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Es werden ein Verfahren zur Kalibrierung eines Geschwindigkeitssensors eines Schienenfahrzeugs, ein korrespondierendes Schienenfahrzeug, ein Verfahren zum Betreiben eines Achszählsystems für ein Schienenfahrzeug, ein korrespondierendes Achszählsystem und ein Verfahren zum Betreiben eines Schienenfahrzeugs angegeben.
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Schienenfahrzeuge und andere Fahrzeuge umfassen oftmals eine Vielzahl verschiedenster Sensoren zur Schätzung einer Geschwindigkeit des sich bewegenden Fahrzeugs. Um einen möglichst genauen Wert der Geschwindigkeit auszugeben, ist typischerweise irgendeine Art der Kalibrierung der einzelnen Sensoren erforderlich. Diese Kalibrierung kann für jeden Sensor unterschiedlich gestaltet sein. So ist etwa bei einem Wegimpulsgeber, der die Umdrehungszahl eines Fahrzeugrads mit bekanntem Umfang über eine bestimmte Zeitdauer misst und anhand dessen eine zurückgelegte Strecke und Geschwindigkeit des Fahrzeugs schätzt, eine wichtige Größe der Kalibrierung der über die Zeit veränderliche Umfang des Fahrzeugrads. Dies erfordert bislang einen ausgebildeten Techniker, der den Durchmesser des Fahrzeugrads genau vermisst. Allerdings können hierbei Fehler beim Vermessen auftreten, die auf den Techniker zurückzuführen sind oder auf unterschiedliche Durchmesser des Fahrzeugrads zwischen einzelnen Messungen, was etwa durch intensive Bremsvorgänge verursacht sein kann. In Folge dessen erfordert die Kalibrierung eine möglichst häufige und konsistente Vermessung des Fahrzeugrads, was mit enormen Aufwand und Kosten verbunden ist und zugleich einen Stillstand des Fahrzeugs erfordert.
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Eine Aufgabe, die der Erfindung zugrunde liegt, ist es daher, ein Verfahren zur Kalibrierung eines Geschwindigkeitssensor eines Schienenfahrzeugs, ein korrespondierendes Schienenfahrzeug, ein Verfahren zum Betreiben eines Achszählsystems für ein Schienenfahrzeug sowie ein korrespondierendes Achszählsystem zu schaffen, durch das bzw. durch die zu einer aufwandsarmen und kostengünstigen Kalibrierung kostengünstigen beigetragen werden kann. Eine weitere Aufgabe, die der Erfindung zugrunde liegt, ist es, ein Verfahren zum effizienten Betreiben eines Schienenfahrzeugs unter Berücksichtigung vorgenannter Kalibrierung anzugeben.
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Die Aufgaben werden gelöst durch die Merkmale der entsprechenden unabhängigen Patentansprüche. Vorteilhafte Ausgestaltungen sind in den Unteransprüchen gekennzeichnet.
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Gemäß einem ersten Aspekt betrifft die Erfindung ein Verfahren zur Kalibrierung eines Geschwindigkeitssensors eines Schienenfahrzeugs im bestimmungsgemäßen Betrieb. Das Schienenfahrzeug weist in dem bestimmungsgemäßen Betrieb eine Geschwindigkeit größer 0 km/h auf.
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Bei dem Verfahren wird ein über eine Sendeeinheit bereitgestelltes Messsignal empfangen, das repräsentativ ist für eine extern bezüglich des Schienenfahrzeugs gemessene Geschwindigkeit des Schienenfahrzeugs.
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Es wird ein Messwert des Geschwindigkeitssensors bereitgestellt, der repräsentativ ist für eine durch den Geschwindigkeitssensor erfasste Geschwindigkeit des Schienenfahrzeugs.
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Abhängig von dem Messsignal und dem Messwert wird ein Kalibrierungskoeffizient ermittelt und dem Geschwindigkeitssensor zugeordnet.
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Bei dem Geschwindigkeitssensor handelt es sich insbesondere um einen Odometriesensor, etwa einen Wegimpulsgeber oder Doppler-Radar.
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Bei der Sendeeinheit handelt es sich insbesondere um eine stationär, extern bezüglich des Schienenfahrzeugs angeordnete und drahtlos mit einer Empfangseinheit des Schienenfahrzeugs koppelbare Vorrichtung wie eine Balise.
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Mittels des Verfahrens kann insbesondere eine bestehende, am Bahnnetz angeordnete Infrastruktur genutzt werden, die für Schienenfahrzeuge zertifiziert ist. Mit Vorteil kann eine Kalibrierung von Geschwindigkeitssensoren ohne aufwendige Inspektionen durch Techniker und ohne das Schienenfahrzeug außer Betrieb zu setzen, vorgenommen werden. Im Vergleich zu anderen Kalibrierungstechniken am stillstehenden Schienenfahrzeug ist diese Art der Kalibrierung während des Betriebs des Schienenfahrzeugs besonders vorteilhaft im Falle von Sensoren, die für höhere Geschwindigkeiten ausgelegt sind (etwa ein Doppler-Radar, der für Geschwindigkeiten > 20 km/h ausgelegt ist) und sich im Stillstand des Schienenfahrzeugs anders verhalten. Überdies kann eine Kalibrierung ohne nennenswerten Mehraufwand in kurzen Abständen durchgeführt werden, insbesondere mehrmals auf einer einzigen Fahrt des Schienenfahrzeugs. In vorteilhafter Weise können so durch falsch kalibrierte Geschwindigkeitssensoren verursachte Verzögerungen im Betrieb des Schienenfahrzeugs vermieden werden.
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In einer vorteilhaften Ausgestaltung gemäß dem ersten Aspekt wird der Kalibrierungskoeffizient gemäß
ermittelt, wobei k den Kalibrierungskoeffizient,
vs den Messwert und
vA das Messsignal bezeichnet.
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In einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung gemäß dem ersten Aspekt wird der Kalibrierungskoeffizient gemäß
ermittelt, wobei β einen Gewichtungsfaktor mit einem Wert eines Bereichs [0; 1] und k
alt einen zuvor ermittelten Kalibrierungskoeffizienten bezeichnet.
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In einer vorteilhaften Ausgestaltung gemäß dem ersten Aspekt wird der Gewichtungsfaktor abhängig von der Geschwindigkeit des Schienenfahrzeugs ermittelt.
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In einer vorteilhaften Ausgestaltung gemäß dem ersten Aspekt ist der Geschwindigkeitssensor als Doppler-Radar ausgebildet. Der Gewichtungsfaktor wird gemäß
ermittelt.
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In einer vorteilhaften Ausgestaltung gemäß dem ersten Aspekt weist das Schienenfahrzeug eine Mehrzahl an Geschwindigkeitssensoren auf. Bei dem Verfahren wird jeweils ein Kalibrierungskoeffizient je Geschwindigkeitssensor in Abhängigkeit des Messsignals und des jeweiligen Messwerts ermittelt und dem entsprechenden Geschwindigkeitssensor zugeordnet.
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Gemäß einem zweiten Aspekt betrifft die Erfindung ein Schienenfahrzeug.
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Das Schienenfahrzeug umfasst eine Empfangseinheit zum Empfang eines von einer Sendeeinheit bereitgestellten Messsignals. Weiterhin umfasst das Schienenfahrzeug wenigstens einen Geschwindigkeitssensor, der eingerichtet ist, eine Geschwindigkeit des Schienenfahrzeugs zu erfassen und als Messwert bereitzustellen. Ferner umfasst das Schienenfahrzeug eine Steuereinheit, die signaltechnisch mit der Empfangseinheit und dem wenigstens einen Geschwindigkeitssensor gekoppelt und eingerichtet ist, das Verfahren gemäß dem ersten Aspekt durchzuführen.
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Mittels des Verfahrens kann insbesondere die bestehende, am Bahnnetz angeordnete Infrastruktur an Achszählsystemen für die Geschwindigkeitsmessung und -kalibrierung von Schienenfahrzeugen genutzt werden, für die diese ursprünglich nicht vorgesehen waren. Mit Vorteil kann so mit äußerst geringen Kosten eine Kalibrierung gemäß dem ersten Aspekt umgesetzt werden.
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Gemäß einem dritten Aspekt betrifft die Erfindung ein Verfahren zum Betreiben eines Achszählsystems für ein Schienenfahrzeug.
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Das Achszählsystem weist eine Sendeeinheit, einen ersten Radsensor und einen zweiten Radsensor auf. Der erste Radsensor ist dabei in Fahrtrichtung des Schienenfahrzeugs örtlich vor dem zweiten Radsensor in einem vorgegebenen Abstand angeordnet.
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Bei dem Verfahren wird ein erstes Signal durch den ersten Radsensor bereitgestellt, das repräsentativ ist für einen Impuls, der bei Passieren des ersten Radsensors durch ein Rad des Schienenfahrzeugs hervorgerufen wird.
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Ein zweites Signal wird durch den zweiten Radsensor bereitgestellt, das repräsentativ ist für einen Impuls, der bei Passieren des zweiten Radsensors durch das Rad hervorgerufen wird.
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Abhängig von dem ersten Signal und dem zweiten Signal wird eine Zeitdifferenz zwischen den beiden Impulsen ermittelt. Abhängig von dem vorgegebenen Abstand und der ermittelten Zeitdifferenz wird eine Geschwindigkeit des Schienenfahrzeugs ermittelt und mittels der Sendeeinheit einer Empfangseinheit des Schienenfahrzeugs als Messsignal übermittelt.
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Gemäß einem vierten Aspekt betrifft die Erfindung ein Achszählsystem für ein Schienenfahrzeug.
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Das Achszählsystem umfasst eine Sendeeinheit zur Übermittlung eines Messsignals an eine Empfangseinheit des Schienenfahrzeugs. Das Achszählsystem umfasst darüber hinaus einen ersten Radsensor zur Bereitstellung eines ersten Signals, das repräsentativ ist für einen Impuls, der bei Passieren des ersten Radsensors durch ein Rad des Schienenfahrzeugs hervorgerufen wird sowie einen zweiten Radsensor zur Bereitstellung eines zweiten Signals, das repräsentativ ist für einen Impuls, der bei Passieren des zweiten Radsensors durch das Rad hervorgerufen wird. Der erste Radsensor ist dabei in Fahrtrichtung des Schienenfahrzeugs örtlich vor dem zweiten Radsensor in einem vorgegebenen Abstand angeordnet. Das Achszählsystem umfasst ferner eine Steuervorrichtung, die signaltechnisch mit der Sendeeinheit, dem ersten Radsensor sowie dem zweiten Radsensor gekoppelt und eingerichtet ist, das Verfahren gemäß dem dritten Aspekt durchzuführen.
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In einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung gemäß dem vierten Aspekt ist bzw. sind der erste Radsensor und/oder der zweite Radsensor als Doppelseiten-Sensor ausgebildet.
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Gemäß einem fünften Aspekt betrifft die Erfindung ein Verfahren zum Betreiben eines Schienenfahrzeugs gemäß dem zweiten Aspekt mit einem Achszählsystem gemäß dem vierten Aspekt.
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Das Schienenfahrzeug weist eine Geschwindigkeit größer 0 km/h auf. Ein erster Radsensor wird mit einem Rad des Schienenfahrzeugs passiert, wobei ein Impuls hervorgerufen und ein erstes Signal durch den ersten Radsensor einer Steuervorrichtung des Achszählsystems bereitgestellt wird.
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Ein zweiter Radsensor wird mit dem Rad des Schienenfahrzeugs passiert, wobei ein Impuls hervorgerufen und ein zweites Signal durch den zweiten Radsensor der Steuervorrichtung bereitgestellt wird. Abhängig von dem ersten Signal und dem zweiten Signal wird eine Zeitdifferenz zwischen den beiden Impulsen durch die Steuervorrichtung ermittelt und abhängig von einem vorgegebenen Abstand des ersten Radsensors von dem zweiten Radsensor in Fahrtrichtung des Schienenfahrzeugs und der ermittelten Zeitdifferenz eine Geschwindigkeit des Schienenfahrzeugs durch die Steuervorrichtung ermittelt. Mittels der Sendeeinheit wird die ermittelte Geschwindigkeit als Messsignal einer Empfangseinheit des Schienenfahrzeugs übermittelt.
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Das Messsignal wird durch die Empfangseinheit empfangen und einer Steuereinheit des Schienenfahrzeugs bereitgestellt. Eine Geschwindigkeit wird durch einen Geschwindigkeitssensor des Schienenfahrzeugs erfasst und als Messwert der Steuereinheit bereitgestellt.
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Abhängig von dem Messsignal und dem Messwert wird nun ein Kalibrierungskoeffizient durch die Steuereinheit ermittelt und dem Geschwindigkeitssensor zugeordnet. Abhängig von dem Kalibrierungskoeffizient und dem Messwert wird schließlich eine kalibrierte Geschwindigkeit des Schienenfahrzeugs ermittelt.
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In einer vorteilhaften Ausgestaltung gemäß dem fünften Aspekt wird die kalibrierte Geschwindigkeit gemäß
Ermittelt, wobei
vS,k die kalibrierte Geschwindigkeit bezeichnet.
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In einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung gemäß dem fünften Aspekt weist das Schienenfahrzeug eine Mehrzahl an Geschwindigkeitssensoren auf. Bei dem Verfahren wird jeweils ein Kalibrierungskoeffizient je Geschwindigkeitssensor in Abhängigkeit des Messsignals und des jeweiligen Messwerts ermittelt und dem entsprechenden Geschwindigkeitssensor zugeordnet.
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Abhängig von dem jeweiligen Kalibrierungskoeffizient und dem jeweiligen Messwert wird eine jeweilige kalibrierte Geschwindigkeit des Schienenfahrzeugs ermittelt. Abhängig von sämtlichen kalibrierten Geschwindigkeiten wird schließlich die Geschwindigkeit des Schienenfahrzeugs geschätzt.
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Die oben genannten Eigenschaften, Merkmale und Vorteile der Erfindung und die Art und Weise, wie diese erreicht werden, werden durch die folgende Beschreibung der Ausführungsbeispiele der Erfindung in Verbindung mit den entsprechenden Figuren weitergehend erläutert. Gleiche, gleichartige oder gleich wirkende Elemente sind in den Figuren mit den gleichen Bezugszeichen versehen. Die Figuren und die Größenverhältnisse der in den Figuren dargestellten Elemente untereinander sind nicht als maßstäblich zu betrachten. Vielmehr können einzelne Elemente zur besseren Darstellbarkeit und/oder für eine bessere Verständlichkeit übertrieben groß dargestellt sein.
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Es zeigen:
- 1 ein System zum Betreiben eines Schienenfahrzeugs;
- 2 ein Ablaufdiagramm eines Verfahrens zum Betreiben des Schienenfahrzeugs gemäß 1; und
- 3 und 4 jeweils ein Odometriesystem des Schienenfahrzeugs gemäß 1.
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Anhand 1 ist ein System 100 zum Betreiben eines Schienenfahrzeugs 10 mit einem Achszählsystem 20 dargestellt. Das Schienenfahrzeug 10 befindet sich in einem bestimmungsgemäßen Betrieb, in dem es eine Geschwindigkeit v > 0 km/h in Fahrtrichtung aufweist (hier durch den Pfeil angedeutet).
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Das Schienenfahrzeug 10 umfasst eine Steuereinheit 11, eine Antenne als Empfangseinheit 12 zur signaltechnischen Kopplung mit einer stationären Sendeeinheit 22 sowie mehrere Geschwindigkeitssensoren 15, 16. Die Geschwindigkeitssensoren 15, 16 können beispielsweise jeweils einem Rad 13 des Schienenfahrzeugs 10 zugeordnet sein.
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Das Achszählsystem 20 ist beispielhaft dazu eingerichtet, Status-Informationen über freie bzw. belegte Gleisabschnitte zu ermitteln. Das Achszählsystem 20 weist in diesem Zusammenhang einen ersten Radsensor 23 auf, der zur Detektion eines Rad-Durchgangs ausgebildet ist und auch als Zählkopf oder engl. „wheel detection equipment (WDE)“ bezeichnet werden kann. Beispielhaft handelt es sich hierbei um einen Radsensor, der eine Doppelseiten-Technologie mit zwei Sensoren einsetzt, wie etwa das Modell „Clearguard ZP D 43“ der Firma Siemens, welches bereits in beträchtlicher Stückzahl (>50.000) entlang des deutschen Bahnnetzes angeordnet ist. Dieses Modell umfasst als Doppelseiten-Sensor eine „DEK 43“-Einheit und setzt ein elektromagnetisches Raderkennungsverfahren mit einer Generatorfrequenz von 43 kHz ein. Wenn ein Rad in den Erfassungsbereich des Doppelseiten-Sensors eintritt, ändert sich die Stärke des elektromagnetischen Wechselfeldes und erzeugt dadurch Signalimpulse. Diese Impulse werden im Zählkopf ausgewertet. Diese Informationen werden an eine Steuervorrichtung 21 übertragen, die signaltechnisch mit dem Radsensor gekoppelt ist. Die Steuervorrichtung 21 ist bevorzugt in unmittelbarer Nähe zu dem ersten Radsensor 23 angeordnet. Die Steuervorrichtung 21 kann aber auch in einer Entfernung von bis zu 21 km von dem ersten Radsensor 23 angeordnet sein. Die Steuervorrichtung 21 kann auch als Auswertegerät bezeichnet werden. Die Steuervorrichtung 21 ist insbesondere ein Computer oder elektrischer Schaltkreis, der eingerichtet ist, Signale zu empfangen, eine Berechnung vorzunehmen und das Ergebnis der Berechnung in Form eines Informationspakets zu versenden.
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Das Achszählsystem 20 weist ferner einen zweiten Radsensor 24 auf, der in einem vorgegebenen Abstand d in Fahrtrichtung des Schienenfahrzeugs 10 zu dem ersten Radsensor 23 angeordnet ist. Der zweite Radsensor 24 entspricht baulich und funktional insbesondere dem ersten Radsensor 23. Üblicherweise umfasst das Achszählsystem 20 den zweiten Radsensor 24, um eine Fahrtrichtung eines passierenden Schienenfahrzeugs ermitteln zu können. Der vorgegebene Abstand d bereits verbauter Radsensoren bestehender Achszählsysteme beträgt in diesem Zusammenhang zumeist zwischen einschließlich 20 cm bis einschließlich 80 cm (für langsamere bzw. schnellere Schienenfahrzeuge). Abweichend hiervon ist aber auch ein anderer Abstand d denkbar.
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Dem Achszählsystem 20 ist darüber hinaus eine Sendeeinheit 22 zugeordnet, die signaltechnisch mit der Steuervorrichtung 21 verbunden und zur drahtlosen Kommunikation mit der Empfangseinheit 12 des Schienenfahrzeugs 10 eingerichtet ist. Hierbei handelt es sich um eine Balise oder andere Vorrichtung, die eingerichtet ist, einem überfahrenden oder nahegelegen passierenden Schienenfahrzeug Informationen zu übermitteln. Insbesondere handelt es sich bei der Sendeeinheit 22 um eine aktive bzw. steuerbare Balise. Eine aktive Balise ist beispielsweise mit einer sogenannten „lineside electronic unit“, LEU, verbunden. Die LEU kann beispielhaft in ein Signalsystem integriert sein, das wiederum in ein Stellwerk integriert ist, in dem sich das Auswertegerät befindet.
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Die Erfindung macht sich die Erkenntnis zu Nutze, dass bereits eine Vielzahl derartiger Achszählsysteme entlang des Schienennetzes verbaut ist. In vorteilhafter Weise sind folglich keine oder lediglich geringe bauliche Änderungen erforderlich, um das nachfolgend beschriebene Verfahren umzusetzen.
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Im Folgenden wird erläutert, wie ein solches Achszählsystem 20 eingesetzt werden kann, um eine kontinuierliche Kalibrierung von Geschwindigkeitssensoren 15, 16 des Schienenfahrzeugs 10 während des bestimmungsgemäßen Betriebs vorzunehmen, ohne auf speziell ausgebildete Fachkräfte angewiesen zu sein oder das Schienenfahrzeug 10 vorübergehend stillzulegen.
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In diesem Zusammenhang sind der Steuereinheit 11 sowie der Steuervorrichtung 21 jeweils ein Daten- und Programmspeicher zugeordnet, in dem jeweils ein Programm zur kooperativen Durchführung eines Verfahrens zum Betreiben des Schienenfahrzeugs 10 gespeichert ist, welches anhand des Ablaufdiagramms der 2 im Folgenden näher erläutert wird. Die Reihenfolge der einzelnen Programmschritte ist dabei lediglich als beispielhaft anzusehen und kann von der beschriebenen Reihenfolge abweichen.
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Das Programm startet in einem Schritt S1, wenn der erste Radsensor 23 von dem Rad 13 des Schienenfahrzeugs 10 passiert wird. Hierbei wird ein erstes Signal durch den ersten Radsensor 23 der Steuervorrichtung 21 bereitgestellt, das repräsentativ ist für den beim Passieren hervorgerufenen Impuls. Ein erster Zeitpunkt t1, welcher zu dem Impuls korrespondiert wird durch die Steuervorrichtung 21 ermittelt und das Programm im Anschluss in einem Schritt S2 fortgesetzt.
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Wenn das Rad 13 den zweiten Radsensor 24 passiert, wird ein weiterer Impuls hervorgerufen und der Steuervorrichtung 21 ein hierfür repräsentatives zweites Signal durch den zweiten Radsensor 24 bereitgestellt. In dem Schritt S2 wird ein zweiter Zeitpunkt t2, welcher zu dem weiteren Impuls korrespondiert, durch die Steuervorrichtung 21 ermittelt und das Programm im Anschluss in einem Schritt S3 fortgesetzt.
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In dem Schritt
S3 wird eine Zeitdifferenz Δt= t
2-t
1 ermittelt und abhängig von dem vorgegebenen Abstand
d der Radsensoren
23,
24 ein Messsignal
ermittelt, das repräsentativ ist für eine Messung der Geschwindigkeit
v des Schienenfahrzeugs
10 durch das Achszählsystem
20. Der vorgegebene Abstand
d kann in diesem Zusammenhang beispielhaft in der Steuervorrichtung
21 hinterlegt sein, da er durch die Anordnung der Radsensoren
23,
24 konstant vorgegeben ist.
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Die Berechnung in dem Schritt S3 ist wenig rechenintensiv und könnte daher beispielhaft durch eine dedizierte Schaltung umgesetzt und damit besonders schnell vorgenommen werden. Im hier beschriebenen Ausführungsbeispiel wird die Berechnung in der Steuervorrichtung 21 durchgeführt, die üblicherweise bereits ähnliche Rechenvorgänge zur Ermittlung der Fahrtrichtung und Streckenbelegung vornimmt, so dass auf zusätzliche Komponenten verzichtet werden kann.
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Das Verfahren wird anschließend in einem Schritt S4 fortgesetzt, in dem das Messsignal vA mittels der Sendeeinheit 22 an die Empfangseinheit 12 übermittelt wird. Da Schienenfahrzeuge typischerweise relativ lang im Vergleich zu einer wahrscheinlichen Distanz, die ein Signal zwischen Radsensoren 23, 24 und Sendeeinheit 22 zurücklegen muss, kann das Messsignal vA ohne Verzögerung, insbesondere ohne Zwischenspeichern übermittelt werden.
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Das Verfahren wird im Anschluss in einem Schritt S5 fortgesetzt, in dem das Messsignal vA durch die Empfangseinheit 12 empfangen und der Steuereinheit 11 des Schienenfahrzeugs 10 bereitgestellt wird.
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Daraufhin wird in einem Schritt S6 ein Messwert vS durch den Geschwindigkeitssensor 15 ermittelt, der repräsentativ ist für eine Messung der Geschwindigkeit v des Schienenfahrzeugs 10 durch das Schienenfahrzeug 10, und der Steuereinheit 11 bereitgestellt.
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In einem darauffolgenden Schritt S7 wird Kalibrierungskoeffizient k für den Geschwindigkeitssensor 15 ermittelt, indem der Messwert vS mit dem Messsignal vA verglichen wird.
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In einer ersten Ausführungsvariante wird der Kalibrierungskoeffizient
k gemäß
ermittelt.
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In einer weiteren Ausführungsvariante wird der Kalibrierungskoeffizient
k gemäß
iterativ ermittelt und erneuert. Hierbei bezeichnet k
alt den zuletzt ermittelten Kalibrierungskoeffizient und β einen Gewichtungsfaktor, welche die Lernrate berücksichtigt und einen Wert zwischen einschließlich 0 und einschließlich 1 annimmt, beispielsweise 0,01. Ein kleiner Wert für β reduziert hierbei insbesondere die Auswirkung eines einzelnen Messsignals
vA auf die Kalibrierung. Abweichend von den genannten Ausführungsvarianten sind auch andere Gewichtungs- oder Mischfunktionen denkbar.
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Der genannte Gewichtungsfaktor β kann insbesondere derart gewählt werden, dass die Kalibrierung ausschließlich oder bevorzugt in einem Bereich der Geschwindigkeit
v des Schienenfahrzeugs
10 vorgenommen wird, in dem der entsprechende Geschwindigkeitssensor
15 linear arbeitet bzw. für den der Geschwindigkeitssensor
15 vorgesehenen ist. Beispielhaft kann für einen Doppler-Radar der Gewichtungsfaktor gemäß
gesetzt werden, um eine Kalibrierung außerhalb eines Geschwindigkeitsbereichs von 20 km/h bis 300 km/h zu unterbinden. Beispielhaft arbeitet der Doppler-Radar unterhalb von 20 km/h nichtlinear, während das Messsignal
vA des Achszählsystems
20 oberhalb von 300 km/h stark fehlerbehaftet ist. Die genannten Grenzen sind hierbei lediglich beispielhaft aufgeführt und können in der Praxis, insbesondere bei anderen Sensortypen stark hiervon abweichen. Indem der Gewichtungsfaktor β in Abhängigkeit des Messsignals
vA gesetzt wird, kann insbesondere eine Fehlfunktion der Messung des Achszählsystems
20 berücksichtigt werden, beispielsweise wenn das Messsignal
vA zu stark von dem Messwert
vS abweicht.
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Der Kalibrierungskoeffizient k wird allen späteren Messungen des Geschwindigkeitssensors 15 zugeordnet, beispielsweise solange, bis eine erneute Kalibrierung durchgeführt wird. Hierzu wird in einem auf den Schritt S7 folgenden Schritt S8 eine kalibrierte Geschwindigkeit vS,k = k · vS ermittelt. Auch wenn eine Kalibrierung fehlerbehaftet ist, kann eine erneute Kalibrierung im Betrieb des Schienenfahrzeugs 10 erfolgen.
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Vor der ersten Kalibrierung, also bevor das Achszählsystem 20 das erste Mal passiert wird, ist der Kalibrierungskoeffizient k = 1.
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Die Schritte S1 bis S4 werden insbesondere durch die Steuervorrichtung 21 des Achszählsystems 20 ausgeführt und bilden beispielhaft ein separates Computerprogramm. Die Schritte S5 bis S8 werden insbesondere durch die Steuereinheit 11 des Schienenfahrzeugs 10 ausgeführt und bilden beispielhaft ebenfalls ein separates Computerprogramm.
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Die Schritte S1 bis S8 können für jedes weitere durch das Achszählsystem 20 erfasste Rad 14 des Schienenfahrzeugs 10 erneut ausgeführt werden. Alternativ oder zusätzlich können nach Bereitstellen eines einzigen Messsignals vA die Schritte S5 bis S8 für jeden weiteren Geschwindigkeitssensor 16 des Schienenfahrzeugs 10 basierend auf dem einzigen Messsignal vA und dem jeweiligen Messwert vS durchgeführt werden. In diesem Zusammenhang ist dem Schienenfahrzeug 10 wie beispielhaft dargestellt lediglich eine Steuereinheit 11 zugeordnet. Abweichend hiervon ist auch denkbar, die Schritte S5 bis S8 je Geschwindigkeitssensor 15, 16 auf einer separaten Steuereinheit 11 durchzuführen.
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Beispielhaft bilden mehrere Geschwindigkeitssensoren 15, 16, 17 ein Odometriesystem 19 des Schienenfahrzeugs 10 (vgl. 3 und 4).
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Wie anhand 3 dargestellt weist das Odometriesystem 19 eine Fusionseinheit 18 auf, die aus mehreren Messwerten vS1- vS3 der einzelnen Geschwindigkeitssensoren 15, 16, 17 eine geschätzte Geschwindigkeit vest des Schienenfahrzeugs 10 ermitteln. Aufgrund fehlender oder falscher Kalibrierung der Geschwindigkeitssensoren 15, 16, 17 weist die durch dieses Odometriesystem 19 geschätzte Geschwindigkeit vest typischerweise einen Fehler zwischen 2-4% der tatsächlichen Geschwindigkeit v auf, was u.a. zu Verspätungen im Betrieb des Schienenfahrzeugs 10 führen kann.
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Durch das vorgeschlagene System 100 können der Fusionseinheit 18 im Gegensatz zu dem Odometriesystem 19 kalibrierte Geschwindigkeiten vS,k1-vS,k3 zugeführt werden, so dass zu einer präziseren geschätzten Geschwindigkeit vest des Schienenfahrzeugs 10 beigetragen wird. Abweichend von der Darstellung des Odometriesystems 19 ist hierbei insbesondere denkbar, die Steuereinheit 11 in einer Baueinheit mit der Fusionseinheit 18 auszubilden.
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Obwohl die Erfindung anhand von Ausführungsbeispielen detailliert dargestellt und beschrieben wurde, ist die Erfindung nicht auf die offenbarten Ausführungsbeispiele und die darin erläuterten konkreten Merkmalskombinationen beschränkt. Weitere Variationen der Erfindung können von einem Fachmann erhalten werden, ohne den Schutzumfang der beanspruchten Erfindung zu verlassen.
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Bezugszeichenliste
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- 100
- System
- 10
- Schienenfahrzeug
- 11
- Steuereinheit
- 12
- Empfangseinheit
- 13
- Rad
- 15
- Geschwindigkeitssensor
- 16, 17
- weitere Geschwindigkeitssensoren
- 18
- Fusionseinheit
- 19
- Odometriesystem
- 20
- Achszählsystem
- 21
- Steuervorrichtung
- 22
- Sendeeinheit
- 23
- erster Radsensor
- 24
- zweiter Radsensor
- d
- Abstand
- v
- Geschwindigkeit
- vS
- Messwert
- vA
- Messsignal
- vS,k
- kalibrierte Geschwindigkeit
- vest
- geschätzte Geschwindigkeit
- k
- Kalibrierungskoeffizient
- S1-S9
- Programmschritte