-
Problemstellung
-
Faserverbundwerkstoffe erzielen hohe Festigkeiten bei vergleichsweise geringen Gewichten und sind daher in vielen Einsatzbereichen gegenüber amorphen Materialien, vor allem Metallen, überlegen. Hierbei ist jedoch sehr deutlich nach Art der Belastung zu unterscheiden. Hohe Festigkeiten werden ausschließlich in Faserrichtung erreicht. Festigkeiten und Dehnfähigkeiten senkrecht zur Faserrichtung sind i. A. gering. Diese Eigenschaft ist bei Bauteilen, die einen mehrachsigen Spannungszustand erfahren, typisch und vor allem bei schubbelasteten Bauteilen, problematisch.
-
Nach gegenwärtigem Stand der Technik wird der geringen Querbelastbarkeit vor allem durch Fasergewebe und mehrlagigen Laminataufbauten unterschiedlicher Ausrichtung begegnet. Somit stehen für verschiedene Spannungsrichtungen entsprechend ausgerichtete Fasern zur Verfügung. Nicht parallel zueinander liegende Laminatschichten können jedoch ungünstige Wechselwirkungen erfahren: Eine Zug- oder Druckbelastung in einer Faserrichtung führt zu einer positiven oder negativen Längs-Dehnung. Entsprechend der direkten Anbindung in einem durchgehenden Laminataufbau führt dies zu kritischen Quer-Dehnungen in benachbarten Laminatbereichen abweichender Faserrichtung.
-
Die geringe Quer-Dehnfähigkeit der Laminate hat vorwiegend zwei Gründe: Die Fasern liegen in engen Abständen zueinander und haben eine wesentlich höhere Steifigkeit als der umgebende Matrixwerkstoff, wodurch nur wenig Dehnstrecke zur Verfügung steht, so dass bereits bei geringen Querdehnungen des Verbunds der Matrixwerkstoff überdehnt wird (vorwiegend zutreffend bei Verbundwerkstoffen aus amorphen Fasern, z. B. Glasfasern) oder die Fasern sind aufgrund ihrer anisotropen Beschaffenheit selbst so empfindlich, dass sie bereits bei geringen Querlasten geschädigt werden (z. B. zutreffend bei Carbonfasern). Bereits bei geringen Quer-Dehnungen kommt es daher zur Bildung interlaminarer Risse, wodurch die Tragfähigkeit des so geschädigten Verbunds herabgesetzt wird und es zum Versagen des Bauteils kommen kann. Wiederholte Lastwechsel führen hierbei zu einer beschleunigten Rissausbreitung, so dass i. A. ein relativ niedriger Faservolumenanteil und hohe Fatigue-Zuschläge bei der Dimensionierung erforderlich sind.
-
Nach dem Stand der Technik werden einige Ansätze verfolgt, um Querdehnungen in Laminaten zu entkoppeln und somit die Festigkeit der Fasern höher auslasten zu können. Zu nennen sind beispielsweise gezielte Schlitzungen und Rissstoppschichten, die in die Laminataufbauten integriert werden. Hervorzuheben ist die Patentanmeldung mit dem amtlichen Aktenzeichen 10 2018 114 583.7, nach der ein Konzept für einen Torsionsträger dargestellt wird mit elastischen Schichten zwischen den Laminatschichten und elastischen Spalten innerhalb der jeweiligen Laminatschicht. Um dieses Konzept fertigungstechnisch zu realisieren, sind Verfahren möglich wie etwa ein nachträgliches Schlitzen von Laminat durch spanende Nachbearbeitung von flächigem Laminat oder durch ein Zusammenfügen und Positionieren einer Vielzahl vorgefertigter Einzelwendel. In beiden Fällen bedeutet dies einen erheblichen Fertigungsaufwand, dem anschließend ein weiterer Schritt folgen muss, dem Verguss des elastischen Materials. Eine wirtschaftlich effiziente Fertigungsmethode für Bauteile mit entkoppelten Strängen ist im Stand der Technik nicht zu erkennen.
-
Lösungsansatz
-
Gemäß vorliegender Erfindung werden zur Fertigung von Faserverbundbauteilen vorgefertigte Stränge (3) vorgeschlagen, die aus einer Seele (1) aus einem vorzugsweise unidirektionalen, bzw. weitgehend unidirektionalen Faserverbundwerkstoff und einer Ummantelung (2) bestehen (siehe 1). Hierbei sind die Matrixwerkstoffe der Seele (1) zunächst nicht ausgehärtete Reaktivsysteme, z.B. Epoxyharze, Zementwerkstoffe o. ä. bzw. können im Fall thermoplastischer Werkstoffe zur eigentlichen Bauteilfertigung wieder verflüssigt werden, so dass sie über einen begrenzten Umformprozess (siehe 4, 5) gemäß den Erfordernissen zu Bauteilen zusammengefügt werden können (siehe 3). Erst nach der Zusammenfügung zum eigentlichen Bauteil (8) erfolgt die abschließende Härtung bzw. Erstarrung der Matrixwerkstoffe der Seelen (1). Die mit ihren Mänteln (2) aufeinanderliegenden Stränge (3) können hierbei je nach Anwendung verklebt werden, beispielsweise mittels Heißklebstoff, oder verschweißt werden oder unverbunden bleiben.
-
Die Fertigung von Bauteilen (8) gemäß vorliegender Erfindung besteht somit zusammenfassend aus zwei Schritten:
- • Fertigung gemantelter Stränge (3) als Zwischenprodukt.
- • Verwendung der Stränge zur Fertigung von Bauteilen (8), indem die Stränge (3) geeignet zusammengefügt werden, z. B. durch Auflegen oder Wickeln, (siehe 3).
-
Die Ummantelung (2) der Stränge (3) übernimmt hierbei mehrere Funktionen:
- • Sie umhüllt die Faserverbund-Seelen (1), so dass die Stränge (3) trotz noch nicht ausgehärteter oder thermisch verflüssigter Matrixwerkstoffe handhabbar sind.
- • Sie beabstandet die Faserverbundstränge auf definierte Abstände zueinander und bringt sie auf definierte Positionen.
- • Der Mantelwerkstoff ist elastisch oder elastoplastisch verformbar und übernimmt im späteren Bauteil (8) zumindest anteilig die Funktion von Dehnfugen, die eine Relativbewegung der Stränge zueinander und damit eine Entkopplung von Querdehnungen ermöglicht und somit eine Überdehnung der empfindlichen Faserverbundwerkstoffe der Seelen (1) in Querrichtung verhindert, siehe 2.
-
Vorteile des Verfahrens gegenüber dem Stand der Technik:
-
Durch die Verwendung vorgefertigter, gemantelter Stränge zur Fertigung von Faserverbundbauteilen können folgende, vorteilhafte Eigenschaften erzielt werden:
- • Dass die Seelen (1) bildende Faserverbundmaterial wird vor Überdehnung in Querrichtung geschützt, da die Aufprägung von Dehnungen aus benachbarten, nicht parallellaufenden Strängen verhindert wird, siehe 2.
- • Das Faserverbundmaterial der Strangseelen (1) kann in seiner Längsrichtung hoch ausgelastet werden, da
- ◯ es selbst nicht durch Überdehnungen in Querrichtung geschädigt wird
- ◯ hohe Längsdehnungen nur begrenzt auf die Seelen (1) benachbarter, nicht parallel verlaufender Stränge (3), dort als Querdehnung übertragen werden.
- • Die Seelen (1) der Stränge (3) können mittels eines geeigneten Verfahrens ohne oder mit nur sehr geringen Lufteinschlüssen gefertigt werden und die Ummantelung schließt diese gegen Umwelteinflüsse ab. Es ist somit in der anschließenden Bauteilefertigung und -aushärtung kein Harzfluss zum Abtransport von Lufteinschlüssen erforderlich.
- • Aufgrund der Vermeidung unzulässiger Querdehnungen, der Vermeidung von Lufteinschlüssen und der unidirektionalen, also parallelen bzw. weitgehend parallelen Faserausrichtung ist ein hoher Faservolumenanteil der Seelen (1) möglich. Dieser kompensiert bzw. überkompensiert je nach Strang-Querschnittsfläche und Ummantelungsdicke die für die Ummantelungen erforderlichen Volumina.
- • Stränge (3) sind gut handhabbar und können in wirtschaftlichen, ggf. serientauglichen Fertigungsprozessen zu Bauteilen (8) zusammengefügt werden.
- • Der Matrixwerkstoff ist hermetisch durch die Ummantelung (2) eingeschlossen, wodurch der unmittelbare Kontakt zu Anlagenteilen zur Bauteilefertigung verhindert wird. Hierdurch werden Verschmutzungen von Anlagenteilen vermieden. Trennmittel sind i. A. nicht erforderlich.
- • Die Ummantelung (2) kann aus verschiedenen Werkstoffen bestehen und in verschiedenen Dicken aufgetragen werden, um die erforderliche Funktion als Dehnfuge im späteren Bauteil (8) bestmöglich zu erfüllen.
-
Es sei darauf hingewiesen, dass auch Mischformen möglich sind, wobei Bauteile nur in Bereichen besonderer Belastung aus den beschriebenen gemantelten Faserverbundsträngen und dem beschriebenen Verfahren hergestellt werden können.
-
Verformbarkeit der Stränge zur Bauteilefertigung:
-
Ausgehend von zunächst vorzugsweise gerade gerichteten Strängen (3) konstanter, vorzugsweise kreisrunder Querschnitte, sind zur Bauteilefertigung Umformprozesse erforderlich:
- • Biegung der Stränge (siehe 4) z. B. in einem Wickelprozess.
- • Querschnittsänderung, siehe 5.
- • Torsion.
-
Anforderungen an das Faserverbundmaterial der Seelen (1) bzgl. Verformbarkeit:
-
Bevorzugt wird eine unidirektionale oder weitestgehend unidirektionale Faserausrichtung innerhalb der Seelen (1) der Stränge (3), um maximale Werkstoffauslastung zu gewährleisten. Dies steht zunächst im Widerspruch zu den im Rahmen der Bauteilfertigung auftretenden Umformprozessen, da hierzu eine Verschiebbarkeit der Fasern zueinander erforderlich ist. Würde beispielsweise ein unidirektionaler Faserstrang gebogen (siehe 4), legten kurvenäußere Fasern einen längeren Weg als kurveninnere zurück. Der erforderliche Längenausgleich ist jedoch für durchgängige Fasern auf langen Strecken auch bei noch flüssiger Matrix i. A. nicht möglich. Um den Längenausgleich bei einer Umformung dennoch zu ermöglichen, bestehen für das Laminat der Seelen (1) drei Optionen:
- 1. Faseranteil aus endlichen, unidirektional ausgerichteten Faserabschnitten (6).
- 2. Faserbündel als Geflecht.
- 3. Kombination beider vorangehender Optionen, d.h. Faserbündel als Geflecht, bestehend aus endlich langen Faserabschnitten.
-
Zu 1. Besteht der Faseranteil des Faserverbundmaterials der Seelen (1) aus endlich langen Faserabschnitten (6), so muss der Längenausgleich auch nur über begrenzte Längen erfolgen, was in flüssiger Matrix (6) möglich ist. Eine lokale, plastische Längsdehnung des Laminats während einer Bauteilefertigung ist dann möglich, indem sich die Faserabschnitte (4b) voneinander weg verschieben. Je nach Faserlängen und Matrixeigenschaften kann zudem eine begrenzte, lokale Stauchung (Verkürzung) zulässig sein. Ist diese nicht zulässig, müssen die Umformprozesse unter überlagerter Längsdehnung erfolgen, was mittels aufzubringenden Zugs oder durch Walzen sichergestellt werden kann. Bei überlagerter Längsdehnung reduziert sich die Querschnittsfläche der Seelen (1) und somit der der Stränge (3) entsprechend. Dieser Effekt kann bei der Bauteilefertigung auch für eine gezielte Querschnittsflächenanpassung über der Stranglänge genutzt werden, indem die Stränge im Umformprozess entsprechend in Längsrichtung gedehnt werden. Im Vergleich zu unidirektionalen Laminaten mit durchgängig ununterbrochenen Fasern reduziert sich die Festigkeit des aus Faserabschnitten bestehenden Werkstoffs. Dieser Nachteil ist jedoch nur gering, falls sichergestellt wird, dass nicht größere Gruppen (Büschel) benachbarter Faserabschnitte an gleicher oder sehr nahe zueinander liegender Längsposition enden. Die erforderliche Einbindelänge einer Einzelfaser innerhalb der Matrix ist aufgrund des großen Oberflächen-/Querschnittsflächen-Verhältnisses dann sehr gering, wodurch ebenfalls nur sehr geringe Verluste der tragenden Nutzlänge der Faserabschnitte auftreten.
-
Zu 2. Besteht der Faseranteil des Faserverbundmaterials aus einem Geflecht, ähnlich der Faseranordnung in Seilen, so erfolgt bei einer Umformung (siehe 4, 5) ein lokaler Längenausgleich auch bei durchgängigen Fasern. Im Gegensatz zu Seilen, die typischerweise für vielfache Wechselbiegungen ausgelegt sind, ist bei einer Bauteilefertigung gemäß vorliegender Erfindung eine nur einmalige Umformung, ggf. in mehreren Umformschritten, erforderlich. Zudem wirkt die flüssige Matrix während der Umformung als Schmiermittel, wodurch ein Längenausgleich begünstigt wird und erforderlichenfalls auch über längere Bereiche erfolgen kann. Es sind daher Flechtungen mit großer Steigung möglich, so dass die Fasern nahezu in Längsrichtung des Strangs (3) zu liegen kommen und aufgrund der Winkelabweichung nur geringe Verluste der Tragfähigkeit auftreten. Bei Verwendung geflochtener Stränge bleibt die Querschnittsfläche der Seelen (2) und somit auch der Stränge (3) bei allen Umformprozessen weitestgehend erhalten und es ist auch nicht möglich, diese gezielt zu verändern.
-
Zu 3. Beide vorgenannten Varianten haben Vor- und Nachteile, die ggf. in Kombination zu verbesserten Eigenschaften führen.
-
Anforderungen an die Ummantelung (2) bzgl. Verformbarkeit:
-
Umformprozesse erfordern die Dehnfähigkeit der Ummantelung. Da dies ebenfalls eine wesentliche Eigenschaft im späteren Bauteil ist, ist der Werkstoff entsprechend zu wählen.
-
Werden Biegungen unter Vermeidung lokaler Stauchungen ausgeführt, können, auch die Ummantelung betreffend, Stauchungen vermieden werden. Bei Änderungen der Gestalt des Querschnitts (vgl. 5), z. B. bei Verformung eines Strangs mit zunächst kreisförmigem Querschnitt (8a) in einen Rechteckquerschnitt (8b), vergrößert sich die Umfangslänge, so dass die Ummantelung eine in Umfangsrichtung positive Dehnung erfährt. Bei Verringerung der Querschnittsflächen, wie unter Verwendung von Faserverbundseelen aus Faserabschnitten möglich, tritt ein entgegengesetzter Effekt auf. Sofern in diesem Fall die elastische oder thermisch induzierte Schrumpffähigkeit der Ummantelung nicht ausreicht, ist eine Kompensation durch gleichzeitige Änderung der Gestalt des Querschnitts erforderlich.
-
Werkstoffe
-
Faserverbundwerkstoffe:
-
Es bestehen keine systematischen Einschränkungen bzgl. der Werkstoffauswahl, d. h. es sind nahezu alle bekannten Matrix-/Faser-Kombinationen möglich. Als Matrixwerkstoffe eignen sich je nach Anwendung beispielsweise
- • reaktive Harzsysteme, insbesondere Epoxidharze,
- • Thermoplaste, die zur Bauteilefertigung wieder verflüssigt werden können,
- • Zementwerkstoffe für Bauteile der Bauindustrie.
-
Bei Zementwerkstoffen ist eine Härtung i. A. nicht aufzuhalten, weswegen Stränge nicht lagerfähig sind. Die Verwendung der Stränge hat somit unmittelbar nach deren Fertigung zu erfolgen.
-
Als Faserkomponente eignen sich vor allem
- • E-Glasfasern (allgemeine Bauteile, insbesondere auch Federbauteile),
- • S-Glasfasern (z. B. für Federbauteile höchster Energiespeicherfähigkeit),
- • Carbonfasern (Leichtbau),
- • Aramidfasern (Leichtbau, Schutz).
-
Werkstoffe der Ummantelung:
-
Geeignet sind Werkstoffe, die eine elastische oder elastoplastische Verformung zulassen, vor allem:
- • Elastische und kriechfähige Polyurethane.
- • Schäume, z. B. Polyurethanschäume, Hartschäume.
- • Kunststoffe oder Harzsysteme, die zum Zeitpunkt der Bauteilefertigung noch nicht oder noch nicht vollständig ausgehärtet sind, jedoch eine zur Handhabung der Stränge (3) bereits ausreichende Festigkeit und Zähigkeit aufweisen.
- • Elastische Thermoplaste, die während der Bauteilefertigung eine ausreichende Dehnfähigkeit aufweisen, verbleibende Spannungen in einem abschließenden Temperprozess zur Bauteilaushärtung aber wieder zumindest teilweise verlieren.
- • Schrumpffähige Materialien (vergleichbar Schrumpfschläuchen), die in einem die Bauteilefertigung überlagernden oder abschließenden Temperprozess zur Bauteilaushärtung einen Längenausgleich ermöglichen.
- • Silikone.
- • Einer der vorgenannten Werkstoffe, der jedoch selbst mit einem Faseranteil versehen ist, insbesondere in Form anteiliger Kurzfasern, die eine elastische oder elastoplastische Dehnung des Matrixwerkstoffs zulassen.
-
Aufgrund Ihrer Kompressibilität eignen sich Schäume vor allem als Zwischenmaterialien in Bauteilen, deren Belastung bei inkompressiblen Zwischenmaterialien zu einer unzulässigen hydrostatischen Drucklast führen. Hierbei kann sowohl eine Kompression wie Volumendilatation auftreten.
-
Eine Besonderheit stellen mehrlagige Ummantelungen bzw. Beschichtungen der eigentlichen Ummantelungen dar, die im späteren Bauteil zu einer Verbindung der Stränge untereinander führen.
- • Beschichtungen, die nach der Fügung der Stränge aufschäumen (z. B. Polyurethane) und somit Zwischenräume ausfüllen und die Stränge untereinander verkleben.
- • Schmelzklebstoffbeschichtungen oder reaktive Harzbeschichtungen, die nach der Fügung der Stränge in einem thermischen Prozess, insbesondere einer Temperung zur gleichzeitigen Aushärtung reaktiver Matrixwerkstoffe der Faserverbund-Seelen, zu einer Verklebung der Stränge (3) untereinander führen.
-
Strangfertigung:
-
Die Fertigung der Stränge (3) kann über eine Vielzahl an Prozessen erfolgen, die sich vorwiegend in zwei Kategorien einteilen lassen:
- 1. Fertigung einer Seele (1) aus Faserverbundwerkstoff und anschließende Ummantelung der noch nicht gehärteten bzw. thermoplastisch wiederverflüssigbaren Seele mittels Beschichtung oder Folierung.
- 2. Einbringen des Faseranteils der Seele in einen Schlauch aus geeignetem Werkstoff, wobei letzterer, zumindest anteilig, die spätere Ummantelung (2) darstellt.
-
Beispiel zu 1. (UD-Laminat aus Faserabschnitten):
-
Als Edukt dient in diesem Beispiel ein unidirektionales, flächiges Prepreg, das mittels schräger Schnitte in Abschnitte gewünschter Faserlänge geteilt wird. In einem rekursiven Prozess wird das Prepreg abwechselnd entlang der Faserrichtung geteilt (bzw. gefaltet), übereinandergelegt und durch Walzen wieder flach ausgerollt. Ziel dieses Vorgangs ist es, über eine Durchmischung der Fasern senkrecht zur Faserausrichtung zu verhindern, dass größere Faserensembles an gleicher oder nahe beieinander liegender Position in Längsrichtung enden, da dies zu einem Festigkeitsverlust des späteren Laminats führen würde.
-
Die Ummantelung wird nun über ein Spritz-, Lackier- oder Tauchverfahren oder über eine Beschichtungsdüse aufgebracht. Hierbei kann u. a. ein Prozess auf Basis von Extrusion verwendet werden, wie er bei der Beschichtung von Kabeln üblich ist. Da die Matrix des Faserverbundwerkstoffs der Seele (1) im Fall reaktiver Harzsysteme in dieser Phase noch nicht gehärtet wurde, kann es je nach Konsistenz erforderlich sein, durch Temperaturabsenkung eine Mindestfestigkeit für die Handhabung im Ummantelungsprozess zu erzielen.
-
Beispiel zu 2. (geflochtener Faserstrang):
-
Als Edukt dient in diesem Beispiel ein Faserstrang, der in einen Schlauch - den späteren Mantel - eingezogen wird. Der Strang kann in dieser Phase noch trocken oder bereits durch einen Matrixwerkstoff vorimprägniert vorliegen. Bei zunächst noch trockenen Fasersträngen erfolgt nun eine Tränkung, indem der flüssige Matrixwerkstoff durch den Schlauch gedrückt wird. Dies kann über ein Drucksystem erfolgen, wobei in einer Serienfertigung ein hoher Harzfluss (unter Wiederverwertung der Überschüsse) realisiert werden kann, um Lufteinschlüsse zuverlässig auszutreiben. Alternativ oder ergänzend kann aufgrund des duktilen Schlauchs über einen Walzprozess, analog zu einer Schlauchquetschpumpe, der Matrixwerkstoff durch das Laminat gedrückt werden.
-
Bei schrumpffähigen Schläuchen kann ein Teil des verfügbaren Schrumpfvermögens genutzt werden, um weiteres Matrixmaterial auszutreiben und somit einen hohen Faservolumenanteil in der Seele (1) zu realisieren. Der verbleibende Teil des Schrumpfvermögens steht im späteren Bauteilfertigungsprozess zur Kompensation verformungsbedingter Mantelstauchungen zur Verfügung.
-
Bauteilefertigung
-
Entsprechend vorangehender Beschreibung erfolgt die Bauteilefertigung, indem die Stränge (3) zu Bauteilen (8) zusammengefügt werden. Hierbei treten bereits Verformungen der Stränge durch Biegung, Querschnittsänderung und/oder Torsion der Stränge auf. Die Bauteile (8) bestehen schließlich aus einer Anzahl an Strängen, die anhand eines zu definierenden Bauplans zusammengefügt sind.
-
Die Stränge können untereinander reaktiv oder mittels Schmelzklebstoffen verklebt oder durch Aufschmelzen des Mantelwerkstoffs verschweißt werden oder auch zumindest abschnittsweise unverbunden bleiben.
-
In einem vorteilhaften Prozess zur Verklebung und Spaltfüllung kann ein Bauteil mit noch unverklebten Strängen in einen flüssigen Klebstoff getaucht werden, wobei sich unter geeigneten Lastspielen die Zwischenräume zwischen den Wendeln öffnen und somit eine Benetzung mit dem Klebstoff erzielt wird. Nach Entlastung kann der Klebstoff, z. B. durch eine weitere Wärmebehandlung, ausgehärtet werden.
-
Zwei- oder mehrstufige Verformungsprozesse der Bauteilefertigung:
-
Es sind Bauformen möglich, bei denen eine einfache Umformung im Bauteilefertigungsprozess nicht ausreicht, bzw. die Fertigung in einem einzigen Fertigungsschritt nicht praktikabel wäre.
-
In diesem Fall soll aus den Strängen (3) zunächst, beispielsweise über einen Wickel- oder anderweitig halb oder ganz automatisierbaren Prozess, ein Vorläuferbauteil (7) erzeugt werden. Das Vorläuferbauteil weist hierbei bereits wesentliche topologische Strang-Anordnungen des zu fertigenden Bauteils (8) auf, nimmt dabei jedoch noch nicht die finale Gestalt ein.
-
In einem oder mehreren nachgeschalteten, weiteren Umformprozessen wird dem Bauteil die finale Gestalt aufgeprägt. Eine abschließende Härtung des Bauteils erfolgt am Ende aller Verformungsprozesse.
-
Eine derartige, mehrstufige Bauteilefertigung ist vorteilhaft, falls hierdurch ein topologisch komplexer Umformvorgang der Stränge (3) zur Bauteilefertigung in zwei oder mehrere, dafür jedoch topologisch wesentlich einfachere Teilumformungen zerlegt werden kann.
-
Exemplarisch sei ein mögliches Fertigungsverfahren zur Herstellung von Schraubenfedern gemäß vorliegender Erfindung angeführt. In einem ersten Schritt werden die Stränge zu einer gerade gerichteten Torsionsfeder (8a), hier als Vorläuferbauteil (7), analog zur Patentanmeldung mit dem amtlichen Aktenzeichen 102018114583.7 verarbeitet (siehe 6 der Anmeldung 102018114583.7). In einem nachgeschalteten Verformungsprozess wird die so erzeugte Torsionsfeder (7) zu einer Schraubenfeder (8b) gewunden, siehe 7.
-
Verwendung ummantelter Stränge
-
Verwendung vorgefertigter Stränge aus nicht ausgehärtetem oder thermoplastisch verformbarem Faserverbundmaterial mit umhüllenden, elastisch oder elastoplastisch verformbaren Mänteln zur Erstellung von Bauteilen, bei denen Teilbereiche des Faserverbundmaterials durch die aus den Mänteln gebildeten inneren Dehnfugen oder -schichten zueinander elastisch entkoppelbar sind.
-
Umformbare Stränge
-
Verwendung vorgefertigter, wobei die Stränge vorübergehend durch den elastisch oder elastoplastisch verformbaren Mantel, eine noch fließfähige oder thermoplastisch verflüssigbare Matrix und durch relativ zueinander verschiebbare Fasern verformbar sind, insbesondere in Form von Biegung und/oder Torsion und/oder Querschnittsveränderung.
-
Fasern mit begrenzter Länge
-
Verwendung vorgefertigter Stränge, wobei die Fasern aus Faserabschnitten begrenzter Länge bestehen, insbesondere eine Länge kürzer als die Gesamtlänge des Strangs und länger als die größte QuerErstreckung des Strangs, insbesondere eine Länge zwischen 0,5 und 30 cm, insbesondere eine Länge zwischen 1 und 15 cm und somit relativ zueinander in ihrer Längsrichtung verschiebbar sind und somit ein Längenausgleich unter Beibehaltung der Faserorientierung erfolgen kann.
-
Fasern als Geflecht
-
Verwendung vorgefertigter Stränge, wobei die Relativverschiebung der Fasern zueinander und damit ein Längenausgleich ermöglicht wird durch eine Anordnung der Fasern zueinander als Geflecht.
-
Kombination aus Geflecht und Fasern mit begrenzter Länge
-
Verwendung vorgefertigter Stränge, wobei der Faserstrang als Geflecht ausgeführt ist und aus Faserabschnitten besteht.
-
Flüssige Matrix
-
Verwendung vorgefertigter Stränge, wobei die Matrix flüssig oder verflüssigbar ist, indem sie aus einem thermoplastischen Material oder einem reaktiven Harz oder einem Zementwerkstoff, insbesondere aus einem Mehrkomponenten-Kunstharz oder einem lichthärtenden Kunstharz oder einem Naturharz oder Bauzement besteht.
-
Eigenschaften Mantel
-
Verwendung vorgefertigter Stränge, wobei die Ummantelung aus einem thermoplastischen oder reaktiven oder durch Trocknung härtbaren Werkstoff besteht, der im Verlauf der Bauteilefertigung ein Verschweißen bzw. ein Ineinanderfließen oder Verkleben benachbarter Strangummantelungen oder mit optional zugefügten Zusatzwerkstoffen, beispielsweise in Form von Zwischenlagen oder Füllstoffen, ermöglicht.
-
Mantel aus Faserverbundwerkstoff
-
Verwendung vorgefertigter Stränge, wobei die Ummantelung selbst aus einem thermoplastischen oder reaktiven oder durch Trocknung härtbaren Faserverbundwerkstoff besteht, insbesondere in Form anteiliger Kurzfasern, die eine elastische oder elastoplastische Dehnung des Matrixwerkstoffs zulassen.
-
Partielle Mäntel
-
Verwendung vorgefertigter Stränge, wobei die Ummantelung partiell unterbrochen ist und/oder Ummantelungen aus abschnittsweise unterschiedlichen Werkstoffen und Dicken bestehen.
-
Verfahren: Zusammensetzen gemantelter Stränge
-
Verfahren zur Herstellung von Bauteilen, bei denen Teilbereiche eines Faserverbundmaterials durch innere Dehnfugen oder -schichten zueinander elastisch entkoppelbar sind, wobei die Bauteile aus vorgefertigten Strängen aus nicht ausgehärtetem oder thermoplastisch verformbarem Faserverbundmaterial mit umhüllenden elastischen Mänteln zusammengesetzt werden.
-
Verfahren: Umformen des Gesamtbauteils
-
Verfahren zur Herstellung von Bauteilen, wobei nach dem Zusammenfügen gemantelter Stränge weitere Umformschritte erfolgen und erst anschließend das Aushärten bzw. die Erstarrung erfolgt.
-
Verfahren: Umformen des Gesamtbauteils, Zwischenhärtung
-
Verfahren zur Herstellung von Bauteilen, wobei nach Zusammenfügung, Umformung und Härtung bzw. Erstarrung eine Zusammenfügung mit weiteren Strängen und Prozesse der Zwischenhärtung bzw. abschließenden Härtung erfolgen.
-
Verfahren: gebogene Feder (Schraubenfeder)
-
Verfahren zur Herstellung gebogener Federn, insbesondere Schraubenfedern, aus Zwischenprodukten anderer Gestalt, insbesondere gerade gerichtete torsions- und/oder schubtragende Grundformen.
-
Verkleben der Stränge
-
Verfahren zur Herstellung von Bauteilen, wobei die Stränge miteinander verklebt werden, insbesondere durch thermoplastisches oder reaktives Verbinden der Mäntel miteinander oder durch Trocknung oder durch einen zusätzlichen Klebstoff.
-
Verfahren: Zusammensetzen gemantelter (trockener) Stränge, Infusion
-
Verfahren zur Herstellung von Bauteilen, wobei die zur Herstellung zu verwendenden Stränge zumindest teilweise aus vorgefertigten Faserbündeln bestehen, die in schlauchförmige Mäntel eingezogen und erst anschließend mit Kunstharz imprägniert werden, wobei die Durchtränkung der Faserbündel mit dem Matrixwerkstoff mittels eines Drucksystems oder durch Walzen erfolgt.
-
Verfahren: 2-Dimensionales Rühren (Falten/Walzen, Kneten)
-
Verfahren zur Herstellung von Faserverbundsträngen aus Faserabschnitten, wobei die Faserverbundseele aus Prepreg-Werkstoffen hergestellt wird, die zunächst über Schrägschnitte in Faserabschnitte zerteilt werden und anschließend in einem sich gegebenenfalls mehrfach wiederholenden Prozess umgeformt wird, insbesondere gefaltet und wieder ausgewalzt oder wiederholend ihre Querschnittsfläche in ihrem Aspektverhältnis verändert wird.
-
Verfahren: Strangwalzen mit Faserabschnitten
-
Verfahren zur Herstellung von Faserverbundsträngen aus Faserabschnitten, wobei die Faserverbundseele aus Faser-Matrix-Gemischen hergestellt wird, die über einen sich ggf. mehrfach wiederholenden Prozess stranggewalzt und/oder extrudiert werden, wodurch sich die Faserabschnitte zunehmend längs ausrichten und ein optimierter Faservolumenanteil erzielt wird.
-
Verfahren: Herstellung Mantel mit gekühltem Kern
-
Verfahren zur Ummantelung von Faserverbundsträngen aus reaktiven, unausgehärteten Matrixwerkstoffen, wobei der Ummantelungswerkstoff über ein Lackierverfahren, Tauchverfahren, Spritzverfahren oder mittels Extrusion oder als Folie aufgebracht wird, wobei ein noch nicht ausgehärtetes Harzsystem, das durch Temperatureinwirkung in einen fließfähigen Zustand gebracht werden kann, durch eine vorübergehende Temperaturabsenkung in eine für den Ummantelungsprozess erforderliche weitgehende Erstarrung gebracht wird.
-
Anwendung
-
Torsionsrohr-Feder, Torsionsstab, biegeelastische Torsionswelle, Antriebswelle, Drucktank oder Schraubenfeder, wobei sie aus gemantelten Strängen nach einem oder mehrerer der vorangegangenen Ansprüche bestehen oder nach einem Verfahren gemäß der vorangegangenen Ansprüche hergestellt ist.
-
Definitionen
-
Mit „elastoplastisch“ wird ausgedrückt, dass ein plastischer Anteil der Verformung auftritt, darüber hinaus weitere Elastizität.
Weitere praktische Ausführungsformen und Vorteile der Erfindung sind nachfolgend im Zusammenhang mit den Zeichnungen beschrieben. Es zeigen:
- 1 einen Strang, bestehend aus einer Seele aus Faserverbundwerkstoff (1) und einer Ummantelung (2),
- 2 anliegende Stränge als Detailausschnitt eines Bauteils, wobei die Ummantelung hierbei die Funktion von Dehnfugen übernimmt,
- 3 einen Ausschnitt eines Bauteils, das aus Strängen (3) aufgebaut ist,
- 4 eine Strangumformung durch Biegung. Interner Längenausgleich durch Faserabschnitte begrenzter Länge. Fasern mit Teilung (4a) liegen nach Biegen des Bauteils als Fasern mit einer Lücke (4b) vor,
- 5 eine Strangumformung, hier Querschnittsänderung. Ein zunächst kreisrunder Querschnitt wird vor der Härtung zu einem rechteckigen Querschnitt umgeformt,
- 6 einen inneren Aufbau eines Bauteils am Beispiel eines geraden Torsionsträgers, welcher ein Endprodukt als Torsionsrohr oder Torsionsstab darstellen kann oder als Vorläuferbauteil in einem nachgeschalteten Umformschritt in ein Endprodukt anderer Gestalt überführt werden kann. Im Inneren kann ein Bauteilkern (9) verwendet werden, der ebenfalls aus einem gemantelter Strang mit beschriebenen Verfahren hergestellt werden kann. Um ihn herum befinden sich gegenläufig gewickelte Stränge, die jeweils einen elastischen Mantel zur Entkopplung enthalten,
- 7 eine Umformung eines geraden Vorläuferbauteils, welches die Gestalt eines Torsionsstabes aufweist, zu einem fertigen Bauteil am Beispiel einer Schraubenfeder.
-
Bezugszeichenliste
-
- 1
- Seele eines Strangs
- 2
- Ummantelung eines Strangs
- 3
- Strang, bestehend aus Seele und Ummantelung
- 3_inner
- Strang der inneren Lage (typischerweise Druckbelastet)
- 3_outer
- Strang der inneren Lage (typischerweise Zugbelastet)
- 4a
- Faserabschnitte ohne Verformung
- 4b
- Faserabschnitte mit Verformung und entstandener Lücke
- 5
- Anpresskraft zum Verformen in Richtung eines rechteckigen Querschnitts (in Richtung eines Quaders).
- 6
- Matrix eines Faserverbundwerkstoffs
- 7
- Vorläuferbauteil
- 8
- Bauteil, bestehend aus zusammengefügten Strängen
- 8a
- Torsionsfeder, insbesondere in gerader Form als Torsionsrohr oder Torsionsstab
- 8b
- Schraubenfeder
- 9
- Optionaler Bauteilkern, der auch als gemantelter Strang ausgeführt sein kann