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Die Geschwindigkeit von Schienenfahrzeugen und deren Position wird beispielsweise mit Hilfe von Radar und Wegimpulssensoren ermittelt, was häufig als Odometrie bezeichnet wird. Diese Werte für Geschwindigkeit und Position sind für moderne Zugsteuersysteme oder Zugüberwachungssysteme, wie beispielsweise ETCS, erforderlich. Zusätzlich können auch beispielsweise GPS- und Beschleunigungssensoren zu Einsatz kommen, um die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Geschwindigkeitsermittlung zu steigern. Die verwendeten Radarsensoren arbeiten üblicherweise im Gigahertzbereich und ermitteln die Geschwindigkeit des Schienenfahrzeugs mit Hilfe von Reflexionen an Strukturen im Streckenbereich.
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Problematisch ist hierbei, dass beispielsweise im Winter die Radarsensoren vereisen können oder die streckenseitigen Strukturen nicht erkennbar sind, was beispielsweise durch Schnee oder Wasserflächen verursacht werden kann. In beiden Fällen kann dies zu einem Versagen der Radarsensoren führen. Die eingesetzten Wegimpulssensoren ermitteln die Drehzahl der Fahrzeugachsen. Bei angetriebenen und/oder gebremsten Achsen kann allerdings ein sogenannter Schlupf oder ein Blockieren auftreten, was die Messung verfälscht. GPS- oder ähnliche Sensoren, die mit Satellitennavigation arbeiten, funktionieren üblicherweise nicht in Tunneln oder bei anderen schwierigen geographischen Bedingungen, wie beispielsweise Schluchten zwischen hohen Häusern.
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Die in der Odometrie zusätzlich oder alternativ eingesetzten Beschleunigungssensoren registrieren Geschwindigkeitsänderungen des Schienenfahrzeugs. Die Geschwindigkeit wird dabei beispielsweise durch eine Integration der Beschleunigung ermittelt. Problematisch ist hierbei, dass durch Messfehler ein Fehler in der berechneten Geschwindigkeit mit der Zeit zunehmen kann.
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Es ist daher die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Geschwindigkeitsbestimmung eines Schienenfahrzeugs bereitzustellen, mit denen die Geschwindigkeit mit höherer Genauigkeit bestimmt werden kann.
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Die Erfindung löst die Aufgabe einerseits durch eine Vorrichtung zur Geschwindigkeitsbestimmung eines Schienenfahrzeugs mit wenigstens zwei in einer Fahrrichtung mit einem Abstand zueinander angeordneten fahrzeugseitigen Empfangsantennen, die jeweils geeignet sind, eine von einer streckenseitigen Sendeeinrichtung, insbesondere einer Balise, ausgesendete elektromagnetische Strahlung zu empfangen, mit wenigstens einer mit den Empfangsantennen verbundenen Signaleinrichtung, die zum Ermitteln von den Empfangsantennen empfangenen Signalen ausgebildet ist, und mit wenigstens einer Recheneinrichtung, die zum Berechnen eines Geschwindigkeitswertes unter Berücksichtigung des ersten und zweiten Signals sowie des Abstandes der Empfangsantennen ausgebildet ist.
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Ferner wird die Aufgabe erfindungsgemäß durch ein Verfahren zur Geschwindigkeitsbestimmung eines Schienenfahrzeugs gelöst, bei dem ein erstes Signal in einer ersten fahrzeugseitigen Empfangsantenne und ein zweites Signal in einer zweiten fahrzeugseitigen Empfangsantenne empfangen werden, wobei das erste Signal und das zweite Signal von wenigstens einer streckenseitigen Sendeeinrichtung ausgesendet werden, und bei dem ein Geschwindigkeitswert unter Berücksichtigung des ersten Signals und des zweiten Signals sowie eines Abstandes der ersten und der zweiten Empfangsantenne berechnet wird.
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Die erfindungsgemäße Lösung hat den Vorteil, dass die Geschwindigkeit des Schienenfahrzeugs beispielsweise bei Überfahrt einer Eurobalise sehr genau bestimmt werden kann. Eurobalisen liegen beispielsweise auf ETCS ausgerüsteten Strecken in relativ geringen und regelmäßigen Abständen von beispielsweise einigen hundert Metern bis zwei Kilometern. Dadurch liegt erfindungsgemäß zumindest punktuell während der Fahrt des Schienenfahrzeugs immer wieder ein sehr genauer Geschwindigkeitswert vor, der die Genauigkeit der Odometrie des Fahrzeugs wesentlich verbessert.
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Die erfindungsgemäße Lösung kann durch vorteilhafte Ausgestaltung weiterentwickelt werden, die im Folgenden beschrieben sind.
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So können bei einer vorteilhaften Ausgestaltung der erfindungsgemäßen Vorrichtung, die wenigstens zwei Empfangsantennen jeweils als eine im Wesentlichen vertikal oder horizontal orientierte Schleife ausgebildet sein. Dies hat den Vorteil, dass bei Überfahrt der streckenseitigen Sendeeinrichtung ein Minimum bzw. Maximum des empfangenen jeweiligen Signals vorliegt, das besonders gut ausgewertet werden kann. Beispielsweise sendet während der Überfahrt der fahrzeugseitigen Empfangsantenne eine streckenseitige Eurobalise ihr Uplink-Signal bei 4,2 MHz. Dieses Uplink-Signal wird durch einen Strom in einer fahrzeugseitigen Sendeschleife, die auch als Sendeloop bezeichnet werden kann, erzeugt. Das Minimum bzw. Maximum im jeweiligen von den Empfangsantennen empfangenen Signal liegt vor, wenn die vertikal oder horizontal orientierte Schleife exakt über der Mitte der streckenseitigen Sendeeinrichtung in Fahrtrichtung des Schienenfahrzeugs befindet.
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Ferner kann die Recheneinrichtung ausgebildet sein, zum Berechnen des Geschwindigkeitswertes einen zeitlichen Versatz zwischen dem ersten Signal und dem zweiten Signal zu berücksichtigen. Dies hat den Vorteil, dass der zeitliche Versatz leicht ermittelbar ist und dadurch eine einfache Geschwindigkeitsberechnung möglich ist.
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Um die Geschwindigkeitsberechnung weiter zu vereinfachen, kann die Recheneinrichtung ausgebildet sein, zum Berechnen des Geschwindigkeitswertes einen zeitlichen Versatz in einer Phase des ersten Signals und des zweiten Signals zu berücksichtigen. Die Phasenlage der beiden Signale zueinander kann in der Recheneinrichtung leicht bestimmt werden. An der Stelle ändert sich die Phasenlage, so dass diese Punkte von Maxima bzw. Minima in dem ersten und/oder zweiten Signal leicht ermittelbar sind.
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Bewegt sich eine vertikal oder horizontal orientierte Empfangsantenne über die Mitte der streckenseitigen Sendeeinrichtung hinweg, wechselt die Richtung des Magnetfeldes, von dem die fahrzeugseitigen Empfangsantennen durchflossen werden. Dies führt zu einem Phasenwechsel gegenüber dem Signal in der jeweils anderen fahrzeugseitigen Empfangsantenne. Diese Phasenwechsel können auch zur Ermittlung des zeitlichen Abstandes der Signale benutzt werden.
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In einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung kann die Recheneinrichtung ausgebildet sein, zum Berechnen des Geschwindigkeitswertes einen zeitlichen Versatz in einer Kreuzkorrelation aus dem ersten Signal und dem zweiten Signal zu berücksichtigen. Dies hat den Vorteil, dass die Berechnung der Geschwindigkeit weiter vereinfacht wird.
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Die Erfindung betrifft weiterhin ein Schienenfahrzeug mit einer Vorrichtung zur Geschwindigkeitsbestimmung, die erfindungsgemäß nach einer der zuvor genannten Ausführungsformen ausgebildet ist.
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In einer vorteilhaften Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Schienenfahrzeugs kann dieses wenigstens einen Beschleunigungssensor aufweisen, der zum Ermitteln einer Geschwindigkeitsänderung ausgebildet ist, und kann die Recheneinrichtung, insbesondere zwischen streckenseitigen Sendeeinrichtungen, zum Berechnen eines Geschwindigkeitswertes unter Berücksichtigung der Geschwindigkeitsänderung ausgebildet sein. Dies hat den Vorteil, dass während der gesamten Fahrt ein sehr genauer Geschwindigkeitswert des Schienenfahrzeugs bestimmt werden kann. Dieser wird bei der Fahrt zwischen den Balisen beispielsweise aus der Geschwindigkeitsänderung ermittelt und punktuell bei jeder Balisenüberfahrt durch die erfindungsgemäß ermittelte Geschwindigkeit aktualisiert. Dadurch wird ein Fehler, der sich bei der Geschwindigkeitsermittlung aus der Geschwindigkeitsänderung ergeben kann, geringgehalten.
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In vorteilhaften Ausgestaltungen des erfindungsgemäßen Verfahrens kann der Geschwindigkeitswert unter Berücksichtigung eines zeitlichen Versatzes zwischen dem ersten Signal und dem zweitem Signal berechnet werden, unter Berücksichtigung eines zeitlichen Versatzes in der Phase des ersten Signals und des zweiten Signals berechnet werden oder unter Berücksichtigung eines zeitlichen Versatzes in einer Kreuzkorrelation aus dem ersten Signal und dem zweiten Signal berechnet werden. So kann die Ermittlung der Geschwindigkeit jeweils vereinfacht werden.
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Um permanent einen möglichst genauen Geschwindigkeitswert des Schienenfahrzeugs ermitteln zu können, kann der Geschwindigkeitswert, insbesondere zwischen streckenseitigen Sendeinrichtungen, unter Berücksichtigung einer Geschwindigkeitsänderung berechnet werden.
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Im Folgenden wird die Erfindung mit Bezug auf die beigefügten Zeichnungen erläutert.
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Es zeigen:
- 1 eine schematische Darstellung einer beispielhaften Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Schienenfahrzeugs auf einer Schienenstrecke in einer Draufsicht;
- 2 eine schematische dreidimensionale Darstellung von der Ausführungsform in 1;
- 3 eine schematische Darstellung einer Feldverteilung einer streckenseitigen Sendeeinrichtung aus den 1 und 2;
- 4 eine schematische Darstellung eines beispielhaften Signalverlaufs in den fahrzeugseitigen Empfangsantennen aus den 1 und 2;
- 5 eine schematische Darstellung eines Phasenverlaufs der Signale aus 4.
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In den Figuren werden der Einfachheit halber für identische oder vergleichbare Komponenten stets dieselben Bezugszeichen verwendet.
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1 zeigt ein Schienenfahrzeug 1, wie beispielsweise eine Eisenbahn, U-Bahn oder Straßenbahn, das eine Fahrstrecke 2 in einer Fahrtrichtung X befährt. Die Fahrstrecke 2 umfasst zwei parallel angeordnete Schienen 3 und 4. Die Fahrstrecke 2 weist mehrere streckenseitige Sendeeinrichtungen 5 auf, bei denen es sich um Transponder handeln kann, insbesondere in Form von Balisen, wie sie im Bereich der Eisenbahntechnik beispielsweise als Eurobalisen bekannt sind.
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Das Schienenfahrzeug 1 umfasst eine Vorrichtung 6 zur Geschwindigkeitsbestimmung, die wenigstens zwei Empfangsantennen 7a, 7b aufweist. Die in Fahrtrichtung X vordere Empfangsantenne 7a und die in Fahrtrichtung X hintere Empfangsantenne 7b weisen jeweils eine vertikal orientierte Leiterschleife oder eine durch mehrere Leiterschleifen gebildete vertikal orientierte Leiterspule auf. Fährt das Schienenfahrzeug 1 ausgehend von der Darstellung in 1 auf die streckenseitige Sendeeinrichtung 5 zu und über diese hinweg, so wird zunächst die erste bzw. vordere Empfangsantenne 7a der Vorrichtung 6 in den Bereich des von der streckenseitigen Sendeeinrichtung 5 erzeugten Magnetfeldes gelangen. Dadurch wird in der Empfangsantenne 7a ein entsprechendes Empfangssignal 8a erzeugt (s. 4).
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Die streckenseitige Sendeeinrichtung 5 ist als eine Balise ausgebildet und umfasst eine horizontal orientierte Leiterschleife 9.
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Entsprechend wie bei der ersten Empfangsantenne 7a wird auch in der zweiten Empfangsantenne 7b orts- und zeitversetzt ein entsprechendes Signal 8b bei Überfahrt der streckenseitigen Sendeeinrichtung 5 erzeugt.
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3 zeigt eine beispielhafte Feldverteilung des Magnetfeldes eines Uplink-Signals der streckenseitigen Sendeeinrichtung 5, die beispielsweise eine Eurobalise ist. Die vertikal orientierten Empfangsantennen 7a, 7b sind bei der beispielhaften Ausführungsform in den Figuren innerhalb eines Antennengehäuses 14 angeordnet, das als eine metallische Halbschale ausgebildet ist. Bei der in 3 dargestellten Position des Fahrzeugs 1 befindet sich dessen Empfangsantenne 7a in der Fahrtrichtung X im Wesentlichen mittig über der Leiterschleife 9 der streckenseitigen Sendeeinrichtung 5. Im Übrigen sind die Empfangsantennen 7a, 7b und die Leiterschleife 9 relativ zueinander so angeordnet, dass sie sich auch quer zur Fahrtrichtung X (also in Richtung Y) stets mittig zueinander befinden.
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Die erfindungsgemäße Vorrichtung 6 zur Geschwindigkeitsbestimmung umfasst weiterhin eine mit den Empfangsantennen 7a, 7b verbundene Signaleinrichtung 10, die zum Ermitteln der von den Empfangsantennen 7a, 7b empfangenen Signale 8a, 8b ausgebildet ist. Weiterhin umfasst die Vorrichtung 6 eine Recheneinrichtung 11, die zum Berechnen eines Geschwindigkeitswertes des Schienenfahrzeugs 1 ausgebildet ist.
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Die Signaleinrichtung 10 ermittelt die von den Empfangsantennen 7a, 7b empfangenen Signale 8a, 8b, die in 4 dargestellt sind.
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Die Empfangsantennen 7a, 7b sind in der Fahrtrichtung X mit einem bekannten Abstand d zueinander angeordnet.
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Während der Überfahrt der Empfangsantennen 7a, 7b des Schienenfahrzeugs 1 sendet die streckenseitige Sendeeinrichtung 5 in bekannter Weise ihr Uplink-Signal bei 4,2 MHz. Das Uplink-Signal wird durch einen Strom in einer Sendeschleife (nicht dargestellt) erzeugt. Das in 3 dargestellte dadurch erzeugte Magnetfeld induziert in den fahrzeugseitigen Empfangsantennen 7a, 7b die Signale 8a, 8b. Wenn sich die vertikal orientierten Empfangsantennen 7a, 7b exakt über der Mitte der Leiterschleife 9 der streckenseitigen Sendeeinrichtung 5 befinden, ist das empfangene Signal 8a, 8b minimal. Diese Minima 12a, 12b der Signale 8a, 8b sind in 4 erkennbar. Erfindungsgemäß wird ein zeitlicher Abstand t zwischen den Minimalwerten 12a, 12b in den Signalen 8a, 8b ermittelt, da dieser repräsentativ für den zeitlichen Versatz der Signale 8a, 8b zueinander ist. Aus diesem zeitlichen Abstand t und dem bekannten Abstand zwischen den Empfangsantennen 7a, 7b in der Fahrtrichtung X wird erfindungsgemäß eine mittlere Geschwindigkeit v des Schienenfahrzeugs 1 entsprechend der Formel v = d/t ermittelt.
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Ein zeitlicher Versatz t zwischen den Signalen 8a und 8b lässt sich beispielsweise über den zeitlichen Abstand der Minima 12a, 12b (wie oben erwähnt), über eine Kreuzkorrelation oder auch über die Phase der Signale 8a, 8b ermitteln. Die Phasenlage zwischen den Signalen 8a, 8b ist in 5 dargestellt. Wie in 5 gezeigt, wechselt die Phasenlage an den Minima 12a, 12b der Signale 8a, 8b. Diese Phasenwechsel können auch zur Ermittlung des zeitlichen Abstandes t der Signale 8a, 8b genutzt werden.
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Erfindungsgemäß ist die Recheneinrichtung 11 zum Berechnen eines Geschwindigkeitswertes des Schienenfahrzeugs 1 unter Berücksichtigung des ersten Signals 8a und des zweiten Signals 8b sowie des Abstandes d der Empfangsantennen 7a, 7b zueinander ausgebildet. Das Schienenfahrzeug 1 umfasst weiterhin einen Beschleunigungssensor 13, der zum Ermitteln einer Geschwindigkeitsänderung des Schienenfahrzeugs 1 ausgebildet ist.
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Die Recheneinrichtung 11 ist weiterhin zum Berechnen eines Geschwindigkeitswertes aus der vom Beschleunigungssensor 13 ermittelten Geschwindigkeitsänderung ausgebildet. Dadurch kann das erfindungsgemäße Schienenfahrzeug 1 auch an Stellen zwischen den Überfahrten von streckenseitigen Sendeeinrichtungen 5 einen Geschwindigkeitswert des Schienenfahrzeugs 1 ermitteln. Dieser aus der Geschwindigkeitsänderung ermittelte Geschwindigkeitswert, der einen mit der Zeit zunehmenden Messfehler aufweisen kann, wird bei jeder Überfahrt einer streckenseitigen Sendeeinrichtung 5 durch den erfindungsgemäß ermittelten Wert korrigiert. Durch diese regelmäßige Korrektur bleibt der Messfehler insgesamt gering und unter einer akzeptablen Grenze.