-
Gebiet:
-
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur vernetzten Regelung der Führungsgrößen einer Großrohrbiegeanlage.
-
Stand der Technik:
-
Bei einer Herstellung von Rohren mit einem großen Durchmesser müssen unterschiedliche Führungsgrößen beteiligter Maschinen und Einrichtungen aufeinander und auf die verwendeten Einsatzstoffe vor Beginn der Herstellung und im laufenden Betrieb angepasst werden.
-
Bisher werden die unterschiedlichen Führungsgrößen für die Maschinen und Einrichtungen einer Großrohrherstellung auf einer Großrohrbiegeanlage meist aus theoretisch ermittelten Tabellen oder aus Niederschriften praktischer Erfahrungen entnommen. Hierbei muss nicht selten manuell zwischen tabellierten Führungsgrö-ßen interpoliert werden, da die gefragten Führungsgrößen nicht immer in den Tabellen hinterlegt sind.
-
Beim Einfahren neuer Abmessungen bzw. einer neuen Materialcharge auf der Großrohrbiegeanlage müssen die Führungsgrößen zudem manuell angepasst werden und / oder müssen sogar händisch mit Schablonen ermittelt werden. Teils müssen Führungsgrößen, wie z.B. die Blechbreite nach dem Fräsen, über trial-anderror-Ansätze bestimmt werden. Eine Bombierung eines Unterwerkzeuges der Großrohrbiegeanlage (z.B. in einer JCO-Presse) nimmt ein Maschinenbediener meist nach Augenmaß vor. Dabei ist unter anderem in diesem Fall die Führungsgröße die Spaltbreite und Ziel der Regelung durch den Maschinenbediener die gleichmäßige Spaltbreite über der Rohrlänge.
-
Ein Nachteil dieser Verfahrensweise ist, dass die Ergebnisse in Bezug auf Qualität und / oder Produktivität der Großrohherstellung auf der Großrohbiegemaschine bei dieser Verfahrensweise schwankend und / oder ungenau sind, von dem Bediener abhängen und mögliche Wechselwirkungen der Maschinen und Einrichtungen untereinander nur schwer bei der Regelung zu berücksichtigen sind. Entsprechende Einstellarbeiten bei z.B. einem neuen Einsatzstoff können daher z.T. mehrere Stunden dauern.
-
Mittels einer Software kann im Voraus in Abhängigkeit von bekannten technologischen Werten Führungsgrößen der jeweiligen Maschine und Einrichtung für die Großrohrherstellung berechnet werden. Diese Berechnungen vereinfachen zwar die Einstellarbeiten vor dem Beginn, sind aber nicht in der Lage, z.B. Schwankungen einer einlaufenden Blechdicke in der laufenden Großrohrherstellung abzubilden und somit eine gleichbleibende Fertigungsqualität sicherzustellen. Dazu muss weiterhin manuell bei den Führungsgrößen eingegriffen werden.
-
Zur Optimierung der Führungsgrößen der Maschinen und Einrichtungen während der laufenden Großrohrherstellung werden Messungen an der jeweiligen Maschine und Einrichtung durchgeführt und daraufhin Korrekturen bei den Führungsgrößen an der einzelnen Maschine und Einrichtung vorgenommen. Bei den Korrekturen müssen auch Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Maschinen und Einrichtungen berücksichtigt werden. Die Optimierung der Führungsgröße der einzelnen Maschine und / oder Einrichtung und die übergreifenden Führungsgrößen der Großrohrherstellung erfolgt derzeit meist durch erfahrene Technologen des Anlagenbetreibers. Die Herangehensweise zur globalen Optimierung kann je nach Anforderung an das Produkt sehr unterschiedlich sein. Oftmals fehlt aufgrund unterschiedlicher Zuständigkeiten ein ganzheitlicher Betrachtungsansatz.
-
Softwarepakte oder Maschinenprozessmodelle sind aktuell in der Lage, für Teilaspekte der Großrohherstellung geeignete Führungsgrößen zu ermitteln oder einzelne Wechselwirkungen zwischen Maschinen und Einrichtungen abzubilden. Zum Teil müssen aber die Ergebnisse der Berechnungen aus den Softwarepaketen oder Maschinenprozessmodellen noch händisch in die Regelung eingegeben werden.
-
Die Druckschrift
DE 10 2011 009 660 A1 offenbart eine Vorrichtung zum Umformen von Flachprodukten in Schlitzrohre oder Rohrvorprodukte, umfassend wenigstens ein Innenumformwerkzeug für das zumindest schrittweise Umformen des Flachproduktes in radialer Richtung des zu erzeugenden Schlitzrohr- oder Rohrvorprodukt-Querschnitts, sowie wenigstens ein Außenumformwerkzeug zur Umformung des Flachproduktes von außen. Wenigstens eine Lichtquelle und wenigstens ein Empfänger sind zur Messung zumindest des Schlitzrohr- oder Rohrvorprodukt-Innenkontur mit zumindest einem Innenumformwerkzeug verbunden. Darüber hinaus offenbart die Druckschrift ein Verfahren zum Umformen von Flachprodukten in Schlitzrohre oder Rohrvorprodukte mit der Vorrichtung.
-
Die Druckschrift
DE 197 38 955 A1 offenbart ein Verfahren zur Regelung eines Umformprozesses an einem Werkstück, wobei zunächst eine Bestimmung von mindestens einem Prozessparameter erfolgt. Bei der Bestimmung des Prozessparameters geht mindestens eine prozessrelevante Materialeigenschaft ein, wobei ferner während des Prozessablaufes mindestens eine Stellgröße gemessen wird und aus der gemessenen Stellgröße ein korrigierter Wert für den Prozessparameter bestimmt wird. Bei dem Umformprozess handelt es sich um ein Streckbiegen, wobei über die Anpassung des Prozessparameters - axiale Vorspannkraft - eine im Werkstück wirkende axiale Vorspannung als Zustandsgröße beeinflusst wird, um dadurch die Rückfederung des Werkstückes nach Abschluss des Streckbiegevorganges gezielt einzustellen.
-
Der Stand der Technik weist den Nachteil auf, dass die vorhandenen Regelungen und / oder Maschinenprozessmodelle der Maschinen und Einrichtungen nicht miteinander vernetzt sind und dadurch bei Änderungen einer Führungsgröße die Wechselwirkungen auf vor- und / oder nachfolgende Maschinen und Einrichtungen und / oder ablaufende Fertigungsschritte nicht berücksichtigt werden. Darüber hinaus sind manuelle Eingaben und Auswertungen für Führungsgrößen notwendig.
-
Aufgabe der Erfindung:
-
Es war daher Aufgabe der Erfindung, ein Verfahren bereitzustellen, das sowohl einzelne Maschinen und / oder Einrichtungen als auch einen übergreifenden Großrohherstellungsprozess mittels Vorgaben für Führungsgrößen unter Berücksichtigung von Wechselwirkungen der am Prozess beteiligten Maschinen und Einrichtungen untereinander regelt, optimiert und manuelle Eingriffe minimiert.
-
Erfindung:
-
Die Aufgabe wird durch das erfindungsgemäße Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst. Eine Regelung der Großrohherstellung auf einer Großrohrbiegeanlage erfolgt durch Vorgaben für technologisch relevante Führungsgrößen aller an der Herstellung beteiligten Maschinen und Einrichtungen aus mindestens einem übergeordneten Prozessmodell heraus und die Maschinen und Einrichtungen regeln selbstständig mittels mindestens eines Maschinenprozessmodells die auf ihnen ablaufenden Fertigungsschritte entsprechend den Vorgaben des übergeordneten Prozessmodells.
-
Durch nacheinander ablaufenden Fertigungsschritte wird das Eingangsmaterial zu einem Fertigteil bearbeitet und dazu werden zumindest die folgenden Prozessschritte ausgeführt: Blechkanten fräsen, Anbiegen, Formen, Schließen, Heftschweißen, Innenschweißen, Außenschweißen, Expandieren, Druckprüfung und Laborprüfung.
-
Aus einer Vorausberechnung des übergeordneten Prozessmodells ergeben sich die Vorgaben des übergeordneten Prozessmodells für die Regelung durch das Maschinenprozessmodell. Die Maschinen und Einrichtungen führen die für die Regelung notwendigen Messungen durch und übermitteln die Messergebnisse dem Maschinenprozessmodell und / oder dem übergeordneten Prozessmodell. Auf Basis von Bedienereingaben und / oder Rückmeldungen der Maschinen und Einrichtungen werden die vorausberechneten Vorgaben des übergeordneten Prozessmodells während der laufenden Großrohrherstellung angepasst und / oder optimiert. Die Optimierung erfolgt hinsichtlich der Fertigungsqualität und / oder Produktivität der Großrohrbiegeanlage insgesamt.
-
Definitionen:
-
- Großrohrherstellung: Herstellen von geschweißten Rohren mit einem Durchmesser ≥ 500 mm
- Führungsgröße w: Größe bzw. Wert, mit der / dem die Regelgüte und / oder Regelgröße eines Regelkreise beeinflusst werden kann
- Betriebsdaten: Daten, die bei dem Betrieb der Anlage anfallen; Daten können online erfasst oder auch zeitversetzt (z.B. Laborwerte) gespeichert werden
- Messwerte: Werte, die beim Betrieb der Maschine oder Einrichtung für die Regelung der Maschine oder Einrichtung benötigt werden
- Maschinenprozessmodell: Modell, das die auf der Maschine oder Einrichtung ablaufenden Fertigungsschritte abbildet (z.B. Zusammenhänge zwischen Führungsgrößen und Regelgrößen beschreibt) und zur Regelung der Maschine oder Einrichtung verwendet wird
- Neuronales Netz: Künstliches neuronale Netz als selbstlernender Optimierungsalgorithmus
- Vernetzte Regelung: Alle an der Herstellung beteiligten Regelungen sind miteinander verbunden und regeln die Regelkreis gemäß einem übergeordneten Ziel
-
Der Vorteil in diesem Verfahren liegt darin, dass mindestens ein übergeordnetes Prozessmodell die Maschinenprozessmodelle durch Vorgaben regelt. Durch die Rückmeldung der Messergebnisse der unterschiedlichen Maschinen und / oder Einrichtungen an ein übergeordnetes Prozessmodell kann eine Optimierung der Vorgaben unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen in der gesamten Fertigungskette erfolgen. Weiterhin werden durch die Vernetzung der Regelungen der Maschinen und Einrichtungen die handeingaben minimiert.
-
Die oben genannte Aufgabe wird weiterhin durch die Merkmale der Unteransprüche 2 und 3 gelöst. Die in der Maschine und / oder Einrichtungen ablaufenden Fertigungsschritte sind jeweils in einem Maschinenprozessmodell abgebildet und das Maschinenprozessmodell stellt einen Zusammenhang zwischen Führungsgrößen sowie den relevanten Eingangsgrößen, Ausgangsgrößen und an der Maschine einstellbaren Parametern her. Mit einem übergeordneten Prozessmodell tauscht das Maschinenprozessmodell Betriebsdaten, Messdaten und / oder Vorgaben aus. Mit dieser Vorgehensweise wird die vorteilhafte Vernetzung aller an der Großrohrherstellung beteiligter Maschinen und Einrichtungen erreicht.
-
Weiterhin wird die Lösung der Aufgabe mit den Merkmalen der Unteransprüche 4 bis 7 erreicht. Mindestens ein übergeordnetes Prozessmodell verknüpft Vorgaben für Führungsgrößen sowie die relevanten Eingangsgrößen, Ausgangsgrößen und an der Maschine einstellbaren Parameter aller Maschinen mit den technologisch relevanten Führungsgrößen aller Maschinen und Einrichtungen. Mittels Optimierungsalgorithmen ermittelt ein übergeordnetes Prozessmodell aus den technologisch relevanten Führungsgrößen der Maschinen und Einrichtungen optimierte Vorgaben für die technologisch relevanten Führungsgrößen für die gesamte Großrohrherstellung. Der Optimierungsalgorithmus ist selbstlernend und durch den Optimierungsalgorithmus werden mittels Vorausberechnungen und Optimierung Schwankungen in der Qualität reduziert und Produktivität verbessert.
-
Figurenliste
-
- 1: Beispielhaftes Schaubild einer einschichtigen Vernetzung der Regelungen bzw. der Maschinenprozessmodelle mit dem übergeordneten Prozessmodell.
-
Die Erfindung wird nachfolgend unter Bezugnahme auf die genannte Figur in Form von einem Ausführungsbeispiel detailliert beschreiben. Im Weiteren sind gleiche technische Elemente mit gleichen Bezugszeichen versehen.
-
In 1 ist eine beispielhafte Ausführung einer einschichtigen Vernetzung der Regelungen bzw. der Maschinenprozessmodelle mit einem übergeordneten Prozessmodell dargestellt. Einschichtig heißt in diesem Fall, dass nur ein übergeordnetes Prozessmodell (PR) auf alle beteiligten Maschinenprozessmodelle zugreift. Darüber hinaus sind auch mehrere vernetzte übergeordnete Prozessmodelle die Teilbereiche der Maschinenprozessmodelle beeinflussen und selbst durch übergeordnete Prozessmodell verknüpft sind möglich.
-
Ein Eingangsmaterial (EM) wird mit den Prozessschritten n (n = 1. Blechkanten fräsen 2. Anbiegen, 3. Formen, 4. Schließen, 5. Heftschweißen, 6. Innenschweißen, 7. Außenschweißen, 8. Expandieren, 9. Druckprüfung und 10. Laborprüfung) zu einem Fertigteil (FM, hier Großrohr) bearbeitet.
-
Dazugehörend ist das jeweilige Maschinenprozessmodell 1 bis n mit der jeweiligen Regelung 1 bis n (R1 bis Rn) des Prozessschrittes 1 bis n (P1 bis Pn) und der Zählvariable 1 bis m (n,m ∈ ℕ0). Jede Regelung 1 bis n gibt dem Prozessschritt die Parameter y11 bis ynm vor und erhält als Rückmeldung die Messwerte x11 bis xnm zurück. Die Messwerte x11 bis xnm werden ebenfalls an ein übergeordnetes Prozessmodell übergeben.
-
Vorzugsweise bestimmt das übergeordnete Prozessmodell zunächst aus bekannten Eingangsgrößen (z.B. Durchmesser, Wanddicke und Streckgrenze), Ausgangsgrö-ßen (z.B. Rundheit, Geradheit, Kerbschlagzähigkeit), weitern Vorgaben (z.B. Geometrie) und Annahmen für Messwerte x11 bis xnm einen ersten Satz der Führungsgrößen w11 bis wnm (z.B. Schrittanzahl, Ovalität beim Einformen, erlaubte Aufdachung, Vorschubgeschwindigkeit). Zur Verbesserung des ersten Satzes Führungsgrößen w11 bis wnm kann es hilfreich sein, entsprechende Simulationen, z.B. mittels der Finite-Elemente-Methode im Vorfeld durchzuführen. Das übergeordnete Prozessmodell wirkt mit dem ersten Satz Führungsgrößen w11 bis wnm zu Beginn der Herstellung auf die jeweilige Regelung 1 bis n ein.
-
Basierend auf einem abgespeicherten Datensatz aller Führungsgrößen w11 bis wnm, Parameter y11 bis ynm und der zugehörigen erreichten Messwerte x11 bis xnm, Betriebsdaten, Produktivität und Qualität kann mit dem Optimierungsalgorithmus ein neuer Satz Führungsgrößen w11 bis wnm berechnet werden, der den gewünschten Zielsetzung näher kommt und die Wechselwirkungen zwischen den Maschinen und Einrichtungen berücksichtigt. Die Wechselwirkungen betreffen insbesondere Ovalität beim Formen, Anbiegung mit Einfluss auf die Aufdachung und / oder die Rundheit sowie die Vorgaben der Schweißmaschine mit Einfluss auf die Kerbschlagzähigkeit. Die Optimierungsberechnungen finden vorzugsweise kontinuierlich statt. Dadurch findet das übergeordnete Prozessmodell immer einen idealen Satz an Führungsgrö-ßen, auch bei sich ändernden Produktionsbedingungen.
-
Bei einem erneuten Beginn einer Großrohrherstellung kann durch abgespeicherte Datensätze von Führungsgrößen w11 bis wnm schon auf optimierte Führungsgrößen zurückgegriffen werden. Als Optimierungsalgorithmus für die Optimierung komplexer vernetzter Prozesse kann vorzugsweise ein Algorithmus auf Basis eines neuronalen Netzes verwendet werden.
-
Beispielhaft ergibt das für den zweiten Prozessschritt die Parameter y21 bis y2m, die Messwerte x21 bis x2m sowie die Führungsgrößen w2, bis wzm. Zu Beginn der Großrohrherstellung werden die Führungsgrößen w21 bis w2m durch das übergeordnete Prozessmodell vorgegeben. Während der laufenden Großrohrherstellung optimiert das übergeordnete Prozessmodell mittels des Optimierungsalgorithmus die Führungsgrößen w21 bis w2m auf Basis der Messwerte x11 bis xnm unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Messwerte x11 bis xnm und das Optimierungsziel.