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Die Erfindung betrifft eine Steuervorrichtung für ein Fahrzeug.
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Die
DE 10 2014 203 026 A1 zeigt ein Fahrdynamiksteuerungssystem in einem Kraftfahrzeug mit mindestens einem elektronischen Steuergerät und mit einem elektrisch-regenerativen Antriebssystem. Es wird ein abgespeichertes Soll-Eigenlenkverhalten beschrieben, das durch ein Referenzfahrzeug ohne Rekuperation empirisch ermittelt ist.
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Die
DE 100 39 782 A1 zeigt ein Verfahren zur Regelung der Gier- und Querdynamik bei einem Straßenfahrzeug mit elektrisch gesteuerter Vierradlenkung.
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Die
DE 10 2010 017 704 A1 zeigt einen Fahrdynamikregler für ein Stabilitätssteuerungssystem eines Kraftfahrzeugs, sowie Verfahren zum Betreiben eines Stabilitätssteuerungssystems.
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Die
DE 10 2006 052 698 A1 zeigt ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Stabilisieren eines Kraftfahrzeugs mit einem aktiven Wankstabilisator an der Vorderachse und an der Hinterachse.
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Die
DE 10 2008 021 530 A1 zeigt eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Fahrzeugsteuerung mit einer Controllereinheit und einer Verteilungseinheit, welche dazu ausgebildet ist, eine Transformation des Giermomentanforderungswerts in eine Mehrzahl individueller Anforderungswerte durchzuführen.
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Es ist eine Aufgabe der Erfindung, eine neue Steuervorrichtung für ein Fahrzeug bereit zu stellen.
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Die Aufgabe wird gelöst durch den Gegenstand des Anspruchs 1.
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Eine Steuervorrichtung für ein Fahrzeug weist mindestens einen Eingang für Fahrzeugdaten des Fahrzeugs und mindestens einen Ausgang für Stellwerte für Aktoren des Fahrzeugs auf. Die Steuervorrichtung ist dazu ausgebildet, auf Grundlage eines ersten Einspurmodells für das Fahrzeug und eines zweiten Einspurmodells für ein Referenzfahrzeug Stellwerte für die Aktoren des Fahrzeugs zu ermitteln, um die Seitenkräfte des Fahrzeugs im ersten Einspurmodell an die Seitenkräfte des Referenzfahrzeugs im zweiten Einspurmodell anzunähern. Die Steuervorrichtung ist dazu ausgebildet, hierzu die folgenden Schritte durchzuführen:
- A) Die Fahrzeugdaten des Fahrzeugs werden über den mindestens einen Eingang erfasst;
- B) Aus den Fahrzeugdaten werden erste Seitenkräfte für das Fahrzeug berechnet, die erforderlich sind, um im ersten Einspurmodell und im zweiten Einspurmodell die gleiche Gierbeschleunigung und die gleiche Schwimmwinkelrate zu erzielen;
- C) Aus den ersten Seitenkräften werden unter Berücksichtigung der aktuellen Seitenkräfte im ersten Einspurmodell zweite Seitenkräfte berechnet, welche zusätzlich durch die Aktoren aufgebracht werden müssen;
- D) Die zweiten Seitenkräfte werden rechnerisch auf die Aktoren verteilt, und es werden entsprechende Stellwerte ausgegeben.
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Es wird somit ein seitenkraftbasierter Ansatz für die Aktoren des Fahrzeugs gewählt. Durch die Steuervorrichtung kann innerhalb der physikalischen Grenzen eine Angleichung des Verhaltens des Fahrzeugs an das Verhalten eines Referenzfahrzeugs erreicht werden.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform weisen die Stellwerte für die Aktoren mindestens einen der Stellwerte auf aus der Gruppe bestehend aus:
- - Stellwert für eine Hinterradlenkvorrichtung;
- - Stellwert für eine Wankmomentverteilungsvorrichtung;
- - Stellwert für eine Antriebskraftverteilungsvorrichtung bei einem Fahrzeug mit Zweiachsenantrieb;
- - Stellwert für eine Fahrdynamikregelung.
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Mit diesen Stellwerten lassen sich die genannten Aktoren ansteuern, und diese Aktoren ermöglichen eine umfassende Beeinflussung der Fahrzeugeigenschaften. Die Wankmomentverteilungsvorrichtung von Porsche wird auch als PDCC (Porsche Dynamic Chassis Control) bezeichnet. Die Antriebskraftverteilungsvorrichtung bei einem Fahrzeug mit Zweiachsenantrieb wird bei Porsche auch als PTM (Porsche Traction Management) bezeichnet.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform ist die Steuervorrichtung dazu ausgebildet, in Schritt D) die zweiten Seitenkräfte rechnerisch auf die Aktoren zu verteilen, indem ein Gütekriterium gebildet wird, welches die Stellwertänderungen und die hierdurch entstehenden Stellwerte umfasst, und die Änderung der Stellwerte wird durch Minimierung des Gütekriteriums ermittelt.
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Durch die Minimierung des Gütekriteriums kann eine sehr gute Steuerung bzw. Regelung erzielt werden, die vom Fahrer möglichst wenig als Steuerung oder Regelung empfunden wird, sondern als natürliches Verhalten eines Fahrzeugs. Hierzu trägt bei, dass bei der Minimierung sowohl die Stellwertänderungen als auch die hierdurch entstehenden Stellwerte berücksichtigt werden. Ein solches Gütekriterium ermöglicht zudem in einfacher Weise die Berücksichtigung zusätzlicher Aktoren oder die Abschaltung eines Aktors bzw. dessen Nicht-Berücksichtigung.
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Die Steuervorrichtung ist dazu ausgebildet, in Schritt D) die zweiten Seitenkräfte rechnerisch auf die Aktoren zu verteilen, indem die Änderungen der Stellwerte unter Verwendung des Ergebnisses einer Minimierung eines Gütekriteriums berechnet werden, welches Gütekriterium die Stellwertänderungen und die hierdurch entstehenden Stellwerte umfasst. Durch die Minimierung des Gütekriteriums kann eine sehr gute Steuerung bzw. Regelung erzielt werden, die vom Fahrer möglichst wenig als Steuerung oder Regelung empfunden wird, sondern als natürliches Verhalten eines Fahrzeugs. Hierzu trägt bei, dass bei der Minimierung sowohl die Stellwertänderungen als auch die hierdurch entstehenden Stellwerte berücksichtigt werden. Ein solches Gütekriterium ermöglicht zudem in einfacher Weise die Berücksichtigung zusätzlicher Aktoren oder die Abschaltung eines Aktors bzw. dessen Nicht-Berücksichtigung.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform ist die Steuervorrichtung dazu ausgebildet, das Gütekriterium nach dem Verfahren der Optimierung mit der Methode der Lagrange-Multiplikatoren zu bilden, wobei als Nebenbedingung berücksichtigt wird, dass die zweiten Seitenkräfte durch die Änderungen der Stellwerte erzeugt werden.
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Die Steuervorrichtung ist dazu ausgebildet, die Änderungen der Stellwerte unter Verwendung des Ergebnisses einer Minimierung des Gütekriteriums nach der Methode der Lagrange-Multiplikatoren zu berechnen, wobei als Nebenbedingung berücksichtigt ist, dass die zweiten Seitenkräfte durch die Änderungen der Stellwerte erzeugt werden.
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Die Verwendung der Methode der Lagrange-Multiplikatoren unter Berücksichtigung der genannten Nebenbedingung ermöglicht ebenfalls eine gute Anpassung der Aufteilung auf die Aktoren an die vorhandenen Aktoren.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform ist die Steuervorrichtung dazu ausgebildet, die Minimierung des Gütekriteriums durchzuführen. Dies ermöglicht eine automatische Anpassung an eine Änderung der zur Verfügung stehenden Aktoren.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform ist die Steuervorrichtung dazu ausgebildet, das Ergebnis einer außerhalb der Steuervorrichtung durchgeführten Minimierung des Gütekriteriums zu verwenden. Die Durchführung der Minimierung ist rechenaufwändig und erfordert eine leistungsfähige Recheneinheit. Durch die Durchführung der Minimierung außerhalb der Steuervorrichtung kann die Steuervorrichtung einfacher und damit auch günstiger ausgebildet werden.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform sind das erste Einspurmodell und das zweite Einspurmodell als nichtlineare Einspurmodelle ausgebildet. Die Verwendung nichtlinearer Einspurmodelle führt zu einer genaueren Angleichung des Fahrverhaltens an das Referenzfahrzeug. Insbesondere bei Berücksichtigung einer Hinterradlenkung ist das Ergebnis mit nichtlinearen Einspurmodellen besser als mit linearen Einspurmodellen.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform ist die Steuervorrichtung dazu ausgebildet, aus den Fahrzeugdaten im ersten Einspurmodell die Giergeschwindigkeit und den Schwimmwinkel zu berechnen und diese anschließend im zweiten Einspurmodell zur Berechnung der ersten Seitenkräfte zu verwenden. Insbesondere bei nichtlinearen Einspurmodellen werden im zweiten Einspurmodell Werte für die Giergeschwindigkeit und den Schwimmwinkel benötigt. Da sich das Fahrzeug wie das Referenzfahrzeug verhalten soll, können die genannten Zustandsgrößen des ersten Modells auch im zweiten Modell verwendet werden.
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Weitere Einzelheiten und vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung ergeben sich aus den im Folgenden beschriebenen und in den Zeichnung dargestellten, in keiner Weise als Einschränkung der Erfindung zu verstehenden Ausführungsbeispielen sowie aus den Unteransprüchen. Es versteht sich, dass die voranstehend genannten und die nachstehend noch zu erläuternden Merkmale nicht nur in der jeweils angegebenen Kombination, sondern auch in anderen Kombinationen oder in Alleinstellung verwendbar sind, ohne den Rahmen der vorliegenden Erfindung zu verlassen. Es zeigt:
- 1 ein Fahrzeug und ein zugehöriges Einspurmodell,
- 2 eine Bewegungsformel für das Fahrzeug von 1 im Einspurmodell,
- 3 eine Bewegungsformel für ein Referenzfahrzeug im Einspurmodell,
- 4 zwei Formeln zur Gleichsetzung der Gierbeschleunigung und der Schwimmwinkelrate der Einspurmodelle des Fahrzeugs und des Referenzfahrzeugs,
- 5 das Ergebnis des Einsetzens der Formeln von 2 und 3 in die Formeln von 4,
- 6 Formeln für die Seitenkräfte am vorderen und hinteren Rad, die sich aus den Formeln von 5 ergeben,
- 7 Formeln für die zusätzlich am vorderen und hinteren Rad erforderlichen Kräfte, um eine Angleichung des Verhaltens des Fahrzeugs und des Referenzfahrzeugs zu erzielen,
- 8 ein Gütekriterium für die Stellwerte und Stellwertänderungen,
- 9 einen Vektor mit Stellwertänderungen,
- 10 einen Vektor mit Stellwertänderungen und neuen Stellwerten,
- 11 ein Beispiel für den Grundsätzlichen Aufbau einer Effektivitätsmatrix,
- 12 ein Beispiel für eine Effektivitätsmatrix für eine Drehmomentverteilung,
- 13 ein Beispiel für eine Effektivitätsmatrix für eine Wankmomentverteilung,
- 14 ein Beispiel für eine Effektivitätsmatrix für eine Hinterradlenkung,
- 15 eine weitere Ausführungsform eines Gütekriteriums für die Stellwerte und Stellwertänderungen,
- 16 in einer schematischen Darstellung den grundsätzlichen Steuervorgang einer Steuervorrichtung, und
- 17 in einer schematischen Darstellung das Fahrzeug mit der Steuervorrichtung.
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1 zeigt ein Fahrzeug 10. Gezeigt ist die Modellvorstellung des Einspurmodells, welches zur Beschreibung und Berechnung von Seitenkräften (Querkräften) verwendet werden kann. Beim Einspurmodell werden beide Räder einer Achse gedanklich zu einem mittleren Rad zusammengefasst. Der Schwerpunkt des Fahrzeugs 10 ist mit dem Bezugszeichen 25 versehen, und das Vorderrad 21 hat einen Abstand IF vom Schwerpunkt 25. In gleicher Weise hat das Hinterrad 22 einen Abstand IR vom Schwerpunkt 25. Die Gesamtlänge zwischen Vorderachse (Vorderrad) 21 und Hinterachse (Hinterrad) 22 wird als I gekennzeichnet.
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Im Ausführungsbeispiel hat das Fahrzeug 10 sowohl eine Vorderradlenkung als auch eine Hinterradlenkung. Der Vorderrad-Lenkwinkel ist mit δF bezeichnet, und der Hinterrad-Lenkwinkel mit δR. Der Gierwinkel Ψ gibt die Drehung des Fahrzeugs um die fahrzeugfeste vertikale Achse an. Entsprechend gibt die Giergeschwindigkeit Ψ' ein Maß für die Änderung des Gierwinkels Ψ mit der Zeit, und die Gierbeschleunigung Ψ'' die zeitliche Ableitung der Giergeschwindigkeit Ψ'. Eingezeichnet ist auch der Schwimmwinkel β zwischen der Bewegungsrichtung des Fahrzeugschwerpunkts 25 und der Fahrzeuglängsachse 28.
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Die Geschwindigkeit, mit der sich das Vorderrad 21 bewegt, ist mit vF bezeichnet, und die Geschwindigkeit des Hinterrads 22 ist mit vR bezeichnet. Der Winkel zwischen der Laufrichtung des Vorderrads 21 und der tatsächlichen Geschwindigkeit vF wird als vorderer Schräglaufwinkel αF bezeichnet. In gleicher Weise bezeichnet der hintere Schräglaufwinkel αR den Winkel zwischen der Laufrichtung des Hinterrads 22 und der Richtung der Geschwindigkeit des Hinterrads 22.
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Die im Einspurmodell auf den Schwerpunkt 25 wirkende Zentripetalkraft ist als m · ay eingezeichnet. Die auf das Vorderrad 21 wirkende Seitenkraft ist mit Fy,F bezeichnet und die auf das Hinterrad 22 wirkende Seitenkraft ist mit Fy,R bezeichnet.
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Ziel der Steuervorrichtung des Fahrzeugs ist, das Fahrzeug 10 mit Hilfe von Aktoren, insbesondere mit Hilfe eines aktiven Fahrwerks, derart zu beeinflussen, dass es sich wie ein gewünschtes Referenzfahrzeug verhält.
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2 zeigt zwei Gleichungen (1) und (2), welche die Bewegungsgleichungen im Einspurmodell darstellen. Die Bewegungsgleichungen ergeben sich aus dem Impulssatz und dem Drallsatz. Hierbei sind
Ψ'' | Gierbeschleunigung |
JZZ | Trägheitsmoment für die Drehung um die Z-Achse |
FyF,act | vorne wirkende Querkraft |
FyR,act | hinten wirkende Seitenkraft |
Mz,act | resultierendes Gierdrehmoment |
m | Masse des Fahrzeugs |
v | Geschwindigkeit des Fahrzeugs im Schwerpunkt 25. |
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Der Term Mz,act berücksichtigt das Gierdrehmoment, das durch ein Torque-Vectoring-System erzeugbar ist. Durch ein Torque-Vectoring-System können asymmetrische Längskräfte erzeugt werden.
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3 zeigt die entsprechenden Bewegungsgleichungen (3), (4) für ein Referenzfahrzeug, und die entsprechenden Parameter des Referenzfahrzeugs sind mit „ref“ gekennzeichnet. Im Ausführungsbeispiel hat das Referenzfahrzeug kein Torque-Vectoring-System, und der entsprechende Term Mz,act von Gleichung (1) ist daher nicht in Gleichung (3) enthalten. Wie zu erkennen ist, können sich das Trägheitsmoment Jzz,ref und die Masse mref des Referenzfahrzeugs von den entsprechenden Parametern des tatsächlichen Fahrzeugs 10 unterscheiden.
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4 zeigt in Gleichung (5) eine Gleichsetzung der Gierbeschleunigung des Referenzfahrzeugs und des tatsächlichen Fahrzeugs 10, und in Gleichung (6) eine Gleichsetzung der Schwimmwinkelrate des Referenzfahrzeugs mit der Schwimmwinkelrate des tatsächlichen Fahrzeugs 10. Durch diese Annahme wird ausgedrückt, dass das Verhalten bzw. die Reaktion des Referenzfahrzeugs mit der des tatsächlichen Fahrzeugs 10 übereinstimmt.
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5 zeigt in Gleichung (7) das Ergebnis des Einsetzens der Gleichungen (1) und (3) in die Gleichung (5), und die Gleichung (8) zeigt das Ergebnis des Einsetzens der Gleichungen (2) und (4) in die Gleichung (6).
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6 zeigt in Gleichung (9) die Seitenkraft des vorderen Rads 21, die sich im Einspurmodell aus den Gleichungen (7) und (8) ergibt. Die Gleichung (10) zeigt die auf das Hinterrad 22 im Einspurmodell wirkende Seitenkraft FyR,act, die sich aus den Gleichungen (7) und (8) ergibt. Hierbei können die Giergeschwindigkeiten Ψ' und Ψ'ref gleichgesetzt werden, da sich beide Fahrzeugmodelle anfangs im gleichen bzw. aktuellen Zustand befinden. Sofern die Giergeschwindigkeit Ψ' und der Schwimmwinkel β für die Berechnung des Einspurmodells für das Referenzmodell benötigt werden, beispielsweise für ein nichtlineares Radmodell, könne die entsprechenden Werte des Fahrzeugs 10 verwendet werden.
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Die in den Gleichungen (9) und (10) definierten Seitenkräfte können in der Steuervorrichtung berechnet werden. Physikalisch sind diese Seitenkräfte die Seitenkräfte im Einspurmodell, die erforderlich sind, damit sich das Fahrzeug 10 entsprechend den Gleichungen (5), (6) verhält wie das Referenzfahrzeug.
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7 zeigt in der Gleichung (11) eine Berechnung der durch die Aktoren zusätzlich zu erzeugenden Kraft FyF,req am Vorderrad 21, und die Gleichung (12), die die entsprechende Kraft FyR,req, die am Hinterrad durch die Aktoren zusätzlich erzeugt werden muss. Hierzu werden die Kräfte, die in den Gleichungen (9) und (10) berechnet wurden, um die bereits im Einspurmodell des Fahrzeugs 10 auftretenden Seitenkräfte FyF bzw. FyR verringert, da diese Seitenkräfte bereits physikalisch vorhanden sind und sich aus dem ersten Einspurmodell rechnerisch ergeben.
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Die Gleichungen (11) und (12) geben die benötigten Seitenkräfte an, die durch die Aktoren erzeugt werden müssen. Bei nur wenigen Aktoren ist bspw. eine Aufteilung mit festen Anteilen möglich. Heutige Fahrzeuge 10 haben jedoch eine Vielzahl von Aktoren, und die entsprechenden Seitenkräfte können auf unterschiedliche Art erzeugt werden. Um ein möglichst natürliches Fahrverhalten zu erzielen, ist es vorteilhaft, die Beeinflussung durch die einzelnen Aktoren und die Änderung der Beeinflussung zu minimieren. Dies ist ein Optimierungsproblem.
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8 zeigt in der Gleichung (13) ein Gütekriterium Q.
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Der Vektor utot enthält sowohl normalisierte Stellwertänderungen uchange als auch die geänderten normalisierten Stellwerte ucur + uchange, wobei ucur die aktuelle Aktorstellung vor der Änderung ist. Die Größe des Vektors utot ist abhängig von der Anzahl der zu berücksichtigenden Aktoren. Das Skalarprodukt des transponierten Vektors utot T mit dem Vektor utot wird gebildet.
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Im rechten Teil ist über Lagrange-Multiplikatoren als Nebenbedingung angegeben, dass die durch die Aktoren zu erzeugenden Seitenkräfte Freq mit den Stellwertänderungen erzeugt werden. Die Matrix B wird als Effektivitätsmatrix bezeichnet, und sie beschreibt die Wirkung der einzelnen Stellwertänderungen auf die Seitenkräfte.
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9 zeigt den normalisierten Vektor u in Gleichung (14), mit beispielhafter Berücksichtigung folgender Aktoren: Drehmomentverteilung, Längsmomentverteilung und Hinterradlenkung. Berücksichtigt sind die jeweiligen Stellwertänderungen.
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10 zeigt in Gleichung (15) den Vektor utot, welcher sowohl die normalisierten Stellwertänderungen als auch die Gesamtgröße der geänderten Stellwerte normalisiert enthält, die sich aus dem bisherigen Stellwert mit dem Zusatz „cur“ und der Stellwertänderung ergibt.
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11 zeigt in Gleichung (16) den grundsätzlichen Aufbau der Effektivitätsmatrix B. Diese setzt sich im konkreten Ausführungsbeispiel aus den Effektivitätsmatrizen Btorque, Brall und BRWS zusammen. Im Ausführungsbeispiel werden somit die Drehmomentverteilung (torque), die Wankmomentverteilung (roll) und die Hinterradlenkung (RWS) berücksichtigt.
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12 zeigt in Gleichung (17) beispielhaft die Effektivitätsmatrix Btorque für eine Drehmomentverteilung. Hierbei ist Mz,max das maximale Giermoment, über das die Normierung erfolgt.
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13 zeigt in Gleichung (18) die Effektivitätsmatrix Broll, welche die Wirkung der Wankmomentverteilung beschreibt. Mx ist das Moment in Längsrichtung (übliches fahrzeugfestes Koordinatensystem), und die Terme ∂Fy/∂Fz berechnen den Gradienten der Seitenkräfte in Abhängigkeit von der jeweiligen Radlast. Die zusätzlichen Indizes bedeuten:
- FR: vorne rechts
- FL: vorne links
- RR: hinten rechts
- RL: hinten links
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Der Term cWA bezeichnet bei der Wankmomentverteilung den Anteil an der Vorderachse, und es wird jeweils die Differenz zwischen maximalem Anteil und minimalem Anteil gebildet. Der Term SF bezeichnet den Abstand zwischen den Vorderrädern des Fahrzeugs, und der Term SR den Abstand zwischen den Hinterrädern des Fahrzeugs. Auch im Einspurmodell erfolgt somit die Berücksichtigung des Wankmoments über den tatsächlichen Abstand zwischen den Vorderrädern bzw. Hinterrädern.
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14 zeigt in Gleichung (19) die Effektivitätsmatrix BRWS für die Hinterradlenkung. Diese hat nur eine Auswirkung auf die hinteren Seitenkräfte. δR,max ist der maximale Auslenkwinkel der Hinterradlenkung, und αR ist der hintere Schräglaufwinkel.
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Für weitere bzw. andere Aktoren müssen die Gleichungen entsprechend angepasst werden. Dies ist modular möglich.
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Die im Einspurmodell berechneten Stellwerte können teilweise direkt im Fahrzeug 10 verwendet werden, indem beispielsweise der Hinterrad-Lenkwinkel δR für beide Hinterräder verwendet wird. Andere Stellwerte wie der Stellwert für die Wankmomentverteilung werden in einem weiteren Schritt in Stellwerte für die Stabilisatoren bzw. für die aktive Federung umgewandelt.
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15 zeigt in der Gleichung (20) ein weiteres Ausführungsbeispiel für ein Gütekriterium Q.
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Der Vektor ucur enthält die aktuellen Stellwerte für die Stellung der Aktoren, und der Vektor uchange enthält die Änderung der Stellwerte bzw. der Stellung der Aktoren. Es wird somit ein Skalarprodukt aus dem transponierten Gesamtvektor aus ucur und uchange und dem Gesamtvektor aus ucur und uchange gebildet. Der rechte Teil der Gleichung (20) entspricht der Nebenbedingung, wie sie auch in 8 enthalten ist.
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Auf der rechten Seite der Gleichung (20) ist angegeben, dass nach Bildung des Gütekriteriums Q eine Minimierung stattfindet, um hierdurch geeignete Stellwertänderungen uchange zu ermitteln.
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Eine Besonderheit des Verfahrens ist, dass die Stellwerte durch die Steuervorrichtung 30 bevorzugt nicht durch eine Regelung ermittelt werden, sondern sie werden aus dem aktuellen Zustand des Fahrzeugs mit den Einspurmodellen ermittelt. Dies wird auch als Vorsteuerungsansatz bezeichnet.
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16 zeigt einen Gesamtüberblick über den in der Steuervorrichtung ablaufenden Vorgang.
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Der Fahrer 91 oder eine Vorrichtung für autonomes Fahren sowie das Fahrzeug 10 selbst geben Fahrzeugdaten für das Fahrzeug 10 vor, insbesondere einen oder mehrere aus der Gruppe bestehend aus:
- - Vorderrad-Lenkwinkel δF bzw. Lenkradstellung
- - Geschwindigkeit v
- - Längsbeschleunigung ax
- - Querbeschleunigung ay
- - Längsschlupf s
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Diese Fahrzeugdaten werden sowohl dem ersten Einspurmodell 92 für das Fahrzeug 10 als auch dem zweiten Einspurmodell 93 für das Referenzfahrzeug 11 zugeführt.
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Bevorzugt werden im ersten Einspurmodell 92 die Giergeschwindigkeit Ψ' und der Schwimmwinkel β berechnet und ebenfalls dem zweiten Einspurmodell 93 zugeführt.
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Aus dem ersten Einspurmodell 92 werden einer Recheneinheit 94 die Querkräfte Fy,act des Fahrzeugs 10, die Giergeschwindigkeit Ψ' und die Gradienten ∂Fy/∂Fz (Gradient der Seitenkräfte in Abhängigkeit von der jeweiligen Radlast) und ∂Fy/∂α (Schräglaufsteifigkeit) zugeführt. Aus dem zweiten Einspurmodell 93 werden die Querkräfte Fy,ref des Referenzfahrzeugs zugeführt.
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Bevorzugt werden der Recheneinheit 94 zusätzlich Stellgrößenlimits von Vorrichtungen 96, 97, 98 zugeführt, die beispielsweise Stellgrößenlimits für die Aktoren sind wie z.B. ein maximaler Lenkwinkel der Hinterrad-Lenkung.
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In der Recheneinheit 94 werden aus diesen Daten Stellwerte berechnet und an die Aktoren ausgegeben. Im Ausführungsbeispiel sind dies
- - Hinterrad-Lenkwinkel δR,
- - Stellwert cwa für die Wankmomentverteilung,
- - Stellwert Mz,TV für das Giermoment durch die Drehmomentverteilung (TV = torque vectoring).
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Die Stellwerte werden zudem an das erste und zweite Einspurmodell 92, 93 übergeben.
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Heutige Fahrzeuge 10 erhalten immer leistungsfähigere Aktoren und mit diesen neue Freiheitsgrade. So kann beispielsweise bei Radnabenmotoren von elektrisch betriebenen Fahrzeugen ein sehr starkes Torque-Vectoring-Verfahren eingesetzt werden. Das Verhalten des Fahrzeugs 10 kann somit stark beeinflusst werden in Richtung zu den Eigenschaften eines anderen Motors bzw. Fahrzeugs. Man erhält hierdurch zunehmende Konfigurationsmöglichkeiten für Kundenfahrzeuge.
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Da die unterschiedlichen Aktoren alle in der Steuervorrichtung 30 berücksichtigt werden können, kann die Steuervorrichtung 30 als zentrale Steuervorrichtung 30 ausgebildet werden.
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Durch die gezeigten Berechnungen können modular zusätzliche Aktoren und zusätzliche Fahrzeugdaten berücksichtigt werden, und der Eingriff der Steuervorrichtung kann angepasst werden.
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Die Parameter des Referenzmodells können beispielsweise durch Applikationsfahrten mit einem Referenzfahrzeug ermittelt werden. Auf Grundlage der Messungen des Fahrverhaltens des Fahrzeugs können Kennlinienfelder erzeugt werden, die das Fahrverhalten definieren. In Versuchen wurden entsprechende Parameter für ein Referenzfahrzeug vom Typ Porsche Carrera 911 4 GTS (Type 991 II) ermittelt. Anschließend wurde das Verhalten eines Fahrzeugs vom Typ Porsche 911 Turbo S (Type 991 II) mit Allradantrieb, Hinterradlenkung und elektronischem Differenzial an das Verhalten des Referenzfahrzeugs angepasst. Die Aktoren ermöglichen eine innerhalb der vorgegebenen Grenzen freie Drehmomentverteilung und damit eine gute Anpassung des Fahrverhaltens an das Fahrverhalten des Referenzfahrzeugs.
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Durch die Minimierung des Gütekriteriums Q wird die Steuervorrichtung weniger als solche spürbar. Eine ideale Steuervorrichtung bzw. einen idealen Regler spürt der Fahrer nicht, und das Fahrzeug fährt sich beispielsweise wie ein perfektes passives Referenzfahrzeug.
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Bei vorgegebenen Aktoren ist es ausreichend, die Minimierung des Gütekriteriums einmalig durchzuführen. Das Ergebnis der Minimierung kann anschließend zur Berechnung der Änderung der Stellwerte verwendet werden. Es ist daher möglich, die Minimierung direkt in der Steuervorrichtung 30 durchzuführen und das Ergebnis der Minimierung zu verwenden, oder aber die Minimierung außerhalb der Steuervorrichtung 30 durchzuführen und das Ergebnis der Minimierung in der Steuervorrichtung zu speichern und anzuwenden.
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Sofern zusätzliche Aktoren hinzukommen oder entfernt werden, muss eine entsprechende Minimierung mit einem angepassten Gütekriterium Q erfolgen. Auch dies ist in der Steuervorrichtung 30 möglich, oder es wird das Ergebnis einer entsprechenden Minimierung beim Hersteller bzw. in einer Werkstatt auf die Steuervorrichtung 30 aufgespielt.
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Es ist ebenso möglich, die Ergebnisse von Minimierungen unterschiedlicher Gütefaktoren für unterschiedliche Kombinationen von Aktoren in der Steuervorrichtung zu speichern.
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17 zeigt das Fahrzeug 10 mit der Steuervorrichtung 30. Die Steuervorrichtung 30 hat einen Eingang 31 und einen Ausgang 32. Über den Eingang 31 werden der Steuervorrichtung Fahrzeugdaten 53 und 54 zugeführt. Die Fahrzeugdaten 53 stammen beispielsweise von einer Vorrichtung 51, bei der es sich um einen Lenkradstellungs-Sensor handelt. Die Fahrzeugdaten 54 stammen beispielsweise von einer Vorrichtung 52, die die aktuelle Geschwindigkeit des Fahrzeugs oder die Querbeschleunigung misst. Die Fahrzeugdaten gelangen über den Eingang 31 zu einer Abfolge von Schritten A, B, C, D, und vom Schritt D werden Stellwerte über den Ausgang ausgegeben, beispielsweise an die Aktoren 61, 62, 65 und 66. Dies sind beispielsweise
- - Hinterradlenkvorrichtung 61;
- - Wankmomentverteilungsvorrichtung 62;
- - Antriebskraftverteilungsvorrichtung 65;
- - Fahrdynamikregelung 66.
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Im Schritt A werden die Fahrzeugdaten 53, 54 des Fahrzeugs 10 über den mindestens einen Eingang 31 erfasst.
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Im Schritt B werden aus den Fahrzeugdaten 53, 54 erste Seitenkräfte FyF,act, FyR,act für das Fahrzeug 10 berechnet, die erforderlich sind, um im ersten Einspurmodell 92 und im zweiten Einspurmodell 93 die gleiche Gierbeschleunigung Ψ'' und die gleiche Schwimmwinkelrate β' zu erzielen. Das erste Einspurmodell 92 kann auch als MOD1 und das zweite Einspurmodell 93 als MOD2 bezeichnet werden.
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Im Schritt C werden aus den ersten Seitenkräften FyF,act, FyR,act unter Berücksichtigung der aktuellen Seitenkräfte im ersten Einspurmodell 92 zweite Seitenkräfte FyF,req, FyR,req berechnet, welche zusätzlich durch die Aktoren 61, 62, 65, 66 aufgebracht werden müssen.
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Im Schritt D werden die zweiten Seitenkräfte FyF,req, FyR,req rechnerisch auf die Aktoren 61, 62, 65, 66 verteilt, und es werden entsprechende Stellwerte 63, 64 über den mindestens einen Ausgang 32 ausgegeben.
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Im Ergebnis werden die Systeme des Fahrzeugs 10 durch das gezeigte Verfahren derart angesteuert, dass sein Fahrverhalten im Rahmen der Möglichkeit der Systeme dem Fahrverhalten des Referenzfahrzeugs entspricht.
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Zum Einspurmodell muss auch ein passendes Reifenmodell gewählt werden, da die Interaktion zwischen den Reifen und der Straße die Bewegung des Fahrzeugs wesentlich beeinflusst. Bevorzugt berücksichtigt das Reifenmodell für den Einspurregler zumindest die folgenden Parameter:
- - Längsschlupf,
- - Schlupfwinkel,
- - Radlast.
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Dies ermöglicht eine gute Vorhersage, insbesondere auch bei sportlicher Fahrweise. In Versuchen wurde ein semiempirisches Reifenmodell gewählt, welches auf der Ähnlichkeitsmethode von Hans Pacejka basiert, die eine so genannte Magische Formel definiert.
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Im Einspurmodell können weitere Abhängigkeiten von der Giergeschwindigkeit Ψ' und dem Schwimmwinkel β hinzukommen, beispielsweise über den vorderen Schräglaufwinkel αF und den hinteren Schräglaufwinkel αR, die entsprechende Abhängigkeiten aufweisen können. Durch derartige Abhängigkeiten wird das Einspurmodell zum nichtlinearen Einspurmodell.
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Naturgemäß sind im Rahmen der vorliegenden Erfindung vielfache Abwandlungen und Modifikationen möglich.
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Die Berechnung der ersten Seitenkräfte, der zweiten Seitenkräfte und der aktuellen Seitenkräfte im Einspurmodell wurden als unterschiedliche Berechnungen gezeigt. In der Implementierung können diese Berechnungen naturgemäß gemeinsam erfolgen, indem beispielsweise die Formeln der Gleichungen (9) und (10) in die Gleichungen (11) und (12) eingesetzt werden. Hierdurch bleibt die physikalische Grundlage gleich.