer Entscheidungslogik durch Clustern der erfassten Daten;
- - Auswerten von Daten zu einer aktuellen Fahrsituation durch die Entscheidungslogik; und
- - Steuern des Betriebszustands der Antriebseinheit in Abhängigkeit von einer Ausgabe der Entscheidungslogik.
-
Der Begriff Computer ist dabei breit zu verstehen. Insbesondere umfasst er auch Steuergeräte, eingebettete Systeme und andere prozessorbasierte Datenverarbeitungsvorrichtungen.
-
Das Computerprogramm kann beispielsweise für einen elektronischen Abruf bereitgestellt werden oder auf einem computerlesbaren Speichermedium gespeichert sein.
-
Gemäß einem weiteren Aspekt der Erfindung weist eine Vorrichtung zum Steuern des Betriebszustands einer Antriebseinheit eines Fortbewegungsmittels auf:
- - ein Datenmodul zum Erfassen von Daten zu Fahrsituationen des Fortbewegungsmittels, in denen ein Energiesparzustand der Antriebseinheit aktiviert werden kann;
- - eine Entscheidungslogik zum Auswerten von Daten zu einer aktuellen Fahrsituation;
- - ein Clustermodul zum Anlernen der Entscheidungslogik durch Clustern der vom Datenmodul erfassten Daten; und
- - ein Steuermodul zum Steuern des Betriebszustands der Antriebseinheit in Abhängigkeit von einer Ausgabe der Entscheidungslogik.
-
Bei der erfindungsgemäßen Lösung werden die bei den Fahrten auftretenden Fahrsituationen, bei denen ein Energiesparzustand der Antriebseinheit aktiviert werden kann, analysiert. Aus dieser Analyse wird gelernt, wie typische Fahrsituationen aussehen, bei denen der Energiesparzustand nach kurzer Zeit wieder deaktiviert wird. Aus der Erfahrung kann dann aktuell prädiziert werden, ob das Aktivieren des Energiesparzustands sinnvoll ist oder nicht. Die Analyse basiert dabei auf einem Clustern der gesammelten Daten für die Fahrsituationen. Tests haben ergeben, dass sich für jeden Fahrer andere Cluster ergeben, d.h. vorzugsweise erfolgt das Anlernen individuell für einen Fahrer oder zumindest für ein Fortbewegungsmittel.
-
Gemäß einem Aspekt der Erfindung verwendet das Clustern der erfassten Fahrsituationen kategoriales Clustering. Das kategoriale Clustern der erfassten Fahrsituationen berücksichtigt gemischte Daten, d.h. numerische Zeitreihen und kategoriale Werte. Ein Vorteil des kategorialen Clustering besteht darin, dass es sehr viel weniger Rechenleistung benötigt als rekurrente neuronale Netze wie z.B. LSTM (LSTM: Long Short-Term Memory; langes Kurzzeitgedächtnis). Dies führt dazu, dass die erfindungsgemäße Lösung auf heutigen Steuergeräten in Fortbewegungsmitteln umsetzbar ist.
-
Gemäß einem Aspekt der Erfindung wird für eine Parametrierung eines Algorithmus für das Clustern ein fahrerabhängiger Hyperparametersatz verwendet. Tests haben ergeben, dass der Hyperparametersatz, mit dem der Clustering-Algorithmus idealerweise parametriert wird, individuell verschieden ist. Beispielsweise können bei einem ersten Fahrer die Signale Bremsdruck und Steigung zu den besten Ergebnissen führen, wohingegen bei einem zweiten Fahrer die Signale Bremsdruck und Radgeschwindigkeit die besten Ergebnisse liefern. Es ist daher sinnvoll, unterschiedliche Hyperparametersätze für verschiedene Fahrer zu verwenden.
-
Gemäß einem Aspekt der Erfindung erfolgt das Clustern im Fortbewegungsmittel oder in einem Backend. Das Fortbewegungsmittel sammelt die Daten der relevanten Fahrsituationen. Eine Auswertung dieser Daten kann nun im Fortbewegungsmittel oder in einem Backend, z. B. einem cloudbasierten Backend erfolgen. Bei der Auswertung im Fortbewegungsmittel ermittelt dazu ein Algorithmus auf einem Steuergerät nach einer vorgegebenen Anzahl relevanter Fahrsituationen, z.B. nach jeweils 100 relevanten Fahrsituationen, die typischen Fahrsituationen, bei denen der Energiesparzustand nach kurzer Zeit wieder deaktiviert wird. Bei der Auswertung im Backend sendet das Fortbewegungsmittel nach einer vorgegebenen Anzahl relevanter Fahrsituationen, z.B. nach jeweils 100 relevanten Fahrsituationen, die Daten an das Backend. Dort ermittelt ein Algorithmus die typischen Fahrsituationen, bei denen der Energiesparzustand nach kurzer Zeit wieder deaktiviert wird, und sendet die entsprechenden Cluster-Repräsentanten zurück an das Fortbewegungsmittel.
-
Gemäß einem Aspekt der Erfindung wird die Entscheidungslogik durch eine Start-Stopp-Automatik verwendet. Insbesondere kann die Start-Stopp-Automatik eine Start-Stopp-Funktion für Haltephasen oder ein Start-Stopp-Segeln kontrollieren. Beides sind Anwendungen, bei denen es in Hinblick auf das Fahrerlebnis und den Energieverbrauch sinnvoll ist, ein zu kurzes Aktivieren der jeweiligen Funktion zu vermeiden.
-
Gemäß einem Aspekt der Erfindung sind die Fahrsituationen des Fortbewegungsmittels, in denen ein Energiesparzustand der Antriebseinheit aktiviert werden kann, Anhaltevorgänge. Dieser Ansatz kommt dann zum Tragen, wenn die Entscheidungslogik für eine Start-Stopp-Funktion für Haltephasen verwendet werden soll. In diesem Fall werden beim Clustern vorzugsweise ein vorgegebener Zeitbereich der Anhaltevorgänge und die kategoriale Information, ob es sich um einen Kurzstopp oder einen Langstopp handelt, berücksichtigt. Auf diese Weise ist es möglich, typische Anhaltevorgänge zu ermitteln, die mit einem Kurzstopp verbunden sind.
-
Gemäß einem Aspekt der Erfindung sind die Fahrsituationen des Fortbewegungsmittels, in denen ein Energiesparzustand der Antriebseinheit aktiviert werden kann, Situationen, in denen antriebsfreies Rollen möglich ist. Dieser Ansatz kommt dann zum Tragen, wenn die Entscheidungslogik für ein Start-Stopp-Segeln verwendet werden soll. In diesem Fall werden beim Clustern vorzugsweise ein vorgegebener Zeitbereich vor dem Aktivieren des Segelns und die kategoriale Information, ob es sich um eine kurze Segelphase oder eine lange Segelphase handelt, berücksichtigt. Auf diese Weise ist es möglich, typische Fahrsituationen zu ermitteln, die mit einer kurzen Segelphase verbunden sind.
-
Gemäß einem Aspekt der Erfindung unterliegt das Steuern des Betriebszustands der Antriebseinheit einer Funktionsvalidierung. Vorzugsweise werden die Repräsentanten der typischen Fahrsituationen, bei denen der Energiesparzustand nach kurzer Zeit wieder deaktiviert wird, noch einer Validierung unterzogen. Bei dieser Funktionsvalidierung können insbesondere eine Richtig-Positiv-Rate und/oder eine Falsch-Positiv-Rate mit einem zugehörigen Schwellwert verglichen werden. Die Richtig-Positiv-Rate betrachtet prozentual, wie oft eine Kurzdauer für den Energiesparzustand erwartet wurde, sodass der Energiesparzustand nicht aktiviert wurde, und auch tatsächlich eine Kurzdauer eingetreten ist. Der Umstand, dass der Energiesparzustand nicht aktiviert wurde, ist in diesem Fall positiv für das Fahrerlebnis. Die Falsch-Positiv-Rate betrachtet prozentual, wie oft eine Kurzdauer für den Energiesparzustand erwartet wurde, sodass der Energiesparzustand nicht aktiviert wurde, tatsächlich aber eine längere Dauer eingetreten ist. In diesem Fall wäre es besser gewesen, den Energiesparzustand zu aktivieren. Zwar hat dies keine Auswirkungen auf das Fahrerlebnis, aber auf die Energiebilanz. Nur wenn bei der Validierung akzeptable Werte erreicht werden oder aber vorgegebene Schwellwerte erreicht werden, z.B. eine Vorgabe der Zulassungsbehörden hinsichtlich der Falsch-Positiv-Rate, wird die Funktion aktiviert.
-
Gemäß einem Aspekt der Erfindung werden beim Clustern zumindest eine oder mehrere der folgenden Größen berücksichtigt: Bremsdruck, Bremsdruckgradient, Radgeschwindigkeit, Fahrpedalgradient, Fahrpedalrohwert, Längsbeschleunigung, Querbeschleunigung, Gierrate, Lenkradwinkel, Abstandsindex, Steigung, Außentemperatur. In Tests hat sich gezeigt, dass abhängig vom jeweiligen Fahrer all diese Größen geeignete Größen für das Clustern sein können. Selbstverständlich können auch weitere bzw. andere Größen beim Clustern berücksichtigt werden.
-
Besonders vorteilhaft wird ein erfindungsgemäßes Verfahren oder eine erfindungsgemäße Vorrichtung in einem Fortbewegungsmittel eingesetzt. Bei dem Fortbewegungsmittel kann es sich insbesondere um ein Kraftfahrzeug handeln, z.B. einen Personenkraftwagen, ein Nutzfahrzeug oder ein Zweirad. Die Verwendung ist dabei besonders vorteilhaft für Fortbewegungsmittel mit einem Verbrennungsmotor oder einer Brennstoffzelle.
-
Weitere Merkmale der vorliegenden Erfindung werden aus der nachfolgenden Beschreibung und den angehängten Ansprüchen in Verbindung mit den Figuren ersichtlich.
- 1 zeigt schematisch ein Verfahren zum Steuern des Betriebszustands einer Antriebseinheit eines Fortbewegungsmittels;
- 2 zeigt eine erste Ausführungsform einer Vorrichtung zum Steuern des Betriebszustands einer Antriebseinheit eines Fortbewegungsmittels;
- 3 zeigt eine zweite Ausführungsform einer Vorrichtung zum Steuern des Betriebszustands einer Antriebseinheit eines Fortbewegungsmittels;
- 4 stellt schematisch ein Fortbewegungsmittel dar, in dem eine erfindungsgemäße Lösung realisiert ist;
- 5 zeigt ein Systemdiagramm einer ersten Ausführungsform einer erfindungsgemäßen Lösung am Beispiel einer Start-Stopp-Funktion für Haltephasen; und
- 6 zeigt ein Systemdiagramm einer zweiten Ausführungsform einer erfindungsgemäßen Lösung am Beispiel einer Start-Stopp-Funktion für Haltephasen.
-
Zum besseren Verständnis der Prinzipien der vorliegenden Erfindung werden nachfolgend Ausführungsformen der Erfindung anhand der Figuren detaillierter erläutert. Es versteht sich, dass sich die Erfindung nicht auf diese Ausführungsformen beschränkt und dass die beschriebenen Merkmale auch kombiniert oder modifiziert werden können, ohne den Schutzbereich der Erfindung zu verlassen, wie er in den angehängten Ansprüchen definiert ist.
-
1 zeigt schematisch ein Verfahren zum Steuern des Betriebszustands einer Antriebseinheit eines Fortbewegungsmittels. In einem ersten Schritt werden Daten zu Fahrsituationen des Fortbewegungsmittels, in denen ein Energiesparzustand der Antriebseinheit aktiviert werden kann, erfasst 10. Bei diesen Fahrsituationen kann es sich z.B. um Anhaltevorgänge oder um Situationen, in denen antriebsfreies Rollen möglich ist, handeln. Durch Clustern der erfassten Daten, vorzugsweise unter Verwendung von kategorialem Clustering, wird eine Entscheidungslogik angelernt 11. Insbesondere kann die Entscheidungslogik durch eine Start-Stopp-Automatik verwendet werden. Beim Clustern, das im Fortbewegungsmittel oder in einem Backend erfolgen kann, wird bevorzugt ein fahrerabhängiger Hyperparametersatz für eine Parametrierung des Clustering-Algorithmus verwendet. Beispielsweise können beim Clustern ein vorgegebener Zeitbereich von Anhaltevorgängen und die kategoriale Information, ob es sich um einen Kurzstopp oder einen Langstopp handelt, berücksichtigt werden. Nachfolgend werden Daten zu einer aktuellen Fahrsituation erfasst 12. Diese werden durch die Entscheidungslogik ausgewertet 13. In Abhängigkeit von einer Ausgabe der Entscheidungslogik wird dann der Betriebszustand der Antriebseinheit gesteuert 14. Vorzugsweise unterliegt das Steuern des Betriebszustands der Antriebseinheit einer Funktionsvalidierung. Bei dieser können beispielsweise eine Richtig-Positiv-Rate und/oder eine Falsch-Positiv-Rate mit einem zugehörigen Schwellwert verglichen werden.
-
2 zeigt eine vereinfachte schematische Darstellung einer ersten Ausführungsform einer Vorrichtung 20 zum Steuern des Betriebszustands einer Antriebseinheit 41 eines Fortbewegungsmittels. Die Vorrichtung 20 hat einen Eingang 21, über den ein Datenmodul 22 Daten D zu Fahrsituationen des Fortbewegungsmittels erfassen kann, in denen ein Energiesparzustand der Antriebseinheit 41 aktiviert werden kann. Bei diesen Fahrsituationen kann es sich z.B. um Anhaltevorgänge handeln oder um Situationen, in denen antriebsfreies Rollen möglich ist. Eine Entscheidungslogik 24 ist dazu eingerichtet, Daten DA zu einer aktuellen Fahrsituation auszuwerten, die ebenfalls über den Eingang 21 empfangen werden können. Insbesondere kann die Entscheidungslogik 24 durch eine Start-Stopp-Automatik verwendet werden. Ein Clustermodul 23 ist dazu eingerichtet, die Entscheidungslogik 24 durch Clustern der vom Datenmodul 22 erfassten Daten D anzulernen, vorzugsweise unter Verwendung von kategorialem Clustering. Beim Clustern wird bevorzugt ein fahrerabhängiger Hyperparametersatz für eine Parametrierung des Clustering-Algorithmus verwendet. Beispielsweise können beim Clustern ein vorgegebener Zeitbereich von Anhaltevorgängen und die kategoriale Information, ob es sich um einen Kurzstopp oder einen Langstopp handelt, berücksichtigt werden. Ein Steuermodul 25 ist dazu eingerichtet, den Betriebszustand der Antriebseinheit 41 in Abhängigkeit von einer Ausgabe der Entscheidungslogik zu steuern. Zu diesem Zweck kann das Steuermodul 25 entsprechende Steuerbefehle S über einen Ausgang 28 der Vorrichtung 20 an die Antriebseinheit 41 ausgeben. Vorzugsweise unterliegt das Steuern des Betriebszustands der Antriebseinheit einer Funktionsvalidierung. Bei dieser können beispielsweise eine Richtig-Positiv-Rate und/oder eine Falsch-Positiv-Rate mit einem zugehörigen Schwellwert verglichen werden.
-
Das Datenmodul 22, das Clustermodul 23, die Entscheidungslogik 24 und das Steuermodul 25 können von einem Kontrollmodul 26 gesteuert werden. Über eine Benutzerschnittstelle 29 können gegebenenfalls Einstellungen des Datenmoduls 22, des Clustermoduls 23, der Entscheidungslogik 24, des Steuermoduls 25 oder des Kontrollmoduls 26 geändert werden. Die in der Vorrichtung 20 anfallenden Daten können bei Bedarf in einem Speicher 27 abgelegt werden, beispielsweise für eine spätere Auswertung oder für eine Nutzung durch die Komponenten der Vorrichtung 20. Das Datenmodul 22, das Clustermodul 23, die Entscheidungslogik 24, das Steuermodul 25 sowie das Kontrollmodul 26 können als dedizierte Hardware realisiert sein, beispielsweise als integrierte Schaltungen. Natürlich können sie aber auch teilweise oder vollständig kombiniert oder als Software implementiert werden, die auf einem geeigneten Prozessor läuft, beispielsweise auf einer GPU oder einer CPU. Der Eingang 21 und der Ausgang 28 können als getrennte Schnittstellen oder als eine kombinierte bidirektionale Schnittstelle implementiert sein.
-
In 2 erfolgen das Clustern der Daten D und das Anlernen der Entscheidungslogik 24 innerhalb der Vorrichtung 20. Es ist aber ebenso möglich, diese Aufgaben in ein an die Vorrichtung 20 angebundenes Backend auszulagern. Dabei kann es sich beispielsweise um eine cloudbasierte Lösung handeln. Zudem kann auch das Datenmodul 22 zum Erfassen der Daten D aus der Vorrichtung 20 ausgelagert werden.
-
3 zeigt eine vereinfachte schematische Darstellung einer zweiten Ausführungsform einer Vorrichtung zum Steuern des Betriebszustands einer Antriebseinheit eines Fortbewegungsmittels. Die Vorrichtung 30 weist einen Prozessor 32 und einen Speicher 31 auf. Beispielsweise handelt es sich bei der Vorrichtung 30 um einen Computer oder ein Steuergerät. Im Speicher 31 sind Instruktionen abgelegt, die die Vorrichtung 30 bei Ausführung durch den Prozessor 32 veranlassen, die Schritte gemäß einem der beschriebenen Verfahren auszuführen. Die im Speicher 31 abgelegten Instruktionen verkörpern somit ein durch den Prozessor 32 ausführbares Programm, welches das erfindungsgemäße Verfahren realisiert. Die Vorrichtung 30 hat einen Eingang 33 zum Empfangen von Informationen, beispielsweise von Daten zu Fahrsituationen des Fortbewegungsmittels. Vom Prozessor 32 generierte Daten werden über einen Ausgang 34 bereitgestellt. Darüber hinaus können sie im Speicher 31 abgelegt werden. Der Eingang 33 und der Ausgang 34 können zu einer bidirektionalen Schnittstelle zusammengefasst sein.
-
Der Prozessor 32 kann eine oder mehrere Prozessoreinheiten umfassen, beispielsweise Mikroprozessoren, digitale Signalprozessoren oder Kombinationen daraus.
-
Die Speicher 27, 31 der beschriebenen Ausführungsformen können sowohl volatile als auch nichtvolatile Speicherbereiche aufweisen und unterschiedlichste Speichergeräte und Speichermedien umfassen, beispielsweise Festplatten, optische Speichermedien oder Halbleiterspeicher.
-
4 stellt schematisch ein Fortbewegungsmittel 40 dar, in dem eine erfindungsgemäße Lösung realisiert ist. Bei dem Fortbewegungsmittel 40 handelt es sich in diesem Beispiel um ein Kraftfahrzeug. Das Kraftfahrzeug weist eine Antriebseinheit 41 auf, deren Betriebszustand unter anderem von einer Start-Stopp-Automatik 42 gesteuert werden kann. Die Start-Stopp-Automatik 42 kann insbesondere eine Start-Stopp-Funktion für Haltephasen oder ein Start-Stopp-Segeln kontrollieren. Zusätzlich kann die Start-Stopp-Automatik 42 auf Daten einer Sensorik 43 oder eines Navigationssystems 44 zurückgreifen. Die Sensorik 43 kann sowohl Sensoren zum Erfassen von Fahrzeugzuständen umfassen, wie Beschleunigungssensoren, Raddrehzahlsensoren oder Gyroskope, als auch Sensoren zum Erfassen von Umgebungsinformationen, wie Kameras, Radarsensoren, Lidarsensoren oder Ultraschallsensoren. Die Start-Stopp-Automatik 42 umfasst im dargestellten Beispiel eine erfindungsgemäße Vorrichtung 20 zum Steuern des Betriebszustands der Antriebseinheit 41, d.h. die Start-Stopp-Automatik 42 nutzt eine entsprechend angelernte Entscheidungslogik. Mittels einer Datenübertragungseinheit 45 kann eine Verbindung zu einem Backend 50, zu Dienstanbietern oder auch anderen Kraftfahrzeugen aufgebaut werden. Zur Speicherung von Daten ist ein Speicher 46 vorhanden. Der Datenaustausch zwischen den verschiedenen Komponenten des Kraftfahrzeugs erfolgt über ein Netzwerk 47.
-
Nachfolgend sollen bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung anhand von 5 und 6 beschrieben werden. Die Ausführungsformen betrachten dabei eine Start-Stopp-Funktion für Haltephasen. Eine analoge Betrachtung ist aber auch für andere Anwendungen möglich, insbesondere für das Start-Stopp-Segeln.
-
5 zeigt ein Systemdiagramm einer ersten Ausführungsform einer erfindungsgemäßen Lösung. In dieser Ausführungsform sind die verschiedenen funktionalen Blöcke teils in einem Fortbewegungsmittel 40 und teils in einem Backend 50 realisiert. Im Fortbewegungsmittel 40 ist eine Datenerfassung 60 realisiert. Diese identifiziert Anhaltevorgänge und erfasst zugehörige numerische Zeitreihen für eine Reihe von Größen, wie z.B. Bremsdruck, Bremsdruckgradient, Radgeschwindigkeit, Fahrpedalgradient, Fahrpedalrohwert, Längsbeschleunigung, Querbeschleunigung, Gierrate, Lenkradwinkel, Abstandsindex, Steigung oder Außentemperatur. Die numerischen Zeitreihen können beispielsweise für einen Zeitbereich von 5 s der Anhaltevorgänge mit einer Auflösung von 20 ms gesammelt werden. Zudem werden kategoriale Werte erfasst, insbesondere die kategoriale Information, ob es sich um einen Kurzstopp oder einen Langstopp handelt. Die gesammelten Daten werden nach einer vorgegebenen Anzahl von Anhaltevorgängen, z.B. 100 Anhaltevorgängen, an das Backend 50 übermittelt. Dort erfolgen eine Speicherung 51 und ein Clustering 52 der empfangenen Sequenzen. Das Clustering 52 führt eine unbeaufsichtigte Klassifizierung durch und clustert die gemischten numerischen und kategorialen Werte. Das Ziel ist es dabei, Cluster zu identifizieren, die überwiegend mit Kurzstopps oder überwiegend mit Langstopps verbunden sind. Diese Cluster werden einer Validierung 53 unterzogen, bei der die Richtig-Positiv-Rate und die Falsch-Positiv-Rate berechnet werden. Die entsprechenden Cluster-Repräsentanten werden zurück an das Fortbewegungsmittel 40 gesendet, wo sie von einer Start-Stopp-Entscheidungslogik 61 genutzt werden, um für einen aktuellen Anhaltevorgang zu entscheiden, ob der Motor abgeschaltet werden soll. Vorzugsweise wird die Funktion nur aktiviert, sofern bei der Validierung akzeptable Werte erreicht werden oder aber vorgegebene Schwellwerte erreicht werden. In Tests wurde ermittelt, dass mit der erfindungsgemäßen Lösung mehr als 85% aller Kurzstopps korrekt vorhergesagt werden konnten. Aufgrund inkorrekter Vorhersagen wurde der Motor zwar teilweise während der Langstopps nicht abgeschaltet, dies wirkt sich aber nicht negativ auf das Fahrerlebnis aus. Im Ergebnis ist aufgrund der hohen Richtig-Positiv-Rate eine deutlich gesteigerte Akzeptanz der Start-Stopp-Funktion durch die Nutzer zu erwarten.
-
6 zeigt ein Systemdiagramm einer zweiten Ausführungsform einer erfindungsgemäßen Lösung. In dieser Ausführungsform sind die verschiedenen funktionalen Blöcke vollständig im Fortbewegungsmittel 40 realisiert. Die Datenerfassung 60 identifiziert Anhaltevorgänge und erfasst zugehörige numerische Zeitreihen für eine Reihe von Größen, wie z.B. Bremsdruck, Bremsdruckgradient, Radgeschwindigkeit, Fahrpedalgradient, Fahrpedalrohwert, Längsbeschleunigung, Querbeschleunigung, Gierrate, Lenkradwinkel, Abstandsindex, Steigung oder Außentemperatur. Die numerischen Zeitreihen können beispielsweise für einen Zeitbereich von 5 s der Anhaltevorgänge mit einer Auflösung von 20 ms gesammelt werden. Zudem werden kategoriale Werte erfasst, insbesondere die kategoriale Information, ob es sich um einen Kurzstopp oder einen Langstopp handelt. Die gesammelten Daten werden nach einer vorgegebenen Anzahl von Anhaltevorgängen, z.B. 100 Anhaltevorgängen, als Datenpaket in einem Speicher 62 abgelegt und einem Clustering 63 unterzogen. Das Clustering 62 wird z.B. nach jeweils 100 Anhaltevorgängen neu für eine Gesamtheit der gespeicherten Anhaltevorgänge gestartet. Die Gesamtheit kann beispielsweise 2000 Anhaltevorgänge umfassen. Das Clustering 63 führt wie zuvor eine unbeaufsichtigte Klassifizierung durch und clustert die gemischten numerischen und kategorialen Werte mit dem Ziel, Cluster zu identifizieren, die überwiegend mit Kurzstopps oder überwiegend mit Langstopps verbunden sind. Diese Cluster werden einer Validierung 64 unterzogen, bei der die Richtig-Positiv-Rate und die Falsch-Positiv-Rate berechnet werden. Die entsprechenden Cluster-Repräsentanten werden von der Start-Stopp-Entscheidungslogik 61 genutzt, um für einen aktuellen Anhaltevorgang zu entscheiden, ob der Motor abgeschaltet werden soll. Vorzugsweise wird die Funktion nur aktiviert, sofern bei der Validierung akzeptable Werte erreicht werden oder aber vorgegebene Schwellwerte erreicht werden.
-
Bezugszeichenliste
-
- 10
- Erfassen von Daten zu Fahrsituationen
- 11
- Anlernen einer Entscheidungslogik durch Clustern der erfassten Daten
- 12
- Erfassen von Daten zu einer aktuellen Fahrsituation
- 13
- Auswerten der Daten zur aktuellen Fahrsituation durch die Entscheidungslogik
- 14
- Steuern eines Betriebszustands
- 20
- Vorrichtung
- 21
- Eingang
- 22
- Datenmodul
- 23
- Clustermodul
- 24
- Entscheidungslogik
- 25
- Steuermodul
- 26
- Kontrollmodul
- 27
- Speicher
- 28
- Ausgang
- 29
- Benutzerschnittstelle
- 30
- Vorrichtung
- 31
- Speicher
- 32
- Prozessor
- 33
- Eingang
- 34
- Ausgang
- 40
- Fortbewegungsmittel
- 41
- Antriebseinheit
- 42
- Start-Stopp-Automatik
- 43
- Sensorik
- 44
- Navigationssystem
- 45
- Datenübertragungseinheit
- 46
- Speicher
- 47
- Netzwerk
- 50
- Backend
- 51
- Speicherung
- 52
- Clustering
- 53
- Validierung
- 60
- Datenerfassung
- 61
- Start-Stopp-Entscheidungslogik
- 62
- Speicher
- 63
- Clustering
- 64
- Validierung
- D
- Daten zu Fahrsituationen
- DA
- Daten zu aktueller Fahrsituation
- S
- Steuerbefehl
-
ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
-
Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
-
Zitierte Patentliteratur
-
- DE 102010041104 A1 [0004]
- WO 2015/005015 A1 [0005]