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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Entstörung eines Magnetoenzephalogramm (MEG) Signales, das von einem in einem Fahrzeugsitz integrierten Brain-Computer-Interface (BCI) erfasst wird, gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1.
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Die Erfindung betrifft zudem einen Fahrzeugsitz mit einem zur Durchführung eines solchen Verfahrens eingerichteten BCI gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 4.
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Das Dokument
US 2012/0139733 A1 beschreibt eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Vermeidung von Schläfrigkeit. Es werden Hirnwellen eines Nutzers dadurch ermittelt, dass ein Signal im Umfeld des Kopfes des Nutzers kontaktlos ermittelt werden. Ein Zustand des Nutzers wird anhand der ermittelten Hirnwellen detektiert und auf den Zustand des Nutzers angepasste Funktionen ausgeführt. Dadurch wird eine Verbesserung des Komforts bei der kontaktlosen Messung von Hirnwellen eines Fahrzeugführers erzielt.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zu Grunde, ein verbessertes Verfahren zur Entstörung eines Magnetoenzephalogramm (MEG) Signales, das von einem in einem Fahrzeugsitz integrierten Brain-Computer-Interface (BCI) erfasst wird, anzugeben. Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß von einem Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst.
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Der Erfindung liegt ferner die Aufgabe zu Grunde, einen verbesserten Fahrzeugsitz mit einem zur Steuerung von Fahrzeugfunktionen eingerichteten BCI anzugeben. Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß von einem Fahrzeugsitz mit den Merkmalen des Anspruchs 4 gelöst.
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Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind Gegenstand der Unteransprüche.
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Bei einem Verfahren zur Entstörung eines Roh-Magnetoenzephalogramm (MEG)-Signales, das von einem in einem Fahrzeugsitz integrierten Brain-Computer-Interface, umfassend mindestens einen MEG-Sensor, erfasst wird und das durch elektromagnetische Einstreuung von mindestens einem ebenfalls in dem Fahrzeugsitz integrierten Lautsprecher gestört ist, wobei jeder Lautsprecher durch ein Audiosignal angesteuert wird, wird erfindungsgemäß eine kanalbezogene Störübertragungsfunktion ermittelt, welche die Übertragung einer elektromagnetischen Störung von jeweils einem Lautsprecher auf den mindestens einen MEG-Sensor beschreibt.
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Für jeden Lautsprecher wird die jeweils auf den mindestens einen MEG-Sensor eingestreute Störung dadurch ermittelt, dass die auf diesen Lautsprecher und diesen MEG-Sensor jeweils kanalbezogene Störübertragungsfunktion auf das Audiosignal angewendet wird. welches den jeweiligen Lautsprecher ansteuert.
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Ein entstörtes MEG-Signal wird dadurch gebildet, dass von dem Roh-MEG-Signal, welches von dem jeweiligen MEG-Sensor erfasst wurde, die Summe der für alle Lautsprecher ermittelten Störungen abgezogen wird.
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Ein Vorteil der Erfindung besteht darin, dass zur Entstörung des Roh-MEG-Signals nur bekannte, vorhandene Audiosignale herangezogen werden und somit eine zusätzliche Referenzsensorik entfallen kann. Dies ermöglicht Bauraum- und Kostenvorteile, welche einen Einsatz in einem Fahrzeug, insbesondere in einem Personenkraftwagen, befördern.
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Die Integration sowohl des mindestens einen Lautsprechers, als auch des BCI in einen Fahrzeugsitz ist besonders vorteilhaft, weil dadurch die von dem mindestens einen Lautsprecher auf den mindestens einen MEG-Sensor des BCI einstreuenden Störungen besonders gut ermittelt und korrigiert werden können.
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In Ausführungsformen der Erfindung wird das vorgeschlagene Verfahren mit bekannten Verfahren zur Signalentmischung oder zur Signalentstörung kombiniert. Beispielsweise können die entstörten MEG-Signale einer Hauptkomponentenanalyse (principle component analysis, PCA) oder einer Analyse unabhängige Komponenten (independent component analysis, ICA) unterzogen werden, um weitere Rauschanteile und Störungen zu eliminieren. Ferner sind Verfahren der adaptiven Filterung bekannt und anwendbar, um das von einem MEG-Sensor mit einer bekannten Rauschcharakteristik bereitgestellte Signal zu verbessern. Ein Vorteil dieser Ausführungsform besteht in der weiteren Verbesserung des Signal-Rausch-Verhältnisses und somit in einer genaueren und besser reproduzierbaren Erkennungsleistung des BCI.
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Ausführungsbeispiele der Erfindung werden im Folgenden anhand einer Zeichnung näher erläutert.
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Dabei zeigt:
- 1 schematisch den Signalfluss in einem fahrzeugsitzintegrierten BCI.
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1 zeigt schematisch ein Steuergerät 1, das zur Steuerung von Fahrzeugfunktionen eines nicht näher dargestellten Fahrzeugs eingerichtet ist. Die Fahrzeugfunktionen werden durch Aktionen gesteuert, die ein Nutzer 2 an dem Steuergerät 1 vornimmt.
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Steuergeräte 1, welche gezielte manuelle Aktionen eines Nutzers 2, beispielsweise die Bedienung von Schaltelementen (Tastern oder Schaltern) oder die Bedienung eines Touchscreens, auswerten und in die Steuerung von Fahrzeugfunktionen umsetzen, sind aus dem Stand der Technik bekannt.
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Vorliegend wird der Bedienwunsch eines Nutzers 2 hinsichtlich des Steuergeräts 1 durch ein Brain-Computer-Interface (BCI) 10 erfasst und an das Steuergerät 1 übermittelt. Das BCI 10 wertet Hirnaktivität, insbesondere kortikale Hirnaktivität, des Nutzers 2 aus und leitet daraus Parameter des mentalen und/oder kognitiven Zustands und/oder Planungs- oder Handlungsabsichten des Nutzers 2 ab. BCIs 10, welche durch Auswertung von Elektroenzephalographie (EEG) - Signalen und/oder durch Auswertung von Magnetoenzephalographie (MEG) - Signalen und/oder durch Auswertung von Elektrookulographie (EOG) - Signalen konkrete Handlungsabsichten eines Nutzers 2 ermitteln, sind aus dem Stand der Technik bekannt.
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Beispielsweise sind sogenannte Brainspeller bekannt, welche durch Auswertung von ereigniskorrelierten Potentialen, die als Antwort eines Nutzers 2 auf visuell oder auditorisch dargebotene Reize bestimmt werden, einen vom Nutzer 2 gewählten Buchstaben ermitteln und einer durch das BCI 10 erstellten Zeichenkette hinzufügen. In gleicher Weise lassen sich anstelle einer vom Nutzer 2 intendierten, zu buchstabierenden Zeichenkette Anweisungen an das Steuergerät 1 ermitteln, mit denen Fahrzeugfunktionen ausgewählt oder parametrisiert werden.
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Ferner sind aus dem Stand der Technik BCIs 10 bekannt, mit denen der emotionale und/oder kognitive Status des Nutzer 2 durch Auswertung evozierter Potentiale oder durch Auswertung ereigniskorrelierter Potentiale bestimmt wird. Durch Bestimmung vigilanzabhängiger Parameter eines evozierten Potentials, beispielsweise der Latenz der P300 - Welle eines visuell evozierten Potentials, kann die Aufmerksamkeit oder die Müdigkeit eines Nutzers 2 bestimmt werden.
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Das Steuergerät 1 kann dann so eingerichtet und konfiguriert sein, dass Fahrzeugfunktionen abhängig von dem emotionalen und/oder kognitiven Status eines Nutzers 2, der das Fahrzeug führt, parametrisiert werden. Beispielsweise könnte eine Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs bei erhöhter Müdigkeit begrenzt werden.
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Für den Einsatz in einem Fahrzeug ist die kontaktlose Erfassung eines Biosignals, welches die Hirnaktivität des Nutzers 2 charakterisiert, besonders vorteilhaft. Zudem ist es vorteilhaft, wenn die zur Bestimmung eines evozierten oder eines ereigniskorrelierten Potentials erforderlichen Reize nicht visuell dargeboten werden, um die Aufmerksamkeit des Nutzers 2 von der visuell geführten Steuerung des Fahrzeugs und vom Geschehen im Verkehr nicht abzulenken.
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Es wird ein BCI 10 vorgeschlagen, das mindestens einen superconducting quantum interference device (SQUID) Sensor 11 umfasst, der zur Erfassung eines magnetischen Wechselfeldes eingerichtet ist, welches durch die Aktivität von Neuronenensembles im Hirn des Nutzers 2 erzeugt und durch dessen Schädelkalotte hindurch emittiert wird. Das von dem mindestens einen SQUID Sensor 11 erfasste Roh-Magnetoenzephalogramm (MEG)-Signal yi(t) wird durch eine Signalauswerteeinheit 13 ausgewertet, wobei der Index i = 1,2, ... N die Nummer des zugeordneten SQUID Sensors 11 beziehungsweise die Nummer des MEG-Kanals bezeichnet. Die Signalauswerteeinheit 13 kann beispielsweise als Digitaler Signalprozessor ausgebildet sein.
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Ferner umfasst das BCI 10 mindestens einen Lautsprecher 12, der zur Wiedergabe jeweils eines Audiosignals xi(t), i = 1,2, ... M eingerichtet ist, wobei der Index i die Nummer des Lautsprechers 12 beziehungsweise die Nummer des Audiokanals bezeichnet. Die Audiosignale xi(t) können als Musiksignale, Sprachsignale und/oder als Triggersignale zur Auslösung von akustisch evozierten Potentialen und/oder zur Auslösung von akustischen ereigniskorrelierten Potentialen ausgebildet sein.
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Erfindungsgemäß sind die Lautsprecher 12 in einen nicht näher dargestellten Fahrzeugsitz integriert. Dadurch wird ein besonders guter akustischer Eindruck der von dem mindestens einen Lautsprecher 12 wiedergegebenen Audiosignale xi(t) erzielt. Hinsichtlich der als Triggersignale ausgebildeten Audiosignale xi(t) wird durch die Integration des mindestens einen Lautsprechers 12 in den Fahrzeugsitz erreicht, dass die akustische Reizung des Nutzers 2 besonders direkt und deutlich erfolgt und dass der Einfluss von akustischen Störsignalen vermindert wird, die keinen Bezug zum akustischen Triggersignal aufweisen und die Bestimmung eines akustischen evozierten Potentials oder eines akustischen ereigniskorrelierten Potentials verfälschen könnten.
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Die Audiosignale x
i(t) werden von einem Audiogenerator
14 erzeugt. Der Audiogenerator
14 wird von dem Steuergerät
1 konfiguriert und zur Generierung eines konkreten Audiosignals x
i(t) angesteuert. Die Signalauswerteeinheit
13 ermittelt nach einem nachfolgend beschriebenen Entstörungsverfahren aus dem Roh-MEG-Signal y
i(t) ein entstörtes MEG-Signal
und übermittelt dieses an das Steuergerät
1.
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Somit ist es möglich, auf dem Steuergerät 1 den Bezug zwischen einem Triggersignal und einer von diesem Triggersignal ausgelösten kortikalen Antwort (das heißt: einem evozierten oder ereigniskorrelierten Potential) zu bestimmen und hieraus einen emotionalen und/oder kognitiven Zustand des Nutzers 2 und/oder dessen Handlungsabsichten zu ermitteln. Verfahren hierfür, insbesondere triggerzeitpunktbezogene Mittelungsverfahren, Verfahren zur Auswertung der Signalform und zur Identifizierung von typischen Graphoelementen in derartigen Signalen und Verfahren zur Anwendung eines realistischen Kopfmodells zur Lokalisierung eines MEG-Herdes, der primär mit einer kortikalen Antwort korreliert ist, sind aus dem Stand der Technik bekannt.
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Die Bestimmung einer kortikalen Antwort aus mindestens einem Roh-MEG-Signal yi(t) wird jedoch dadurch erschwert, dass magnetoenzephalographische Signale sehr schwach, beispielsweise wesentlich schwächer als elektroenzephalographische Signale sind und somit wesentlich empfindlicher gegenüber Störungen sind.
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Beispielsweise können als Wechselspannung übertragene oder in einem Lautsprecher
12 in elektromagnetische Wechselfelder umgesetzte Audiosignale x
i(t) über elektromagnetische Interferenz auf die von den SQUID-Sensoren
11 erfassten Roh-MEG-Signale y
i(t) einstreuen und diese überlagern. Die Überlagerung der vom l-ten Lautsprecher
12 auf dem k-ten SQUID-Sensor
11 erzeugten Störung ψ
k,l(t) kann über die kanalbezogene Störübertragungsfunktion G
k,l(s) eines linearen, zeitinvarianten Übertragungssystems modelliert werden:
wobei ψ
k,l(s) die Laplace-Transformierte der Störung ψ
k,l(t) auf dem k-ten SQUID-Sensor
11 und wobei X
l(s) die Laplace-Transformierte des Audiosignals x
l(t) ist, welches den l-ten Lautsprecher
12 ansteuert.
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Erfindungsgemäß wird jede der M x N möglichen kanalbezogenen Störübertragungsfunktionen Gk,l(s); k = 1,2, ... N; l = 1,2, ... M messtechnisch ermittelt oder geschätzt. Messverfahren hierfür sind aus dem Stand der Technik bekannt. Beispielsweise kann jeweils ein Lautsprecher 12 mit einem als Impulssignal δ(t) ausgebildeten Audiosignal xl(t) angesteuert werden und die daraus resultierende Impulsantwort gk,l(t) für jeden der N SQUID-Sensoren 11 vermessen werden, wobei alle übrigen Audiosignale xi(t), i ≠l auf Null gesetzt werden und wobei keinerlei Roh-MEG-Signale yk(t) abgeleitet werden. Die jeweilige Störübertragungsfunktionen Gk,l(s) ergibt sich dann als Laplace-Transformierte der Impulsantwort gk,l(t).
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Erfindungsgemäß wird eine Störung ψk,l(t), die von einem Audiosignal xl(t) in einem Roh-MEG-Signal yk(t) bewirkt wird, durch Filterung dieses Audiosignals xl(t) ermittelt. Die Filterung erfolgt mit einem linearen, zeitinvarianten Filter mit der zuvor ermittelten kanalbezogenen Störübertragungsfunktion Gk,l(s). Die Filterung kann durch Multiplikation der Laplace-Transformierten des Audiosignals xl(t) mit der kanalbezogenen Störübertragungsfunktion Gk,l(s) erfolgen. Alternativ kann die Filterung durch Faltung im Zeitbereich mit einer Impulsantwort gk,l(t) erfolgen, dessen Laplace-Transformierte gleich der kanalbezogenen Störübertragungsfunktion Gk,l(s) ist.
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Ein entstörtes MEG-Signal
wird dann dadurch gebildet, dass von dem gemessenen Roh-MEG-Signal y
i(t) die von allen Lautsprechern
12 darauf einstreuenden Störsignale abgezogen werden:
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Dadurch ist es möglich, Lautsprecher 12 nahe an einer MEG-Ableitevorrichtung, beispielsweise nahe an SQUID-Sensoren 11 und/oder nahe an elektrischen Leitungen, die von den SQUID-Sensoren 11 zu der Signalauswerteeinheit 13 führen, anzuordnen. Insbesondere ist es möglich, Lautsprecher 12 und/oder SQUID-Sensoren 11 in einen Fahrzeugsitz zu integrieren, wobei eine zusätzliche, das heißt: über die SQUID-Sensoren 11 hinausgehende, Referenzsensorik zur Erfassung von Störungen nicht erforderlich ist. Somit kann, durch Auswertung der ohnehin erfassten und im Steuergerät 1 verfügbaren Audiosignale xi(t), zusätzlicher Hardwareaufwand eingespart werden.
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In einer Ausführungsform kann das vorgeschlagene Entstörungsverfahren mit weiteren, aus dem Stand der Technik bekannten Verfahren zur Signalentmischung oder zur Signalentstörung kombiniert werden. Beispielsweise können die entstörten MEG-Signale
einer Hauptkomponentenanalyse (principle component analysis, PCA) oder einer Analyse unabhängige Komponenten (independent component analysis, ICA) unterzogen werden, um weitere Rauschanteile und Störungen zu eliminieren. Ferner sind Verfahren der adaptiven Filterung bekannt und anwendbar, um das von einem SQUID-Sensor
11 mit einer bekannten Rauschcharakteristik bereitgestellte Signal zu verbessern. Ein Vorteil dieser Ausführungsform besteht in der weiteren Verbesserung des Signal-Rausch-Verhältnisses und somit in einer genaueren und besser reproduzierbaren Erkennungsleistung des BCI
10.
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Eine Übertragung der vorstehend dargelegten technischen Lehre für Signale mit kontinuierlicher Zeit auf Signale mit diskreter Zeit ist für den Fachmann ohne weiteres möglich, indem zeitkontinuierliche Signale unter Einhaltung des Abtasttheorems abgetastet werden und anstelle der Laplace-Transformierten die Z-Transformierte zur Bestimmung einer kanalbezogenenGk,l(s) Störübertragung verwendet wird. Ausführungsformen des Verfahrens mit zeitdiskreten Signalen bieten den Vorteil einer leichteren Implementierbarkeit, beispielsweise unter Verwendung von Digitalen Signalprozessoren.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- US 2012/0139733 A1 [0003]