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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Durchführung eines, insbesondere automatisierten, Bremsvorganges eines Fahrzeuges, ein Assistenzsystem für ein Fahrzeug zur Steuerung eines derartigen Bremsvorganges anhand des erfindungsgemäßen Verfahrens sowie ein Computerprogramm zur Durchführung des Verfahrens und ein transportables computerlesbares Speichermedium, auf dem das Computerprogramm zur Durchführung des Verfahrens gespeichert ist.
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Technologischer Hintergrund
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Gattungsgemäße Fahrzeuge, wie z. B. Personenkraftfahrzeuge (PKW), Lastkraftwägen (LKW) oder Motorräder, werden zunehmend mit Fahrerassistenzsystemen ausgerüstet, welche mit Hilfe von Sensoren die Umgebung erfassen, Verkehrssituation erkennen und den Fahrer unterstützen können, z. B. durch einen Brems- oder Lenkeingriff oder durch die Ausgabe einer optischen oder akustischen Warnung. Als Sensoren zur Umfeld- bzw. Umgebungserfassung werden regelmäßig Radarsensoren, Lidarsensoren, Kamerasensoren oder dergleichen eingesetzt. Aus den durch die Sensoren ermittelten Sensordaten können anschließend Rückschlüsse auf die Umgebung gezogen werden. Dabei werden die verarbeiteten Sensorinformationen zur Umfelderkennung verwendet, um darauf basierend Anweisungen zur Fahrerwarnung/-Information oder zum geregelten Lenken, Bremsen und Beschleunigen zu geben. Durch die Sensor- und Umfelddaten verarbeitende Assistenzfunktionen können dann z. B. Unfälle mit anderen Verkehrsteilnehmern vermieden oder komplizierte Fahrmanöver erleichtert werden, indem die Fahraufgabe bzw. die Fahrzeugführung unterstützt oder sogar komplett übernommen wird (teil- / vollautomatisieret). Beispielsweise kann das Fahrzeug z. B. durch einen Notbremsassistenten (EBA, Emergency Brake Assist) eine autonome Notbremsung (AEB, Automatic Emergency Brake), durch einen Adaptive Cruise Control-Assistenten (ACC) eine Folgefahrt und Geschwindigkeitsregelung oder durch einen aktiven Spurhalteassistenten mit Lenkunterstützung in der Spur gehalten werden (LKA, Lane Keeping Assist). Zudem können auch mehrere dieser Funktionen in einem System vereint werden. Neben der Notbremsung in Gefahrensituationen ist insbesondere beim (voll-) automatisierten Führen eines Fahrzeuges der automatisierte Bremseneingriff von großer Bedeutung. Eine automatisierte Bremsung wird dabei in einer kritischen Umfeldsituation bzw. Verkehrsszene insbesondere bei einer drohenden Kollision eingeleitet.
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Bei gattungsgemäßen Notbremssystemen bzw. Notbremsassistenten wird, insbesondere bei niedrigen Geschwindigkeiten z. B. bis 20 km/h, in der Regel ein lineares Bremsmodell zur Berechnung des benötigten Bremsweges verwendet. Das lineare Bremsmodell umfasst dabei eine sogenannte Totzeit, die sich z. B. aus der Signallaufzeit und dem Weg der Bremsbacken bis zum Kontakt mit der Bremsscheibe sowie einer linearen Zunahme der Bremskraft bis hin zu einem Maximalwert ergibt. Die Parameter des Bremsmodells (Totzeit, Bremskraftzunahme und Maximalbremskraft) werden in der Regel einmalig herstellerseitig eingestellt und bleiben während der gesamten Laufzeit des Fahrzeuges unverändert.
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Allerdings können sich die im beschriebenen Bremsmodell charakteristischen Parameter ändern, z. B. aufgrund von Verschleiß oder Umwelteinflüssen (z. B. vereiste, nasse, glatte oder mit Splitt bestreute Fahrbahnoberflächen oder dergleichen), wodurch der Bremsweg länger wird als vom Bremsmodell berechnet. Infolgedessen kann es dazu kommen, dass der verbleibende Bremsweg bei Auslösung einer Notbremsung nicht ausreicht, um eine Kollision zu vermeiden. Demzufolge kann z. B. ein Notbremsassistent bei entsprechender Verschlechterung der Bremsanlage einen Bremseingriff zu spät anfordern, so dass das Fahrzeug mit einem Hindernis kollidiert, weil der benötigte Bremsweg falsch berechnet wurde.
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Druckschriftlicher Stand der Technik
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Aus der
DE 196 29 936 C1 ist eine elektrisch gesteuerte Bremsanlage mit elektromechanischen Radbremsaktoren bekannt, bei der ein Verschleiß der Bremsbeläge ausgeglichen wird, indem eine Nachstellfunktion der Bremsen, d. h. ein Ausgleich des Verschleißes der Bremsbeläge, vorgesehen ist. Die Nachstellfunktion wird dabei über einen Bremskolben durchgeführt, der der anhand eines Spindeltriebes axial verschoben und gegen einen Bremsbelag gedrückt werden kann. Zudem ist ein Übertragerteil vorgesehen, das mit dem Bremskolben über eine nicht selbsthemmende Gewindepaarung verbunden und mit einer in Umfangsrichtung wirkenden Hauptfeder versehen ist, sodass das Übertragerteil durch Rückhub des Spindeltriebes axial aus dem Bremskolben herausgedreht wird, wodurch der Verschleiß der Bremsbeläge ausgeglichen werden kann. Ein derartig mechanischer Ausgleich ist zum einen sehr aufwendig durch den zusätzlichen Bauteilaufwand und fehleranfällig, z. B. durch Materialermüdung der Feder, Defekte am Spindelantrieb und umweltbedingte Einwirkungen. Ferner wird der tatsächliche Zustand der Bremsanlage weitestgehend nicht berücksichtigt, da lediglich auf den Verschleiß der Bremsbeläge abgezielt wird. Zudem bleiben nur vorrübergehende Einschränkungen, z. B. durch glatte Fahrbahnoberflächen, unberücksichtigt.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung
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Ausgehend vom Stand der Technik besteht die Aufgabe der vorliegenden Erfindung nunmehr darin, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, mit dem der Bremsvorgang eines Fahrzeuges in einfacher und kostengünstiger Weise verbessert wird, indem die Nachteile aus dem Stand der Technik überwunden und die Bremssicherheit verbessert werden.
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Lösung der Aufgabe
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Die vorstehende Aufgabe wird durch die gesamte Lehre des Anspruchs 1 sowie der nebengeordneten Ansprüche gelöst. Zweckmäßige Ausgestaltungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen beansprucht.
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Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren zur Durchführung eines Bremsvorganges eines Fahrzeuges ist eine Steuereinrichtung vorgesehen, die den Bremsvorgang einleiten und steuern kann, wobei das Fahrzeug über einen Bremsweg s abgebremst bzw. verzögert wird, d. h. verlangsamt wird - gegebenenfalls bis zum Stillstand. Erfindungsgemäß erfolgt zunächst zum Zeitpunkt t0 eine Bremsanforderung (entweder automatisch durch ein Assistenzsystem oder manuell durch den Fahrer), welche den Bremsvorgang einleitet. Danach wird der Zeitpunkt t1 bestimmt, an dem der Bremsvorgang beginnt. Die Zeit zwischen den Zeitpunkten t0 und t1 wird als sogenannte Totzeit beschrieben, welche benötigt und/oder vorgesehen wird, um die tatsächliche Bremsung auszulösen (d. h. das Signal zur Initiierung an die jeweiligen Aktoren zu übertragen und die Bremsbacken and die jeweilige Bremsscheibe anzulegen). Der am Ende der Totzeit befindliche Zeitpunkt t1 kann dann bestimmt werden, z. B. durch eine Zeitmesseinrichtung ermittelt. Somit wird bei jedem neuen Bremsmanöver ein neuer Zeitpunkt t1,Neu bestimmt, der dann mit einem z. B. werksseitig hinterlegten ursprünglichen Original-Zeitpunkt t1,Original verglichen wird. Dieser Vergleich wird dann herangezogen, um einen oder mehrere Parameter des Bremsvorganges anzupassen, d. h. die Parameteranpassung erfolgt, wenn eine Änderung des Zeitpunkt t1 festgestellt wurde. Zudem wird nach Beginn des Bremsvorgangs eine Bremskraft a des Bremsvorganges bestimmt, d. h. es wird die tatsächlich anliegende Bremskraft bestimmt. Die tatsächliche Bremskraft kann dann mit einem hinterlegten Wert, z. B. einer werksseitig hinterlegten Bremskraft, d. h. der angeforderten und insbesondere aus dem Anpressdruck der Bremsbacken resultierenden Bremskraft, verglichen werden. In gleicher Weise kann dieser Vergleich herangezogen werden, um einen oder mehrere Parameter des Bremsvorganges anzupassen, d. h. die Parameteranpassung erfolgt, wenn eine Abweichung der Bremskraft (z. B. an einem festlegbaren Zeitpunkt) festgestellt wurde. Für die Parameteranpassung können beispielsweise ein Grenz- und/oder Schwellwerte festgelegt werden, die einen Toleranzbereich definiert, innerhalb dessen Grenzen keine Anpassung erfolgt. Ferner können mit zunehmender Größenordnung der Änderung auch steigende Parameteranpassungen vorgesehen sein. Daraus resultiert der Vorteil, dass der berechnete Bremsweg an die tatsächlich zur Verfügung stehende Bremswirkung angepasst wird, so dass z. B. eine Notbremsung früher ausgelöst werden kann, wenn erforderlich. Dadurch können Kollisionen mit dem Hindernis, bei einer Notbremsung verhindert oder zumindest abgeschwächt oder verringert werden, da die Notbremsung situationsadäquat früher ausgelöst werden kann.
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Ferner kann anhand der bestimmten Bremskraft a der Anstieg der Bremskraft (d. h. die Bremskraftzunahme) und/oder die maximale Bremskraft abgeleitet werden, indem diese z. B. unter Berücksichtigung des jeweiligen Bremsmodells ermittelt bzw. geschätzt wird. Die dabei ermittelten Werte können dann mit hinterlegten Werten für den Anstieg der Bremskraft bzw. einer hinterlegten maximalen Bremskraft verglichen werden, wobei dieser Vergleich herangezogen wird, um einen Parameter des Bremsvorganges anzupassen. Dadurch kann in einfacher Weise eine Adaption der Bremskraftzunahme bzw. des Bremskraftanstieges zu jeder Zeit des Bremsvorganges erfolgen. Zudem kann auch die Bremskraft entsprechend adaptiert werden, insbesondere wenn diese sättigt.
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Vorzugsweise wird der aus dem Bremsvorgang resultierende Bremsweg s des Fahrzeuges ermittelt. In praktischer Weise ist dabei zunächst insbesondere werksseitig ein ursprünglicher mit den Anfangsparametern zu bestimmender Bremsweg SOriginal zu ermitteln sowie anschließend während des Betriebs stets der aktuell erwartete bzw. bestimmte Bremsweg SNeu.
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Ferner kann als Parameter des Bremsvorganges eine Totzeit ΔtTot zwischen Bremsanforderung und Einleitung des Bremsvorgangs und/oder die Bremskraft, welche beim Bremsvorgang anliegt bzw. besteht vorgesehen sein. Insbesondere umfasst die Bremskraft auch die damit einhergehenden Parameter Bremskraftzunahme und/oder Maximalbremskraft.
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Vorzugsweise ist eine Sensoreinheit zur Umfeld- und/oder Objekterfassung vorgesehen, deren Sensordaten bei der Durchführung des Bremsvorganges berücksichtigt werden. Beispielsweise kann es sich hierbei um eine Sensorik zur Umgebungs- und Objektdetektion handeln, wobei die auf das Objekt bezogenen Daten (Klassifikation des Objekts sowie dessen Geschwindigkeit, Beschleunigung, Beschaffenheit, Intention und dergleichen), die durch die Sensoreinheit und/oder einer nachgeschalteten Einheit bzw. eines Algorithmus zur Objekterkennung und/oder Klassifikation erzeugt werden, zur Durchführung und insbesondere zur Einleitung des Bremsvorganges verwendet werden. Die Sensoreinheit kann insbesondere einen Radar-, Lidar-, Kamera- und/oder Ultraschallsensor oder einen anderen aus dem Stand der Technik bekannten Sensor zur Umfeld- und/oder Objekterfassung umfassen.
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Gemäß einer bevorzugten Ausgestaltung der Erfindung kann ein Reibwert, der auch durch den sogenannten Kraftschlussbeiwert ausgedrückt wird, des Fahrzeuges oder der Reifen auf dem jeweiligen Untergrund ermittelt werden, der zur Durchführung des Bremsvorganges herangezogen wird. Dadurch kann eine Adaption des Bremsmodells an vorübergehende Änderungen des Bremsmodells z. B. aufgrund von Umwelteinflüssen, wie glatte Fahrbahnoberflächen oder kurzzeitig Bauteilbeeinträchtigungen wie witterungsbedingte Reifeneigenschaften des Fahrzeuges (ändernde Eigenschaften des Reifenmaterials aufgrund von Temperaturschwankungen).
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Zweckmäßigerweise kann der Reibwert bzw. der Kraftschlussbeiwert innerhalb eines bestimmten Zeitraums oder innerhalb einer zurückgelegten Distanz berücksichtigt werden, um den ermittelten Bremsweg s bzw. SNeu entsprechend anzupassen.
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Ferner kann das Verfahren einen Verfahrensschritt umfassen, bei dem eine Abfrage erfolgt, ob der Bremsvorgang ausreichend lange andauert, um zu ermitteln, dass die Bremskraftzunahme bestimmbar ist, d. h. eine Aussage über die Bremskraftzunahme möglich ist. Wenn dies nicht der Fall ist, wird der ursprüngliche Wert für den Anstieg der Bremskraft bzw. die Bremskraftzunahme beibehalten, anderenfalls wird der Anstieg der Bremskraft bzw. die Bremskraftzunahme entsprechend angepasst.
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Ferner kann das Verfahren einen Verfahrensschritt umfassen, bei dem eine Abfrage erfolgt, ob die anliegende Bremskraft sättigt bzw. bei dem Bremsvorgang die maximale Bremskraft amax erreicht wird oder nicht. Sofern die anliegende Bremskraft nicht sättigt, wird der ursprüngliche Wert für die Bremskraft bzw. die Maximalbremskraft und/oder Bremskraftzunahme beibehalten, anderenfalls wird der Wert entsprechend angepasst.
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Zweckmäßigerweise kann der Anstieg der Bremskraft nach Beginn des Bremsvorganges linear, logarithmisch, exponentiell, sigmoidal oder mit einer anderen im Stand der Technik bekannten Anstiegsart ausgestaltet sein. Demnach können das lineare Bremsmodell oder auch kompliziertere Bremsmodelle angewendet und adaptiv angepasst werden.
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Gemäß einer vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung erfolgt die Anpassung des Parameters bzw. der Parameter des Bremsvorganges nur in dem Maße, dass der unter Berücksichtigung des bestimmten Zeitpunktes ermittelte neue Bremsweg nicht kürzer wird, als der zu Beginn unter Berücksichtigung des hinterlegten Zeitpunktes ermittelte, insbesondere ursprüngliche Bremsweg. In vorteilhafter Weise gilt dies für alle während des Verfahrens adaptierten Parameter. Dadurch, dass sich die Teilstrecken (Bremsweg während Totzeit, Bremsweg während Anstieg und Bremsweg mit gesättigter Bremskraft) somit nicht weiter als die Originalwerte verkürzen, wird erreicht, dass sich der berechnete gesamte Bremsweg auf keinen Fall verkürzt. Beispielsweise wird der unter Berücksichtigung des bestimmten Zeitpunktes ermittelte neue Bremsweg SNeu nicht kürzer, als der zu Beginn unter Berücksichtigung des hinterlegten Zeitpunktes ermittelte Bremsweg SOriginal. Daraus resultiert der Vorteil, dass nicht versehentlich gewählte, zu kurze Bremswege zur Berechnung bzw. Bestimmung des Bremsmodells herangezogen werden.
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Zweckmäßigerweise können Mittel zur Informationsübertragung vorgesehen sein, so dass Informationen anderer Fahrzeuge und/oder Einheiten empfangen werden können, die bei der Durchführung des Bremsvorganges berücksichtigt werden. Beispielweise kann es sich bei den Mitteln um eine Sende- und Empfangseinrichtung handeln, mittels der Daten empfangen und übertragen werden können. Dadurch können Infrastrukturinformationen (z. B. Untergrund- oder Fahrbahnbeschaffenheit von Parkhäusern, Fabrikhallen, Tunnelanlagen und dergleichen) an das Fahrzeug übermittelt werden, so dass diese Informationen zur Durchführung bzw. zur Berechnung von Bremsvorgängen bei der Führung innerhalb dieser Infrastrukturen verwendet werden können, z. B. könnten erwartete Reibwerte, Kraftschlussbeiwerte oder Reibwertverringerungen, die innerhalb derartiger Anlagen auftreten, an das Fahrzeug gesendet werden.
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Neben- oder untergeordnet beansprucht die vorliegende Erfindung zudem ein Assistenzsystem zur Steuerung eines Bremsvorganges eines Fahrzeuges, insbesondere ein Fahrerassistenzsystem, wobei der Bremsvorgang anhand des erfindungsgemäßen Verfahrens durchgeführt wird. Das Assistenzsystem umfasst dabei eine Steuereinrichtung, welche den Bremsvorgang einleiten und steuern kann, und eine Sensoreinheit zur Umfeld- und/oder Objekterfassung, insbesondere ein Radar, Kamera-, Ultraschall und/oder Lidarsensor, wobei Sensordaten der Sensoreinheit zur Steuerung des Bremsvorganges berücksichtigt werden.
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Ferner umfasst die vorliegende Erfindung ein Computerprogramm mit Programmcode zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens, wenn das Computerprogramm in einem Computer oder einem sonstigen aus dem Stand der Technik bekannten programmierbaren Rechner ausgeführt wird. Demzufolge kann das Verfahren auch als rein computerimplementiertes Verfahren ausgestaltet sein, wobei der Begriff „computerimplementiertes Verfahren“ im Sinne der Erfindung eine Ablaufplanung bzw. Vorgehensweise beschreibt, welche anhand eines Rechners verwirklicht bzw. durchgeführt wird. Der Rechner, wie z. B. ein Computer, ein Computernetzwerk oder eine andere aus dem Stand der Technik bekannte programmierbare Vorrichtung (z. B. eine einen Prozessor, Mikrocontroller oder dergleichen umfassenden Rechnervorrichtung), kann dabei mittels programmierbarer Rechenvorschriften Daten verarbeiten. In Bezug auf das Verfahren können dabei wesentliche Eigenschaften z. B. durch ein neues Programm, neue Programme, einen Algorithmus oder dergleichen bewirkt werden.
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Zudem umfasst die vorliegende Erfindung ein computerlesbares Speichermedium, das Anweisungen umfasst, welche den Computer, auf dem sie ausgeführt werden, veranlassen, ein Verfahren nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprüche durchzuführen.
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Ausdrücklich umfasst sind von der Erfindung auch nicht explizit genannte oder rückbezogene Merkmalskombinationen der Merkmale bzw. Ansprüche, sogenannte Unterkombinationen.
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Figurenliste
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Im Folgenden wird die Erfindung anhand von zweckmäßigen Ausführungsbeispielen näher erläutert. Es zeigen:
- 1 eine vereinfachte schematische Darstellung einer Verkehrsszene, bei der ein Fahrzeug einen die Straße kreuzenden Fußgänger mittels geeigneter Sensorik erfasst und einen automatisierten Bremsvorgang anhand des erfindungsgemäßen Verfahrens einleitet;
- 2 eine vereinfachte Darstellung einer Ausgestaltung eines linearen Bremsmodells, welches mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens angepasst wird, sowie
- 3 eine vereinfachte Darstellung einer Ausgestaltung eines Ablaufplanes des erfindungsgemäßen Verfahrens.
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In 1 ist eine Verkehrssituation bzw. eine Verkehrsszene dargestellt, in der ein Fahrzeug 1 entlang einer Fahrbahn mit mehreren am Seitenrand parkenden Fahrzeugen fährt. Das Fahrzeug 1 umfasst hierbei eine Steuereinrichtung 2 (z. B. ECU - Electronic Control Unit, ADCU - Assisted & Automated Driving Control Unit oder dergleichen), welche anhand von Sensordaten eines Sensoreinheit 3 zur Umfeld- und/oder Objekterfassung das Umfeld auswerten und eine vorzugsweise automatisierte bzw. selbsttätige Bremsung des Fahrzeugs 1 einleiten kann (z. B. mittels Notbremsassistenten). Das Sensoreinheit 3 umfasst hierzu z. B. Radar-, Lidar-, Kamera-, Ultraschallsensor und/oder dergleichen. Ferner umfasst die Steuereinrichtung 2 eine Speichereinheit bzw. ein Speichermedium, auf welcher der Verfahrensablauf des erfindungsgemäßen Verfahrens hinterlegt ist, und eine Prozessoreinheit (Mikrocontroller, Prozessor, Rechner, Computer oder dergleichen) zur Durchführung des hinterlegten Verfahrens (der Übersichtlichkeit halber jeweils in 1 nicht explizit dargestellt).
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Zwischen den am Fahrbahnrand parkenden Fahrzeugen bewegt sich ein Fußgänger 4 auf die Fahrbahn zu. Der Fußgänger 4 wird hierbei von der Sensoreinheit 3 zur Umfeld- und/oder Objekterfassung erkannt, sobald dieser zwischen den parkenden Fahrzeugen auftaucht, indem er z. B. über Radarwellen eines Radarsensors oder einem Image bzw. Bild einer Kamera detektiert wird. Diese Detektionen können dann als Objektdaten (Radardaten, Bilddaten, Kameradaten und dergleichen) gespeichert werden. Anhand derartiger Detektionen bzw. Objektdaten kann der Fußgänger 4 erfasst und insbesondere mit zunehmenden Detektionspunkten anhand einer Objektklassifikation als Fußgänger identifiziert bzw. klassifiziert werden (z. B. über einen Klassifikationsalgorithmus). Der Fußgänger 4 kann anschließend auch im Rahmen eines Objekttrackings verfolgt bzw. „getrackt“ werden, um die festgelegte Klassifikation des Objekts (als Fußgänger) zu verifizieren bzw. abzusichern und um dessen Bewegung hinsichtlich Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit zu bestimmen. Dadurch kann verifiziert werden, dass eine akute Gefahrensituation besteht, sobald der Fußgänger 4 die Fahrbahn erreicht, in der das Fahrzeug 1 entsprechend z. B. mit einer Notbremsung reagiert.
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Bei einer derartigen Verkehrssituation ist die genaue und fehlerfreie Funktion der Bremsen von entscheidender Bedeutung. Hierzu ist in 2 ein lineares Bremsmodell angegeben, welches adaptiv angepasst werden soll. Die Bremswegberechnung kann dabei (anhand von Zeit t, Geschwindigkeit v und Bremskraft/Verzögerung a) nach folgenden Gesetzmäßigkeiten erfolgen:
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Bremsweg so während der Totzeit:
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Bremsweg S
1 während der Bremskraftzunahme:
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Bremsweg S
2 während der maximalen Verzögerung:
gesamter Bremsweg
s:
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Wobei die Zeit vom Zeitpunkt t0 beschreibt, dass eine Notbremsung angefordert wird. Die Zeitdauer bis zur Reaktion des Bremssystems (d. h. zwischen t0 und t1) wird dabei als Totzeit ΔtTot bezeichnet, welche sich aus der Signallaufzeit (des Bremssignals), dem Anlegen der Bremsbacken an die Bremsscheibe, Bremsverzögerungen und dergleichen ergibt. Der Zeitpunkt t1 ist somit der Zeitpunkt, an dem die Totzeit ΔtTot endet und ab dem die Bremskraft (linear) erhöht wird, bis zum Zeitpunkt t2, an dem die maximale Bremskraft anliegt.
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Da es hierbei jedoch, wie eingangs beschrieben, aufgrund von Verschleiß oder Umwelteinflüssen zu Fehlberechnungen bzw. Fehlfunktionen des (linearen) Bremsmodells kommen kann, wird erfindungsgemäß vorgeschlagen, die Parameter des Bremsvorganges bzw. Bremsmodells (z. B. Totzeit, Bremskraftzunahme und Maximalbremskraft) adaptiv während der gesamten Betriebszeit des Fahrzeugs 1 anzupassen. Insbesondere kann dies dabei derart erfolgen, dass der neu ermittelte bzw. berechnete Bremsweg (SNeu) nicht kürzer wird, als der durch die ursprünglich festgelegten Parameter vorgegebene und ursprünglich ermittelte bzw. berechnete Bremsweg (SOriginal).
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Die erfindungsgemäße adaptive Anpassung des Bremsmodells kann praktischerweise in zwei parallel oder nacheinander durchführbaren Anpassungsweisen erfolgen: Zum einen die Adaption des Bremsmodells an sich langsam ändernde Parameter (z. B. durch Verschleiß) und zum anderen die Adaption des Bremsmodells an Umweltbedingungen.
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Die Adaption an sich langsam ändernde Parameter erfolgt, indem der Fahrer oder ein Bremsassistent zunächst einen Bremsvorgang anfordert. Dabei wird die Totzeit ΔtTot bis zum Auftreten einer Bremswirkung bestimmt bzw. gemessen. Dies kann z. B. werksseitig dadurch erfolgen, dass der Zeitpunkt t1 als Zeitpunkt t1,Original bestimmt wird. Zudem wird die angeforderte Bremskraft (gegeben durch den Anpressdruck der Bremsbacken) mit der tatsächlich anliegenden Bremskraft verglichen. Daraus lassen sich je nach Situation die Bremskraftzunahme und die Maximalbremskraft abschätzen. Sollte die tatsächliche Bremseinwirkung vom Bremsmodell abweichen und die tatsächliche Bremseinwirkung schlechter sein als vorhergesagt, werden die entsprechenden Parameter angepasst, um im Falle einer Notbremsung den berechneten Bremsweg zu verlängern und die Notbremsung entsprechend früher auszulösen. Für den Fall, dass sich die Bremseinwirkung wieder verbessert (z. B. durch Wartungs- und Reparaturmaßnahmen wie dem Austausch der Bremsen), können die Parameter wieder im Sinne einer besseren Bremseinwirkung angepasst werden. Vorzugsweise jedoch nur in dem Maße, dass der berechnete Bremsweg nicht kürzer wird, als der mit den Originalparametern berechnete Bremsweg.
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In
3 ist eine Ausgestaltung eines Ablaufplans einer erfindungsgemäßen Anpassung bzw. Parameteradaption dargestellt. Der Start
5 der Parameteradaption wird durch das Anfordern der Bremsung (Bremsanforderung
6) durch den Fahrer oder den Bremsassistenten ausgelöst. Infolgedessen wird die Totzeit Δt
Tot gemessen bzw. bestimmt (Bestimmung
7 der Totzeit), bis eine Bremswirkung feststellbar ist, z. B. über eine Zeitmesseeinrichtung der Steuereinheit
2. Wobei ein Vergleich des jeweils gemessenen Zeitpunktes t
1,neu mit dem zuvor bestimmten ursprünglichen Zeitpunkt t
1,Original erfolgt, so dass gegebenenfalls eine Anpassung von t
1 erfolgen kann, z. B. mit:
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Danach erfolgt eine Abfrage
8, ob der Bremseingriff lange genug andauert bzw. anliegt, damit eine Aussage über die Bremskraftzunahme möglich ist. Wenn dies nicht der Fall ist, wird der ursprüngliche Wert (d. h. der Anstieg der Bremskraft bzw. der Gradient)
beibehalten (Beibehaltung
9). Sollte der Bremseingriff lange genug andauern bzw. anliegen, wird der Anstieg der Bremskraft entsprechend angepasst (Anpassung
10), indem
angewendet wird. Danach erfolgt eine Abfrage
11, ob die anliegende Bremskraft sättigt, d. h. ob die maximale Bremskraft amax erreicht wird. Wenn dies nicht der Fall ist, wird der ursprüngliche Wert
beibehalten (Beibehaltung
12). Sollte die anliegende Bremskraft sättigen, wird die Bremskraft bzw. die Maximalbremskraft und/oder Bremskraftzunahme entsprechend angepasst (Anpassung
13), indem
angewendet wird. Danach endet der Adaptionsvorgang (Ende
14).
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Die Adaption an Umweltbedingungen kann in praktischer Weise anhand des Reibwertes der Reifen auf dem Untergrund festgestellt werden, der z. B. während eines ABS (Antiblockiersystem)-Eingriffs ermittelt wird. Diese Information kann dann innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens oder innerhalb einer zurückgelegten Distanz herangezogen werden, um den berechneten Bremsweg entsprechend temporär zu korrigieren.
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Zusammenfassend wird durch das erfindungsgemäße Verfahren ein adaptives Bremsmodell zur Verfügung gestellt, dessen zugrunde liegende Adaption vorzugsweise aus zwei Anteilen besteht, erstens der Anpassung an sich langsam ändernden Parametern (z. B. Verschleiß) und zweitens der Anpassung an den aktuell vorliegenden Untergrund bzw. die aktuell vorliegenden Untergrund- und/oder Umweltbedingungen. Insbesondere sind unterschiedliche Reibwerte dabei aus der ersten Adaption aufgrund langsam veränderlicher Parameter herauszurechnen, indem die erste Adaption entsprechend träge ausgestaltet wird.
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Alternativ oder zusätzlich können neben einem Notbremsassistenten auch andere Bremsassistenten bzw. jedes aus dem Stand der Technik bekannte bremsanfordernde System, wie beispielsweise ACC-Systeme bzw. bremsmodellabhängige Fahrfunktionen, die mit der Bremse koordinierte Lenkeingriffe vorsehen, das erfindungsgemäße Verfahren nutzen. Weiterhin könnten Informationen über die maximal mögliche Funktion weitergegeben werden, so dass ein Datenabgleich mit weiteren Datenquellen per Kartendienst oder weiteren Fahrzeugen zur Verfügung gestellt werden kann. Dies kann insbesondere auch für die Führung innerhalb von Infrastruktureinrichtungen, wie Parkhäusern verwendet werden, welche z. B. sehr glatte Böden aufweisen können, durch der Reibwert bzw. der jeweilige Kraftschlussbeiwert entsprechend herabgesetzt werden kann. Die entsprechenden Reibwerte bzw. Kraftschlussbeiwerte können z. B. durch die jeweilige Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden (z. B. über Funk, WLAN, sensorbasiertes bzw. kamerabasiertes Erkennen von Zeichen innerhalb der Infrastruktureinrichtung oder dergleichen). Ferner könnten auch die Parameter kompliziertere Bremsmodelle als ein lineares Bremsmodell (bestehend aus Totzeit, linearer Bremskraftzunahme und maximaler Bremskraft) mit der vorgestellten Methode adaptiert werden, wodurch auch deren Funktion erheblich verbessert werden kann. Dementsprechend stellt die vorliegende Erfindung einen ganz besonderen Beitrag auf dem Gebiet des automatisierten Fahrens und der Fahrerassistenzsysteme dar.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Fahrzeug
- 2
- Steuereinrichtung
- 3
- Sensor
- 4
- Fußgänger
- 5
- Start
- 6
- Bremsanforderung
- 7
- Messung der Totzeit
- 8
- Abfrage
- 9
- Beibehaltung
- 10
- Anpassung
- 11
- Abfrage
- 12
- Beibehaltung
- 13
- Anpassung
- 14
- Ende
- v
- Geschwindigkeit
- a
- Bremskraft/Verzögerung
- t
- Zeit
- s
- Bremsweg
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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