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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betrieb eines insbesondere längsführenden Fahrerassistenzsystems eines Ego-Fahrzeuges, insbesondere eines ACC-Systems, gemäß Anspruch 1 sowie ein Fahrerassistenzsystem, welches vorzugsweise anhand eines erfindungsgemäßen Verfahrens betrieben wird.
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Technologischer Hintergrund
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Gattungsgemäße Fahrzeuge, wie z. B. Personenkraftfahrzeuge (PKW), Lastkraftwägen (LKW) oder Motorräder, werden zunehmend mit Fahrerassistenzsystemen ausgerüstet, welche mit Hilfe von Sensorsystemen die Umgebung erfassen, Verkehrssituationen erkennen und den Fahrer unterstützen können, z. B. durch einen Brems- oder Lenkeingriff oder durch die Ausgabe einer optischen, haptischen oder akustischen Warnung. Als Sensorsysteme zur Umgebungserfassung werden regelmäßig Radarsensoren, Lidarsensoren, Kamerasensoren, Ultraschallsensoren oder dergleichen eingesetzt. Aus den durch die Sensoren ermittelten Sensordaten können anschließend Rückschlüsse auf die Umgebung gezogen werden, womit z. B. auch ein sogenanntes Umfeldmodell erzeugt werden kann. Darauf basierend können anschließend Anweisungen zur Fahrerwarnung/-Information oder zum geregelten Lenken, Bremsen und Beschleunigen ausgegeben werden. Durch die Sensor- und Umfelddaten verarbeitenden Assistenzfunktionen können dadurch z. B. Unfälle mit anderen Verkehrsteilnehmern vermieden oder komplizierte Fahrmanöver erleichtert werden, indem die Fahraufgabe bzw. die Fahrzeugführung unterstützt oder sogar komplett übernommen wird (teil- oder vollautomatisiert). Beispielsweise kann das Fahrzeug z. B. mittels einem Notbremsassistenten (EBA, Emergency Brake Assist) eine autonome Notbremsung (AEB, Automatic Emergency Brake) oder einem Zeitlückenregeltempomaten bzw. Adaptive Cruise Control-Assistenten (ACC) eine Geschwindigkeits- und Folgefahrtregelung durchführen.
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Mittlerweile werden gattungsgemäße Zeitlückenregeltempomaten (ACC-Systeme), die ursprünglich für vierrädrige Fahrzeuge entwickelt wurden, auch auf motorisierte Zweiräder bzw. Motorräder appliziert. Hierbei ergeben sich jedoch neue Herausforderungen, wie z. B. beim versetzten Kolonnenfahren (staggered riding) mehrerer Zweiräder. Die Kolonnenteilnehmer fahren dabei hintereinander lateral versetzt und meist im gleichen Fahrstreifen, sodass das dem Ego-Fahrzeug in der Kolonne longitudinal nächste Fahrzeug lateral zum Ego-Fahrzeug versetzt ist, welches im Weiteren versetzt fahrendes Fahrzeug genannt wird, und dass das diesem lateral versetzt fahrenden Fahrzeug in der Kolonne longitudinal nächste Fahrzeug das dem Ego-Fahrzeug mit nur einem kleinen oder keinen lateralen Versatz vorausfahrende Fahrzeug ist, welches im Weiteren longitudinal vorausfahrendes Fahrzeug genannt wird.
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Bestehende ACC-Systeme berücksichtigen jedoch derartige Kolonnenszenarien nicht, sodass in einem Kolonnenszenario mit dem gleichem ACC-Regelansatz geregelt werden würde, wie in einem Nicht-Kolonnenszenario. Hierbei wird eine Zeitlücke, die durch den Fahrer gewählt wird, d. h. in der Regel der gewünschte Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug, in Bezug auf eines der beiden vorausfahrenden Fahrzeuge geregelt, meist ist dies das longitudinal vorausfahrende bzw. nächste Fahrzeug im eigenen Fahrstreifen auf einer Seite der Kolonne. Eine alleinige Regelung auf eines der beiden vorausfahrenden Fahrzeuge hat jedoch den Nachteil, dass z. B. ein unklares Systemverhalten für den Fahrer besteht, wenn die Zeitlücke ausschließlich auf das lateral versetzt fahrende Fahrzeug geregelt wird, da er dieses auf Grund des lateralen Versatzes nicht kontinuierlich im Fokus hat. Zusätzlich würde bei einer Bremsung des longitudinal vorausfahrenden Fahrzeuges nicht reagiert werden, was zu kritischen Situationen führen kann, z. B. bei einem Bremsmanöver des longitudinal vorausfahrenden Fahrzeuges. Ferner erfolgt, wenn auf das longitudinal vorausfahrende Fahrzeug geregelt wird, keine Zeitlückenregelung auf das versetzt fahrende Fahrzeug, wodurch es zu einer longitudinalen Überlappung zwischen dem Ego-Fahrzeug und dem lateral versetzten Fahrzeug kommen kann, d. h. das versetzte Kolonnenfahren wird unterbrochen, wodurch die Fahrsicherheit verringert wird. Beispielsweise in Baustellen- und Kurvenszenarien und insbesondere in Notsituationen, wie bei Ausweichmanövern im Falle von Bodenunebenheiten, würde somit eine laterale Bewegung des lateral versetzten Fahrzeuges oder des Ego-Fahrzeuges in einer erhöhten Kollisionsgefahr resultieren und somit die Fahr- und Verkehrssicherheit erheblich beeinträchtigen.
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Druckschriftlicher Stand der Technik
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Aus der
DE 10 2011 009 483 A1 ist ein Verfahren zum Betrieb eines ACC-Systems bekannt, bei dem Umgebungsdaten eines Ego-Fahrzeugs bezüglich einer vorliegenden Längsführungs-Kolonnenfahrt mit wenigstens zwei weiteren Kraftfahrzeugen, die unmittelbar hintereinanderfahren und jeweils ein aktives längsführendes Fahrerassistenzsystem aufweisen, ausgewertet werden. Dabei wird ein sogenannter Kolonnenwert bestimmt, der angibt, ob sich das Ego-Fahrzeug in einer Längsführungs-Kolonne befindet, und ein Betriebsparameter des Fahrerassistenzsystems abhängig von dem Kolonnenwert angepasst.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung
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Ausgehend vom Stand der Technik liegt die Aufgabe der vorliegenden Erfindung darin, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, durch das ein gattungsgemäßes Fahrerassistenzsystem in einfacher und wartungsarmer Weise kostengünstig derart verbessert werden kann, so dass die Nachteile aus dem Stand der Technik überwunden werden.
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Lösung der Aufgabe
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Die vorstehende Aufgabe wird durch die gesamte Lehre des Anspruchs 1 sowie des nebengeordneten Anspruchs gelöst. Zweckmäßige Ausgestaltungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen beansprucht.
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Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren wird zum Betrieb eines Fahrerassistenzsystems eines Ego-Fahrzeuges, insbesondere eines ACC-Systems, zur Führung des Ego-Fahrzeuges eine Stellgröße (bzw. Parameter oder Reglerausgang) herangezogen, deren Sollwert insbesondere anhand von relativen fahrdynamischen Messwerten, wie z. B. Abstand oder Geschwindigkeitsdifferenz zwischen Ego-Fahrzeug und einem vorausfahrenden Fahrzeug ermittelt wird. Hierzu erfolgt eine erste Zeitlückenregelung zwischen dem Ego-Fahrzeug und einem ersten vorausfahrenden bzw. lateral versetzt fahrenden Fahrzeug und eine zweite Zeitlückenregelung zwischen dem Ego-Fahrzeug und einem zweiten vorausfahrenden bzw. longitudinal vorausfahrenden Fahrzeug, wobei aus der ersten Zeitlückenregelung eine erste Stellgrößenanforderung und aus der zweiten Zeitlückenregelung eine zweite Stellgrößenanforderung abgeleitet wird. Die finale Stellgrößenanforderung zur Führung des Ego-Fahrzeuges wird dann aus einer Arbitrierung (bzw. Abwägung oder eines Vergleichs) der ersten und zweiten Stellgrößenanforderung abgeleitet. Die Arbitrierung kann in praktischer Weise durch eine Operatorschaltung bzw. Arbiter erfolgen, an dessen Eingängen die Zeitlückenregelungen angeschaltet sind.
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Um die aus dem Stand der Technik bekannten Nachteile zu überwinden oder zu kompensieren, wurde dadurch ein Reglerverhalten entwickelt, welches sich innerhalb einer versetzten Kolonnenfahrt auf die beiden vorausfahrenden Fahrzeuge bezieht: Auf das in Kolonne nächste lateral versetzt fahrende Fahrzeug und auf das longitudinal nächste nicht versetzt fahrende Fahrzeug. Durch die Priorisierung bzw. Arbitrierung zwischen den beiden Regelzielen bzw. beiden vorausfahrenden Fahrzeugen, kann der Regler situationsabhängig entscheiden, ob eine eingestellte Folgezeitlücke oder eine minimale Zeitlücke eingeregelt wird. Dadurch ist einerseits sichergestellt, dass es zu keiner Überlappung zwischen dem Ego-Fahrzeug und dem lateral versetzt fahrenden Fahrzeug kommen kann und andererseits wird ein für den Fahrer verständliches Folgeverhalten bezüglich des longitudinal vorausfahrenden Fahrzeuges mit der gewünschten Zeitlücke bzw. dem gewünschten Abstand eingeregelt, so dass ein insbesondere autonomes „versetztes“ Kolonnenfahren beliebiger Fahrzeuge in einem oder über mehrere Fahrspuren ermöglicht wird.
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Vorzugsweise sind als Stellgröße die Geschwindigkeit und/oder die Beschleunigung und/oder das Motormoment und/oder das Bremsmoment des Ego-Fahrzeuges vorgesehen.
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Zweckmäßigerweise kann die erste und zweite Zeitlückenregelung jeweils eine insbesondere festlegbare Eingangsgröße aufweisen, auf die jeweils eingeregelt werden soll.
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Gemäß einer vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung ist als Eingangsgröße der ersten Zeitlückenregelung eine erste Sollzeitlücke Δtsoll1 und als Eingangsgröße der zweiten Zeitlückenregelung eine zweite Sollzeitlücke Δtsoll2 vorgesehen, wobei eine Sollzeitlücke im Bereich eines ACC-Systems im Wesentlichen dem festlegbaren Abstand zum jeweils vorausfahrenden Fahrzeug bzw. Zielobjekt entspricht oder mit diesem in Verhältnis zu setzen ist.
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Ferner kann der Wert der Eingangsgröße bzw. der Sollzeitlücke Δtsoll2 derart festgelegt werden, dass der Wert der Eingangsgröße der zweiten Zeitlückenregelung bzw. die Sollzeitlücke Δtsoll2 größer oder zumindest gleich dem Wert der Eingangsgröße der ersten Zeitlückenregelung bzw. der Sollzeitlücke Δtsoll1 ist. Als besonders vorteilhaft hat es sich erwiesen, wenn der Wert der Eingangsgröße der zweiten Zeitlückenregelung bzw. die Sollzeitlücke Δtsoll2 mindestens doppelt so groß ist als der Wert der Eingangsgröße der ersten Zeitlückenregelung bzw. der Sollzeitlücke Δtsoll1.
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Vorzugsweise wird die erste Zeitlückenregelung bezüglich des in der Kolonne nächsten, lateral versetzt fahrenden Fahrzeuges priorisiert, wenn die aktuelle Zeitlücke vom Ego-Fahrzeug zum lateral versetzt fahrenden Fahrzeug kleiner ist als die Sollzeitlücke Δtsoll1 und die Zeitlücke vom Ego-Fahrzeug zum longitudinal vorausfahrenden Fahrzeug zumindest annähernd der Eingangsgröße der zweiten Zeitlückenregelung bzw. der Sollzeitlücke Δtsoll2 entspricht oder überschreitet.
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Zweckmäßigerweise kann auch die zweite Zeitlückenregelung bezüglich des longitudinal vorausfahrenden Fahrzeuges priorisiert werden, wenn die aktuelle Zeitlücke vom Ego-Fahrzeug zum lateral versetzt fahrenden Fahrzeug größer ist als die Eingangsgröße der ersten Zeitlückenregelung bzw. der Sollzeitlücke Δtsoll1 und die Zeitlücke vom Ego-Fahrzeug zum longitudinal vorausfahrenden Fahrzeug zumindest annähernd der Eingangsgröße der zweiten Zeitlückenregelung bzw. der Sollzeitlücke Δtsoll2 entspricht oder unterschreitet.
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Vorzugsweise wird die erste Sollzeitlücke Δtsoll1 derart gewählt bzw. festgelegt, dass durch diese auch ein Mindestabstand zum lateral versetzt fahrenden Fahrzeug gewährleistet wird, wenn das lateral versetzt fahrende Fahrzeug eine Lateralbewegung vornimmt, d. h. beispielsweise eine Kurve durchfährt oder eine laterale Ausgleisbewegung vollzieht.
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Gemäß einer besonderen Ausgestaltung der vorliegenden Erfindung können Mittel zur Erfassung der Geometrie von Objekten bzw. einem vorausfahrenden Fahrzeug vorgesehen sein. Beispielsweise kann es sich hierbei um ein (ggf. zusätzliches) Kamera- oder Lidarsystem handeln oder ein anderes aus dem Stand der Technik bekanntes Bilderzeugungs-Sensorsystem, wie z. B. ein Synthetic Aperture Radar (SAR), womit die Geometrie bzw. die Umriss- oder Kantenerkennung anderer Verkehrsteilnehmer bestimmbar oder zumindest abschätzbar ist. Anhand von der hier beschriebenen Sensorik kann zudem eine Klassifikation der Verkehrsteilnehmer bzw. Fahrzeugtypen vorgenommen werden, wie z. b. Motorrad, Fahrrad, LKW, PKW, Fußgänger oder dergleichen. In besonders vorteilhafter Weise kann durch die Klassifikation der Objekte (z. B. wenn mehrere nacheinander fahrende Motorräder klassifiziert werden) auch darauf geschlossen werden, dass es sich um eine Kolonnenfahrt mehrerer Objekte bzw. Motorräder handelt (staggered riding). Eine derartige Situation kann insbesondere auch dann erkannt werden, wenn es sich um mehrere Objekte bzw. Motorräder im gleichen Fahrstreifen handelt. Ferner kann beim Erkennen einer derartigen Verkehrs- bzw. Kolonnensituation die Assistenzfunktion bzw. das entsprechende Fahrerassistenzsystem selbsttätig und/oder durch den Fahrzeugführer aktiviert werden.
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In praktischer Weise kann die Geometrie anderer Verkehrsteilnehmer zur Zeitlückenregelung und/oder zur Festlegung der Eingangsgröße herangezogen werden, so dass diese auch situationsadäquat, insbesondere selbsttätig bzw. automatisch, angepasst werden kann. Beispielsweise kann die Eingangsgröße verringert werden, wenn sehr große Objekte (Gefahrgut- oder Schwertransporte) erkannt werden. Die Fahrsicherheit wird dadurch in besonderem Maße verbessert.
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Ferner beansprucht die vorliegende Erfindung ein Fahrerassistenzsystem, insbesondere ein ACC-System, für ein Ego-Fahrzeug, das mindestens einen Sensor zur Umfelderfassung umfasst, der dazu hergerichtet ist, Sensordaten zu erzeugen. Bei dem Sensor kann es sich z. B. um einen Radar-, Lidar-, Kamera- oder Ultraschallsensor handeln. Darüber hinaus umfasst das Fahrerassistenzsystem eine Steuervorrichtung, die aus den Sensordaten einen Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug bestimmt und anhand des Abstandes eine Stellgröße zur Führung des Ego-Fahrzeuges ableitet, deren Sollwert insbesondere anhand von relativen fahrdynamischen Messwerten, wie z. B. Abstands- und/oder Geschwindigkeitsdifferenz zwischen Ego-Fahrzeug und einem vorausfahrenden Fahrzeug, ermittelt wird. Zweckmäßigerweise erfolgt anschließend eine erste Zeitlückenregelung zwischen dem Ego-Fahrzeug und einem ersten vorausfahrenden (lateral versetzt fahrenden) Fahrzeug und eine zweite Zeitlückenregelung zwischen dem Ego-Fahrzeug und einem zweiten vorausfahrenden (longitudinal vorausfahrenden) Fahrzeug. Die Zeitlückenregelung kann dabei als eigenes Modul oder Softwarebaustein vorgesehen sein. Aus der ersten Zeitlückenregelung wird dann eine erste Stellgrößenanforderung und aus der zweiten Zeitlückenregelung eine zweite Stellgrößenanforderung abgeleitet, wobei die finale Stellgrößenanforderung, z. B. eine Geschwindigkeits- und/oder Beschleunigungsanforderung, zur Führung des Ego-Fahrzeuges aus einer Arbitrierung der ersten und zweiten Stellgrößenanforderung abgeleitet wird.
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Ferner kann es sich bei dem Fahrerassistenzsystem um ein System handeln, welches neben einem Sensor zur Umfelderfassung einen Computer, Prozessor, Controller, Rechner oder dergleichen umfasst, um das erfindungsgemäße Verfahren durchzuführen. Dabei kann ein Computerprogramm mit Programmcode zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens vorgesehen sein, dass wenn das Computerprogramm auf einem Computer oder einem sonstigen aus dem Stand der Technik bekannten programmierbaren Rechner ausgeführt wird. Dementsprechend kann das Verfahren auch in bestehenden Systemen als computerimplementiertes Verfahren ausgeführt bzw. nachgerüstet werden. Der Begriff „computerimplementiertes Verfahren“ im Sinne der Erfindung beschreibt dabei die Ablaufplanung oder Vorgehensweise, welche anhand des Computers verwirklicht bzw. durchgeführt wird. Der Computer kann dabei mittels programmierbarer Rechenvorschriften die Daten verarbeiten. In Bezug auf das Verfahren können somit auch wesentliche Eigenschaften z. B. durch ein neues Programm, neue Programme, einen Algorithmus oder dergleichen nachträglich implementiert werden.
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Figurenliste
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Im Folgenden wird die Erfindung anhand von zweckmäßigen Ausführungsbeispielen näher erläutert. Es zeigen:
- 1 eine vereinfachte Darstellung eines Verkehrsszenarios, bei dem mehrere Fahrzeuge in einer Fahrzeugkolonne fahren und das Ego-Fahrzeug anhand eines erfindungsgemäßen Assistenzsystems geführt wird;
- 2 eine vereinfachte Darstellung weiterer Verkehrsszenarios, bei dem mehrere Fahrzeuge in einer Fahrzeugkolonne fahren und das Ego-Fahrzeug anhand eines erfindungsgemäßen Assistenzsystems geführt wird, sowie
- 3 eine vereinfachte schematische Darstellung einer Ausgestaltung eines Ablaufplans des erfindungsgemäßen Verfahrens.
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Bezugsziffer 1 in 1 beschreibt ein Fortbewegungsmittel bzw. ein Ego-Fahrzeug, bei dem es sich vorliegend um ein Motorrad bzw. motorisiertes Zweirad handelt und welches mittels eines Assistenzsystems anhand von geplanten Trajektorien entlang einer Straße geführt wird. Bei dem Assistenzsystem handelt es sich um einen Automatischen Abstandstempomaten (ACC-System) bzw. Zeitlückenregeltempomaten. Ferner kann als Ego-Fahrzeug 1 jegliches Land-, Luft- oder Wasserfahrzeug vorgesehen sein. Zur Trajektorienplanung umfasst das Ego-Fahrzeug 1 zunächst einen Sensor zur Umfelderfassung (der Übersichtlichkeit halber nicht dargestellt), der Sensordaten erzeugt, anhand derer andere Verkehrsteilnehmer, die Stra-ßenumgebung bzw. das Umfeld ermittelt wird, wobei anhand der Sensordaten auch ein Umfeldmodell erstellt werden kann. Bei dem Sensor kann es sich z. B. um einen Radarsensor, Lidarsensor, Kamerasensor oder dergleichen handeln, der z. B. im Frontbereich des Ego-Fahrzeugs 1 angeordnet ist (z. B. im Bereich der Frontscheibe, der Scheinwerfer, der Innen- oder Außenspiegel, hinter dem Radom, im Bereich der Stoßstange oder dergleichen). Ferner können auch mehrere und/oder verschiedene Sensoren z. B. an unterschiedlichen Positionen des Ego-Fahrzeugs 1 vorgesehen sein.
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Das Ego-Fahrzeug 1 befindet sich im vorliegenden Verkehrsszenario in einer Fahrzeugkolonne, die z. B. innerhalb einer Motorradkolonne, eines Verkehrsstaus, in einer Baustellendurchfahrt oder in dicht befahrenem Berufsverkehr von mehreren Fahrzeugen 1, Fz1, Fz2 gebildet wird. Beispielsweise können hierbei, wie in 1 gezeigt, die Fahrzeuge lateral versetzt zueinander in Kolonne fahren, um das Unfallrisiko zu minimieren. Unfälle können dabei beispielsweise in Kurven vermieden werden, indem auch bei Lateralbewegungen der Kolonnenteilnehmer (Ausweichen, Kurvenfahrten) ein ausreichender longitudinaler Abstand zwischen den in der Kolonne aufeinander folgenden, lateral versetzten Kolonnenteilnehmern besteht (z. B. der longitudinale Abstand zwischen Ego-Fahrzeug 1 und dem Fahrzeug Fz1).
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Im Verkehrsszenario gemäß 1 kann der Fahrer des Ego-Fahrzeugs 1 nunmehr auf die Regelung durch ein erfindungsgemäßes Fahrerassistenzsystem bzw. ACC-Systems zurückgreifen, bei dem zunächst ein Abstand bzw. eine Zeitlücke zu vorausfahrenden Verkehrsteilnehmern automatisch oder durch den Fahrer als „Sollwert“ einzustellen ist, d. h. eine Sollzeitlücke Δtsoll soll geregelt werden. Erfindungsgemäß wird dabei zunächst zur Führung des Ego-Fahrzeuges 1 eine Stellgröße herangezogen, deren Sollwert anhand eines festlegbaren Abstandes des Ego-Fahrzeuges 1 zu einem vorausfahrenden Fahrzeug bzw. einer Zeitlücke zu diesem ermittelt wird. Bei dieser Stellgröße kann es sich z. B. um die Geschwindigkeit v oder die Beschleunigung a des Ego-Fahrzeuges 1 handeln.
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Gemäß 2 kann somit entweder die Regelung der Zeitlücke zwischen dem Ego-Fahrzeug 1 und dem versetzt fahrenden Fahrzeug Fz1 (rechts) oder die Regelung der Zeitlücke zwischen dem Ego-Fahrzeug 1 und dem nicht versetzt fahrenden Fahrzeug Fz2 (links) herangezogen werden. Die Sollzeitlücke Δtsoll1 ist daher als der Abstand zu interpretieren, der in statischen Situationen bezüglich Fahrzeug Fz1 nicht unterschritten werden sollte, so dass Ausweichbewegungen vom Fahrzeug Fz1 und Kurvenfahrten keine Gefahr darstellen. Demgegenüber ist die Sollzeitlücke Δtsoll2 daher als der Abstand zu interpretieren, der in statischen Situationen bezüglich Fahrzeug Fz2 nicht unterschritten werden sollte, so dass ein sicheres und komfortables Folgen möglich ist. Da diese beiden getrennten Regelziele nicht zur gleichen Zeit zu erfüllen sind, wird erfindungsgemäß vorgeschlagen eine Arbitrierung/Priorisierung der beiden Zeitlückenregelungen vorzunehmen.
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3 zeigt eine stark vereinfachte Ausgestaltung eines Durchführungsplans einer erfindungsgemäßen Arbitrierung/Priorisierung. Hierbei werden zwei Zeitlückenregelungen ZLR1, ZLR2 berücksichtigt, wobei die Zeitlückenregelungen ZLR1 bezüglich Fahrzeug Fz1 und die Zeitlückenregelungen ZLR2 bezüglich Fahrzeug Fz2 regelt. Die Zeitlückenregelungen ZLR1, ZLR2 weisen hierbei als Eingangswert zur Regelung unterschiedlichen Sollzeitlücken Δtsoll1 bzw. Δtsoll2 auf, dabei sollte jedoch Δtsoll2 > Δtsoll1 gelten. Die beiden Stellgrößen werden dabei anschließend arbitriert. Die Stellgröße kann dabei verschiedene physikalische Ausprägungen haben (z. B. Beschleunigung, Geschwindigkeit oder dergleichen), sodass die Arbitrierungsstrategie der gewählten Stellgröße angepasst werden sollte. Dies wird vorliegend exemplarisch für eine Beschleunigungsanforderung areq beschrieben, d. h. die Beschleunigung, die eingestellt werden muss, um die gewünschte Zeitlücke bzw. den gewünschten Abstand einzustellen. Das eigentliche Kernstück des ACC-Algorithmus, die Zeitlückenregelung auf das Zielobjekt bzw. das vorausfahrende Fahrzeug wird dabei zweimal, d. h. für Fahrzeug Fz1 und Fahrzeug Fz2 aufgerufen.
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Zweckmäßigerweise wird dabei das Regelziel priorisiert, welches eine kleinere Beschleunigung anfordert. Es wird daher das Minimum aus der Beschleunigungsanforderung areq1 bei der Zeitlückenregelung ZLR1 und der Beschleunigungsanforderung areq2 bei der Zeitlückenregelung ZLR2 gewählt und an unterlagerte Reglerstrukturen als Sollbeschleunigung areq weitergeleitet. Gemäß eines Verkehrsszenarios in 2 (links), bei dem alle Fahrzeuge 1, Fz1, Fz2 mit nahezu konstanter und identischer Geschwindigkeit fahren, ist die aktuelle Zeitlücke vom Ego-Fahrzeug 1 zu Fahrzeug Fz1 größer als die Sollzeitlücke Δtsoll1 und die aktuelle Zeitlücke vom Ego-Fahrzeug 1 zu Fahrzeug Fz2 ungefähr gleich der Sollzeitlücke Δtsoll2. Daher wird die Beschleunigungsanforderung areq2 < areq1 und somit die Zeitlückenregelung bezüglich Fahrzeug Fz2 priorisiert. Demgegenüber ist bei einem Verkehrsszenario gemäß 2 (rechts), bei dem alle Fahrzeuge 1, Fz1, Fz2 mit nahezu konstanter und identischer Geschwindigkeit fahren, die aktuelle Zeitlücke vom Ego-Fahrzeug 1 zu Fahrzeug Fz1 kleiner als die erste Sollzeitlücke Δtsoll1 und die aktuelle Zeitlücke vom Ego-Fahrzeug 1 zum Fahrzeug Fz2 ungefähr gleich der zweiten Sollzeitlücke Δtsoll2. Daher wird die Beschleunigungsanforderung areq2 > areq1 und somit die Zeitlückenregelung bezüglich Fahrzeug Fz1 priorisiert.
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Zusammenfassend erfolgt somit eine Zeitlückenregelung ZLR1 zwischen dem Ego-Fahrzeug 1 und einem lateral versetzt fahrenden Fahrzeug Fz1 und eine Zeitlückenregelung ZLR2 zwischen dem Ego-Fahrzeug 1 und einem longitudinal vorausfahrenden Fahrzeug Fz2, wobei aus der ersten Zeitlückenregelung ZLR1 eine erste Stellgrößenanforderung und aus der zweiten Zeitlückenregelung ZLR2 eine zweite Stellgrößenanforderung abgeleitet wird und die finale Stellgrößenanforderung (z. B. Beschleunigung, Geschwindigkeit) aus einer Arbitrierung der ersten und zweiten Stellgrößenanforderung abgeleitet wird. Ausdrücklich umfasst sind von der Erfindung auch Regelungen, die mehr als zwei Zeitlückenregelungen und/oder Arbitrierungen umfassen. Demensprechend ist es auch denkbar, dass mehr als zwei vorausfahrende Fahrzeuge überwacht und zur Führung des Fahrzeuges einer Arbitrierung unterzogen werden.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Ego-Fahrzeug
- Fz1
- Fahrzeug 1
- Fz2
- Fahrzeug 2
- Δtsoll,1
- Sollzeitlücke 1
- Δtsoll,2
- Sollzeitlücke 2
- ZLR1
- erste Zeitlückenregelung (auf Fahrzeug 1)
- ZLR2
- zweite Zeitlückenregelung (auf Fahrzeug 2)
- areq
- Beschleunigungsanforderung
- areq1
- Beschleunigungsanforderung Fahrzeug 1
- areq2
- Beschleunigungsanforderung Fahrzeug 2
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102011009483 A1 [0005]